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Tatsächlich fehlt im Denken des Altertums die Vorstellung von der Priorität der niederen Daseinsformen nicht vollständig. Abgesehen von den Berichten der Schöpfungsmythen finden wir bereits im alten und mittelalterlichen Denken in Indien Äußerungen, die die Priorität des Tieres gegenüber dem Menschen in der Zeitfolge in einem Sinne hervorheben, der mit dem modernen Evolutionsbegriff übereinstimmt. Eine Upanishad erklärt: Aufgrund seines Entschlusses, Leben zu schaffen, bildete das Selbst oder der Geist zuerst die Tiergestalten wie die Kuh und das Pferd. Die Götter aber – die im Denken der Upanishaden Mächte von Bewusstsein und Mächte der Natur sind – fanden diese als unzureichende Träger; so erschuf der Geist schließlich die Gestalt des Menschen. Diese Form erkannten die Götter als vortrefflich gestaltet und für sie angemessen an und gingen für ihre kosmischen Funktionen in sie ein. Das ist ein deutliches Gleichnis dafür, dass immer höher entwickelte Formen erschaffen wurden, bis sich eine fand, die fähig war, Träger für ein entwickeltes Bewusstsein zu sein. In den Puranas wird berichtet, die Erschaffung des Tiers vom Charakter des tamas sei zeitlich die erste gewesen. tamas ist das indische Wort für das Prinzip von Trägheit an Bewusstsein und Kraft: Ein Bewusstsein, das in seinem Kräftespiel dumpf, nachlässig und untüchtig ist, wird als tamas-artig bezeichnet. Zur selben Kategorie würde eine Kraft, eine Lebens-Energie gerechnet werden, die stumpfsinnig, in ihrer Fähigkeit begrenzt und an einen niederen Bereich von instinktiven Trieben gebunden ist, die sich nicht entwickelt, nicht über sich hinauszukommen sucht, sich nicht getrieben fühlt zu einer größeren Betätigung ihrer kinetischen Energien oder zu einem erleuchteteren bewussten Wirken. Das Tier, in dem sich diese weniger entwickelte Kraft des Bewusstseins findet, erscheint in der Schöpfung früher. Das entwickeltere Bewusstsein des Menschen, in dem die Kraft der kinetischen Mental-Energie und des Lichts der Wahrnehmung größer ist, ist eine spätere Schöpfung. Das Tantra spricht von einer Seele, die aus ihrem Zustand gefallen ist und durch viele Hunderttausende von Geburten in Pflanzen- und Tiergestalten hindurchgehen muss, bevor sie die Stufe des Menschen erreichen und bereit sein kann für ihre Erlösung. Hier ist wieder die Auffassung vorausgesetzt, dass die Lebensformen von Pflanze und Tier die niederen Sprossen auf der Leiter sind, das Menschsein aber die letzte oder alles überhöhende Entwicklung des bewussten Wesens. Diese Gestalt muss die Seele bewohnen, um fähig zu sein, vom Geist motiviert zu werden und der Mentalität, der Vitalität und der Körperlichkeit zu entkommen. Das ist tatsächlich die normale Auffassung; sie drängt sich der Vernunft und der Intuition so überzeugend auf, dass man sie kaum zu erörtern braucht. Die Schlussfolgerung daraus ergibt sich fast unentrinnbar.
Vor diesem Hintergrund eines sich entfaltenden Evolutions-Prozesses müssen wir den Menschen betrachten, seinen Ursprung, sein erstes Erscheinen, seinen Status in der Manifestation. Hier ergeben sich zwei Möglichkeiten. Entweder trat ein menschlicher Körper mit einem Bewusstsein plötzlich in der Erden-Natur in Erscheinung als eine abrupte Schöpfung oder unabhängige automatische Offenbarung einer mit Vernunft begabten Mentalität in der materiellen Welt. Sie kam plötzlich im Gefolge einer vorhergehenden ähnlichen Manifestation von unterbewussten Lebensformen und von lebenden bewussten Körpern in der Materie. Oder die Evolution des Mensch-Wesens aus dem Tier-Wesen vollzog sich vielleicht erst langsam in ihrer Vorbereitung und in ihren Entwicklungsstufen, machte aber dann an den entscheidenden Punkten des Übergangs größere Sprünge. Letztere Theorie macht uns keine Schwierigkeiten. Denn es ist sicher, dass Umwandlung des Charakteristischen des Typus, wenn auch nicht des Fundamentalen selbst, sowohl in der Art wie in der Gattung zustandekommen können – das ist auch schon vom Menschen selbst geleistet worden, und seine Möglichkeiten werden in kleinem Maßstab durch die experimentelle Wissenschaft in überraschender Weise ausgearbeitet –, so dass man mit Recht annehmen kann, die insgeheim wirkende bewusste Energie in der Natur könnte derartige Maßnahmen in großem Maßstab bewirken und beträchtliche, entscheidende Entwicklungen durch die Mittel ihrer eigenen konventionellen Schöpferkräfte zustande bringen. Notwendige Voraussetzung für eine Umwandlung vom normalen Tier-Charakter in den des Menschen-Daseins würde eine Entwicklung der körperlichen Organisation sein, die ein rasches Fortschreiten des Bewusstseins, seine Umkehr oder Verwandlung ermöglicht, eine neue Höhe erreichen lässt, von der es auf die niederen Stufen hinabschauen kann, sowie eine Ausweitung seiner Kapazität, was das Wesen befähigen würde, die Tier-Eigenschaften in eine umfassendere, bildungsfähigere menschliche Intelligenz emporzunehmen und zugleich oder später größere und subtilere Mächte zu entfalten, die der neuen Art des Wesens angemessen sind, Mächte der Vernunft, des Denkens, der vielseitigen Beobachtung, der planmäßigen Erfindung und Entdeckung. Tritt dann eine neue Bewusstseins-Kraft hervor, so würde dies, da das Instrument dafür zubereitet ist, beim Übergang keine Schwierigkeit machen, abgesehen von der Erschwerung durch die Gegenwirkung und den Widerstand der materiellen Unbewusstheit. Das Tier besitzt bereits in begrenztem Maß einige der entsprechenden Eigenschaften, aber nur, um damit in einem primitiven, rohen und einfachen Organismus von sehr untergeordneter Reichweite und Formbarkeit und einer begrenzten und mehr zufälligen Verfügungsgewalt über diese Begabung zu wirken. Besonders die Wirkensweise dieser Begabungen ist mechanischer, weniger planmäßig. Sie ist durch einen gewissen Automatismus der Natur-Energie gekennzeichnet, der die Aktivität eines primitiven Bewusstseins antreibt. Das ist nicht wie beim Menschen eine bewusste, die ihre eigenen Maßnahmen beobachtet, in weitem Umfang lenkt, regiert, absichtlich verändert und umwandelt. Andere Gewohnheiten des Tier-Bewusstseins sind nicht grundsätzlich von denen des Menschen verschieden. Er musste sie aber auf höherer Ebene entwickeln, ausweiten und, wo immer möglich, mentalisieren, vergeistigen, verfeinern – kurz, ihnen die Erleuchtung seines neuen Verstehens, seiner intellektuellen Begabung und eine dem Tier versagte Macht zu vernunftgemäßer Beherrschung bringen. Ist diese Umwandlung, diese Umkehr, einmal bewirkt, dann kann sich im menschlichen Mental im Verlauf seiner Evolution die Macht entwickeln, auf sich selbst und auf die Dinge einzuwirken, zu erschaffen, zu erkennen, Denkkonstruktionen zu bilden, auch wenn diese begreiflicherweise anfangs in ihrem Horizont eng, dem Tier näher, in ihrem Wirken noch verhältnismäßig einfach und roh sind. Eine solche Verwandlung musste bei jedem neuen radikalen Übergang der Natur vorgenommen werden: Die hervortretende Lebens-Kraft wendet sich der Materie zu, zwingt den Aktivitäten der materiellen Energie vitalen Inhalt auf, während sie dabei ihre eigenen neuen Bewegungen und Verfahren entfaltet. Ein Lebens-Mental taucht in der Lebens-Kraft und in der Materie auf und zwingt deren Abläufen seinen Bewusstseinsinhalt auf, während es zugleich ihre eigenen Aktivitäten und Fähigkeiten entwickelt. So liegt ein neues höheres Hervortreten und Sich-Wandeln, das Auftauchen der Menschheit, in der Richtung all dessen, was in der Natur vorausgegangen ist. Es ist nur eine neue Anwendung des allgemeinen Prinzips.
Darum kann man diese Theorie leicht akzeptieren: Ihr Verfahren ist begreiflich. Indessen bereitet die andere Hypothese beträchtliche Schwierigkeiten. Hinsichtlich des Bewusstseins könnte die neue, die menschliche Manifestation, durch das Auftauchen eines verborgenen Bewusstseins, das der universalen Natur involviert war, erklärt werden. In diesem Fall muss es aber schon eine materielle Form als Träger seines Hervortretens besessen haben. Dieser Träger muss durch die Kraft des Hervortretens als solche den Bedürfnissen einer neuen inneren Schöpfung angepasst worden sein. Andererseits könnte aber auch eine rasche Abwandlung von früheren Arten oder Modellen ein neues Wesen hervorgerufen haben. Welche Hypothese man auch anwendet, es handelt sich hier um einen Prozess der Evolution, dabei gibt es nur einen Unterschied in der Methode und im Mechanismus des Abweichens vom früheren Typus oder des Übergangs. Auch könnte es sich – im Gegensatz dazu – nicht um ein Emportauchen, sondern um ein Herabkommen von Mentalität aus einer Mental-Ebene über uns gehandelt haben, vielleicht um das Herniederkommen einer Seele oder eines mentalen Wesens in die irdische Natur. Die Schwierigkeit läge dann im Erscheinen des menschlichen Körpers, der doch ein zu komplexes und schwieriges Organ ist, als dass er plötzlich erschaffen oder manifestiert worden wäre. Denn unter den normalen Möglichkeiten oder Leistungsfähigkeiten der materiellen Energie scheint ein so wundersam rascher Prozess nicht vorgesehen zu sein, wenn er auch sehr wohl möglich ist auf einer supraphysischen Ebene des Seienden. Er könnte nur durch das Eingreifen einer supraphysischen Kraft oder eines supraphysischen Gesetzes der Natur oder durch ein Schöpfer-Mental stattfinden, die mit voller Macht und unmittelbar auf die Materie einwirken. Bei jedem sichtbaren Hervortreten von etwas Neuem in der Materie kann man die Einwirkung einer supraphysischen Kraft oder eines Schöpfers voraussetzen. Jede solche Erscheinung ist im Grunde ein Wunder, das von einem verborgenen Bewusstsein bewirkt oder von einer verhüllten Mental-Energie oder Lebens-Energie unterstützt wird. Doch sieht man nirgends, dass dieses Wirken unmittelbar, offenkundig und rein aus sich selbst erklärbar wäre. Es wird stets einer bereits verwirklichten körperlichen Grundform von oben her auferlegt und wirkt, indem es einen schon festgelegten Prozess der Natur ausweitet. Eher ist vorstellbar, wie sich ein schon existierender Körper so für einen supraphysischen Einfluss öffnete, dass er in einen neuen Körper umgewandelt wurde. Man kann aber kaum annehmen, ein solches Ereignis habe in der vergangenen Geschichte der materiellen Natur stattgefunden. Offensichtlich bedarf es, damit so etwas stattfinden kann, entweder des bewussten Eingreifens eines unsichtbaren mentalen Wesens, das den Körper bildete, den dann der Mensch bewohnen sollte, oder auch der vorausgehenden Entwicklung eines mentalen Wesens in der Materie selbst, das bereits fähig war, eine supraphysische Macht zu empfangen und sie den starren, engen Formen seines körperlichen Daseins aufzunötigen. Sonst müssten wir annehmen: Ein präexistenter Körper war bereits so hoch entwickelt, dass er für den Empfang eines so mächtigen mentalen Einflusses geeignet war oder fähig, auf das Herabkommen eines mentalen Wesens auf ihn in anpassungsfähiger Weise zu reagieren. Das würde aber eine vorausgehende Entwicklung von Mental im Körper bis zu einem solchen Grade voraussetzen, dass solche Empfänglichkeit möglich sein konnte. Es ist wohl vorstellbar, dass eine derartige Entwicklung von unten und eine Herabkunft von oben für das Erscheinen des Mensch-Wesens in der Erden-Natur zusammenwirkten. Die schon im Tier vorhandene seelische Wesenheit selbst könnte das mentale Wesen, den Mental-Purusha, in den Bereich der lebenden Materie herabgerufen haben, damit er die bereits aktive vital-mentale Energie aufnimmt und in eine höhere Mentalität emporhebt. Das wäre immer noch ein Prozess der Evolution, wobei die höhere Ebene nur eingreift, um dem Hervortreten und der Ausweitung ihres eigenen Prinzips in der irdischen Natur beizustehen.
Weiter kann man zugestehen, dass jede Art oder jedes Modell von Bewusstsein und Wesen im Körper, wenn sie einmal fest geformt sind, dem Wesensgesetz dieser Art, ihrem eigenen Entwurf und Gesetz treu bleiben müssen. Es mag aber auch sehr wohl sein, dass eine Seite des Gesetzes der menschlichen Art ihr Drang ist, über sich selbst hinauszukommen, und dass für die Mittel zum bewussten Über-sich-Hinausgehen unter den spirituellen Kräften des Menschen gesorgt ist. Der Besitz einer solchen Befähigung mag ein Teil des Planes sein, nach dem die schöpferische Energie ihn gebildet hat. Man kann zugeben, dass der Mensch bis jetzt hauptsächlich nur im Umkreis seiner Art, auf einer Spirale der Natur-Bewegung aktiv gewesen ist, die ihn manchmal in die Höhe, manchmal in die Tiefe führte, dass es aber keine gerade Linie des Fortschritts, kein unbestreitbares, fundamentales oder radikales Hinausgehen über seine vergangene Natur gegeben hat. Er hat lediglich seine Befähigungen geschärft, verfeinert, umfassender und elastischer verwendet. Man könnte weiß Gott nicht sagen, seit der Mensch erschienen ist oder seit den Tagen dokumentierbarer Geschichte habe es nicht so etwas wie einen menschlichen Fortschritt gegeben. Denn wie groß auch die Menschen des Altertums gewesen seien, wie hervorragend manche ihrer Schöpfungen und Errungenschaften, wie eindrucksvoll gewisse Leistungen an Spiritualität, Intellekt und Charakter waren, so habe es in den späteren Entwicklungen doch eine zunehmende Verfeinerung, umfassenderen Reichtum, vielfältigere Entfaltung an Wissen und Können in den Errungenschaften des Menschen, in seiner Politik, Gesellschaft, in seinem Leben, seiner Wissenschaft, Metaphysik, seinen Erkenntnissen auf allen Gebieten, seiner Kunst und Literatur gegeben. Auch wenn die Macht seiner Spiritualität nicht so erstaunlich erhaben und weniger gewaltig war als die der Erleuchteten früherer Zeiten, so war sein spirituelles Bemühen doch ausgezeichnet durch Feinheit, vielseitige Gestaltungskraft, Eindringen in die Tiefen und Ausweitung des Suchens. Es hat Zeiten des Absinkens von einem hohen Kulturtypus gegeben, einen zeitweiligen tiefen Abfall in einen gewissen Obskurantismus, ein Nachlassen des spirituellen Strebens und Abstürze in einen barbarischen naturalistischen Materialismus. Das waren aber nur vorübergehende Phänomene, schlimmstenfalls eine nach unten verlaufende Kurve der Fortschrittsspirale. Sicher habe dieser Fortschritt die Menschenrasse noch nicht über sich selbst emporgetragen, so dass sie über sich hinauskommen und das mentale Wesen transformieren konnte. Aber das durfte man auch nicht erwarten. Denn das Wirken der evolutionären Natur in einer Art von Wesen und Bewusstsein besteht zuerst darin, diese Art gerade durch Verfeinerung und zunehmende Vielseitigkeit bis zur äußersten Befähigung zu entfalten, bis sie ihre Schale sprengen kann, so dass das ausreifende Bewusstsein entscheidend hervortritt, sich umwandelt und so auf sich selbst einwirkt, dass es auf eine neue Stufe der Evolution hinwirkt. Setzt man voraus, dass der nächste Schritt der Natur das spirituelle und supramentale Wesen ist, dann kann man das Drängen zur Spiritualität in der Menschheit als ein Zeichen dafür nehmen, dass dies die Absicht der Natur, aber auch ein Hinweis darauf ist, dass der Mensch die Fähigkeit hat, den Übergang in sich durchzuführen oder der Natur zu helfen, den Übergang zu bewerkstelligen. Wenn es die Methode der Entwicklung des Menschen war, dass im Tierwesen eine Art erschien, die in manchen Beziehungen der Affenart ähnlich, aber schon von Anfang an mit den Elementen des Menschseins begabt war, dann könnte es für das evolutionäre Erschaffen eines spirituellen und supramentalen Wesens die deutlich erkennbare Methode der Natur sein, dass im menschlichen Wesen ein spiritueller Typus erscheint, der einem mental-tierhaften Menschen ähnlich ist, aber schon durch sein spirituelles Streben geprägt ist.
In Bezug hierauf hat man darauf hingewiesen, dass es – falls solch ein Gipfel der Evolution beabsichtigt ist und diese sich des Menschen als Mittel bedient – nur einige wenige besonders entwickelte menschliche Wesen geben werde, die den neuen Typus bilden und zum neuen Leben fortschritten. Wenn das erreicht sei, werde die übrige Menschheit aus ihrem spirituellen Streben zurücksinken, das für die Absicht der Natur nun nicht länger nötig sei; sie werde dann in der Ruhe ihres normalen Zustands verbleiben. Man kann aber ebenso behaupten, die menschliche Stufe müsse erhalten bleiben, wenn es wirklich ein Emporsteigen der Seele mittels der Wiedergeburt durch die Entwicklungsstufen bis hin zum spirituellen Gipfel gibt. Andernfalls würde sonst die notwendigste aller Zwischenstufen fehlen. Man muss zugleich betonen, es besteht nicht die geringste Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit dafür, dass sich die ganze menschliche Rasse en bloc zur supramentalen Ebene erhebt. Worauf hier hingewiesen wird, ist keineswegs etwas so Revolutionäres und Erstaunliches. Vielmehr wird nur dargelegt, dass die Mentalität des Menschen dazu fähig ist, nach einer höheren Ebene des Bewusstseins und deren Verkörperung im menschlichen Wesen zu drängen, sobald sie eine gewisse Stufe oder einen gewissen Druck des evolutionären Antriebs erreicht hat. Durch diese Verkörperung werden wir uns notwendigerweise einer Wandlung über die normale Konstitution unserer Natur hinaus unterziehen, sicherlich einer Veränderung der Verfassung unseres Mentals, Fühlens und Empfindens und auch in großem Maß des Körper-Bewusstseins und der physischen Bedingungen unseres Lebens und unserer Energien. Der wichtigste Faktor, die ursprüngliche Bewegung, wird aber die Umwandlung unseres Bewusstseins sein. Die physische Veränderung ist dann nur ein untergeordneter Faktor, eine Folgeerscheinung. Diese Umwandlung des Bewusstseins wird dem menschlichen Wesen immer möglich bleiben, sobald die Flamme der Seele, die seelische Glut im Herzen und im Mental mächtig wird und solange die Natur bereit ist. Das spirituelle Streben ist dem Menschen eingeboren. Denn er ist, hierin dem Tier ungleich, sich seiner Unvollkommenheit und Begrenztheit bewusst und fühlt, dass es jenseits von dem, was er jetzt ist, etwas gibt, das er erreichen muss. Wahrscheinlich wird in der Menschheit dieser Drang, über sich hinauszukommen, nie völlig aussterben. Zwar wird es den menschlichen Mental-Zustand immer geben. Doch wird er nicht nur als Stufe auf der Stufenleiter der Wiedergeburt nötig sein, sondern auch als Stufe, die den Zugang öffnet zum spirituellen und supramentalen Zustand.
Es ist zu beachten, dass das Erscheinen des menschlichen Mentals und Körpers auf der Erde einen folgenschweren Schritt, eine entscheidende Wandlung im Verlauf und Prozess der Evolution darstellt. Es ist nicht nur ein Weiterführen der alten Linien. Bis zum Hervortreten eines entwickelten denkenden Mentals in der Materie war die Evolution nur unterbewusst oder subliminal durch das automatische Wirken der Natur vollzogen worden, nicht aber durch die des Selbsts bewusste Aspiration, Intention, nicht durch den Willen oder das Suchen des lebenden Wesens. Das war so, weil die Evolution mit der Unbewusstheit begann und das verborgene Bewusstsein noch nicht genügend aus ihr hervorgetreten war, um durch den des Selbsts bewussten teilnehmenden individuellen Willen ihres lebenden Geschöpfes aktiv mitzuarbeiten. Aber im Menschen hat diese notwendige Umwandlung stattgefunden, das Wesen ist zu seinem Selbst erwacht und seiner inne geworden. Im Mental ist offenbar geworden sein Wille, sich zu entwickeln, an Erkenntnis zu wachsen, das innere Dasein zu vertiefen und das äußere auszuweiten sowie die Fähigkeiten der Natur zu vermehren. Der Mensch hat eingesehen, dass es einen höheren Bewusstseins-Status gibt als seinen eigenen. In den Schichten seines Mentals und Lebens ist der leidenschaftliche Trieb und die Sehnsucht entbunden worden, über sich hinauszukommen. Das ist nun deutlich ausgedrückt: Er ist einer Seele bewusst geworden und hat das Selbst und den Geist entdeckt. So wurde in ihm denkbar und praktisch durchführbar, dass eine unbewusste Evolution durch eine bewusste ersetzt werden kann. Daraus darf man wohl schließen, dass das Bestreben, das Drängen und beharrliche Ringen in ihm ein sicherer Hinweis der Natur darauf ist, dass sie einen höheren Weg zu seiner Erfüllung will und ein höherer Zustand hervortreten soll.
Bei den vorausgehenden Stufen der Evolution war die Hauptsorge und das Bemühen der Natur auf eine Umwandlung im physischen Organismus gerichtet, denn nur so konnte es eine Veränderung des Bewusstseins geben. Das war eine ihr durch das Unvermögen der schon in der äußeren Form wirkenden Bewusstseins-Kraft aufgezwungene Notwendigkeit, die keine Umwandlung im Körper bewirken konnte. Im Menschen ist aber das Umgekehrte möglich, sogar unvermeidlich. Denn die Evolution kann und muss durch sein Bewusstsein, durch dessen völlige Mutation bewirkt werden, nicht mehr durch einen neuen körperlichen Organismus als erste Instrumentation. In der inneren Wirklichkeit der Dinge war eine Umwandlung des Bewusstseins immer die bedeutungsvollere Tatsache. Die Evolution hat immer eine spirituelle Bedeutung gehabt, die physische Umwandlung war nur Werkzeug dazu. Dieses Verhältnis war dank des anfänglichen abnormen Ungleichgewichts der beiden Faktoren verborgen. Der Körper der äußeren Unbewusstheit überwog und stellte das spirituelle Element, das bewusste Wesen, in den Schatten. Sobald aber das rechte Gleichgewicht hergestellt ist, braucht die Umwandlung des Körpers nicht mehr der Umwandlung des Bewusstseins vorauszugehen. Vielmehr wird das Bewusstsein durch seine Verwandlung jede Mutation, die für den Körper nötig ist, zwangsläufig bewirken. Es ist zu bemerken, dass das menschliche Mental bereits eine Fähigkeit dazu bewiesen hat, der Natur bei der Entwicklung neuer Pflanzen- und Tier-Arten zu helfen. Es hat neue Formen seiner Umgebung erschaffen und durch Erkenntnis und Disziplin bemerkenswerte Umwandlungen in seiner eigenen Mentalität bewirkt. Es ist nicht unmöglich, dass der Mensch der Natur auch bewusst bei seiner eigenen spirituellen und physischen Entwicklung und Umwandlung beistehen sollte. Das Drängen dazu ist bereits vorhanden und schon teilweise wirksam, auch wenn das von der äußeren Mentalität noch unvollständig verstanden und angenommen wird. Eines Tages mag sie es verstehen, tiefer in ihr Inneres eindringen und das Mittel, die geheime Energie, die beabsichtigte Wirkensweise der Bewusstseins-Kraft entdecken, die die verborgene Wirklichkeit dessen ist, was wir die Natur nennen.
Das alles sind Schlussfolgerungen, zu denen man sogar durch die Beobachtung der äußeren Erscheinungen des Fortschritts der Natur, durch ihre vordergründige Entwicklung von Wesen und Bewusstsein in der physischen Geburt und im Körper gelangen kann. Es gibt aber den anderen, den unsichtbaren Faktor. Das ist die Wiedergeburt, der Fortschritt der Seele durch ein Emporsteigen von Stufe zu Stufe des sich entwickelnden Seins und auf diesen Stufen zu immer höheren Arten körperlicher und mentaler Instrumentation. Bei diesem Fortschreiten ist selbst dem Menschen, dem bewussten mentalen Wesen, die seelische Wesenheit noch durch ihre Instrumente, durch Mental, Leben und Körper, verhüllt. Sie kann sich nicht voll offenbaren. Sie wird daran gehindert, in den Vordergrund zu treten, wo sie als Meister ihrer Natur dastehen könnte. Sie wird gezwungen, sich durch ihre Instrumente bestimmen zu lassen und sich ihnen zu unterwerfen; Purusha wird von Prakriti beherrscht. Im Menschen kann sich aber die seelische Seite der Persönlichkeit viel schneller als bei der untergeordneten Schöpfung entwickeln. Die Zeit kann kommen, da die Seele aus dem Bereich hinter dem Vorhang offen hervortreten und zum Meister ihrer Instrumentation der Natur werden wird. Das bedeutet aber, dass der verborgene innewohnende Geist, der Daemon, die Gottheit im Innern, den Punkt ihres Hervortretens erreicht hat. Wenn sie sich offenbart, ist kaum zu bezweifeln, dass sie ein eher göttliches, spirituelles Dasein fordern wird, wie das bereits im Mental vorhanden ist, wenn es sich dem inneren seelischen Einfluss unterzieht. In der Natur des Erden-Lebens, wo das Mental ein Instrument der Unwissenheit ist, lässt sich das nur bewirken durch Umwandlung des Bewusstseins, durch einen Übergang aus der Begründung in der Unwissenheit zu einer Grundlegung im Wissen, aus dem mentalen in ein supramentales Bewusstsein, zu einer supramentalen Instrumentation der Natur.
Keineswegs überzeugt der Schluss, eine solche Transformation könne man, da dies eine Welt der Unwissenheit sei, nur dadurch erlangen, dass man in einen jenseitigen Himmel hinübergehe, oder man könne sie überhaupt nicht erlangen. Das Verlangen der seelischen Wesenheit sei selbst unwissend und müsse ersetzt werden, indem die Seele völlig im Absoluten aufgehe. Dieser Schluss könnte nur dann gültig sein, wenn die Unwissenheit der ganze Sinn, alle Substanz und Macht der Welt-Manifestation wäre, wenn es in der Welt-Natur selbst kein Element gäbe, durch das man über die unwissende Mentalität hinauskommen könnte, die noch den gegenwärtigen Zustand unseres Wesens belastet. Die Unwissenheit ist aber nur eine Teilerscheinung dieser Welt-Natur. Sie ist nicht ihr Ganzes, nicht ihre ursprüngliche Macht, nicht ihr Schöpfer: In ihrem höheren Ursprung ist sie ein sich selbst begrenzendes Wissen. Selbst in ihrem niederen Ursprung, in ihrem Hervortreten aus der völlig materiellen Unbewusstheit, ist sie unterdrücktes Bewusstsein, das darum ringt, sich selbst zu finden oder wiederzuentdecken, als Grundlage des Daseins ein Wissen zu manifestieren, das ihr wahrer Charakter ist. Im universalen Mental selbst gibt es, oberhalb von unserer Mentalität, Bereiche, die Instrumente der kosmischen Wahrheits-Erkenntnis sind. In diese kann das mentale Wesen gewiss gelangen. Denn in übernormalen Zuständen erhebt es sich schon jetzt zu ihnen empor; oder es empfängt von ihnen, ohne sie schon zu kennen oder zu besitzen, Intuitionen, spirituelle Ahnungen, starke Einflüsse von Erleuchtung oder spiritueller Begabung. Alle diese Bereiche sind dessen bewusst, was oberhalb von ihnen existiert. Der höchste von ihnen ist unmittelbar offen für das Supramental. Er gewahrt das Wahrheits-Bewusstsein, das höher ist als er. Überdies existieren hier, in dem sich entwickelnden Wesen selbst, diese höheren Mächte des Bewusstseins. Sie unterstützen die Mental-Wahrheit und liegen ihrem Wirken zugrunde, das zugleich gegen sie abschirmt. Dieses Supramental und diese Wahrheits-Mächte sind durch ihre geheime Gegenwart die Erhalter der Natur. Selbst die Wahrheit des Mentals ist ihr Ergebnis, eine verminderte Wirkensweise, eine Darstellung in Teil-Gestaltungen. Darum ist es nicht nur natürlich, sondern scheint unausweichlich zu sein, dass diese höheren Mächte des Seins sich ebenso hier im Mental manifestieren, wie sich das Mental im Leben und in der Materie manifestiert hat.