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Das hat schon etwas, der schrille Ruf meines Namens: „Waldi, wirst du wohl!“ Frauchen mit Tempo 180, Feuchttuch in der Hand. Doreens Putzzwang macht sich beim Couch Abschrubben bezahlt, ungeplant wird der Stressabbau gefördert.
Katzenhaare auf der Hose: „Ups!“, eine unangenehme Situation.
Mietzi ist die Einzige im Haus, die sich divenhafter verhält als Nachbarin Moni. Sogar ich kusche und gehe ihr aus dem Weg. Muschikatze hatte mich ihre Harken ähnlichen Dolche spüren lassen, keine Chance! Eine absichtliche Verwechslung mit ihrem Kratzbaum?
Hatten sie bereits das Vergnügen, getackert oder gepierct zu werden? Dann können sie mir nachempfinden: „Aua!“
Die liebsten Beschäftigungen von Muschi sind: schlafen, schnurren fressen, und sich streicheln lassen.
Moni versucht sie zu besänftigen: „Miez, Miez, Miez! Mein kleiner Fellknäuel schau mal, was ich Schönes für dich habe!“
Ausgiebiges Streicheln wird zur Pflicht gemacht, hier ist Mietzi Chefin. Gefressen wird nur das Beste, sie ist eine Luxuskatze. Schließlich sind alle Katzen Luxus gewöhnt sowie den natürlichen Gehorsam ihres Besitzers.
Katzenleckerlis gehören zum Standard, ansonsten: „Vorsicht!“.
Bestimmt drückt Mietzi deshalb ein Auge zu. Moni kann sie hinaus locken aus ihrem Kuschelbett.
In welchen Betten treibt sich Callipo herum? Eines schönen Tages, es musste natürlich so kommen, fiel Cordula in das Grübelkoma.
Schatzi kam spät nach Hause, ohne ein Küsschen, ohne herzliche Begrüßung, er ließ sie einfach stehen! Ihr Ehemann hatte schlechte Laune und Cordula bekam das sofort zu spüren. Wozu hatte Callipo eine Ehefrau?
Unangebrachte Vorwürfe peitschte er auf sie nieder: „Wie sieht es hier aus, was gibt es zu essen? Haben die Kinder ihre Hausaufgaben gemacht! Ist mein Lieblingspullover gewaschen? Hast du einen Termin beim Friseur? Also Cordula, du lässt dich gehen!“
„Hilfe!“, ein Aufschrei der Ungerechtigkeit jagte durch ihr Gehirn! Cordulas Seele bäumte sich auf!
‚So lasse ich mich auf keinen Fall niedertrampeln! Nein, niemals! Nicht mit mir!’, dachte sie in diesem Moment.
‚Das wird auch Zeit!‘, dachte ich.
Was hatte sie falsch gemacht? Ständig rannte sie in dieses Fitnessstudio, nichts stellte ihn zufrieden. Cordula hatte sich bereits in einen skelettähnlichen Zustand gehungert.
Endlich beschloss sie: ‚So geht es nicht weiter! Zwölf Jahre als treusorgende Ehefrau! Schatzi, du hast mir stetig Steine in den Weg gelegt. Ich liebe nur dich! Liebt er mich noch? Wie kann ich diese unerträgliche Situation beenden?’
Die Fakten erdrückten sie und es half nur die Flucht an die frische Luft! Helmut war ein williger Fluchthelfer, schwanzwedelnd stand er vor Cordula.
Traurig blickte sie ihn an und sagte: „Herrchen ist heute ungenießbar.“ Der Riesenschnauzer hechelte verständnisvoll.
Ihre Sportsachen wurden aus dem Schrank geholt und angezogen. Schnell die Laufschuhe festgezurrt und prompt ging es los. Ein Lauf durch den Stadtpark war gut, um einen klaren Kopf zu bekommen.
Im Park wurde sie von Mopsmarion aufgehalten, sie trafen sich ständig auf ihren Gassiausgängen. Von Weitem erkannte Cordula den Mops, der ausgelassen und voller Eifer die Parkwiese durchkratzte. Die Grasbüschel flogen fröhlich durch die Luft. Vor lauter Aufregung war das Gesicht von Mopsmarions rot angelaufen.
„Hallo Frau Doktor! Ich muss ihnen unbedingt etwas erzählen. Stellen sie sich vor, ich war gestern bei Theodora!“, stürzte sie sich auf die Joggerin.
Japsend schnappte Cordula nach Luft, sie wollte keinesfalls unhöflich erscheinen und stoppte ihren Lauf.
‚Was ist den in Marion gefahren?’, überlegte sie.
Der Schweiß drang der Joggerin aus allen Poren und lief ihr an Stirn herunter. Sicherlich kein angenehmes Gefühl, um eine Unterhaltung zu führen. Ihre Gesprächspartnerin übersah einfach Cordulas feuchtes Angesicht, sie wollte unbedingt ihre Erkenntnisse loswerden.
„Wer ist den Theodora, sollte ich diesen Namen kennen?“, fragte Cordula unsicher.
Enttäuschung breitete sich auf dem Gesicht der Aufgeregten aus, verständnislos schüttelte sie den Kopf.
„Ach haben sie noch nie etwas von unserer Wahrsagerin gehört?“, platzte es aus Mopsmarion heraus, „Ich will doch meine Schwester finden. Theodora hat mir wertvolle Tipps gegeben.“
Diese Vorstellung, eine merkwürdige Geschichte.
Was sollte Cordula mit dieser Erklärung anfangen, sie hatte eine andere Anschauung.
„Woher wusste sie, wo sie sich aufhält? Kennen sie sich?“, fragte sie Interesse vortäuschend nach und beschäftigte sich dabei mit ihrem Riesenschnauzer.
Die Joggerin ließ Helmut von der Leine, denn er hatte die richtige Lauftemperatur erreicht. Sein freudiger Übermut kannte keine Grenzen, und er forderte Franz Joseph zum Laufduell heraus. Die beiden schwarzen Hunde flitzten um die Wette, lustig anzusehen. Mopsi wollte sich unter keinen Umständen abhängen lassen, seine kurzen Beine ratterten emsig drauflos. Riesenschnauzer Helmut liebte die Eleganz und flog durch die Luft, zwei Kraftpakete, die sich gut verstanden.
Ungefragt erzählte Mopsmarion weiter: „Vor zehn Jahren habe ich mich mit meiner Schwester Ilona verstritten. Ich möchte mich mit ihr versöhnen! Verlorene Zeit, die wir niemals zurückholen können. Sie fehlt mir über aller Maßen!“
Plötzlich bemerkte Marion die immer größer werdende Entfernung zu ihrem Mops. Rasch pfiff sie Franz Joseph zurück, er war fast außer Sichtweite. In Cordulas Ohren hallte es schmerzvoll nach, und sie verzog ihr Gesicht.
Ohne Punkt und Komma erzählte Marion weiter: „Wir durchlebten eine blöde Meinungsverschiedenheit wegen meines Ex-mannes, die Betonung liegt auf Ex. Oh, sie hat in allem Recht behalten, ich muss sie dringend sprechen! Ilona kennt mich besser, als ich mich selber kenne. Sie hat den Kerl sofort durchschaut! Unsere Beziehung konnte nie und nimmer gut gehen. Er war auf meinen Körper aus, meine Seele war ihm vollkommen egal!“
Cordula grinste heimlich, und sie versuchte die Puzzleteile, die ihr Mopsmarion hingeworfen hatte, zusammenzusetzen.
„Ist Theodora eine Art Orakel oder Seherin?“, musste sie heimlich schmunzeln
„Das kann nicht wahr sein!“, informierte Marion, „Frau Doktor haben sie noch nie von unserem Stadtorakel gehört? Theodora kennt doch jeder in der Stadt!“
Für Mopsmarion war das unbegreiflich, wie konnte sie diese geheimnisumwobene Frau nicht kennen?
„Frau Callipo, haben sie irgendwelche Fragen zu privaten Enthüllungen? Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden! Antworten kann ihnen unsere bekannte, problemorientierte Stadthexe und Wahrsagerin Theodora auspendeln. Eine gute Freundin hat sie mir empfohlen“, erklärte sie.
Cordula zweifelte an ihren Worten, wollte es sich aber in keiner Weise anmerken lassen: „Ich wusste gar nicht, dass Wahrsagerei noch aktuell ist?“
Die Zeit lief ihr davon, und die Joggerin schaute auf die Uhr. Der Terminplan ließ keine weiteren Verzögerungen zu.
Insgeheim dachte sie: ‚So ein Nonsens! Wer glaubt denn an solch einen Schwachsinn!’
Marion bemerkte natürlich das ungläubige Gesicht ihrer Gesprächspartnerin und versuchte sie umzustimmen: „Frau Doktor, lassen sie sich eines Besseren belehren! Ich habe auch gedacht, es ist Blödsinn! Sie müssen Theodora unbedingt auf die Probe stellen!“
Mopsfiedel fing sie ihren Mops ein, angeleint konnte er kaum mehr entfliehen. Franz Joseph war außer sich, er drehte sich im Kreis und verhedderte sich in der Leine. Dieses Knäuel musste entwirrt werden. Mopsmarion war genervt, nach einiger Zeit konnte sie das Hundeleinennetz entspinnen.
„Hilfe, ich muss sofort aufbrechen! Das wichtige Treffen mit meiner Schwester steht an. Oh, ich bin so aufgewühlt!“, schlagartig hatte sie es eilig.
Niemals war Mopsmarion schneller verschwunden.
Cordula blickte nachdenklich hinterher und nahm ihren Lauf wieder auf. Tausend Gedanken liefen mit: `Soll ich mich darauf einlassen? Einen Spaß ist es allemal wert, eine Abwechslung bräuchte ich dringend. Möglicherweise kann sie das Rätsel meines verlorenen Schatzis lösen? Orakel Theodora ich komme!
UNSER STADTORAKEL FREDI
Fredi, Boxer mit Boxer! Das ist selbstverständlich eine andere Geschichte. Seit sechs Jahren ist Fredi den Sternen und der Glaskugel verfallen. Er hatte sich im Internet Tarotkarten bestellt und selbst gelegt. Das führte zu folgendem Resultat: Fredi wurde im falschen Körper geboren.
Seine russische Frau Marina fand das lächerlich, Pumphosen kannte sie nur aus der russischen Folklore. Mit diesem neuen Outfit ging er – jetzt als Theodora – mit seinem/ihrem Boxer Wladimir im Park spazieren.
Peinlich! diese orientalische Kleidung war schön bunt und brutal auffällig. Wladimir störte das wenig.
Am Freitag trafen sich alle Hundeschüler in der Hundeschule, und wir sollten endlich unser Stadtorakel kennenlernen. Ich bin ein ehrgeiziger Dackel und will unbedingt in der Hierarchie aufsteigen. Mein Traum ist es, mich als Rudelführer zu profilieren.
Diese Gelegenheit kam unaufhaltsam auf uns zu, Theodora mit ihrem beziehungsweise seinem Boxer Wladi näherte sich. Ihre bunte Hose wurde vom Wind aufgebläht, dieser Ballon rollte auf uns zu.
‚Hoffentlich hebt sie nicht ab!’, befürchtete ich.
Belustigt bellte ich über die ganze Hundewiese: „Hey, Wladi, hat Fredi seine Pumphosen auf Pump an oder kommt Alibaba mit den Pfirsichräubern!“
Meine Hundekumpels und ich kugelten uns lachend auf der Wiese.
Wladimir zeigte keinerlei Reaktion. Das war unter seiner Würde, er fühlt sich auf keinen Fall für das Outfit seines Gassilenkers verantwortlich. Undenkbar für einen Boxer! Wladi zeigt mir seine kalte Schnauze, mit dieser Abfuhr hatte ich nicht gerechnet.
Im Notfall wollte ich mich hinter Birte verstecken, sie ist die Chefin der Hundeschule. Ich wusste, sie beschützt mich, dort konnte ich eine dicke Hundelippe riskieren.
Hier durfte Boxer Wladi nur bellen, nicht beißen: „Oder habt ihr euch schon einmal mit einem Boxer angelegt?“
Lasst das lieber sein! Boxer sind kompakte Kraftpakete. Wladi ist wohlerzogen und selbstbewusst. Ein Familienhund erster Güte, kaum aus der Hütte zu locken beziehungsweise aus der Reserve. Quadratisch, praktisch, gut und ebenso verspielt.
Auf keinen Fall will ich es mir mit einem Boxer verscherzen. Wladimir ist verpflichtet mein Kumpel zu bleiben. Stets freue ich mich, wenn ich sein liebes Boxergesicht sehe.
Stellt euch vor, früher wurden sie zur Bärenjagd eingesetzt! Aber sicherlich kann ich trotzdem einen kleinen Scherz bei den anderen Hundeschülern anbringen.
Hundeschule, was ist eine Hundeschule?
Treuherzig gesagt: „Das arrangierte Treffen eines Hunderudels.“ Dort wird mit den anderen Hunden trainiert. Es gibt Übungen, um ein ungefährliches Sozialverhalten zu erlernen und sich auszupowern.
Auf der Tagesordnung steht heute: „Wie gehe ich mit meinem Frauchen durch die Stadt?“
Natürlich angeleint und mit Würstchentüte. Niemand soll angebellt und angesprungen werden. Betteln verboten! Markieren und Würsteln ebenso bis auf wenige Ausnahmen.
Ich wusste: „Darauf habe ich keine Lust!“
Dieses hintereinander Trotten, die Betonung lag auf Hintern. Zahlreiche Hunde meines Rudels lagen damit absichtlich in meiner Augenhöhe! Das Schlimmste überhaupt, ich dufte mir mein Rudel nicht selber aussuchen. Mit wem sollte ich mich hier messen, mit wem auf Beutezug gehen?!
Der Rudelausflug führte in Richtung Zoo, stetige Erziehung und Schulung unser Sozialverhalten ist äußerst wichtig. Im Zoo sehen wir Lisztäffchen, Erdmännchen, Wellensittiche – hinter Gittern!
Diese großen Eulen, ich fühle mich direkt beobachtet. Angeblich sind sie am Tag blind. Gut, dass nachts das Kleintiergehege geschlossen ist. Ich möchte nicht von ihnen gesehen werden.
Auf einem Schild steht: „Füttern verboten!“
Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Mopsmarion, Pudelpeggy oder Yorkshiresandra auf die Idee kommen, uns mit diesem Getier zu füttern. Mein Favorit ist „Lappi“ aus der Dose in mundgerechten Stückchen, für jede Schnauze die passende Größe, Konservierungsstoffe bin ich gewöhnt!
Auf dem nächsten Schild steht: „Hunde sind an der Leine zu führen“. Hier soll wahrscheinlich die natürliche Zusammenführung der Tierarten im Streichelzoo verhindert werden!
Mir kurzangebunden den Spaß zu versauen! Der einzige Grund, weshalb ich bereitwillig mitgekommen bin! Na gut, der andere Grund ist ein Zwang – Gruppenzwang.
Hatz im Streichelzoo, darauf habe ich mich gefreut! Dort sind die Meerschweinchen, Ziegen und leckeren Kaninchen.
Ich träume von einem weißen Zwergkaninchen, blutig in meinem Maul. Stolz laufe ich erhobenen Hauptes an den Tiergehegen vorbei. Hunger spielt keine Rolle, aber es hätte sicherlich großen Eindruck gemacht.
Schlussfolgernd stelle ich fest: „Ich bin ein Jagdhund und natürlich Rudelführer. Der Einzige, der hier einen praktischen und naturbelassen Plan hat, bin ich!“
Diese Vorstellung, einfach fantastisch! Was löst das bei meiner menschlichen Rudelführerin aus?
Doreen schreit hysterisch: „Waldi, tu das nicht! Aus! Sitz! Platz! Hierher!“ Danach fällt sie in Ohnmacht oder Schlimmeres, Herzinfarkt! Sie kann kein Blut sehen und das niedliche Kaninchen!
Oh je, Doreen schämt sich furchtbar und diese peinlichen Erklärungen: „So etwas heimtückisches hat Waldi noch nie getan, sicher hat ihn das Kaninchen zuerst angegriffen! Er ist ein Schoßhund und gut erzogen. Bitte bringen sie ihn nicht ins Tierheim!“
Diese blutrünstige Straftat würde ich keinesfalls heute begehen, vielleicht ein anderes Mal. Grins.
DAS ORAKEL
Cordula hatte einen Termin bei Theodora, und das Unglück nahm seinen Lauf.
In der Breitscheidstraße 8 wohnt die Wahrsagerin, dort frönte sie ihrer großen Leidenschaft: „Wahrsagen!“
Theodora ist das Orakel unserer Kleinstadt, und das soll etwas heißen. Sie hatte schon vielen wahrgesagt und es war immer wahr – mehr oder weniger, ziemlich oft.
Theodora versprach Sabine: „Du musst morgen nicht zur Arbeit!“ Weil morgen Sonntag war, und Sonntag hatte sie frei!
Frau Müller hatte sie vorausgesagt: „Sie werden bald Oma!“ Bei sechs Kindern und vierzehn Enkelkindern, davon zehn Mädchen, da ist ständig jemand in anderen Umständen.
Wer macht solche Aussagen, unglaublich! Andere Umstände, was ist das für ein Blödsinn? Welche Umstände sollten das sein? Die Umstände der natürlichen Fortpflanzung zum Zwecke der Weitergabe genetisch identischen oder weitestgehenden identischen biologischen Materials zur Reproduktion und Erhaltung der eigenen Art. In Reproduktion ist Familie Müller ziemlich gut. Also, das nenne ich positive Umstände.
Uwe hatte sie versprochen: „Du wirst bald eine große Reise antreten.“
Höchstwahrscheinlich hatte ihr das Katrin aus dem Reisebüro anvertraut. Boxer Wladi und die Huskyhündin Sila, der Reiseberaterin sind bestens befreundet. Sie treffen sich täglich auf ihren Spaziergängen. Aus erster Hand und ungelogen, erfährt dort Theodora so einiges. Das Erbschaftsereignis musste vertrauensvoll weitererzählt werden, Katrin berichtete ausführlich, gewiss hatte Theodora ein offenes Ohr.
Am Dienstag betrat Uwe das Reisebüro, er freute sich riesig über das viele Geld, das jetzt auf seinem Bankkonto auf Transaktionen wartete. Es musste lange genug im Sparstrumpf schmoren und wollte verjubelt werden. Uwe war guter Dinge.
Katrin telefonierte gerade mit einem Kunden: „Ja, Flug 213 um 8:00 Uhr“, sie zwinkerte ihm zu, sich zu setzen.
Nervös grinsend, haarte er aus, um sich von der Reisekauffrau beraten zu lassen.
Endlich legte sie auf: „Was ist denn mit dir passiert?“
Irgendetwas war anders als sonst? Huskykatrin und Uwe sind alte Schulfreunde, ihr fiel sofort auf: ‚Hier ist etwas im Busch, ach nein, im Strumpf!’
Er sprang auf und drückte sie: „Es ist mir fast peinlich, mich zu freuen, meine Tante ist verstorben.“
„Wir sind aber kein Beerdigungsinstitut! Wie kann ich dir weiterhelfen?“, stellte Katrin nach kurzer Überlegung klar.
Dann fuhr sie mit ihrem Bürostuhl an den Schreibtisch heran und nahm die Prospekte zur Hand.
Aus dem lustigen Erben sprudelte heraus: „Katrin, ich habe geerbt, und ich will nach Hawaii fliegen! Es soll aber keiner davon wissen! Ich will auf keinen Fall angepumpt werden. Wenn es um Erbschaften geht, scharen sich doch alle wie die Fliegen um die dampfende Hundekacke!“
Katrin nickte ihm vertrauensvoll zu.
„Kein Problem, ich schweige! Die Anzahlung für die Reise ist sozusagen das Schweigegeld!“, versprach sie lachend in ihrem Reisebüro.
Solch solvente Kundschaft konnte sie sich nur öfter wünschen. Es würde bestimmt nicht die letzte Reise für Uwe sein, die er bei ihr bucht, da macht die Beratung Spaß und Sinn.
Dem Globus auf ihrem Schreibtisch wurde schwindelig, seine Erdumdrehungen kamen aus dem Rhythmus. Mit dem Finger ging die Reiseplanung hin und her, es gab zahllose Länder zu entdecken. Uwe bekam bereits Ohrensausen und Kreislauf! Er stoppte den sich immer schneller drehenden Globus und die immer schneller redende Reiseberaterin.
„Puh, einmal um die Welt in drei Stunden! Das schafft nicht einmal Jules Verne“, erschöpft, stand er von seinem magnetisierten Beratungsstuhl auf.
Das Reisen so anstrengend sein kann! Uwe litt an Übelkeit, vermutlich war er reisekrank. Der Erbe brauchte eine Reisetablette. Das eine Erbschaft den normalen Alltag gravierend verdrehen kann, beängstigend. Wer da nicht durchdreht, ist selber schuld.
Katrin war hocherfreut und drückte Uwe die Hand: „Gebucht ist gebucht! Ich wünsche dir viel Spaß und eine gute Reise! Ich freue mich auf deinen Reisebericht! Melde dich unbedingt, wenn du wieder da bist.“
Cordulas Reise ging weiter in Richtung Theodora. Das Navi auf ihrem Handy war aktiviert, den in diese Gegend war ihr völlig unbekannt.
Hier standen triste, graue Mietshäuser mit mehreren Stockwerken, mit Fahrstuhl oder ohne. Ein paar Häuser waren dazwischen, die gewollt und gekonnt mit grafisch bunten Häuserfassaden der örtlichen Malervereinigung verziert wurden. Es sollten verstärkt neue Mieter angelockt werden. Darunter waren auch besprühte Häuser, die von künstlerisch freien Malern im Spraydosenstil bearbeitetet waren.
Den Jackenkragen hatte sie hochgeschlagen, ein Tuch wärmte zusätzlich ihren Hals. Das Navi zeigte nur noch wenige Meter an, jetzt stand Cordula vor dem Haus. Die Sprechanlage gähnte sie wortlos an. Die Verunsicherte las die Namenschilder durch, und sah sie sich hastig um, glücklicherweise war niemand zu sehen. Sie drückte auf den Klingelknopf, und der Türöffner summte und knackte. Voller Kraft stemmte sich Cordula dagegen und fiel mit der Tür ins Haus. Wo war das Flurlicht? Der Bewegungsmelder bemerkte sie, denn das Licht sprang an. Ihre Ohren lauschten angestrengt, nichts Auffälliges war zu hören, nur ihr Atem keuchte ängstlich. Cordula drehte sich wiederholt suchend um, bevor sie in den zugig muffigen Hausflur stürzte. Das Licht verlosch, sprang aber durch Cordulas Bewegung sofort wieder an. Einen kurzen Moment überlegte sie und rannte dann sportlich die Treppe hinauf.
Fatal, wäre sie einer Patientin begegnet. Diese fragenden Blicke, vielleicht ausgesprochen?
Cordula fiel ein: ‚Ich kann ja einen Hausbesuch vortäuschen’ Ach, lügen war nicht ihre Stärke.
Im 4. Stock nach Luft schnappend angekommen, stand Boxer Fredi und Boxer Wladi wartend in der Wohnungstür.
„Immer herein in die gute Stube. Sie sind der Termin, Frau Cordula?“, sprach Theodora sie an.
Ihr wurde mulmig und sie begann zu schwitzen. Es war keine Menschenseele zu sehen!
„Bitte sprechen sie mich nicht mit Namen an, hier auf dem Treppenabsatz!“, unterbrach Cordula sie.
Dann huschte sie in den Wohnungsflur hinein, und betrat eine orientalisch dekorierte Dreizimmerwohnung im 4. Stock eines Mehrfamilienhauses.
„Soll ich Tee kochen!“, rief Marina aus der Küche.
Die Verunsicherte brauchte keinesfalls lange überlegen: „Ein leckerer Tee aus dem Samowar? Marina, den kann ich doch nicht ausschlagen!“
Bei Theodoras Frau stand Gastfreundschaft an erster Stelle, schließlich war sie durch und durch Russin, geboren in St. Petersburg.
Marina und Fredi verliebten sich in Sibirien, er arbeitete als Montagearbeiter. Es war dort bitterkalt, und sie wärmten sich gegenseitig Körper und Herz. Marina folgte Fredi nach Deutschland, niemals wollten sie sich voneinander trennen.
„Mit Zucker, Frau Doktor?“, rief es herzlich aus der Küche.
Aufgeregt antwortete Cordula: „Ja mit Zucker. Ich glaube, ich brauche Nervenfutter!“
Theodora hatte sie in der Zwischenzeit in das Kinderzimmer geführt und ihr einen Platz angeboten. Dort schlägt Cordula gedimmtes Licht entgegen: beleuchtete Kugeln mit Farbwechsler, flatternde, zugezogene Vorhänge – das volle Programm.
Fallend lässt sie sich auf dem Sitzkissen von Ikea nieder, Stille im Raum.
Fredi, oder besser gesagt, Theodoras Blicke wurden geheimnisvoll durchdringend: „Was wollen sie wissen? Die Karten lügen nicht.“
Cordula schluckte geräuschvoll und atmete tief durch. ‚Ob ich mir das so richtig überlegt habe?’, sie wurde nachdenklich und fing an, ihre Hände zu massieren.
„Wie sieht es mit meiner Ehe aus?“, stammelte die Unwissende weinerlich, sie spürte, dass kaum etwas Gutes dabei herauskommen würde.
Theodora nahm die Karten aus der Schublade und begann sie sorgfältig durchzumischen. Endlich legte sie die Karten auf dem Tisch aus.
„Sie sind seit ein paar Jahren verheiratet. Ich sehe etwas, was ihnen missfallen wird!“, räusperte sich die Wahrsagerin.
Kurz und schmerzvoll musste es ans Tageslicht: „Ich sehe eine blonde Frau in den Armen ihres Mannes! Nicht erst seit heute! Das geht bereits ein dreiviertel Jahr! Sie haben nichts bemerkt?“
Zitternd und mit Tränen in den Augen suchte Cordula nach Worten, sie war fassungslos: „Das, kann nicht sein! Eine Frechheit, allein dieser Gedanke, ihre lausige Behauptung, sie sind ein Scharlatan im Boxerbademantel! Von mir kriegen sie keinen Cent!“
Die Betrogene sprang genauso sportlich von den Kissen hoch, wie sie die Treppe hinaufgerannt war. Die Teetasse fiel in Zeitlupe zu Boden. Zersprang in tausend Stücke; zersprang in dieser Sekunde ihr Glück in tausend Stücke, irreparabel? Tränen drückten sich mit aller Macht in ihre Augen, unaufhaltsam drängten sie nach draußen. Wie soll sie das rückgängig machen, alles wieder in Ordnung bringen?
Tränen der Wahrheit mussten die Lüge wegspülen. Die Lebenslüge, die früher eine romantische Wahrheit war, wann wurde sie zur Lüge? Unbemerkte, gegenseitige zarte Verletzungen, die riesengroß erschienen. Kaum mehr zu kitten, unbedachte Abweisungen, die sich tief in Seele und Herz schnitten. Alltagsfrust, Kinderstress, gegenseitiges Unverständnis, stille, verzweifelte, ungehörte Schreie nach Liebe und Zärtlichkeit.
Dieser ständige Schlafentzug war eine Folter, wenn aus Zwei, Drei und dann Vier wurden. Unangebrachte Ratschläge von allen Seiten, was die Kindererziehung betraf.
Ja, diese Ratschläge, Schläge direkt ins Gesicht. Nun war die Flamme der Leidenschaft, der Zweisamkeit dahin. Sie hatten sich ewige Treue geschworen, immer zueinanderstehen!
Hoffnungslosigkeit, Cordula konnte und wollte es nicht wahrhaben: ‚Warum habe ich mir diesen Blödsinn angetan! Alles erstunken und erlogen! Dafür soll ich noch Geld bezahlen! Der kann mich mal kreuzweise und Tschüss!’
Ohne Umweg lief sie schluchzend aus der Wohnung die Treppen herunter. Bevor sie auf die Straße trat, musste sie sich auf jeden Fall beruhigen.
Draußen ging das Leben weiter, keiner drehte sich um. Die Welt blieb nicht stehen und wegen einer Ehekrise schon gar nicht! Das kommt häufiger vor als man denkt, Scheidungen gab es genug! Warum sollte sie einem dahergelaufenen Boxertypen glauben? Diese Unterstellung, darüber musste sie eine Nacht schlafen.
Sie war wütend auf sich selbst: ‚Wie konnte ich leichtgläubig dort hingehen! Niemand darf es erfahren und auf gar keinen Fall mein Göttergatte!’





