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Das alles kann einen schon manchmal sehr verwirren. Ich würde mir ja gerne in der kleinen Gemeinde in meiner Nachbarschaft einen weisen Rat dazu holen, aber ich glaube, die beschäftigen dort nicht einmal einen Experten fürs Neue Testament. Ich bin sogar ziemlich sicher, dass der Pastor derselbe Typ ist, der da immer den Rasen mäht. Der übrigens so klein ist, dass man darauf nicht einmal ein Open-Air-Kino-Event veranstalten könnte. Wie traurig.

Auf Megakirchen herumhacken
Ich gehe in eine Megakirche, und das bringt es mit sich, dass gelegentlich Christen, die große Gemeinden für eine Fehlentwicklung halten, mich in Debatten darüber verwickeln, warum Megakirchen doof sind. Wobei die Leute es nie einfach offen aussprechen und sagen: »Megakirchen sind doof.« Manchmal wäre es mir lieber, sie täten das. Das ginge nämlich viel schneller als folgender Monolog:
Die Sache ist die: Wenn eines Sonntags eine Karawane von Schulbussen vor unserer Gemeinde vorfahren würde und aus heiterem Himmel auf einmal Tausende von Besuchern auftauchen würden, dann würde ich sie wieder wegschicken. Ich würde ohne Umschweife sagen: »Nein danke, wir wollen keine Megakirche sein. Steigen Sie wieder ein und fahren Sie woanders hin.« Wahrscheinlich müsste ich die hartnäckigeren Fälle mit dem Gartenschlauch verscheuchen, aber das Allerletzte, was ich wollte, wäre, zu einer Megakirche zu gehören.
Ich bin ziemlich sicher, dass Gott nicht viel von diesen Gemeinden hält. Die Musik ist viel zu laut, und man kommt sich im Gottesdienst vor wie bei einem Konzert. Ohne alte Choräle weiß ich gar nicht, ob das überhaupt als Gottesdienst gilt. Außerdem kann man keine echten Beziehungen zu Leuten aufbauen, wenn man am Sonntagmorgen von viertausend anderen Gemeindegliedern umgeben ist.
Und sie benutzen Laserscheinwerfer. Gott hasst Laserscheinwerfer. Und im Missionsauftrag in Matthäus 28,19, wo es heißt: »Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker«, da meinte Jesus »alle« nicht im Sinne von »jeden«. Er meinte alle im Sinne von »alle Leute, die in ein Gebäude von angemessener Größe passen«. Was das ist, ein Gebäude von angemessener Größe? Zum Beispiel das, in dem sich meine Gemeinde zurzeit versammelt. Komm bloß nicht auf den Gedanken, zu uns in den Gottesdienst zu kommen. Ich habe einen Gartenschlauch, und ich scheue mich nicht, ihn zu benutzen.
Gelegentlich fluchen
Christen fluchen gelegentlich. Sie tun das nicht dauernd. Ich rede hier nicht von dreißígsekündigen Tiraden aus lauter Schimpfwörtern. Ich meine nur, dass sie alle paar Tage mal mitten im Gespräch einen Kraftausdruck fallen lassen. Warum machen wir das? Ich glaube, wir möchten gern andere wissen lassen, dass wir diese Wörter durchaus kennen. Wir wollen, dass andere merken, dass wir wissen, dass es sie gibt und was sie bedeuten. Außerdem weiß doch jeder, dass ein Fluch neunzehn Mal wirkungsvoller ist, wenn er aus dem Mund eines Christen kommt. Das ist eine wissenschaftliche Tatsache. Wenn man ungläubig ist und flucht wie ein Landsknecht, dann ist das nichts Besonderes. Wenn man aber als Christ flucht, dann fallen die Vögel vom Himmel herab. Die Bäume erzittern bis in die Wurzeln. Das Magma unter der Erdkruste kühlt sich um vierzehn Grad ab. Über solche Macht zu verfügen, ist einfach zu verlockend, als dass man es ignorieren könnte.
Sagen, ein anderer werde im Himmel ein größeres Haus haben als man selbst
Jeder Christ hat so seine eigenen Vorstellungen davon, wie es im Himmel sein wird. Doch über eins sind sich alle einig: Höchstwahrscheinlich wird irgendjemand, den man kennt und der superfromm ist, dort ein schöneres Haus haben als man selbst. Man selbst ist gut, aber man kennt bestimmt Leute, um die sich Gott ganz besonders kümmern wird, wenn alles vorbei ist.
Deshalb hoffe ich, dass ich im Himmel mal meine Nachbarin Lynn besuchen darf. Die wird nämlich ganz sicher in einer exklusiven geschlossenen Wohnanlage wohnen. Das Tor wird zwar sicher offen sein, weil ja im Himmel keiner irgendwo einbricht, aber sie wird wahrscheinlich trotzdem auf den Summer drücken oder vielleicht auch die Posaune blasen müssen, um mich hereinzulassen. Ich schätze, im Himmel wird es eine Menge Posaunen und Harfen geben.
Versteh mich nicht falsch – ich werde im Himmel bestimmt auch eine nette Bleibe haben. Aber ich habe noch nie jemandem nach einem Sturm das Dach neu gedeckt. Ich habe nie meine Schwiegermutter bei uns einziehen lassen und sie ein Jahr lang gepflegt, als sie krank war. Ich habe mich noch nie zwei Jahre lang für zwei Tage in der Woche als Babysitter für meine Enkeltochter zur Verfügung gestellt, bloß weil das gerade der richtige Schritt war.
Wenn es so weiterläuft wie bisher, kriege ich wahrscheinlich ein Loft. Es wird klein sein, aber eine hübsche Aussicht haben. Größtenteils auf Lynns Haus, weil das so riesig sein wird, dass man im Himmel kaum einen Platz finden wird, von dem aus man es nicht sehen kann. Ich sage ja nur – sie bekommt das VIP-Programm.
Ein bisschen weniger nett sein als die Mormonen
Hast du je einen Mormonen getroffen, der ein Blödmann war? Ich nicht. Jeder Mormone, dem ich je begegnet bin, war nett, freundlich und gut gekleidet. Aber ich weiß, bei denen gibt es auch welche. Irgendjemand in Utah muss ja wohl ein Blödmann sein. Aber ich finde, Mormonen sind ein bisschen netter als Christen. Und der Grund ist folgender: Wenn Blödmänner Christen werden, ist das manchmal so, wie wenn ein Schlägertyp Karate lernt. Statt uns von Christus in unserem Herzen und unserer Einstellung verändern zu lassen, haben wir jetzt eine neue Methode, um andere in Grund und Boden zu hauen. Unsere bisher schon vorhandene Neigung, andere zu verurteilen, wird durch die neu gefundene Spiritualität nur noch verstärkt. Was früher »allen anderen meine Meinung aufzwingen« war, ist jetzt »allen anderen im Namen Gottes meine Meinung aufzwingen«.
Eine geistliche Ausrede dafür haben, dass man keine geistliche Disziplin hat
Die beste Möglichkeit, sich vor einer frommen Pflicht zu drücken, wie zum Beispiel jeden Tag Stille Zeit zu machen, ist, zu sagen: »Ich fühle mich nicht geführt.« Nicht, dass die Stille Zeit sich wie eine Pflicht anfühlen sollte. Sie sollte sich anfühlen wie ein unbändiges Verlangen danach, Zeit mit dem Herrn zu verbringen. Man sollte morgens aus dem Bett springen und die Bibel aufschlagen wie ein Verhungernder, der sich über ein Büfett hermacht. Oder jedenfalls glaubst du, dass jeder andere außer dir die Stille Zeit so empfindet. Alle sind ganz begeistert davon, bloß du nicht – du bist ja eher so etwas wie ein mürrischer, heidnischer Sündermiesepeter.
Um also deine Schuldgefühle darüber, dass du nicht regelmäßig Stille Zeit machst, zu beschwichtigen, sagst du: »Ich will meine Stille Zeit nicht nur absolvieren wie ein Ritual. Sie soll von Herzen kommen und nicht nur ein Punkt sein, den ich auf meiner To-do-Liste abhake.«
Das ist eine tolle Ausrede, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens hört es sich wunderbar fromm an. »Wow, dieser Typ hat so eine Leidenschaft dafür, Zeit mit Gott zu verbringen, dass er seine Stille Zeit nicht einfach nur per E-Mail schickt. Er wartet lieber, bis seine Motivation echt ist.«
Zweitens ist das eine von den Lügen, die man nur oft genug zu wiederholen braucht, um irgendwann anzufangen, selbst daran zu glauben. »Genauso ist es: Ich liebe es, Zeit mit Gott zu verbringen, und die beste Art, das zu zeigen, ist, dass ich keine Zeit mit ihm verbringe, ehe es wirklich von Herzen kommt. Ich möchte für Gott brennen und nicht bloß so tun. Bis ich es ganz aufrichtig meine, werde ich ihm so viel Respekt zollen, dass ich ihm aus dem Weg gehe.«
Sich einbilden, man solle in den vollzeitlichen Dienst gehen
Als Christ ist man verpflichtet, mindestens alle drei Jahre darüber nachzudenken, in den vollzeitlichen Dienst zu gehen.
Zum ersten Mal kommt einem dieser Gedanke auf der zweiten Gemeindefreizeit, die man besucht. Manche Leute meinen, es passiere schon während der ersten Freizeit, aber diese Leute irren sich. Besonders wenn die Freizeit in einem Camp stattfindet, wo sich auch andere Gemeinden treffen. Wenn man ein Junge ist, treibt einen während dieser Freizeit vor allem der Gedanke um: »Werde ich es schaffen, so wie der Typ aus meiner Jugendgruppe zu werden, der dauernd mit den Mädels aus anderen Jugendgruppen herummacht?« Jedenfalls war das mein Gedanke. Und wenn du ein Mädchen bist, denkst du: »Wenn der Sohn des Pastors doch bloß nicht so ein Blödmann wäre.« Oder zumindest dachten die Mädchen in meiner Jugendgruppe das. Vor allem deshalb, weil ich ein Blödmann war.
Aber auf deiner zweiten Freizeit wirst du einen kleinen Stupser bekommen, einen geistlichen Anstoß, und du wirst sehr in Versuchung sein, das als einen Ruf in den vollzeitlichen Dienst zu interpretieren. In Wirklichkeit hast du den allerdings wahrscheinlich nicht bekommen; was du bekommen hast, ist lediglich ein Ruf, über den Ruf in den vollzeitlichen Dienst nachzudenken. Diesen Ruf kriegen wir alle. Dann schlägst du dich während der ganzen Oberstufenzeit damit herum, erzählst allen deinen Freunden, du könntest nie Pastor werden, vermeidest es, als Missionar in Afrika zu leben, und erreichst schließlich deine Mittzwanziger.
Und da geht es wieder los. Du fängst an, darüber nachzudenken, wie toll es doch wäre, in den vollzeitlichen Dienst zu gehen. Da kann man den ganzen Tag in der Bibel lesen und bei der Arbeit Gott anbeten. Man wäre nie frustriert oder gelangweilt, weil man ja ständig genau das täte, wozu einen Gott in der Höhe eigenhändig zubereitet hat. Dann triffst du einen Pastor, der ungefähr in deinem Alter ist. Und der ist völlig gestresst und hat Mühe, in seinem Leben Raum für Gott zu finden. Und du denkst: »Was? Du bist ein professioneller Christ. Du darfst doch eigentlich gar nicht mit den Schwierigkeiten kämpfen, mit denen ich zu kämpfen habe.« Tut er aber. Also legst du den Gedanken, in den vollzeitlichen Dienst zu gehen, erst mal wieder zu den Akten.
Für ein paar Jahre lässt der Drang dich in Ruhe, bis du irgendeinen Blödmann als Chef kriegst. Dann denkst du: »Ich wünschte, Gott wäre mein Chef. Das wäre super. Der würde nicht dauernd nach meiner Verkaufsbilanz fragen. Ihm ginge es um meine Seelenbilanz.« Dann bist du ein bisschen peinlich berührt, weil das eben so ein lahmer Witz war. Und du wirst ein bisschen unzufrieden. Zu deinen Freunden sagst du: »Ich glaube, Gott ruft mich in den vollzeitlichen Dienst. Dieser Job kann nicht das sein, worum sich mein ganzes Leben dreht. Das Leben muss noch mehr zu bieten haben als das. Ich spüre den Drang, Gott mit meinen Gaben vollzeitlich zu dienen.«
Was sich ziemlich gut anhört, nur dass unter deinen Freunden garantiert einer ist, der dir entgegnet: »Wir sind alle im vollzeitlichen Dienst. Wir alle sollten Gott vollzeitlich dienen. Egal, wo du bist, du solltest Gott anbeten und Menschen für ihn erreichen.« Recht hat er, aber so etwas hörst du nicht gern, schon gar nicht, wenn er einen guten Job hat, den er gerne macht. Es kann einem ganz schön stinken, wenn Leute, die ihren Job lieben, einem sagen, wie sehr man seinen eigenen lieben sollte. Und wenn sie dann auch noch Gott herbeizitieren, um noch deutlicher zu machen, wie gründlich man es vergeigt hat.
Das weckt nicht gerade den Wunsch, in den vollzeitlichen Dienst zu gehen. Man kommt ja nicht einmal in dem Job, den man bereits hat, mit dem Dienen in die Puschen. Wenn du den Leuten, mit denen du im Moment zusammenarbeitest, nicht von Jesus erzählen kannst, was sollst du dann im vollzeitlichen Dienst? Und so lässt der Drang wieder einmal nach.
Aber dann hörst du einen wirklich überzeugenden Pastor predigen oder liest ein Buch mit dem Wort »Traum« im Titel, und du denkst, vielleicht, wer weiß, vielleicht. Und dann …
Versuchen, sich in Gegenwart von Missionaren nicht zu beklagen
Über Missionare solltest du zwei Dinge wissen:
1 Du solltest sie immer unterstützen.
2 Du solltest dich in ihrer Gegenwart nie beklagen.
Der erste Punkt ist ganz klar: Sie brauchen unser Geld und unsere Gebete, um dort, wohin Gott sie berufen hat, ihren Dienst zu tun. Der zweite Punkt ist nicht ganz so offensichtlich, aber ebenso zutreffend.
Denn selbst dann, wenn dein Freund, der Missionar ist, ein stiller und nachsichtiger Mensch ist, vermute ich stark, dass er, wenn du sagst: »Mein Boiler ist kaputt! Ich musste heute Morgen mit eiskaltem Wasser duschen«, insgeheim denkt: »Wasser? Richtig, ich erinnere mich. Das ist dieses nasse Zeug, das manchmal aus Rohren kommt, stimmt’s? Davon habe ich ein Bild gesehen in dem Buch, das wir in dem Schulhaus in der Wüste haben, wo ich unterrichte. Das hat mich daran erinnert, dass ich diesen Monat noch nicht geduscht habe. Aber vielleicht gehe ich ja nächste Woche mal zu Fuß in die Stadt und frage mal bei einer unserer Unterstützerfamilien nach, ob sie mir eine Plastikflasche mit grauem Wasser über dem Kopf ausschütten. Das wäre schön, glaube ich. Was sagtest du gerade über deinen Boiler? Du musstest einen Klempner anrufen, nachdem du seine Nummer im Internet nachgeschlagen hattest, während du in deinem Haus, in dem nicht regelmäßig Schlangen durch die Löcher in der Wand hereinkommen, ein belegtes Brötchen verzehrtest? Nein, bitte, sprich ruhig weiter. Ich bin ganz gepackt von diesem Garn voller Überlebenskampf und Strapazen, das du da spinnst, ganz so wie die Schwarzen Witwen, die ich jeden Tag von meinem Lehmfußboden oder ›Bett‹, wenn du es so nennen willst, herunterfege. Bitte, erzähl weiter!«
Unauffällige Signale entwickeln, um sich als Christ zu erkennen zu geben
Ich habe einmal mit einem Mann namens Matt zusammengearbeitet, der einen ganz langen Spitzbart und einen kahlrasierten Kopf hatte. Aus irgendeinem Grund nahm ich an, das müsse bedeuten, dass er von Jesus nichts hielt. Wäre sein Spitzbart ein wenig kürzer gewesen, hätte ich vielleicht angenommen, Jesus sei ihm nur egal, aber bei einem acht oder zehn Zentimeter langen Ziegenbart war ich mir ziemlich sicher, dass er ein erbitterter Gegner des christlichen Glaubens sein musste.
Eines Tages jedoch hatte ich das Gefühl, als gäbe Gott mir einen Schubs, um mit ihm über meinen Glauben zu reden. In solchen Situationen versuche ich meistens, Gott flüsternd im Gebet zu antworten: »Was? Ach komm. Ich bin bei der Arbeit. Ich weiß, du bist allwissend und so, aber kannst du von da oben denn nicht sehen, wie lang sein Bart ist? Der will doch von dir nichts hören.« Aber Gott ließ nicht locker, bis ich Matt schließlich fragte, was für Bücher er in letzter Zeit gelesen habe. Er ratterte ein paar Titel herunter und gab die Frage dann an mich zurück.
Im Bruchteil einer Sekunde googelte ich in meinem Gehirn nach einem christlichen Buchtitel, der sich nicht zu fromm anhörte. Sofort fiel mir Donald Millers Blue Like Jazz ein. Ein perfekter Titel. Hört sich an wie ein Buch über Jazz oder Lyrik oder vielleicht auch über Jazzlyrik. Und ich dachte mir, so etwas würde jemand mit einem so langen Spitzbart vielleicht mögen. Also antwortete ich: »Mir gefällt das Buch Blue Like Jazz sehr gut.«
Er drehte sich auf seinem Stuhl herum und lächelte mich an. »Das Buch liebe ich! Meine Frau ist eine christliche Autorin. Wir beide lieben Donald Millers Stil.« Im Lauf der folgenden Monate wurden wir gute Freunde und redeten offen miteinander über unseren Glauben.
Was dachte ich eigentlich, was passieren würde? Dass Matt, kaum dass er das Wort Christ gehört hätte, an jedes schlechte Bild vom Christentum denken würde, das er im Kopf hatte, und mich mit alledem beschmeißen würde?
Als meine Cousine Martha nach Brooklyn zog, trug sie in der U-Bahn bewusst ihr »Young-Life«-T-Shirt, in der Hoffnung, irgendein anderer Christ würde den Namen der Organisation erkennen und sie ansprechen. Auf diese Weise zeichnete sie sozusagen das halbe Jesus-Fischsymbol in den Sand, so wie es die verfolgten Christen in der Antike taten, um andere Gläubige zu finden, ohne in Schwierigkeiten zu geraten.
Meine Hoffnung ist, dass dieses Buch zu so einem seltsamen Zeugniswerkzeug wird, weil es doch relativ unauffällig ist. Du bist dir nicht sicher, wie ein Freund von dir zum Christentum steht? Zeig ihm einfach dieses Buch. Wenn er sagt: »Pfui, ich hasse Christen. Die rümpfen immer über alle anderen die Nase«, dann sag einfach: »Das findet der Autor hier auch. Das Buch wird dir gefallen.« Antwortet er: »Ich bin auch Christ«, dann schlag diese Seite auf und zeig ihm genau diese Worte, und dann schreib mir eine E-Mail, in der es heißt: »Du hast mich gerade vom Stuhl gehauen, Jonathan Acuff«, denn das habe ich.
Leicht beleidigt sein, dass der Pastor ein schöneres Auto hat als man selbst
Christen mögen es, wenn ihre Pastoren bescheiden sind, und mit bescheiden meine ich, dass sie einen im Inland hergestellten, mittelgroßen Kombi mit geringem Spritverbrauch fahren.
Das soll nicht heißen, dass ich möchte, dass mein Pastor arm ist. Nur, dass ich davon ausgehe, dass zu einem geistlichen Gewand nicht unbedingt Ledersitze passen. Es macht mir nichts aus, wenn er eine Luxuskarosse fährt, sofern er sie von einem Gemeindemitglied, das zufällig Autohändler ist, geschenkt bekommen hat. Ansonsten aber, um ehrlich zu sein, werden, wenn ich ihn mit einem Mercedes-Benz mit allen Schikanen herumfahren sehe, meine beiden ersten Gedanken folgende sein:
1 Ich schätze, dieser Pastor hat nichts für hungernde Kinder in Afrika übrig.
2 Ich hatte keine Ahnung, dass mein Zehnter für Designerfelgen draufgeht.
Ich will dich in einer Karre sehen, nicht in einer Karosse. Ich will dich auf einem Esel sehen, nicht auf einem Araberhengst. Ich möchte, dass du die moralische Stärke besitzt, die man gewinnt, wenn man mindestens zweimal im Jahr sein Auto anschieben muss, weil es nicht anspringt.
Ich? Was ich für ein Auto fahre? He, lass uns nicht vom Thema abkommen. Schließlich bist du hier der Profichrist, nicht ich. Wenn es Gott gefällt, mich mit einem Rolls-Royce zu segnen, sollte ich das etwa ablehnen? Hätten Abraham oder Salomo über Gottes gute Gaben die Nase gerümpft? Denk doch nur, was für ein tolles Zeugnis ich geben kann, indem ich einfach mit glitzernden Felgen die Straße entlangfahre. Denk nur daran, wie viele Menschen es berühren und verwandeln wird, wenn ich an einer roten Ampel halte und ein automobiles Statement, eine vehikuläre Proklamation sozusagen, über die Güte und Barmherzigkeit Gottes abgebe.
Aber als Pastor? Da halt mal lieber den Ball schön flach.

Den Ausdruck »Stille Zeit« großzügig definieren
Nicht, dass sich die Christen keine Mühe gäben. Wir geben uns unglaublich viel Mühe, es richtig zu machen, aber es gleitet uns immer wieder durch die Finger. Wir möchten gern eine beständige, regelmäßige, konsequente, Gott-ist-zufrieden-mit-uns-Stille-Zeit haben. Aber es ist wie eine Achterbahn; mal schaffen wir es, mal wieder nicht. Doch jetzt ist Schluss damit. Diesmal machen wir Ernst. Die Predigt vom letzten Sonntag hat uns ein für alle Mal klargemacht, dass wir eine tägliche Stille Zeit brauchen.
Dabei hat der Pastor diesen Begriff überhaupt nicht verwendet. Er hat stattdessen »persönliche Anbetung« oder »private Disziplin« gesagt. Solche Begriffe verwendet er, weil sich »Stille Zeit« irgendwie frömmelnd und altmodisch anhört. Trotzdem, wir brauchen sie. Eine Zeit, in der wir vor Gott still werden und in der Bibel lesen und beten. Also gehen wir eine Verpflichtung ein. In den nächsten dreißig Tagen ist das so dran, dass ich es kaum erwarten kann. Diesmal wird alles anders!
Erster Tag. Montag ist theoretisch ein guter Tag, um mit meinem neuen Dreißig-Tage-Stille-Zeit-Projekt anzufangen, aber dieser Montag liegt dummerweise in der Mitte des Monats. Wer fängt schon am Sechzehnten eines Monats etwas an? Neue Vorhaben sollte man am Anfang des Monats in Angriff nehmen. Oder, wenn man wirklich erfolgreich sein will, zu Beginn des Jahres. Das ist das ideale Datum: der 1. Januar. Ich wünschte, es wäre nicht erst der 16. Oktober. Am 16. Oktober hat noch nie etwas Gutes angefangen. Ob ich lieber zehn Wochen abwarte und im neuen Jahr mit meiner Stillen Zeit anfange? Wohl eher nicht. Okay, Montag, packen wir’s an.
Zweiter Tag. Der erste Tag war ja noch einfach. Ich habe im 1. Buch Mose angefangen, ein bisschen gelesen und dann gebetet, bevor ich zur Arbeit ging. Es muss ja morgens sein. So ein früher Morgen hat etwas doppelt Christliches an sich, und wenn ich diesen Zeitpunkt verpasse, ist mein ganzer Tag im Eimer. Gott hat nichts dafür übrig, wenn ich meine Stille Zeit in der Mittagspause oder am frühen Nachmittag mache, und abends schon gar nicht. Gott ist ein Frühaufsteher; Satan ist eine Nachteule. Das weiß jeder.
Dritter Tag. Ugh, der dritte Tag fiel mir schon schwerer. Bin heute Morgen einfach nicht aus dem Bett gekommen und habe meine Stunde für die Stille Zeit glatt verschlafen. Habe es allerdings gerade noch geschafft, online die Losung zu lesen, als ich auf der Arbeit ankam. Und im Fahrstuhl habe ich ein kurzes Gebet zu Gott geschickt. Ununterbrochene Strähne bisher. Drei Tage geschafft; nur noch siebenundzwanzig.
Vierter Tag. Ich weiß zwar nicht, ob man streng genommen gleichzeitig still sein und sich eine Predigt anhören kann, aber genau das habe ich heute in meiner Stillen Zeit gemacht. Auf der Arbeit ist im Moment so viel los, dass ich früher anfangen musste. Also habe ich mir, anstatt still zu werden oder zu beten oder dergleichen, einfach den Podcast einer Predigt angehört, während ich ein paar Berichte fertigmachte. Es war zwar schwer, mich darauf zu konzentrieren, aber gelegentlich hörte ich den Prediger Wörter wie »Gott« oder »Jesus« sagen, und dann habe ich immer die Ohren gespitzt und die Arbeit für eine Minute niedergelegt. Das war’s, vierter Tag geschafft.
Fünfter Tag. Gott liebt Musik. Ich bin mir ziemlich sicher, dass David seine Psalmen immer gesungen hat. Und im Tempel haben die Leute doch ständig ihre Stimmen zu ihm erhoben. Ob Jesus und die Jünger je am Lagerfeuer ein Liedchen angestimmt haben, weiß ich freilich nicht. Vielleicht hatten sie ja eine Harfe oder so etwas dabei. Ob die Jünger Harfe gespielt haben? Oder waren das nur die Engel? Eine Harfe ist ein Instrument, das sich ziemlich schwer transportieren lässt, es sei denn, es ist eine Mini-Engelsharfe oder so etwas. Ich sollte das mal nachschlagen, aber ich bin in Matthäus noch nicht sehr weit gekommen. Ich wollte heute, aber ich hatte nicht mit so viel Verkehr gerechnet. Also habe ich im Auto gebetet und mir ein paar Lobpreissongs angehört, die ich besonders mag. Gott ist ein Fan von Steve Fee und Chris Tomlin, deshalb verbuche ich das als Stille Zeit. Fünf Tage!
Sechster Tag. Zählen Wochenenden auch? Muss ich wirklich still sitzen und auf Gott hören und beten und in der Bibel lesen, damit es als offizielle Stille Zeit durchgeht? Ich habe dieses Wochenende viel mit meinen Kindern gespielt. Die hat Gott mir schließlich anvertraut, und er möchte doch, dass ich ein guter Vater bin, oder? Also zählt unser Brennballspiel als Stille Zeit. Hurra, sechs Tage geschafft!
Siebter Tag. Gott hat mich einzigartig gemacht. Er hat mich mit eigener Hand so zubereitet, dass ich dieser Welt auf ganz besondere, wunderbare Weise begegne. Und eines der Dinge, mit denen er mich begabt hat, ist meine Vorliebe für College-Basketball. Wie das mein Herz mit Freude erfüllt! Wie ich da zum Himmel jauchze: »Tar Hells vor!« Die haben nämlich gestern Abend gespielt. Für Gott und mich war das eine ganz besondere Zeit, die wir miteinander geteilt haben, als wir gemeinsam Sportlern zuschauten, die er mit unglaublichen Dunkingfähigkeiten begabt hat, wie sie voller Anmut und Schönheit über den Hallenboden schwebten. Außerdem habe ich während eines Timeouts aus dem Fenster geschaut und ein Gebüsch gesehen, was mich an Gottes Herrlichkeit und die Natur und so erinnert hat. Das macht dann also sieben Tage hintereinander, an denen ich Stille Zeit gemacht habe.
Das wird ja viel einfacher, als ich dachte.
Heimliche christliche Bands
Es ist bestimmt nicht leicht, heutzutage eine christliche Band zu sein. Wenn man sagt: »Wir sind eine christliche Band«, dann fragen einen die Leute vermutlich Sachen wie: »Wirklich? Wer von euch ist dafür zuständig, während der Auftritte die Tauben aufsteigen zu lassen?« Oder: »Sammelt ihr die Kollekte ein, bevor ihr rockt oder nachdem ihr gerockt habt?« Oder: »In wie vielen eurer Songs geht es darum, dem Teufel eins auf die Mütze zu geben? In der Hälfte oder in allen?«






