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Es war so unfair! Wie sollte man als Mann ein halbwegs gepflegtes Gespräch führen, wenn ausgerechnet beim Anblick der atemberaubendsten Frau die ganze unwichtige restliche Welt schlagartig zu existieren aufhörte?
Außerdem: Wozu noch lange reden? Ein paar entschlossene Griffe hätten doch mehr als genug gesagt.
Aber das wagte ich nicht.
Noch nicht.
*
Sie hatte diese Probleme nicht. Was immer sie tat, wirkte natürlich, spontan und vollkommen ungezwungen. So wie jetzt, als sie sich unvermittelt erhob und neugierig begann, meine CDs und DVDs durchzusehen.
Bis sie auf etwas Interessantes stieß.
„’Die Geschichte der Null’“, las sie vor. „Ist das was Mathematisches?“
Ja, klar, gab es in Kasachstan überhaupt Kinos? War da das Fernsehen schon erfunden?
Ich hüstelte nervös. Ein Auflachen unterdrückte ich lieber, damit sie mir nicht einschnappte. Aber dass sie so naiv sein konnte, fand ich denn doch zu komisch. So dauerte es etwas, bis ich stockend zu antworten vermochte:
„Nicht direkt. Ähm. Ist so’n alter Film. Kennst du wahrscheinlich nicht.“
Sie nickte verständnisvoll. Dann rief sie aus:
„Da ist ja eine Frau drauf!“
„Ja? Ist mir noch gar nicht aufgefallen.“
Lange besah sie das Cover, bis sie versonnen vor sich hin sagte:
„Die hat gar nichts an.“
Der Klang ihrer Stimme verhieß nichts Gutes. Ich hatte schon viel zu viele Frauen kennengelernt, die paradoxerweise auf andere Frauen, speziell auf nackte, gar nicht gut zu sprechen waren. Und die nicht einmal den Unterschied zwischen Porno und Erotikfilm kannten. Also wiegelte ich vorsichtshalber entschieden ab:
„Das sieht wohl nur so aus.“
„Man sieht ihre Brüste.“
„Kann gar nicht sein!“
Corinne Clery hätte meine Worte nicht hören dürfen, denn für ihre hinreißende Darstellung der O würde ich die kleine Pariserin in Wirklichkeit bis zu meinem Dahinscheiden aus tiefstem Herzen verehren. Doch Blondie ließ sich nicht von ihrem Kurs abbringen:
„Nein, sie hat nichts an! Sieh doch selbst!“
„Oh ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Sie ist ein Waisenkind, das mit seinen Eltern auf der Flucht ist. Die Eltern sind arm, sehr arm, und sie haben alles verloren. Zuletzt auch noch die Kleider ihrer Tochter.“
Autsch! Ich hatte schon das Gefühl, etwas zu dick aufgetragen zu haben. Doch mein blonder Engel erwiderte in aller Unschuld:
„Ach! Fast wie bei mir. Nur das mit den Kleidern nicht.“
Schade, dachte ich, aber das können wir doch rasch in Ordnung bringen. Und sagte listig:
„Kleider sind gar nicht so wichtig.“
„Was hat sie denn da um den Hals?“
„Ach das …“
Einen Sklavenring, wäre die korrekte Antwort gewesen. Aber das war ein Stichwort, das mir bei so einem unschuldigen jungen Ding zu riskant schien. Also sagte ich lieber:
„Ist wahrscheinlich nur so ein Schmuckstück.“
„Ob mir das stehen würde?“
Sie sagte das genau in dem Moment, in dem ich von hinten an sie herangetreten war. Ich musste unbedingt die DVD-Hülle sicherstellen, ehe sie mich mit ihrer endlosen Fragerei so weit in die Enge getrieben hatte, dass mir vielleicht wirklich keine Ausrede mehr einfiel.
„Oh, ganz sicher“, erwiderte ich, indem ich mit spitzen Fingern eine Linie um ihren bildschönen Hals zog, dort, wo der Sklavenkragen in etwa zu liegen gekommen wäre. Sie drehte den Kopf zu mir, lächelte heiß und entwand sich mir ein weiteres Mal.
Wenigstens hatte ich jetzt die DVD.
*
Ihre Figur war ein Traum. Rank und schlank, alles in perfekter Balance. Michelangelo hätte seine Freude an ihr gehabt.
Die kleinen, feinen Ausbuchtungen vorne wie hinten beeindruckten mich schon in Ruhestellung über alle Maßen. Doch sie bewegte sich auch noch geschmeidig wie eine junge Katze, und mit jeder Bewegung offenbarten sich neue aufregende Ansichten. Ihre Arme waren auffallend schmal, so dass ich ein ums andere Mal registrieren konnte, wie mein Beschützerreflex ansprang und ich das heftige Bedürfnis verspürte, ihr eine starke Schulter zu sein, an die sie sich schutzsuchend anlehnen konnte. Auch ihre Taille war schmal. So schmal, als habe die Natur ein Ausrufezeichen setzen wollen, um darauf aufmerksam zu machen, dass darunter umwerfende Hüften zu einem Becken ausluden, welches an Weiblichkeit nicht das Geringste zu wünschen übrig ließ.
Und dann diese Beine.
Wow!
Ihre schiere Länge hätte zu dem Trugschluss verleiten können, dass sie unmittelbar unter den Schultern beginnen mussten. Das war glücklicherweise nicht der Fall. Bei diesem Prachtkind war alles am richtigen Platz, da war ich nahezu sicher. Um die erforderliche letzte Gewissheit zu erlangen, musste ich natürlich erst gewisse verborgenere Partien dieses märchenhaften Körpers hautnah in Augenschein nehmen. Was momentan leider noch durch einige vollkommen überflüssige Kleidungsstücke verhindert wurde.
Als sie mir jetzt vom Fenster her zulächelte, hatte sie für einen Moment etwas von der sehr jungen Cameron Diaz, über die ich ein paar Wochen zuvor einen hochinteressanten Aufsatz in der französischen Ausgabe des Fachmagazins Playboy gelesen hatte. Es war ein sehr informativer Artikel gewesen, gewissenhaft recherchiert und kompetent geschrieben. Praktischerweise ergänzt durch einzelne Hochglanzbilder, die dem Leser eine sehr viel tiefergehende Vorstellung von Gedanken, Träumen und Persönlichkeit dieser bemerkenswerten jungen Frau aus der kalifornischen Provinz vermittelten, als es trockener Text allein vermocht hätte. Eines jener Bilder war sogar so großformatig angelegt gewesen, dass man es zum Betrachten umständlich aus der Zeitschrift herausklappen musste.
Mein blonder Engel hätte sich auf einem solchen Hochglanzfaltbild bestimmt auch hervorragend gemacht.
Ich sah die Kleine an und fühlte dieses vertraute Kribbeln in meinen Fingern, die endlich etwas Handfestes zum Greifen haben wollten. Weiche Haut, duftendes Haar, feste Pobacken. Ich liebte den Griff auf beide Hälften des Sitzfleisches, mit dem man ein Becken so machtvoll an sich heranziehen konnte, dass sich das resultierende leichte Zurückfedern als harmonischer Übergang zu rhythmischen Hüftbewegungen geradezu anbot. Es war an der Zeit, diesen und andere wichtige Griffe an meiner reizenden Besucherin praktisch auszuprobieren.
Die Art, wie sie sich durch den Raum bewegte, hatte etwas schwerelos Schlenderndes und war zugleich verlockendes Anpreisen auf höchstem Niveau. Jahre zuvor hatte ich einmal bei einem Kunden aus der Industrie das Vorturnen mehrerer Dutzend bestens gewachsener junger Damen miterleben dürfen. Es war um Engagements als Messehostess gegangen, einen Knochenjob, aber spitzenmäßig bezahlt und offenbar sehr attraktiv für die Elite der lokalen Stöckelschuhgazellen. Die meisten Kandidatinnen hatten bereits Erfahrungen in ähnlichen Jobs gesammelt, die eine oder andere eventuell sogar in gewissen Etablissements mit geschlossener Gesellschaft.
Dementsprechend rasch war ich bei jener Grazienschau nicht mehr in der Verfassung gewesen, mich ohne Erregung öffentlichen Ärgernisses von meinem Stuhl zu erheben. Die perfekte Mischung aus professionellem Laufsteggehabe und kompromisslosem Zurschaustellen weiblicher Attribute hatte meinen Herzschlag schockierend in die Höhe getrieben und mich binnen kürzester Zeit für horizontale Vergnügungen jeglicher Art einsatzbereit gemacht.
Und genau diese Mischung erlebte ich nun wieder bei Blondie.
Auch sie schwebte durch den Raum wie von unsichtbaren Fäden getragen. Manchmal schien es mir, als berührte sie nicht einmal mehr den Boden. Jeden Augenblick rechnete ich damit, dass sich hinter ihrem Rücken imposante weiße Engelsflügel entfalten würden.
Im Vergleich zu den Grazien jenes Schaulaufens hatte sie freilich einen geradezu unschätzbaren Vorzug: Diesen blonden Engel hatte ich schon so gut wie im Bett. Ich musste nur noch herausfinden, wie ich den unvermeidlichen Sturmangriff am überzeugendsten kaschieren konnte.
Unversehens kam mir der Zufall zu Hilfe.
„Hach!“, japste sie plötzlich und sank unvermittelt in die Knie.
Sie befand sich ausgerechnet am anderen Ende des Raumes, doch da es sich offenkundig um einen Notfall handelte, war ich ihr mit wenigen entschlossenen Schritten beigesprungen. Sofort kniete ich neben ihr nieder und fragte besorgt:
„Was ist denn los?“
„Ach, wahrscheinlich nichts, … ich … ahhh!“
„Wo tut’s denn weh?“
„Hier… ahhh … autsch …“
Sie wies auf ihren Knöchel.
Es war ein entzückender Knöchel, den ich unbedingt eingehend untersuchen musste. Natürlich kam ich meiner Pflicht mit größter Sorgfalt nach.
„Man sieht gar nichts.“
„Vielleicht schaust du nicht richtig.“
„Eigentlich kenne ich mich mit sowas aus.“
„Glaubst du, das Bein kann gerettet werden?“
Ich lachte.
„Wäre echt schade drum. Bist du umgeknickt?“
„Weiß nicht, … da am Teppich, irgendwie …“
„Ja, da ist diese Kante. Ist man schnell dran hängengeblieben. Kannst du aufstehen?“
Sie konnte, und angeschmiegt an meine starke Schulter schaffte sie es unter tapferem Seufzen tatsächlich auf die Ledersitzecke. Leider hatte es sich bei der überstürzten Rettungsaktion nicht vermeiden lassen, dass meine Hände auch kurz über ihre Brüste, über ihre Schenkel und besonders sanft durch ihre Leisten geglitten waren. Völlig unbeabsichtigt, versteht sich.
Wir lagerten den verwundeten Knöchel auf dem lehnenlosen Zusatzelement, und als ich ihren Fuß noch einmal abtastete, jaulte sie auf:
„… nicht so fest …“
Ihr Atem ging auf einmal schwer, und ihr prachtvoller Busen machte getreulich jeden Atemzug mit. Mir wurde ganz anders, als ich gewahr wurde, dass sie mir plötzlich sehr, sehr tief in die Augen sah.
Ich kniete vor dem Polster, auf das ihr Fuß gebettet lag, und sah sie gebannt an. Ihre Zehen regten sich sachte in den schmalen Riemenschuhen, und da verlor ich wohl die Kontrolle. Ehe ich wusste, was ich tat, hatte ich mich schon nach vorne gebeugt, ihren Fuß samt Schuh zwischen beide Hände genommen und einen hungrigen Kuss auf ihren entblößten unteren Spann gedrückt.
Darüber erschrak ich selbst dermaßen, dass ich plötzlich fühlte, wie ich errötete. Ich wagte nicht einmal aufzusehen und küsste den Fuß in einer jähen Anwandlung ein zweites Mal und ein drittes Mal. Und dann gleich noch einmal.
Es war der erste Frauenfuß, dem ich diese hohe Ehre zuteil werden ließ. Kann sein, dass ich schon irgendwann vorher während dieses oder jenes Liebesspiels beim Erforschen eines Frauenkörpers auch einem Fuß einen flüchtigen Kuss verabreicht hatte. Doch nie war es zu einer vergleichbaren Zeremonie wie diesmal gekommen. Und während sich meine Lippen noch sehnsüchtig auf die zarte Haut dieses niedlichen kleinen Gebildes drückten, empfand ich plötzlich eine veritable Angst, mein blonder Engel könne mich zu Unrecht für einen armseligen Fußfetischisten halten.
Scheu blickte ich zu ihr auf.
Sie erwiderte meinen Blick lange und fragte dann sanft:
„Ist es das, was du gemeint hast?“
„Was?“
„Dass du dich mit sowas auskennst.“
Ich schluckte. Senkte den Blick. Und sah wacker wieder zu ihr auf.
Ihr Blick war noch berückender geworden. Sie hatte den Kopf nach vorne geneigt und sah mich unter der goldenen Haube ihrer Haarpracht hervor so sinnlich an, dass ich auf einmal das schier untrügliche Gefühl hatte, mit Blicken entkleidet zu werden. Das war mir nie zuvor passiert, und ich muss zugeben, dass es mich enorm einschüchterte.
Ob Frauen das gleiche demütigende Prickeln empfanden, wenn sie das tausendste Mal in der Öffentlichkeit von ihrem Gegenüber mit Blicken bis auf die sich nackt aufrichtenden Brustwarzen freigelegt wurden?
Das Füßchen dieser selbstsicheren jungen Frau regte sich vor meinen faszinierten Augen keck und unschuldig wie die erwachende Geliebte in den ersten Sonnenstrahlen des frühen Morgens.
Ohne es zu wollen, stöhnte ich auf.
Aus purer Verlegenheit presste ich ein weiteres Mal meine Lippen auf ihren süßen kleinen Fuß. Sie ließ es anmutig geschehen.
Ich bebte vor Lust.
Und urplötzlich übermannte mich das Gefühl, dass dieses hinreißende junge Weib schon viel, viel mehr über Sex wieder vergessen hatte, als ich jemals darüber lernen würde.
6
Sie sah mich dann geraume Zeit an, und mir wurde zunehmend unwohl dabei. Ihre Blicke schienen mir derart durchdringend, dass ich mich vollkommen durchschaut fühlte, und möglicherweise war ich das sogar. So traf es mich wie ein Keulenschlag, als sie mit ihrer feminin samtigen Stimme auf einmal sagte:
„Du hast lange keine Frau gehabt, nicht wahr!“
Es war eine Feststellung, keine Frage, doch ich versuchte auszuweichen:
„Ach, ich, das würde ich so nicht …“
„Wie lange?“
„Also, das … das möchte ich nicht …“
„Antworte!“
Etwas Schneidendes lag in ihrer Stimme. Das war immer noch dieses becircende Stimmchen, das mich den ganzen Abend lang auf Wolke sieben gehalten hatte. Doch da war auch ein unüberhörbarer Unterton, der mir ganz ohne Worte zu verstehen gab: ‚Entweder du redest jetzt, oder du kannst dir für den Rest der Nacht jeden Gedanken an Sex abschminken’.
Das wollte ich auf keinen Fall.
„Ein halbes Jahr“, stieß ich heiser hervor, „nein, nein: über ein Jahr!“
Ohne ersichtlichen Grund hatte mich auf einmal die Vorstellung gepackt, dass sie in meinen Gedanken lesen konnte wie in einer Speisekarte und dass sie meine Lüge mit dem halben Jahr sofort durchschaut hatte. Wenn sie mich nun ausgerechnet deswegen aufs Abstellgleis geschoben hätte – nicht auszudenken! Dann lieber die Wahrheit gesagt, auch wenn mich die als Liebhaber in einem ziemlich miesen Licht erscheinen ließ.
„Na also, war doch gar nicht so schwer.“
Ihre Worte waren wie ein begütigendes Streicheln über meinen Nacken, mit dem ich mich sehr wohl gefühlt hätte, wäre da nicht die beunruhigende Ahnung gewesen, ihr auf eine seltsame Weise ausgeliefert zu sein.
Zaghaft schüttelte ich den Kopf.
„Dann onanierst du viel, oder?“
Ich war fassungslos, wie unbekümmert sie das schändliche Wort aussprach, ganz abgesehen davon, dass sie die hochnotpeinliche Befragung mit äußerster Selbstverständlichkeit durchführte. Es war wirklich, als gäbe es für sie nichts Normaleres auf der Welt.
Trotzdem protestierte ich jetzt:
„Darüber will ich nicht … nicht … Wie kannst du nur so etwas fragen?“
„Gib Antwort!“, sagte sie völlig ruhig. „Auf der Stelle!“
Ich kann nicht sagen, weshalb ich sie an diesem Punkt nicht rigoros zurechtwies oder sie gleich aus dem Haus warf. Oder nein: Einen Punkt weiß ich schon, eigentlich zwei. Insgesamt sogar drei. Wenn man ihre sehenswerte Rückseite dazurechnet, vier beziehungsweise fünf.
Denn mittlerweile saß sie nicht mehr so reglos da wie zu Beginn. Sie bewegte sich vielmehr auf eine kaum wahrnehmbare, sinnliche Art, der ich nichts entgegenzusetzen hatte. Es war wie das lautlose Gleiten einer Anakonda, die sich ihrem Opfer nähert, bis dem kein Ausweg zur Flucht mehr bleibt. Und die es dann erbarmungslos bei lebendigem Leib verspeist.
„Ja, sicher“, stieß ich schließlich kleinmütig hervor. „Macht doch jeder.“
Ohne es zu wollen, sah ich zu Boden wie ein ertappter Fünftklässler. Ich fühlte, dass ich errötete. Doch im nächsten Moment hörte ich sie sagen:
„Na, da muss man doch was tun. Komm mal her zu mir!“
Ich war jetzt vollkommen von der Rolle und hätte dringend jemanden gebraucht wie einen Regisseur oder einen Verkehrspolizisten oder auch bloß ein billiges elektronisches Navigationssystem, um mich wieder in der Welt zurechtzufinden. Doch ich war auf mich allein gestellt. Weil mein Gehirn trotz allen Bemühens keinen einzigen verwertbaren Gegenvorschlag zu unterbreiten vermochte, tat ich wie mechanisch, wozu sie mich aufgefordert hatte. Als ich mich erhoben hatte und vielleicht eine Armlänge von ihr entfernt stand, fühlte ich mich einfach nur unendlich hilflos.
Sie lächelte mich von unten heraus an, wissend und herausfordernd, und sie bewegte sich noch immer in dieser schlangengleichen Art, die mich so einschüchterte. Der Ausschnitt ihres Tops gewährte von oben jeden Einblick, den sich ein Mann wünschen kann. Ich wusste mit absoluter Sicherheit, dass ich ihr keinen Wunsch abschlagen würde. Keinen einzigen.
„Nimm mal die Hände in den Nacken“, forderte sie mich auf, „beide!“
Vor Verlegenheit bebend biss ich mir auf die Lippen, versuchte mir eine Antwort auszudenken, mit der ich mich verweigern konnte, ohne sie gegen mich aufzubringen. Weil mir keine einfiel, tat ich schließlich widerstrebend, was sie verlangt hatte. Von da an wurde es besser.
Sie ließ ihre flache Hand an meiner Hose aufwärtsgleiten, sachte und mit Bedacht, und sie sprach dabei leise Worte, die ich schon gar nicht mehr als solche mitbekam. Dann das gleiche am anderen Bein. Ich atmete heftig, ja keuchte, obwohl ich doch nur dastand.
Es war eine bizarre Situation. Mit fügsam erhobenen Armen stand ich vor einem Mädchen, einer jungen Frau, die ich noch am Morgen nicht gekannt hatte. Ich hatte sie mitgenommen, weil sie kein Obdach gehabt hatte und nicht einmal die Mittel, sich für die Nacht einfach ein Zimmer zu nehmen. Trotzdem harrte ich jetzt bebend vor ihr aus, ließ gefügig meinen Intimbereich inspizieren und brachte selbst nicht mehr zustande als ein bisschen lüsternes Keuchen. Wie ein Tölpel nahm ich es hin, dass sie mich immer wieder aus dem Nichts mit kleinen Neckereien verspottete. Und statt ihr mit gleicher Münze heimzuzahlen, wagte ich nicht einmal, mit der Hand meinem eigenen Ständer behilflich zu sein, der seit einer kleinen Ewigkeit vergebens versuchte, sich gegen die hinderliche Hose durchzusetzen.
„Oh weh!“, hörte ich da wieder die Stimme meines blonden Engels. „Das ist ja noch viel schlimmer, als ich dachte. Du möchtest jetzt wirklich sehr gerne, nicht wahr?“
Ich schluckte hart. Und nickte.
Es war beschämend, das vor ihr einfach zuzugeben, vor allem wo sie schon wusste, dass ich so lange nicht zum Schuss gekommen war. Doch ihre Hand lag schon fast an der richtigen Stelle, sie musste nur noch eine Handbreit zur Mitte rutschen.
Aber das tat sie nicht.
Ohne es zu wollen, hatte ich die Augen geschlossen. Was die Sache nicht einfacher machte, sondern mich erst recht zum willfährigen Opfer dieser erbarmungslos erregenden Hand. Beschämt registrierte ich, dass mein Becken in Bewegung geriet. Doch ich war unfähig, damit aufzuhören.
Bis ich irgendwann spürte, dass ihre Hand nicht mehr da war.
Ich schlug die Augen auf. Enttäuscht. Und schluckte vor Verlegenheit.
Sie sah zu mir auf mit einem Blick, der Steine durchdrungen hätte: sanft, fürsorglich, begütigend, aber auch wissend und ein unübersehbares bisschen arrogant.
„Ich sage dir, was wir tun werden“, hauchte sie, und der Anblick ihrer vollen Lippen war eine Offenbarung.
Vage nahm ich wahr, dass ich nickte.
Es geschah wie von selbst, ohne dass ich erst über ihre Worte nachgedacht hätte. In meinem Kopf flackerten die Bilder durcheinander. Ich sah uns beide am Bahnhof, wo ich tollpatschig ihr Gepäck geschleppt hatte, sah uns plaudernd in der Studentendisco, ich sah ihren verzweifelten Blick, als sie von ihrem Missgeschick mit der Unterkunft berichtet hatte, und ich sah dieses wissende Lächeln, das jetzt über ihr Gesicht glitt, jetzt, da sie sich so vollkommen unbekümmert unweit meines Geschlechts zu schaffen gemacht hatte.
War das wirklich immer ein und dasselbe Mädchen?
Hatte ich etwas Wichtiges verpasst?
Und was genau mochte sie vorhaben, wenn sie so ohne jede Hemmung auf das eine Ziel lossteuerte, das eigentlich mein Ziel gewesen war? Würde sie schon bald zuvorkommend die Lippen über meine Eichel legen und es damit dann gut sein lassen? Oder doch gleich echten, klassischen Sex nur für die eine Nacht, die sie unter meinem Dach schlief? Sozusagen Vorkasse in Naturalien für eine Übernachtung mit Frühstück?
Oder war alles nur ein schrecklicher Irrtum, eines dieser herzlosen Spiele, das Frauen zur Selbstbestätigung spielen, wenn sie wittern, dass ein Mann, der sie nicht interessiert, bedingungslos scharf auf sie ist?
Dann, ich glaubte meinen Ohren nicht mehr trauen zu können, vernahm ich wieder dieses Stimmchen, schmeichelnd, lockend, mit aller Süße der blutjungen Frau:
„Ich wette, ein großer Junge wie du hat hier irgendwo seine Spielsachen versteckt.“
„Spielsachen?“, wiederholte ich heiser.
„Tu nicht so, du weißt, was ich meine.“
Das wusste ich genau. Aber ich konnte nicht glauben, dass sie es wusste.
Ich meine, auf meiner Stirn war kein Aufkleber angebracht, der verriet: „Spielt gerne mit Stricken!“, oder: „Besitzer mehrerer Kopfgeschirre“. Wieso also konnte sie so sicher sein, dass sie damit bei mir ins Schwarze treffen würde?
Ich hatte die Spielsachen grundsätzlich nur hinter verschlossener Tür benutzt, im Verborgenen, und die wenigen Versuche, sie bei dem einen oder anderen Betthäschen ins Spiel zu bringen, waren allesamt schon im Ansatz kläglich gescheitert. Sie konnte es also nicht wissen.
Und doch wusste sie es.
„Na, nun lauf schon!“, spornte sie mich an. „Lauf und bring sie mir!“
Sie sagte das exakt in dem Tonfall, in dem eine Hundehalterin gesagt hätte: „Na, nun bring schön das Balli, bring es zu Frauchen!“
Was mich freilich nicht davon abhielt, noch kurz in Frauchens Gesicht zu blicken, um mich zu vergewissern, dass sie das ernst meinte. Aber dann war ich auch schon fort. Ich ging in mein Schlafzimmer, nein, ich sauste dorthin, und auf dem ganzen kurzen Weg zerbrach ich mir den summenden und brummenden Kopf, was ich denn nun Schönes apportieren sollte.
Oben fühlte ich mich vom ersten Moment an seltsam unter Druck. Drunten wartete jetzt eine unternehmungslustige junge Frau auf mich, die ich insgeheim schon fest eingeplant gehabt hatte für die traditionellen Reize der Nacht, die sich aber nun verblüffenderweise auch noch aufgeschlossen gab, was meine ganz speziellen Vorlieben anging.
Allerdings: So viel hatte sie ja gar nicht gesagt, und wenn ich nun das Falsche anbrachte, dann vermasselte ich mir das schöne Abenteuer vielleicht wirklich auf den allerletzten Drücker.
Ich sah die vertrauten Sachen durch, die mir als erstes unterkamen, eine Menge Stricke, Dildos, Handschellen, Knebel, und ich konnte mich einfach nicht entscheiden. Erst packte ich ein Taillenkorsett und ein Halsband mit Leine, dann legte ich sie wieder weg und kramte stattdessen ein paar Stricke zusammen. Dann auf einmal überkam mich die schiere Panik, dass es sich da unten eine traumhafte junge Frau noch anders überlegen könnte, bloß weil ich hier so lange unschlüssig herumtrödelte. Also packte ich entschlossen eine der Kisten, ohne noch lange nachzudenken, und hastete damit so schnell es ging wieder die steile Treppe hinunter.
Sie hatte sich nichts anders überlegt. Nicht einmal von der Stelle gerührt hatte sie sich. Sie saß da noch immer vor ihrem nicht prickelnden Mineralwasser, hatte lässig ein Bein über das andere geschlagen und sah einfach nur umwerfend aus.
„Ziemlich unordentlich“, nörgelte sie spitz, als ich die Kiste vor sie hinstellte. Ich hatte das wohl tatsächlich nicht sonderlich elegant getan, doch ich war eben komplett in Auflösung.
„Ich hab es nur eben so …“, druckste ich hervor.
„Aha!“, rief sie da schon aus und hielt eines meiner Kopfgeschirre in die Luft. „Wer das wohl zuletzt getragen hat?“
Schon wieder fühlte ich, dass ich rot wurde, denn ich wusste aus absolut sicherer Quelle, dass der Ballknebel noch in keinen anderen Mund als meinen eigenen gezurrt worden war.
„Und du bist sicher, dass du keine niedlichen kleinen Freundinnen hast, die du hin und wieder zu Paketchen verschnürst und aufs Bett fesselst?“
„Nein!“, rief ich empört aus. Und ergänzte, sobald ich meine Antwort kurz überdacht hatte, so nonchalant ich konnte: „Zur Zeit eigentlich nicht.“
Wortlos lächelnd schüttelte sie ihr Köpfchen, als hätte sie meine frisierte Wahrheit sofort als solche erkannt, und wandte sich wieder den Spielsachen zu. Sie hielt sich ein Paar Handschellen neben die Handgelenke, betastete feinfühlig den Stoff einer Augenbinde und besah sich den Verschlussriemen eines Ballknebels so eingehend, als müsse sie ihn umgehend nachbauen. Dann hielt sie ihn mir schließlich entgegen und rief triumphierend: