Multiple Sklerose erfolgreich behandeln - mit dem Paläo-Programm

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Wissenschaftler sind gerade dabei zu entdecken, dass fast alle chronischen Krankheiten, die so viel Leiden verursachen und die Kosten im Gesundheitswesen ständig in die Höhe treiben, einen gemeinsamen Nenner haben: Funktionsstörungen in den Mitochondrien, übermäßige Entzündungen, erhöhte Cortisolwerte und andere Fehlfunktionen in den biochemischen Abläufen. Praktisch leiden wir alle an derselben Krankheit, denn jede hat ihren Ursprung in schadhaften, fehlerhaften chemischen Prozessen und einer gestörten (intra-) zellulären Kommunikation. Damit wir wieder gesund werden, muss der normale Ablauf dieser Prozesse sowie die Kommunikationsfähigkeit in und zwischen den Zellen wiederhergestellt werden. Und das gilt für jede Erkrankung.
Ob Ihre Diagnose Multiple Sklerose lautet oder rheumatoide Arthritis oder systemischer Lupus (erythematodes) oder entzündliche Darmerkrankung – oder ob man Ihnen sagt, Ihre Symptome seien „idiopathisch“ (das bedeutet, dass wir Ärzte nicht wissen, wodurch sie verursacht werden) –, hängt weitgehend davon ab, welche äußere Ausprägung sie haben. Innerlich sind die Unterschiede zwischen diesen Autoimmunerkrankungen offen gesagt ziemlich willkürlich, obwohl es verschiedene Sichtweisen, Gedankenmodelle und Erklärungen über die Geschehnisse gibt, die mit der Manifestation zellulärer Fehlfunktionen einhergehen. Als schulmedizinisch ausgebildete Ärztin habe ich gelernt, sie auf eine bestimmte Weise zu betrachten, im Laufe meiner Beschäftigung mit der funktionellen Medizin auf eine andere. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass gesundheitliche Probleme im Körper von der Zelle ausgehen.
Aber ich weiß, was Patienten möchten: eine Diagnose. Sie wollen wissen, was sie haben. Das ist eine ganz typische Reaktion, für die ich durchaus Verständnis habe. Ich wollte ja auch wissen, was mir fehlt. Ich wollte eine Bezeichnung, etwas, dem ich die Schuld geben konnte, etwas, das sich behandeln ließ. So funktioniert menschliches Denken. Wir wollen Dinge sortieren, definieren und in Kategorien einteilen, damit wir sie besser verstehen können.
Doch lassen wir all das für einen Augenblick beiseite und versuchen wir unkonventionell zu denken. Das ist einfacher, wenn Sie Folgendes bedenken: In Wahrheit sind Diagnosen nur Namen, die wir Krankheiten aufgrund von Parametern geben, die wir konkret bestimmen und messen können, Symptome zum Beispiel, Testergebnisse, durch die Art der Medikamente, durch die sich Symptome bessern oder verschlechtern, sowie aufgrund von Ausschlussverfahren. Wenn es das, das und das nicht ist, dann muss es eben das sein. Das ist dem Impetus geschuldet, alles zu kategorisieren und zu benennen, aber es heißt nicht unbedingt, dass eine Krankheit sich völlig von einer anderen unterscheidet.
Auch die Bezeichnungen, die wir chronischen Erkrankungen geben, beruhen häufig ganz explizit auf Ergebnissen von Studien, in denen untersucht wird, auf welche – hauptsächlich medikamentöse – Behandlungen die Symptome ansprechen. Mit anderen Worten, bessern sich Symptome durch ein spezielles Medikament, dann beruht die Diagnose oft nur auf dieser Information. Jeder, dessen Symptom X sich durch die Einnahme des Medikaments Y bessert, hat demgemäß die Krankheit Z.
Manchmal ist es auch gar kein Medikament, durch das eine bestimmte Patientengruppe in vorhersagbarer Weise Besserung (oder Verschlechterung) erfährt. Manchmal liegt es an einer Operationstechnik oder einer anderen Therapie. Was auch immer es ist: Wirkt es sich auf die Symptome aus, dann erhalten diese Patienten einen Namen für die Erkrankung und dazu gleich die entsprechende Therapie, die schließlich „Behandlungsstandard“ wird, das heißt, die allgemein anerkannte Methode zur Behandlung eben jener Krankheit. Auf diese Weise haben Hunderte von Ärztegenerationen Diagnosen geschaffen und Krankheiten wie Multipler Sklerose, Diabetes, Stauungsinsuffizienz des Herzens, Asthma, Depressionen und entzündlichen Darmerkrankungen ihren Namen gegeben. Es war ihnen noch möglich, die biochemischen Abläufe der Zellen zu untersuchen, um die Grundursachen dieser Krankheiten zu verstehen oder zu sehen, wie ähnlich sie sich auf zellulärer Ebene wirklich alle sind.
Es ist wichtig, das zu verstehen, damit Sie Ihrer Diagnose nicht mehr Gewicht geben, als sie verdient: Diagnosen beruhen oft eher auf den äußeren Wirkungen von Behandlungen und historischen Beobachtungen als auf den biochemischen Prozessen, die diesen Krankheiten zugrundeliegen. Je tiefer wir in das Verständnis von Krankheitsprozessen und Behandlungen eindringen, desto mehr kommt es zu einer Neueinstufung von Krankheiten, zu einer Anpassung der Behandlungen und oft sogar zur „Geburt“ neuer Krankheiten. Manchmal werden aus einer Krankheit zwei oder mehrere verschmelzen zu einer einzigen.
Weil jedoch nicht alle Informationen hierfür herangezogen werden und das Ganze auch darauf beruht, dass wir Menschen die Dinge benennen wollen, könnte man argumentieren, dass diese Klassifizierungen hauptsächlich semantischer Natur sind, dass es also nur darum geht, „dem Kind einen passenden Namen“ zu geben. Wir Ärzte klassifizieren Krankheiten nun seit Hunderten von Jahren auf der Basis von körperlichen Untersuchungen und Laborergebnissen, und wir tun das, weil wir sowohl klinische Forschung betreiben wollen, um zu verstehen, wie Krankheiten im Laufe der Zeit fortschreiten, als auch, um bessere Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Das alles ist zwar Wissenschaft von hoher Qualität, aber es ist eben nicht alles.
Die Durchführung wissenschaftlicher Studien über Krankheiten folgt einem genauen Forschungsprotokoll. Es gibt immer eine eng definierte Patientengruppe und eine engmaschig kontrollierte Intervention (vorzugsweise ein Arzneimittel oder ein sehr spezifisches Verfahren, damit die leichte Reproduzierbarkeit gewährleistet ist), dadurch sind nicht so viele Variablen zu untersuchen. Auch scheinen die Ergebnisse konkreter und objektiver zu sein, aber ob das tatsächlich so ist, bleibt fraglich. Die Studie ist auf diese Weise einfacher durchzuführen und zu analysieren, und es ist leichter festzustellen, ob die Intervention sinnvoll ist oder nicht, doch die Wirksamkeit eines beliebigen Medikaments zur Linderung von Symptomen hat nicht unbedingt etwas mit der tatsächlichen Fehlsteuerung der biochemischen Reaktionswege zu tun, die der Ausgangspunkt vieler Ihrer Symptome sind.
Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Die Bezeichnungen, die wir den meisten chronischen Erkrankungen zuerst verliehen haben, sind das Ergebnis von Beobachtungen, die gemacht wurden, bevor man die biochemischen Prozesse der einzelnen Zelle wissenschaftlich erkannt und verstanden hatte. Das Gesundheitsministerium (NIH, National Institutes of Health) und die pharmazeutische Industrie geben Milliarden von Dollar für die Erforschung von Krankheitssymptomen und ihrer Beherrschung durch Medikamente aus. Im Gegensatz dazu fließt jedoch nur wenig Geld in die Erforschung der Möglichkeiten, wie man durch die Wahl des Lebensstils zu optimaler Gesundheit und Vitalität gelangt, obwohl aufgrund dessen die biochemischen Prozesse besser funktionieren und folglich die Menschen gesünder sind.
Das mag widersinnig klingen. Mir erscheint das definitiv so.
Zum Glück beginnen wir, die aus dem Lot geratenen biochemischen Reaktionswege zu verstehen, die zu den Defekten führen und damit diagnoseübergreifend am Anfang vieler chronischer Symptome stehen.
Ich glaube, dass sich dadurch letztendlich die Diagnosestellung bei allen Krankheiten verändern wird. Obwohl die Wissenschaft nun im Begriff ist aufzudecken, wie diese defekten Reaktionswege die biochemischen Prozesse der Zellen stören und zu Krankheiten führen, richten sich die meisten Schulmediziner leider immer noch nach den traditionellen, auf Symptomen beruhenden Krankheitsmodellen, anstatt sich mit der Wurzel des Problems zu beschäftigen. Diese veralteten Methoden beherrschen den Behandlungsstandard. Infolgedessen konzentrieren sich die meisten Schulmediziner auf Symptome, die sich durch Medikamente oder Operationen bessern lassen, anstatt zu versuchen, ihren Patienten durch Optimierung der biochemischen zellulären Prozesse mithilfe einer zuträglichen Lebensweise zu mehr Gesundheit und Vitalität zu verhelfen.
Das ist das Tätigkeitsfeld der funktionellen Medizin: Das Aufspüren und Behandeln der Ursachen defekter biochemischer Abläufe durch gründliches Untersuchen der physiologischen Systeme – von der Zelle über die Organe und den ganzen Organismus bis hin zur Behandlung der Probleme an ihrer Wurzel. Diese Vorgehensweise habe ich mir zu eigen gemacht, denn ich glaube, sie ist der einzig vernünftige Weg, um biochemische Funktionsstörungen zu korrigieren, damit Sie wirklich gesund werden – und nicht nur einfach Ihre Symptome mit Medikamenten lindern.
Dennoch hat die Schulmedizin hat weiterhin ihren Platz. Ich stelle immer noch konventionelle Diagnosen und schreibe Rezepte für Medikamente. Das ist in gewissen Grenzen auch nützlich. Doch jetzt gehe ich noch einen Schritt weiter: Ich diagnostiziere das Gesundheitsverhalten, die Toxinexposition, den Stresspegel, die Qualität der Ernährung und den Grad der sportlichen Betätigung eines Menschen. Ich versuche aktiv, meinen Patientinnen und Patienten zu mehr Gesundheit und Vitalität zu verhelfen, indem ich darüber aufkläre, was sie alles selbst tun können. Hier unterscheidet sich meine Vorgehensweise von der rein schulmedizinischen Behandlung und ähnelt mehr dem Modell der funktionellen Medizin. Ich helfe meinen Patientinnen und Patienten, ihre defekten biochemischen Prozesse neu zu regulieren, indem ich ihnen vermittle, wie sie sich anders bewegen und ernähren können. Dann versuchen wir die Belastung durch Umweltgifte zu verringern und das hormonelle Gleichgewicht zu verbessern – und lösen so die biochemischen Knoten, damit die Zellen wieder wie vorgesehen arbeiten können. Dadurch wird auch der Körper in die Lage versetzt, seine Aufgaben wie vorgesehen zu erfüllen.
Das schwebt mir für Sie vor; doch zuerst sollten wir uns damit beschäftigen, was genau in Ihrem Körper aus dem Lot geraten ist. Lassen Sie uns zuerst sowohl aus der Sichtweise der Schulmedizin als auch aus der der funktionellen Medizin einen Blick auf Autoimmunerkrankungen im Allgemeinen und dann auf Multiple Sklerose im Besonderen werfen.
Erfahrungsbericht
Ich bin zertifizierte Ernährungsberaterin und weiß natürlich, welche Rolle die Ernährung für die Gesundheit spielt, aber erst, nachdem bei mir die Diagnose „schubförmig remittierende Multiple Sklerose“ gestellt wurde, begann ich mit Vollwerternährung, insbesondere mit entzündungshemmenden Nahrungsmitteln zu experimentieren, und ich stellte eine Veränderung in meinem Körper fest. Mein erstes Symptom war eine Sehnervenentzündung, eine Optikusneuritis. Danach bekam ich Parästhesien (schmerzhafte Wahrnehmungen aufgrund der gestörten Nervenimpulsübertragung) in meinen Beinen und litt unter schwerer Müdigkeit. Die wurden Füße taub und mein Kurzzeitgedächtnis verschlechterte sich. Als ich von Dr. Terry Wahls hörte, erkannte ich, dass es einen Schritt weiter gehen musste. Ich erhöhte die Menge der von ihr empfohlenen Nahrungsmittel, aß wieder Fisch dazu (bis dahin war ich Vegetarierin) und ließ Gluten sowie Milchprodukte weg. Ich fühlte mich energiereicher und konzentrierter und stellte einen deutlichen Rückgang meiner Symptome fest. Auf der nächsten Stufe ergänzte ich meinen Speiseplan um Grünkohl und andere Nahrungsmittel für das Nervensystem und die Mitochondrien, wie es das Wahls-Programm vorsieht.
Ich fühle mich jetzt besser als vorher. Ich bin so dankbar, dass eine Schulmedizinerin das unterstützt, wovon ich die Ärzte jahrelang zu überzeugen versuchte, dass nämlich die Ernährung langfristig wirksamer ist als Medikamente. Ich sehe voller Dankbarkeit, dass die klinische Forschung das zu bestätigen beginnt, sodass die Ärzteschaft sich von der Glaubwürdigkeit all dessen überzeugen kann, was unser Körper und Geist intuitiv bereits wissen.
Marla B., Ernährungsberaterin
Chicago, Illinois
Was versteht man unter einer Autoimmunerkrankung?
Betrachten wir zunächst einmal den Begriff Autoimmunität. In der Biologie bedeutet auto „selbst, eigen“, und Autoimmunität ist ein Zustand, wenn fehlgesteuerte Immunzellen damit beginnen, die eigenen Zellstrukturen im Körper eines Menschen anzugreifen. Auf allen Zellmembranen befinden sich Rezeptoren, die von den Immunzellen (normalerweise) als eigene Zellen, als Teil unseres Körpers erkannt werden. Nimmt der Körper diese „eigenen“ Rezeptoren nicht wahr, stuft er eine Struktur oder Substanz als fremd und mögliche Bedrohung ein. Ist es ein Virus? Bakterien? Etwas, das nicht dort sein sollte? Ihr Körper weiß es nicht. Er kennt nur „körpereigen“ und „körperfremd“, und wenn es sich um „körperfremd“ handelt, muss er entscheiden, ob etwas als „nicht körpereigen, kann aber gefahrlos ignoriert werden“ oder „nicht körpereigen und gefährlich“ einzustufen ist. Ihre Immunzellen ignorieren Substanzen, die sie als „körpereigen“ und „nicht körpereigen, aber sicher“ erkennen, fühlen sich aber von allem, was sie für „nicht körpereigen und gefährlich“ halten, massiv bedroht und gehen in dem Versuch, den gefährlichen Eindringling zu schädigen oder zu zerstören, zu einem heftigen Angriff über, damit dieser dem Körper keinen Schaden zufügen und das Überleben nicht gefährden kann.
Das ist ein zuverlässiges System – solange es richtig funktioniert. Es erhält Sie gesund, indem es die wirklich gefährlichen Viren und Bakterien angreift, die in Ihr System eindringen können. Bei der Autoimmunität kommt es jedoch zu Missverständnissen, und aus unerklärlichen Gründen stufen die Immunzellen Proteine, die tatsächlich „körpereigen“ sind, als fremd beziehungsweise als „nicht körpereigen und gefährlich“ ein. Die Ergebnisse können verheerend sein. Welche Strukturen der eigene Körper angreift, bestimmt die Art der Autoimmunerkrankung, die die betroffene Person hat. Wird das Myelin angegriffen – die Fettumhüllungen der Nervenzellen –, was zur Schädigung des Nervensystems führt, dann sprechen wir von Multipler Sklerose. Greifen die Immunzellen die Haut an und es kommt zu Ausschlägen, Pustelbildung und anderen sichtbaren Hautleiden, können wir von Psoriasis, Dermatitis oder von einer blasenbildenden Hauterkrankung, einem bullösen Pemphigoid, sprechen. Greift der Körper das eigene Lungengewebe an und es kommt zu Giemen (einem bestimmten Atemgeräusch) und zur Verengung der Luftwege, nennen wir das Asthma. Ist die Schilddrüse betroffen, wodurch es zu einer breiten Palette von Symptomen kommt, die alle mit der Funktion der Schilddrüse zu tun haben, können wir von einer autoimmunen Thyreoiditis sprechen. Werden die Gelenke angegriffen, was zu Schmerzen und Steifigkeit führt, könnte die Diagnose rheumatoide Arthritis oder systemischer Lupus erythematodes lauten. Obwohl sich alle diese Erkrankungen in unterschiedlichen Ausprägungen zeigen, ist die Grundursache für die mehr als 140 verschiedenen Arten von Autoimmunerkrankungen immer gleich: Immunzellen erkennen Strukturen im Körper nicht mehr als „körpereigen“ und greifen sie an, wodurch es zu den beschriebenen Krankheitssymptomen kommt.
Tatsächlich können Autoimmunprozesse bei mehr Krankheiten eine Rolle spielen als bisher angenommen wurde. Die Forschung ist dabei aufzudecken, dass eine große Anzahl anderer chronischer Krankheiten unter Umständen eine autoimmune Komponente haben, Herzkrankheiten zum Beispiel und Bluthochdruck, Migräne und affektive Störungen. Auf diesem Gebiet wird weiter geforscht, und ich glaube, dass unser Wissen über die Auswirkungen von Autoimmunprozessen im Körper noch sehr oberflächlich ist.
Warum sollte der komplexe und intelligente menschliche Körper versehentlich sein eigenes Gewebe angreifen? Es gibt eine schulmedizinische Sichtweise auf Autoimmunerkrankungen und es gibt die der funktionellen Medizin. Im Folgenden wollen wir beide näher betrachten.
Autoimmunerkrankungen aus schulmedizinischer Sicht
Nach schulmedizinischer Lesart hat der Körper bei Autoimmunerkrankungen die Fähigkeit verloren, seine innerlichen Proteinbestandteile als körpereigen zu erkennen. Warum das so ist, wissen wir nicht. Den Wissenschaftlern ist bewusst, dass alle Stadien chronischer Erkrankungen infolge fehlerhafter chemischer Prozesse und verworrener Signalfunktionen zwischen den Zellen beginnen. Es ist, als gebe es inmitten einer großen Symphonie plötzlich einen „Notensalat“ und in der Folge gehen Harmonien und Melodie zunehmend verloren, bis die Musik keine Ähnlichkeit mehr mit der ursprünglichen Partitur hat, und eine ehedem wunderschöne Musik nur noch wie Lärm klingt.
Für Wissenschaftler ist das frustrierend. Da die Medizin jedoch ein Gebiet aktiven Handelns ist, konzentriert sich die Schulmedizin darauf, die voranschreitende Invalidität zu verlangsamen, meist mittels entsprechender Medikamente. Dies ist gemäß der wissenschaftlichen Veröffentlichungen der einzig bewährte Weg, konsequent positiv auf das Fortschreiten einer Autoimmunerkrankung einzuwirken, und das ist genau das, was Ärzte tun: Sie versuchen zu helfen. Sie bilden sich ein Urteil über den Patienten, zücken den Rezeptblock und schicken ihre Patienten in die Apotheke.
Die Medikamente, die Schulmediziner bei Autoimmunerkrankungen verschreiben, schwächen die Immunzellen, damit sie den Körper nicht so heftig angreifen können. Alle krankheitsmodifizierenden Präparate für MS oder für andere Autoimmunerkrankungen zielen mithilfe unterschiedlicher Mechanismen auf die Blockade eines Teils der körpereigenen Immunreaktion ab. Manche dieser Präparate wirken wie ein Gift, um die Zellteilung zu beschleunigen (die Immunzellen gehören zu den Zellen im Körper, die sich am schnellsten teilen), damit sie den Körper nicht so wirksam angreifen (oder schützen) können. Andere blockieren einen bestimmten Weg im Prozess der Immunreaktion.
Da sich unser Immunsystem im Laufe seiner Entwicklung jedoch so ausgeprägt hat, dass es über vielerlei Wege Schutz bieten kann, haben alle gegen die Immunzellen gerichteten Medikamente eine lange Liste von Nebenwirkungen, viele davon mit erheblichen negativen Folgen für die Lebensqualität. Wir blockieren wichtige natürliche Funktionen des Körpers, und auch wenn unser Körper diese Funktionen zwar nicht ordnungsgemäß ausüben kann, bleibt solch ein Eingriff niemals folgenlos. Zu den Nebenwirkungen dieser Medikamente gehören Müdigkeit, Gelenkschmerzen, allgemeine Schmerzen, Depressionen und wunde Stellen im Mund. Es besteht ein leicht erhöhtes Infektionsrisiko (weil das Immunsystem unterdrückt wird) sowie ein allgemeines Krankheitsgefühl, denn wenn die Leistungsfähigkeit der Immunzellen gesenkt wird, nimmt die Leistungsfähigkeit aller Zellen ein wenig ab.
Grundsätzlich dämpfen Medikamente die Aktivität des Körpers sowohl in negativer als auch in positiver Hinsicht. Die Symptomatik der Autoimmunerkrankung mag sich bessern, doch Menschen unter Immunsuppressiva können sich ansonsten deutlich schlechter fühlen. Manche setzen die Behandlung fort, ganz egal, wie schlecht es ihnen geht, denn es droht die Gefahr, dass ihre Invalidität mit fortschreitender Krankheit weiter zunimmt, wenn sie nichts dagegen unternehmen.
Die Behandlung, die die Schulmedizin Patienten mit Autoimmunerkrankungen bieten kann, beschränkt sich auf die Verzögerung der fortschreitenden Invalidität auf Kosten Ihres Befindens zum gegenwärtigen Zeitpunkt – es geht Ihnen etwas oder erheblich schlechter.
Autoimmunprozesse aus Sicht der funktionellen Medizin
Autoimmunerkrankungen werden hier ganz anders betrachtet, und auf dieser Sichtweise beruht mein Programm. Das Problem mit dem auf Medikamente beschränkten schulmedizinischen Fokus besteht darin, dass immer mehr Studien nachweislich die Ernährung, die Toxinbelastung und den Grad der körperlichen Aktivität für 70 bis 95 Prozent der Risiken verantwortlich macht, von einer Autoimmunerkrankung, psychischen Problemen, Krebs und den meisten chronischen Krankheiten betroffen zu sein. Medikamente verbessern die Qualität Ihrer Ernährungsweise nicht. Sie reduzieren Ihre Toxinbelastung nicht, sondern erhöhen sie oft noch. Und sie sorgen mit Sicherheit nicht dafür, dass Sie körperlich aktiver werden. In den seltensten Fällen mindern Sie den chronischen Stress in Ihrem Leben.
Die funktionelle Medizin wirft einen genaueren Blick auf die Gründe, warum Ihr Körper seine Toleranz gegenüber seinen eigenen Proteinen überhaupt erst verloren hat. Wir wissen, dass der Körper Proteine eventuell nicht erkennt und dass sie bedrohlich und verdächtig aussehen, wenn sie ihre Form verändern und nicht mehr in die vorgesehenen Rezeptoren passen. Sie sehen mit größerer Wahrscheinlichkeit nach „nicht körpereigen und gefährlich“ aus. Die funktionelle Medizin bemüht sich darum zu erkunden, warum und wie es dazu kommt, welche biochemischen Reaktionen aus dem Ruder gelaufen sind und zur Entwicklung dieser deformierten Proteine geführt haben, und was genau die Besonderheiten der defekten chemischen Prozesse sind und welche Umweltfaktoren die Situation ausgelöst oder verschlechtert haben.
Es gibt mehrere Theorien dazu, warum Autoimmunerkrankungen entstehen. Eine davon ist, dass die Proteine, die der Körper nicht mehr erkennen kann, sich sogar durch Oxidation verändern, wenn ein Zuckermolekül, ein Schwermetallion (zum Beispiel von Blei oder Quecksilber) oder gar ein Virus- oder Bakterienpartikel sich an das Protein anheftet. Das häufigste Oxidationsmittel ist Glukose (eine zucker- und kohlenhydratreiche Ernährung kann die Häufigkeit erhöhen). Das oxidierte Protein verändert seine Form, und bei genetisch bedingt anfälligen Menschen sieht es nun aus wie ein gefährlicher Eindringling von außen. Das Ergebnis: Die Immunzellen greifen an.
In der funktionellen Medizin ist die Hyperreaktivität, also die Übererregbarkeit des Immunsystems ebenfalls von Interesse. Eine Zelle braucht sich nur minimal zu verändern und schon wird eine hochreaktive Immunzelle „argwöhnisch“. Wir wissen, dass es viele Faktoren gibt, die die Reaktionsfähigkeit von Immunzellen erhöhen. Dazu gehören die Menge und das Verhältnis von Omega-3-Fettsäuren zu Omega-6-Fettsäuren, Antioxidanzien sowie der Kohlenhydratgehalt der Ernährung, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die toxische Belastung im Körper, der Hormonspiegel und das Vorliegen chronischer Infektionen. Alle diese Faktoren können dazu führen, dass die Immunzellen hyperreaktiv werden. Daher ist es unser Ziel, ihre Reizbarkeit zu senken, damit die Wahrscheinlichkeit geringer wird, dass sie Amok laufen und die oxidierten Proteine im Körper angreifen. Im Blut und in unseren Zellen kann eine nahezu unendliche Anzahl möglicher Schäden (durch Giftstoffe, Hormone und Infektionen) auftreten – doch unsere Immunzellen haben nur eine begrenzte Anzahl von Möglichkeiten, um auf diese Schäden zu reagieren.
Eine weitere Möglichkeit der Immunzellen aktiv zu werden und nicht als „körpereigen“ erkannte Strukturen anzugreifen, besteht in der molekularen Mimikry. Davon spricht man, wenn Viren und Bakterien sich so entwickeln, dass einige ihrer Aminosäuresequenzen mit denen unserer Zellproteine übereinstimmen (um sich vor den Immunzellen zu „verstecken“). Sie ahmen nach, was bei uns als „körpereigen“ gilt, um die Immunzellen zu umgehen und eine geringgradige chronische Infektion auszulösen.1 Sobald die Immunzellen die Infektion erkennen und das Immunsystem dagegen vorzugehen beginnt, beginnt es auch, „körpereigene“ Strukturen anzugreifen. Dies ist einer der Mechanismen, durch den chronische Infektionen bei anfälligen Personen möglicherweise in eine Autoimmunerkrankung übergehen.
Erfahrungsbericht
Nach der Geburt meines ersten Sohnes 2006 wurde ich mit einer schweren Staphylokokkeninfektion ins Krankenhaus eingeliefert. Als sie überstanden war, bekam ich merkwürdige Symptome: ein Kribbeln im Rücken, Atembeschwerden und kalte Füße. Zunächst sagte man mir, das seien Angstzustände oder ein zu hoher Kaffeekonsum. Nachdem 2009 schließlich meine ganze rechte Körperhälfte taub wurde, machte man ein MRT und ich wurde sofort zu einem Neurologen geschickt, der meine Aufnahme einfach auf den Tisch warf und sich wie folgt äußerte: „Die gute Nachricht ist, dass Sie keinen Tumor haben, die schlechte – Sie haben Multiple Sklerose. Möchten Sie tägliche Injektionen mit Copaxone oder Avonex?“ Er sagte mir, ich würde noch etwa 10 Jahre lang halbwegs beschwerdefrei sein, dann komme es zu einer langsamen Verschlechterung. Wirklich eine nette Art, mit einer Kranken umzugehen. Ich war zu dem Zeitpunkt 27 Jahre alt.