Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte

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Viele Jahre später erst besann man sich auf die Schätze aus der Frühgeschichte des Films und sammelte sie als Kulturgut, archivierte und pflegte sie. Filme wurden restauriert, um sie möglichst originalgetreu, nahe an der Fassung ihrer Uraufführung, wiederherzustellen. In aller Regel bedeutet das eine Suche nach Filmkopien rund um die Welt, damit sich Inhalt und Materialqualität miteinander vergleichen lassen und es dadurch möglich wird, Filmlücken zu erkennen und zu schließen. Ein mühsames Unterfangen, das man zum Beispiel berühmten Stummfilmen von Fritz Lang hat angedeihen lassen. Prominentes Beispiel ist sein weitgehend wiederhergestellter Spielfilm METROPOLIS von 1927, der am 12. Februar 2010 feierlich gleichzeitig in Berlin und Frankfurt a. M. wiederaufgeführt wurde. Die Bedeutung von Chaplin und seinen Filmen für die Filmgeschichte kann wahrscheinlich nicht hoch genug eingeschätzt werden. Daher entstanden auch für sein Werk Restaurierungsprojekte.
David H. Shepard hatte 1984 nach langen Vorarbeiten aus den weitgehend restaurierten Mutual-Grotesken THE CHARLIE CHAPLIN FESTIVAL zusammengestellt. Der Titel lehnte sich an das gleichnamige 125-minütige Programm des US-Verleihs Guaranteed Pictures aus dem Jahr 1941 an, das sechs Mutual-Zweiakter in ihren so genannten van-Beuren-Fassungen zusammenführte. Nachdem Shepard im März 1989 die Firma Blackhawk Films erworben hatte, die heute Serge Bromberg gehört, erarbeitete er mit dem Komponisten Michael D. Mortilla zu Chaplins 100. Geburtstag eine Ausgabe des CHARLIE CHAPLIN FESTIVALS, die 1991 bei Image Entertainment auf vier Laserdiscs CHARLIE CHAPLIN: EARLY YEARS # 1–4 (Bestell-Nr. LV 27118–LV 27120) erschien. Jedem Film hatte Shepard Textkarten mit filmhistorischen Informationen und Angaben zur Restaurierung vorangestellt. Mortillas Kompositionen bedeuteten eine bewusste Abkehr von Archivmusiken und Soundtracks, die auf Slapstick getrimmt waren. Da Chaplins Filme dem Zuschauer auch sehr viel Lachen bescheren, werden sich manche gewünscht haben, dass dies musikalisch deutlicher zum Ausdruck gekommen wäre.
1993 erwarb der deutsch-französische Kulturkanal arte Senderechte an Shepards CHARLIE CHAPLIN FESTIVAL und zeigte dessen Einzelfilme ab Jahresbeginn 1994 in der Serie




CHARLIE CHAPLINS KOMISCHES THEATER ZEIGT
DFF 1967. 10 Folgen, 14.6.–8.11.1967
P DFF; Red Karl-Heinz Busch. Weitere Details unbekannt.
Die Serie stand nicht zur Verfügung.
Chaplin-Filme kamen meistens gut an, zumal der Künstler in der DDR hohe Anerkennung genoss. Nachdem 1966 die

Die Serie begann mit dem Mutual-Klassiker CHARLIE IM LEIHHAUS (THE PAWNSHOP), zu dem Redaktionsleiter Karl-Heinz Busch ausführte: «Wir begegnen hier nicht nur dem brillanten Späßemacher, sondern einem Künstler, der die Gesellschaft sozialkritisch und realistisch zeichnet.» In der Serie wurde auch der abendfüllende Streifen TILLIE’S PUNCTURED ROMANCE von 1914 gezeigt, der, auf zwei Folgen verteilt, am 12. und 26. Juli 1967 ausgestrahlt wurde: CHARLIE UND DIE JUNGFRAU sowie CHARLIE UND DIE MILLIONEN DER JUNGFRAU. Aus der Essanay-Periode 1915 stammen CHARLIE MACHT HOCHZEIT (A JITNEY ELOPEMENT) und CHARLIE, DER GANOVE (POLICE), die Ende August gesendet wurden. Möglicherweise war POLICE schon am 21. Juni 1967 unter dem Titel CHARLIE AUF SCHIEFER BAHN gezeigt worden.
Drei Mutual-Zweiakter von 1917 würdigte Busch in seinen Ansagetexten als Highlights. Zu CHARLIE UND DER SCHRECKEN DER STRASSE (EASY STREET), ausgestrahlt am 2. August 1967, schrieb er: «Mit [diesem Film] begann [Chaplin] seine sozialen Satiren. In diesem Film spottet Chaplin über die Unzulänglichkeit von puritanischen Bekehrungsversuchen, das Elend der Armen zu lindern. Charlies Märchen vom Wunder in der Easy Street stellt bewusst die Wirklichkeit auf den Kopf.» An CHARLIE GANZ SOLO (ONE A. M.), der am 18. Oktober 1967 auf dem Programm stand, bewunderte Busch Chaplins «Ein-Mann-Pantomime», die «völlig auf turbulente Handlung verzichtet». Zur Abschlussfolge CHARLIE, EIN WARENHAUS UND DIE ROLLTREPPE (THE FLOORWALKER) am 8. November 1967, in dem eine Rolltreppe im Mittelpunkt von Gags steht, notierte er: «In einer Reihe von Szenen, die sich symmetrisch um diese Achse gruppieren, bereitet sich eine turbulente Schlussverfolgung vor. Doch vorher hat der Zauberkünstler Chaplin alle Artikel, die in diesem Warenhaus zu kaufen sind, in poetische Requisiten seiner Genres verwandelt.»
Im TV-internen Der Fernsehzuschauer stand kein Lob für CHARLIE CHAPLINS KOMISCHES THEATER ZEIGT. Eine Zuschrift vertrat die Auffassung, dass «solche Schmarren wie Charlie Chaplin» nicht ins Abendprogramm gehörten (Nr. 18, Juni 1967, S. 14). Eine andere fand die Folge CHAPLIN UNTER FEINEN LEUTEN (THE COUNT, 1916) «sehr abgespielt» und «für unsere Zeit unmöglich (Nr. 19, September 1968, S. 17). Weiter heißt es in der Zuschrift: «Meine 18-jährige Enkelin war gespannt auf Chaplins Darstellungskunst. Ihr Urteil: ‹Und über so etwas habt ihr damals gelacht?!›»
CHARLIE CHAPLIN SUPERSTAR
P Edition Atlas Super 8 der Atlas Schmalfilm GmbH, Vertrieb über Piccolo Film; Einführung/Z Joe Hembus. Weitere Details unbekannt.
Die Edition lag nur teilweise vor.
Die Duisburger Atlas Schmalfilm GmbH hatte Anfang der 1970er-Jahre ein breites Verleihangebot an Spiel- und Dokumentarfilmen, das zum Beispiel Schulen und Jugendeinrichtungen nutzten. Daneben verkaufte Atlas über die Firma Piccolo Film für das Heimkino Super 8-Filme mit und ohne Ton. Diese konnte in den eigenen vier Wänden mit einem geeigneten Projektor auf eine Leinwand projiziert werden ähnlich wie Dias an berüchtigten Dia-Abenden. Eine Sparte des Verkaufs von Super 8-Filmen war die Edition Atlas Super 8. Unter dem Motto «Das Kino in der Kassette» gab es dort ein «einmaliges Subskriptionsangebot bis zum 31. Dezember 1972», unter anderem mit zwölf Chaplin-Kurzfilmen aus den Jahren 1915 bis 1917. Die «erste werkgetreue Chaplin-Super-8-Ausgabe mit ausführlicher Bild- und Textdokumentation in exklusiven Buchkassetten, herausgegeben von Joe Hembus» hieß CHARLIE CHAPLIN SUPERSTAR. In stummer Fassung kostete die Gesamtausgabe 580,00 DM und mit Magnetton 860,00 DM – ein damals üblicher und nach heutigen Verhältnissen heftiger Preis. Die Ausgabe umfasste fünf Essanay-Streifen und sieben Mutual-Zweiakter «in ungekürzten, authentischen Fassungen ihrer Uraufführungen mit filmhistorischen Einführungen und deutschen Zwischentiteln». Außer einer zweiseitigen Chaplin-Würdigung, die jedem Filmkarton vorgeheftet war, hatte der Filmjournalist Joe Hembus zu jedem Film einen kurzen Text verfasst. Die originalen Vor- und Abspanne, Credits und Zwischentitel wurden durch schlichte Tafeln in deutscher Sprache ersetzt und die Filmtitel wörtlich deutsch übersetzt. Anders als in TV-Serien wurde auf gesprochene Kommentare verzichtet. Für die Magnetton-Fassungen erhielt der Vorspann eine einfache Hammond-Orgel-Musik, während die Filme selbst von einem Kintopp-Piano untermalt wurden. Diese Musik variierte von Film zu Film wenig. Wahrscheinlich handelte es sich um Archivmusiken. Einzelheiten zur Musik sind nicht bekannt.

CHARLIE CHAPLIN SUPERSTAR, Verkaufskarton der Edition Atlas Super 8 (Atlas Schmalfilm GmbH, um 1972)
1973 wurde die Edition um neun weitere Streifen aufgestockt und deckte Chaplins gesamte Kurzfilm-Produktion für Essanay und Mutual ab. Das spätere 16-mm-Schmalfilmangebot der Atlas Film + AV (Katalog 1978) hatte in puncto Chaplin denselben Umfang. Die Senderechte am Chaplin-Programm der Edition Atlas Super 8 wurden 1973 an den NDR verkauft, der es bei N3 in der

CHARLYS FLIMMERKISTE
WDR regional 1961. 1 Folge, 15.8.1961
P Degeto für WWF und WDR? Details unbekannt.
Die Folge stand nicht zur Verfügung.
Unklar ist, ob der halbstündige Beitrag eine Einzelproduktion oder die Wiederholung einer Folge aus der WWF-Serie

CINEMATOGRAPHEN-THEATER
BR regional 1959. 8 Folgen, 29.1.–11.6.1959
P Degeto für Bayerische Werbefunk GmbH und BR. Weitere Details unbekannt.
Die Serie stand nicht zur Verfügung.
Die erste Slapstickserie im Fernsehen beider deutscher Staaten war nicht allein den stummen Slapstickfilmen gewidmet. Den überwiegenden Teil der etwa halbstündigen Folgen des CINEMATOGRAPHEN-THEATERS füllten dramatische und abenteuerliche Stummfilme, von denen ein oder zwei Folgen wohl auch aus Serials stammten. Präsentiert wurde die Serie von einem unbekannt gebliebenen Kommentator. Das CINEMATOGRAPHEN-THEATER wurde im Auftrag der 1956 gegründeten Bayerischen Werbefunk GmbH erworben, einer 100 %-igen Tochter des BR, die heute als BRmedia GmbH firmiert. Den Einkauf besorgte die Degeto. Ursprünglich 1928 zur Förderung von Kulturfilmen als Deutsche Gesellschaft für Ton und Bild e. V. gegründet, wurde der Verein 1952 vom Land Nordrhein-Westfalen und dem HR wiederbelebt. Es entstand die GmbH, die seit November 1954 der HR-Werbetochter Werbung im Rundfunk GmbH gehört und seit demselben Jahr für die Landesrundfunkanstalten der ARD Serien und Spielfilme einkauft. Ihr Sitz befindet sich wie der des HR und seiner Werbetochter in Frankfurt a. M..
Werbefernsehen war in den 1950er-Jahren umstritten und wurde juristisch bekämpft. Die Landesrundfunkanstalten der ARD gründeten nach und nach Werbetöchter, um sich neben den Rund- und Fernsehgebühren über sie zu finanzieren. Dafür galt es Werbekunden zu animieren, ihre Werbefilme, die man heute Werbespots nennt, gegen Bezahlung zu platzieren. Zwischen den Werbeblöcken wurde ein Programm gesendet, das die Zuschauer anziehen und so attraktiv sein sollte, dass sie auch bei der Werbung möglichst nicht abschalteten. Die regional ausgestrahlten Programme des Werbefernsehens mit dokumentarischen, kulturellen und unterhaltenden Inhalten war daher für die Werbekunden von großer Bedeutung. Vorläufer der TV-Regionalprogramme der Landesrundfunkanstalten war das gemeinsame Regionalprogramm von HR, SR und SWF, das ab dem 9. Juli 1955 als ZWISCHEN RHEIN, MAIN UND NECKAR gesendet wurde. Am 3. November 1956 begann das regionale Werbefernsehen des BR.
Über die regionale Ausrichtung hinaus wurde das ARD-Programm auf zusätzlichen Ebenen weiterentwickelt. Dies geschah einmal durch die Zusammenarbeit westeuropäischer Fernsehanstalten, zum Beispiel mit Eurovisions-Sendungen. Zum anderen wurde 1961 das Programm ARD2 gegründet, wo

Vom CINEMATOGRAPHEN-THEATER entstanden acht knapp halbstündige Folgen, die vom 29. Januar bis 11. Juni 1959 sporadisch in der «Südschiene» von BR, HR, SDR und SWF um 19:30 Uhr auf dem Programmplatz ZWISCHEN HALB UND 8 ausgestrahlt wurden, also direkt vor der um 20:00 Uhr im ARD-Hauptprogramm beginnenden TAGESSCHAU. Einer der Sendetermine des CINEMATOGRAPHEN-THEATERS in der «Südschiene» wurde womöglich in den Programmzeitschriften nicht ausgedruckt. Nach der Programm-Planung der Bayerischen Werbefunk GmbH wurde die Serie in der Endphase unter dem Titel

Anno 1959 warben Bärenmarke, Birkin, Glänzer, Trumpf, Maggi, Kaba, Constructa und viele andere Firmen für ihre Produkte. Die Renner des damaligen Werbefernsehens waren die Serien ABENTEUER UNTER WASSER (SEA HUNT) mit Lloyd Bridges als Mike Nelson, VATER IST DER BESTE (FATHER KNOWS BEST) mit Robert Young und LONDON 999 (DIAL 999), dazu das TICK-TACK-QUIZ mit Fritz Benscher. Eine heute noch bekannte qualitätsvolle Serie wie ALFRED HITCHCOCK ZEIGT (ALFRED HITCHCOCK PRESENTS) zog demgegenüber in der Zuschauergunst eindeutig den Kürzeren.
Die ersten vier Folgen des CINEMATOGRAPHEN-THEATERS wurden von einer GEFILMTEN ENZYKLOPÄDIE begleitet. Nach den Notizen des regionalen Infratest-Indexes war das «ein gewaltiges Werk, das einige mutige Männer in Frankreich soeben begonnen haben, und dessen Beendigung mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Heute: Amazone, Atlantik und Lawine.» Eine seltsame Kombination, mit der man wahrscheinlich vorsorglich versucht hat, Filme aus der Stummfilmzeit mit Bildung zu verbinden, um dem Vorwurf zu begegnen, die Zuschauer bei der Begegnung mit alten Filmen einfach nur lachen lassen zu wollen. Über die Art, wie die Filme in der Serie präsentiert worden sind, ist nur wenig bekannt. Den einzigen Hinweis in Programmzeitschriften enthält die TV Fernseh-Woche vom 14. Mai 1959: «Das CINEMATOGRAPHEN-THEATER zeigt eine Reihe kurzer Stummfilme aus den Anfängen des Kinos, die zu den Raritäten der Filmgeschichte gehören. Berühmte Darsteller wie Buster Keaton, Harald [sic] Lloyd, Mary Pickford und Douglas Fairbanks werden auch dem heutigen Zuschauer viel Vergnügen bereiten, wenn meist auch unfreiwillig. Wie einst im alten Kintopp, so wird auch jetzt ein Begleittext gesprochen, allerdings diesmal in persiflierender Form.» Wer der Erklärer war, wie die deutsche Bearbeitung aussah und welche Musik eingespielt wurde, ist unbekannt. Die Anfrage dazu hat die BRmedia GmbH nicht beantwortet.
In der Startfolge wurde der erste Western der Filmgeschichte gezeigt, THE GREAT TRAIN ROBBERY (1903), und dazu der Slapstickfilm DER WASSERSCHADEN (THE PLUMBER, 1914) mit Charly Murray. Klempner Murray soll im Badezimmer einer Villa einen Wasserschaden beheben und will im Keller des Anwesens den Haupthahn abdrehen. Dort findet er eine Flasche Schnaps, an der er sich gütlich tut und bald nicht mehr ganz allein ist. In dem Zustand lässt er im Keller unbeaufsichtigt eine brennende Lötlampe zurück, als er sich im Obergeschoss an die Reparatur des Schadens macht. Im Nu steht die Villa in Flammen, die Feuerwehr rückt an, und der Hausherr prügelt sich mit Murray. Die Zuschauer des bayerischen Regionalprogramms gefiel die Groteske besser als der frühe Western. Sie bemängelten aber den technischen Standard der alten Streifen und mokierten sich über die Stoffe, die damals verfilmt wurden. Für Verwirrung sorgte, dass der Erklärer die Stummfilme mit Murray mit denen von Chaplin verglich. Das geschah offenbar reichlich missverständlich. Denn manche Zuschauer dachten, sie hätten einen Chaplin-Film gesehen. In der zweiten Folge scheint es nur einen Ausschnitt aus dem dramatischen Stummfilm DER SCHWARZE ADLER (THE EAGLE, 1925) mit Rudolph Valentino gegeben zu haben und dazu die GEFILMTE ENZYKLOPÄDIE zu den Begriffen Alchemie und Automat. Für die dritte Folge wählte «der ironische Filmhistoriker, der diese Sendereihe betreut,» eine Parodie auf THE COVERED WAGON (1923) von James Cruze aus. Das war Will Rogers’ vielschichtige Satire TWO WAGONS: BOTH COVERED (1924) auf die Pioniere des wilden Westens. Sie hat dafür gesorgt, dass Cruzes Drama nicht in Vergessenheit geraten ist. Vor allem ist der Streifen ein Beispiel dafür, welch hervorragender Filmemacher Rogers war. Drei Viertel der Zuschauer aus dem Bereich der «Südschiene» fanden damals TWO WAGONS: BOTH COVERED ausgezeichnet, das andere Viertel tat ihn als «albern» ab. Außerdem zeigte sich, wie unnötig der wohl sehr bemühte kulturpolitische Anhang der GEFILMTEN ENZYKLOPÄDIE war. Ihre Beiträge zu Abwesenheit (auch psychisch gemeint) und Azur waren für die meisten langweilig. Aus einer Zuschrift ging hervor, dass der Azur-Beitrag an den Haaren herbeigezogen sei, weil man gequält Millionäre an der Riviera mit dem Begriff Azur in Verbindung gebracht hatte. Der Infratest-Kommentar: «Diese Sendereihe wird von Mal zu Mal schlechter beurteilt. Was [den Zuschauern] nicht gefällt, schalten sie nicht mehr ein.» Die GEFILMTE ENZYKLOPÄDIE riss das CINEMATOGRAPHEN-THEATER ein viertes und letztes Mal mit Beiträgen über die französische Stadt Arles und Arithmetik herunter. Die Ausführungen über die Arithmetik fanden Viele regelrecht unverständlich.
Schon die erste Folge der Serie im Regionalprogramm des WDR erzielte am 14. April 1959 mit einem Urteils-Index von +3 auf einer Skala von 0 bis +10 nur eine verhaltene Zuschauerreaktion. Infratest resümierte, dass die TV-Zuschauer der Sendung «offenbar keinen Geschmack abgewinnen» konnten. Als das Regionalprogramm des WDR die GEFILMTE ENZYKLOPÄDIE fallen ließ, erholte sich das CINEMATOGRAPHEN-THEATER in der Wertschätzung der Zuschauer etwas. Aber auch die Folge mit den Filmen WIE DIE ERSTEN MENSCHEN und DER VERHINDERTE AKROBAT kam über den Urteils-Index von +3 nicht hinaus. Der erste Streifen handelt von der Partnersuche in der Steinzeit und dem brachialen Eifersuchtsstreit der Herren der Schöpfung um die Damenwelt. Das ist Laurel und Hardys FLYING ELEPHANTS (1927). DER VERHINDERTE AKROBAT sollte ein Film von David Wark Griffith mit Buster Keaton in der Hauptrolle als schüchterner Uhrmacher sein, der eine Kundin in den Zirkus ausführt, wo sie sich in einen Artisten verliebt. Zum Schluss rettet der Hauptdarsteller die Dame aus Feuersnot und verfehlt beim Sprung aus dem Inferno das Sprungtuch. Das lässt ihm das Herz der Angebeteten zufliegen. Keaton hat allerdings mit Griffith keinen Film gedreht, sondern mit seinem Spielfilm THE THREE AGES (1923) Griffiths INTOLERANCE (1916) parodiert. Nach der kurzen Beschreibung im Infratest-Bericht wurde vielmehr ein Ausschnitt aus Keatons Educational-Zweiakter ALLEZ OOP von 1934 gezeigt, der womöglich mit Szenen aus Keatons weiteren Zweiaktern THE TIMID YOUNG MAN (1935) oder THE CHEMIST (1936) versetzt worden ist. Laut Infratest wurde der angebliche Keaton-Film, der die Lachmuskeln der Zuschauer gereizt hatte, deutlich besser bewertet als Laurel und Hardys Steinzeit-Amouren. Manche Zuschauer wussten danach nicht, ob WIE DIE ERSTEN MENSCHEN zum Lachen war oder sie belehrt werden sollten. Infratest vermutete, dass diese «Dinge […] wohl schon zu weit zurück[liegen], als dass sie in der Erinnerung lebendig wären, oder dass es überhaupt noch eine größere Zahl von Fernsehzuschauern gibt, die Gelegenheit hatten, diese Filme in der Zeit zu sehen, als sie die Menschen in die Kinos lockten.»
Die restlichen Folgen des CINEMATOGRAPHEN-THEATERS haben wohl überwiegend aus Ausschnitten dramatischer Filme, Western und stummen Serials bestanden. Der Klassiker THE PHANTOM OF THE OPERA (1925) mit Lon Chaney Sr. ist fraglos kein Slapstickfilm. DIE ZUKUNFT LIEGT IN DER LUFT (1912) ist ein Drama um einen Doppeldecker-Piloten. Beide Streifen kamen nicht an. «Wenn schon alte Filme, dann bessere!», hieß es aus dem Zuschauerkreis. Und Infratest kommentierte: «Nach der Meinung der Zuschauer könnte das CINEMATOGRAPHEN-THEATER die Pforten schließen, ohne dass eine größere Zahl von ihnen das sehr bedauern würde.» Allein noch DURCH DICK UND DÜNN mit Mack Sennett und angeblich Dale Hamelson [gemeint: Hale Hamilton?] als Landstreichern war eine Groteske. Der Film handelt von zwei Landstreichern, die Wind davon bekommen, dass ein Herr Gracegertel einen reichen Zeitgenossen besuchen will. Einer der beiden Hobos gibt sich als Gracegertel aus, während sein Kumpane sich im Haus des Reichen versteckt. Der Schwindel fliegt natürlich auf. Dies ist COMRADES (1911), der erste Slapstickfilm, in dem Mack Sennett als Regisseur genannt wurde. Den anderen Tramp spielte darin Jack Dillon. In derselben Folge des CINEMATOGRAPHEN-THEATERS war DICKE LUFT zu sehen, eine Spionage-Story um einen Testpiloten und einen Saboteur, der einen Fabrikschornstein sprengt. Auch danach blieb die Gefolgschaft der Serie gering, vor allem im WDR-Sendebereich des einwohnerreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. In der letzten Folge der Serie, die jedenfalls am 18. August 1959 im Regionalprogramm des WDR gesendet (wiederholt?) wurde, gab es in DAS MÄDCHEN UND IHR SCHATZ eine wilde Verfolgungs- und Rettungsjagd um einen Eisenbahn-Goldraub mit Entführung. In DAS DICKE ENDE befreit ein Sheriff seine Angebetete aus den Fängen eines Postkutschenräubers und gewinnt dadurch ihr Herz. Nach den von Infratest gesammelten Zuschauerreaktionen reichten die Meinungen für diese Kombination von «hat mir gefallen» und «man kann Erinnerungen gut auffrischen» über «miserabel», «Kitsch» und «olle Kamellen» bis zum Resümee: «Was damals für die Großeltern spannend war, kann uns heute zum großen Teil nur noch ein müdes Lächeln abgewinnen.» Damit hatte die Bayerische Werbefunk GmbH die Zuschauer beim Wort genommen und das CINEMATOGRAPHEN-THEATER eingestellt. Andere Regionalprogramme wie das des WDR und des SR sendeten die Serie noch bis zum 29. September 1959 bzw. sporadisch bis zum 23. August 1960.
Außer Urteils-Indizes hatte das Werbefernsehen damals noch nicht die Erhebung von Einschaltquoten für die Unterhaltungssendungen bei Infratest in Auftrag gegeben. Vermutlich wären sie für das CINEMATOGRAPHEN-THEATER nicht überwältigend gewesen. Mit der belehrenden GEFILMTEN ENZYKLOPÄDIE und ihrem Bildungsanspruch als Anhängsel hatte man ohne Not Zuschauer vergrault. Die französischen Produzenten haben ihr auf Jahrzehnte angelegtes Projekt wohl auch so schnell aufgegeben wie einst Joachim Ringelnatz’ Ameisen ihre Weltreise von Hamburg nach Australien gleich nach dem Start. Ob das CINEMATOGRAPHEN-THEATER nicht zuletzt an dem Spagat zwischen dramatischen Streifen und stummen Slapstickfilmen scheiterte, lässt sich nur vermuten. Womöglich hat der Serie ein Erklärer von Werner Schwiers Format gefehlt, der die persiflierenden Kommentare so verschmitzt sprach wie 1957 zu JUNGDEUTSCHLAND AUF GELÄNDEÜBUNG in CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE. Nach diesem wenig verheißungsvollen bundesdeutschen Start in die Welt des Slapsticks machte das WWF sich selbst ans Werk und startete Ende Oktober 1959 die Serie






