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Ich musste ziemlich bescheuert aussehen, denn sie lachte laut und zufrieden auf.
„Das tut mir leid mit deinem Hals. Das wollte ich nicht."
Ja sicher, Hündchen.
Sie warf mir ein Pflaster zu. Ich fing es auf, wenn auch ziemlich ungeschickt. Wütend, dass sie es mir so blöd zugeworfen hatte, ging ich an den Spiegel, wusch mir das Blut weg, wobei ich schön brav an ein schönes Croissant mit vieeeel Marmelade dachte und klebte mir das Pflaster mit kleinen Kätzchen an die Stelle, wo das Messer meine Haut aufgeschnitten hatte.
"Ein bescheuerteres hast du nicht mehr gefunden, oder?"
"Oh, ich finde es passt ganz gut zu dir."
Verdammt, Drei zu Null für sie.
"Danke Fifi."
"Nenn mich nicht Fifi", sagte sie ruhig, wenn auch in ihrer Stimme ein bisschen Ärger zu hören war. Hah, Drei zu Eins.
Sie drückte sich von der Wand weg und packte ihre Sachen zusammen.
"Dusch dich lieber mal", meinte sie und drückte mir meinen Föhn in die Hand.
Ich schaute an mir herunter. Meine Jacke und die Jeans konnte ich vergessen. Na toll. Sie waren mit kleinen Blutstropfen übersäht und da ich nicht wollte, dass man mich einsperrte weil man mich für eine Mörderin oder so was in der Art hielt, fing ich an mich auszuziehen. Ich würgte erneut und als ich nur noch in dem Top dastand, drehte ich mich um und lief zu meiner Wohnung.
Naja egal. Ich würde ihr die Sachen einfach vor die Tür legen. Und wehe ich bekomm sie nicht sauber wieder zurück.
Dann würde ich halt heute mal mein neues Kleid einweihen, das ich mir letzte Woche gekauft hatte. 49,99 Euro, zwar kein Schnäppchen aber was leistet man sich schon im Leben.
Hoffentlich begegnet mir keiner, in meinem lächerlichen Aufzug. Und wie sollte es auch anders sein, ging die Nebentür von mir auf und ein junger Mann trat heraus, gerade, als ich den Zweitschlüssel unter einem kleinen Blumentopf hervorzog.
Er blickte mich verwirrt und belustigt an.
"Kein Wort", schnauzte ich ihn an und er hob kapitulierend die Arme und lehnte sich in den Türrahmen.
"Kann ich dir irgendwie helfen?"
Natürlich.
"Seh ich vielleicht so aus? Hast du mal einen Spiegel?"
Als er mich verwirrt ansah, meinte ich seufzend: "Ich wollte nur nachsehen, ob auf meiner Stirn hilfsbedürftiges Mädchen in Not steht."
Das Lächeln, das er aufsetzte, während er mich beobachtete, brachte mich zum rasen.
"Hast du nicht was zu tun? Vielleicht kleine Hündchen in Not vor bösen Katzen retten?"
Oh verdammt, andersrum. Naja, egal, solange er meinen lahmen Witz verstand.
"Nein, aber ich wollte dir eigentlich nur das Päckchen geben, das gerade für dich abgegeben worden ist, Avenae."
Ah, dann war es also der Postbote, der geklingelt hatte. Anscheinend war ich ihm zu langsam gewesen und er hatte es meinem Nachbarn gegeben, der offensichtlich ein Neugierdeproblem hatte und nicht mal die Post der Nachbarn in Ruhe lassen konnte.
"Oh vielen Dank. Du kannst es mir ruhig geben."
Da ich kein Päckchen sah, war ich im ersten Moment verwirrt. Doch dann zog er es hinter der Tür hervor. Es war klein. Sehr klein. Wenn nicht zu sagen winzig.
"Du bist doch die Kleine aus dem Red oder?"
Wunderbar. Warum lasse ich mir nicht gleich meinen Lebenslauf auf mein Gesicht tätowieren?
"Ja, stell dir vor."
Er reichte mir das Paket und ich wollte danach greifen, doch er zog es wieder weg.
"Ich heiße Tom. Du wohnst schon eine ganze Weile hier oder? Ich bin erst in dieses Haus gezogen, davor hab ich in Berlin gewohnt, aber das erzähl ich dir wann anders. Schade, dass wir uns bisher noch nicht kennengelernt haben. Wie wärs, wenn du später nach der Arbeit rüberkommst und wir ein bisschen feiern? Sozusagen als Einstand?"
Was bildete er sich ein? Das gibt’s doch nicht? Meinte er ernsthaft, dass ich ja sagen würde?
Wütend entriss ich ihm das Päckchen, während er mir lächelnd in die Augen sah und ich ging zu meiner Tür, wobei endlich das Schloss aufsprang und ich hinein schlüpfte.
Fluchend pfefferte ich alles in eine Ecke und holte aus meinem Schrank mein neues Kleid heraus. Es war wunderschön, strahlend weiß und Spitze am Saum.
Ich ging in mein Bad und duschte ausgiebig. Danach föhnte ich mir die Haare und zog mich an.
Mein Blick streifte die Uhr. Ojee, in zehn Minuten sollte eigentlich mein Laden offen sein.
Hastig griff ich nach der braunen Umhängetasche und stopfte eine Wasserflasche hinein. Gottseidank hatte ich immer alles in der Tasche, wenn es mal wieder schnell gehen musste, so wie jeden Tag eigentlich.
Dann griff ich nach meinem großen Schlüsselbund, rannte in Richtung Tür, wobei ich über etwas stolperte und zum zweiten Mal heute Morgen hinfiel. An manchen Tagen sollte man einfach im Bett bleiben, dachte ich seufzend, blickte nach unten und sah das Päckchen und die Post. Richtig. Ich hob es hoch, packte es in meine Tasche und hob die Post auf, während ich aufstand. Rechnung, Rechnung, Rechnung, ein Katalog, noch eine Rechnung. Landete alles auf den Boden. Na toll. Ich bin ja so einsam.
Hinter mir schloss ich die Tür ab und hatte keine Zeit mehr auf den Aufzug zu warten (wo ich eh nur gezwungenermaßen hinauf fuhr; blöde Klaustrophobie) und rannte alle sieben Stockwerke hinunter. Für die Figur konnte es ja nicht schaden. Draußen hatte ich wieder Probleme mit dem blöden Fahrradschloss, bekam es dann doch auf und ich fuhr los.
Gerade noch rechtzeitig, nachdem ich ein langsames Polizeiauto überholte, kam ich zu meinem kleinen Stand. Ich fuhr beinahe den Postboten über den Haufen.
"Oh, sorry."
Keuchend und in Eiltempo stellte ich das Fahrrad ab, sperrte die Türe auf und hastete in mein kleines Café. Eine Sekunde später stand ich schon hinter dem Tresen und nahm dem Postmann die Post für mein Café ab (noch mehr Rechnungen, was auch sonst).
Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und reichte ihm seinen Kaffee, den ich in Rekordzeit zubereitete, wobei die bescheuerte Kaffeemaschine zum zehnten Mal in der Woche verlangte, dass ich ihren Filter wechseln sollte. Ich verpasste ihr einen Schlag und sie blubberte schön brav weiter.
"Danke Avenae. Sie sehen heute wieder einmal bezaubernd aus."
Und natürlich gab er mir wieder viel zu viel Trinkgeld, der alte Sack.
Während er mein Café verließ und mir nochmal winkte, dachte ich darüber nach, ob er das schon jemals zu seiner Frau gesagt hatte, falls er überhaupt eine hatte.
Meine Kundschaft bestand hauptsächlich aus Polizisten, Studenten und was ich am allermeisten hasste, Touristen, denn mein Café lag, wie schon erwähnt, neben der Polizeistation und dem Strand. Außerdem konnte man, wenn man auf meiner Terrasse saß, auf das Meer blicken, das sich gleich dahinter erstreckte. Eigentlich ein Traum.
Nachdem sich allmählich der morgendliche Andrang der Kaffeesüchtigen gelegt hatte, machte ich mich über das Paket her. Ich wusste um Himmelswillen nicht, wer es mir geschickt haben könnte. Bestellt hatte ich nichts und Verwandte oder Freunde konnte ich auch ausschließen. Geburtstag hatte ich erst wieder nächstes Jahr, also von wem sollte es sein?
Neugierig zog ich an der Paketschnur, die partout nicht aufgehen wollte. Ich griff hastig nach einem Messer und schnitt mir fast meinen Finger ab, aber letztendlich löste sich die Schnur doch noch und ich riss das Papier ab. Mir fiel ein Brief entgegen. Er war aus gelblichem Papier. Ich hob ihn hoch und erstaunte. Da stand doch tatsächlich mein Name drauf. Und eine Verwechslung konnte es nicht sein, denn mit meinem Namen gab es sicherlich nur eine Person auf der Welt. Doch wer hatte auch nur einen Tintentropfen und vor allem das Porto verschwendet, mir einen Brief zu schreiben?
Langsam riss ich den Umschlag auf, zog ein Blatt Papier heraus und begann zu lesen.
Avenae,
glaub mir, um dir diesen Brief zu schreiben, brauchte ich all meinen Mut. Aber ich habe keine andere Wahl. Du musst endlich wissen, wer du bist, wer ich war.
Du wirst dich vielleicht nicht mehr an mich erinnern, aber wenn du diesen Brief liest, dann musst du wissen, dass meine Zeit abgelaufen ist. Ich kann nicht mit dem Gefühl gehen, dass du überhaupt keine Ahnung hast, was in meiner, deiner Welt vor sich geht.
Ich finde einfach nicht die richtigen Worte, dass du verstehst, warum ich dich verlassen musste, aber eins kann ich dir sagen, Avenae bitte vergib mir. Vergib mir für das, dass ich nicht bei dir war, als du mich brauchtest. Aber dort, wo du bist, bist du am besten aufgehoben, noch. Und irgendwann, vielleicht sogar sehr bald, wenn du diesen Brief erhältst, wirst du mich verstehen. Bitte Avenae vergib mir.
స 2 స
An manchen Stellen war die Tinte von Tränen verschwommen.
Was um alles in der Welt sollte das denn? Wollte mir jemand einen Streich spielen? Der Typ von nebenan? Wenn ich den in die Finger bekam, dann konnte er sich ja mal auf was gefasst machen.
Verärgert nahm ich das Päckchen in die Hand. Es war eine kleine Schachtel darin. Langsam hob ich den Deckel und öffnete sie.
In einem von Samt überzogenem Polster lag ein… Ja was sollte das sein? Ein Zahn? Ich nahm das Ding hoch und merkte, dass es an einer Kette hing. Nein… es war ein Mond, genaugenommen ein Halbmond. Jedenfalls der unterste Anhänger, genaugenommen waren es drei Anhänger. Der in der Mitte war eine Blume. Eine Rose, die aussah, als wäre sie einmal echt gewesen und dann in einer Art Gelee eingegossen worden. Ganz oben hing ein Plättchen, auf dem irgendwelche Zeichen eingraviert waren. Ich verzog das Gesicht, fast schon enttäuscht. Sowas bekam man für wenige Euros in jedem Chinaladen.
Ich war mir echt nicht sicher, ob das ein Scherz war oder nicht.
Aber was wenn die Sachen tatsächlich von meiner Mutter waren, auch wenn sie einfach nur billig und ramschig aussahen?
Auch egal, dachte ich. Die Kette war auf jeden Fall wunderschön und sie passte mit ihrem Goldton perfekt zu meinem Look. Ich zog sie heraus und band sie mir um. Neben dem Tresen hatte ich einen Spiegel stehen. Wow, dachte ich. Perfekter als perfekt.
Die Anhänger lagen warm auf meiner Haut, erstaunlich warm. Seltsam, dachte ich, normalerweise waren Ketten wenn man sie anzog ziemlich kalt und nicht warm.
In Gedanken sah ich hoch, denn ich bemerkte, dass ich beobachtet wurde.
Da war er wieder.
"War das in dem Päckchen, Avenae?"
Sofort war meine Stimmung im Keller. Da stand er, Tom, mit einem blauen Hemd und einer Polizeijacke. Grrr, ich steh auf Männer in Uniform, dachte ich unwillkürlich und verwarf den Gedanken sofort wieder mit einem Kopfschütteln.
"Okay, was willst du?", fragte ich schroff und schubste das Paket von meinem Schoß.
"Ich dachte, hier kann man Kaffee kaufen", meinte er lächelnd, legte seine Kappe auf den Tresen und lehnte sich lässig darauf.
Oh, natürlich. Hatte ich ja ganz vergessen. Genervt nahm ich die hässlichste Tasse die ich hatte und stellte sie unter die Maschine.
Die ganze Zeit über lachte er mich an und versuchte mit mir zu flirten, doch ich ging nicht darauf ein, sondern warf ihm nur böse Blicke zu.
"Und hast du schon darüber nachgedacht?"
Anscheinend musste ich ihn ziemlich dumm ansehen, denn als ich keinen Schimmer hatte von was er redete meinte er: "Naja, wegen heute Abend?"
Gottseidank machte die Kaffeemaschine Pieps und der vertraute Geruch von frischem Kaffee stieg mir in die Nase.
Ich knallte ihm die Tasse hin.
"Oh, kann ich den auch zum Mitnehmen haben, meine Schicht fängt gleich an, ja, eigentlich bin ich schon viel zu spät", sagte er sanft, während er mir mit einer Hand die Tasse zurückschob und meine Finger streifte, als ich sie wütend in Empfang nahm, die braune Flüssigkeit in einen Becher schüttete und sie ihm wieder hinschob.
"Das macht dann…", doch weiter kam ich nicht, denn sein Handy klingelte und er packte seinen Kram und verschwand mit einer gemurmelten Entschuldigung in Richtung der Polizeistation.
"… 2.20 €", murmelte ich und dachte still, das Geld hol ich mir schon noch.
Der Rest des Tages war eher langweilig, ich hatte nicht außergewöhnlich viele Kunden, ein paar hellten meine Laune auf und ich fuhr abends sogar pfeifend nach Hause, nachdem ich mein Café gut verschlossen hatte.
Als ich vor meiner Wohnungstür stand, fühlte ich mich schon wieder extrem beobachtet. Schnell schaute ich zu Toms Wohnungstür und konnte fast hören, wie er hinter dem Türspion den Atem anhielt. Genervt ging ich zu der Tür und klingelte.
Ich verdrehte die Augen, als er so tat, als würde er nicht hinter der Tür stehen und ich konnte mir richtig vorstellen, wie er in Gedanken von 10 runter zählte, um mir nicht gleich die Tür zu öffnen und den Eindruck zu machen, dass er gerade aus dem Wohnzimmer oder so kam.
Als er öffnete, breitete sich ein strahlendes, aber auch ein bisschen schüchternes Lächeln auf seinem Gesicht aus, sodass ich einen Moment nicht wusste, warum ich eigentlich geklingelt hatte.
"Avenae, was für eine Überraschung. Hast du dir mein Angebot überlegt?“
"Ähm, ja, ähm… Also, ich bekomm noch Geld von dir und ich dachte, ich klingle einfach mal und naja…", druckste ich herum und versuchte meine Gedanken zu ordnen.
"Ja klar, ich geb es dir später.
Also, was sagst du dazu, wenn ich was für dich koche und du rüber kommst? Oder willst du ausgehen? Oder eine DVD anschauen und einfach plaudern?", fragte er und lächelte mich so süß an, dass ich echt fast schwach wurde und zu sabbern anfing. Er war schon ziemlich gut aussehend, wie er so dastand, mit seinen zerwuschelten Haaren und seinem süßen Lächeln…
Doch nein, ich hatte vorhin beschlossen, dass es nicht gut war, jemanden in mein Leben zu lassen und so musste ich Prioritäten setzen.
"Tut mir echt leid, aber ich bin ziemlich fertig und…"
"Komm schon, das ist keine Ausrede. Ich erwarte dich in einer viertel Stunde, und wehe du kommst nicht, denk dran, ich bin Polizist. Ich werde dich holen kommen."
Mit den Worten schloss er die Tür und murmelte noch etwas von wegen Geld oder so, aber nicht bevor ich einen Blick in seine Miniwohnung werfen konnte.
Es war das reinste Chaos, noch schlimmer wie bei mir. Viel schlimmer.
Verwirrt und auch ein bisschen frustriert ging ich zu meiner Tür.
Wütend schloss ich auf, wobei das Schloss schon wieder nicht richtig funktionierte und ich knallte die Tür hinter mir zu, nachdem ich in meine Wohnung gestolpert war.
Ich schmiss einfach alles inklusive mich selbst aufs Bett. Sicher werde ich nicht gehen. Ganz sicher nicht, da kann er warten bis er schwarz wird.
Und dann kamen die Gedanken. Ich stellte mir widerwillig vor, wie seine Lippen schmeckten und wie er roch und dann sagte ich mir, warum nicht? Ja, warum eigentlich nicht? Immerhin hatte ich noch nie richtig gefühlt was Liebe war, weder zwischen zwei Menschen, noch innerhalb einer Familie.
Gut, aber nur zum DVD schauen. Vielleicht würde es ja ganz lustig werden.
Ich stand auf und ertappte mich dabei, wie ich ein schönes Shirt aus dem Schrank zog und meine Haare glatt strich. Wo war meine Bürste?
Okay, Memo an mich: Aufräumen und mir zum x-ten Mal einen Ordnungsplan für meine Wohnung überlegen. Aber erst morgen, denn jetzt, tja ich hatte jetzt sowas wie ein Date.
Ich schlüpfte in das roséfarbene Shirt und in eine schwarze Jeans und fragte mich, ob das Shirt zu viel Ausschnitt hatte, aber verwarf den Gedanken wieder.
In meiner Euphorie hüpfte ich aus meinem Zimmer und natürlich hatte ich meinen Schlüssel vergessen. Verdammt, das war sogar der Zweitschlüssel.
Vergebens rüttelte ich an der Tür. Die war zu. Ich fluchte wie wild und schimpfte mein ganzes Repertoire an Flüchen gegen die Tür, doch die öffnete sich nicht. Und schon ging eine andere Tür auf, die lieber verschlossen geblieben wäre.
"Was machst du da?", fragte Tom endlich, nachdem er fünf Minuten lächelnd im Rahmen gelehnt hatte und mir mit verschränkten Armen zugesehen hatte, wie ich versuchte die Tür zu öffnen.
Ich strich mein Oberteil glatt und schnaufte: "Nach was sieht's denn aus?"
Er lachte nur und bedeutete mir mit einer Handbewegung, dass ich in sein Zimmer kommen soll. Als ich mich nicht bewegte, kam er auf mich zu und hob mich einfach so aus dem Nichts hoch und trug mich in sein Zimmer. Ohne sich über meine Pfunde zu beschweren, die mir schon lange ein Dorn im Auge waren.
Ich strampelte so fest, dass er mich fast auf sein Bett/Couch schmiss und ich starrte ihn wütend an.
"Ganz ruhig. Hättest du auf mich gehört, dann hättest du auch selbst durch die Tür gehen können. Aber so… Jetzt komm, entspann dich. Was willst du anschauen?"
Ich versuchte, mich zu beruhigen und stand auf. Das Chaos von vorhin war verschwunden und ich fragte mich in welchen Schrank er den ganzen Kram gestopft hatte, so wie ich es immer machte, wenn ich spontan Besuch bekam, was leider nicht so häufig vorkam.
Man, hatte der komische DVDs. Lauter Action-Zeug. Meine waren da viel besser, aber ja leider in meiner verschlossenen Wohnung.
Mir sagten die Titel alle nichts und als er mich gelangweilt betrachtete und ich nicht alle Inhaltsangaben durchlesen wollte, nahm ich einfach eine mit der Aufschrift: Mission Impossible, The Phantom Protokoll.
Na gut, wenigstens nichts Grusliges, wo er auf den Gedanken kommen könnte, mich zu beschützen und mir einen Arm um die Schultern zu legen oder sowas kindisches.
Er stand seufzend auf, als ich mich in seinen Augen zu doof mit dem DVD-Player anstellte und legte sie selbst ein.
Und da saßen wir, zwischen uns viel zu viel Raum und ich konnte seinen Atem und sein leises Lachen hören, sein Rasierwasser und sein Shampoo riechen, und seine gelegentlichen Blicke, die er mir aus den Augenwinkeln zu warf, spüren.
Ich muss zugeben, der Film war richtig gut, was mich echt beeindruckte, denn am Anfang war er schon ziemlich brutal.
Das peinlichste war der Schluss. Denn das Problem war einfach der Schluss. Keiner sagte was, als Tom Cruise in den Nebel verschwand und der Abspann anfing. Ich spürte, wie rot ich wurde, weil er mich anstarrte.
Dann fühlte ich seine Hand und aus irgendeinem Grund zuckte ich nicht zurück. Auch nicht, als er mich küsste.
Die Frau fuhr fort und es war fast, als hätte sie das erlebt, was sie vorlas, was natürlich Schwachsinn war. Danielle schloss die Augen und stellte sich vor, wie die Hauptperson war. Wie sie ausgesehen haben mochte, wie sie mit ihrem Leben nicht zurecht kam. Stellte sich alles vor, was passierte und dass es Wirklichkeit sein könnte.
Währenddessen, an einem anderen, sehr fernen Ort passierte etwas, das ich mir nie hätte träumen lassen. Nie hätte ich gedacht, dass so was möglich wäre, bis zu dem Zeitpunkt, als ich selbst ein Teil des Ganzen wurde. Ein Teil von der Welt, die auf mich wartete.
Ein paar Jahre zuvor sollte ein Mädchen, das so schön wie die Sonne war, so ruhig und so fließend wie das Wasser, so gebildet wie die Götter und so gescheit wie alles Wissen war, seine Mutter nie wiedersehen. Auch um ihre Existenz gab es ein Geheimnis, mit dem niemand gerechnet hatte. Sie wurde von den Göttern verstoßen, zusammen mit einer Frau, die eine Dienerin des großen Gottes und eine Verwandte der Tochter des Gottes war.
In einem kleinen Haus an der Küste des Landes, das ihr später näher kennenlernen werdet, lebten sie und das Mädchen wuchs heran. Als sie 13 Jahre alt war, in dieser Welt ein Alter, mit dem man Verantwortung übernehmen musste, lernte ihre neue Mutter ihr alles über ihre Fähigkeiten. Was genau diese Fähigkeiten waren, das erzähle ich später, denn ihr würdet es sowieso nicht glauben. Sie bekam auch ein Geschenk. Ihre neue Mutter erzählte ihr, dass das ein Geschenk der Götter war. Ein Geschenk ihrer wahren Mutter und ihrer wahren Herkunft. Ein silberner Ring, mit einem Stein, der aussah, als würde er fließendes Wasser einschließen. Er war blau, ein schönes intensives Blau, fast dieselbe Farbe wie die Augen des Mädchens. Sie freute sich sehr und sie lernte noch schneller. Sie war sehr fleißig, sodass sie sehr viel Lob von ihrer neuen Mutter bekam. Ein Jahr lang lebten sie noch zusammen, in dem Jahr wurde sie genauso gut wie ihre neue Mutter und sie liebten sich sehr.
Eines Tages aber wurde alles anders. Schon vorher wütete ein Krieg in dem Land, von dem die beiden allerdings nichts mitbekamen. Doch an dem Tag sollte sich alles ändern. Soldaten kamen, töteten die Frau und als sie das Mädchen sahen, und das, was sie tat, waren sie wie verzaubert von ihr. Von ihrem langen, blonden, fließendem Haar und ihren blauen, kristallklaren Augen. Sie flehte sie an, sie nicht zu töten, also nahmen sie sie mit. Doch das, was sie mit ihr taten, verstieß gegen das Gesetz. Aber keiner war da, um ihr zu helfen. Denn der König war tot.
స 3 స
Das Problem mit der Tür hatte sich schnell erledigt, da Tom, der nun offiziell mein erster fester Freund war, ziemlich gut mit einem Dietrich umgehen konnte.
Tom war einfach wunderbar. Ich hatte ihn gar nicht verdient. Aber aus irgendeinem Grund war er ganz verrückt nach mir und zeigte mir das auch in jedem nur erdenklichen Augenblick.
Wir unternahmen viel, er nahm sich frei, wir lachten und redeten und ich stellte eines Abends, als wir auf dem Balkon lagen und Erdbeeren mit Schokolade aßen und uns gegenseitig mit der geschmolzenen Schokolade vollschmierten, fest, dass es eigentlich gar nicht so schlecht war, jemanden in mein Leben zu lassen. Endlich fühlte ich mich einfach nur gut, jeden Moment meines Lebens wollte ich mit ihm verbringen.
Er war das tollste, was mir je passiert ist. Und ich Depp wollte ihn zuerst gar nicht.
Eigentlich hasste ich Leute, die meinten, wegen ihnen müsste ich mein ganzes Leben ändern. Tom meinte, ich müsse mehr aus meinem sehr bescheidenen Leben machen und hatte versucht, mich bei der Polizei für eine Ausbildung anzumelden.
Ich lehnte ab, denn ich hasste es wirklich, wenn mir jemand vorschrieb was ich tun und was ich nicht tun sollte, aber weil er mir die ganze Zeit über sauer war und ich konnte es einfach nicht ertragen, wenn er mich nicht mit seinen warmen braunen Augen ansieht und mir zärtliche Worte in mein Ohr hauchte, willigte ich wenigstens für ein Praktikum ein.
Mein Café wollte ich aber nicht aufgeben und wenn ich frei hatte, arbeitete ich darin mit. Ich hatte mir jemanden eingestellt, Jenny, eine hübsche kleine Blondine, die sich mit dem Kellnern auskannte und die ich auch mal allein lassen konnte. Ich vertraute ihr.
Das Schlimmste war jedoch, für Tom war seine Arbeit Prio eins im seinem Leben. Ich musste ihn mit Mördern und Schichtarbeit teilen, was nicht gerade einfach war.
Heute aber nicht!
Heute war unser erster gemeinsamer Tag seit langem. Er hatte Urlaub und ich noch einige Überstunden, die ich wegbringen musste, bevor das Praktikum zuende war. Ich hatte ihn so lange gebeten, dass er sich endlich mal freinimmt, und siehe da, meine Wünsche wurden erfüllt.
Es war ein schöner Tag und ich machte mich fertig. Ich zog eine weiße Bluse und einen Rock in A-Linienform und meine braunen Sandalen an. Ich nahm meine Handtasche und den Schlüssel, verließ meine Wohnung und klopfte an Toms Tür.
Als keiner öffnete, zuckte ich nur mit den Schultern und sprang die Treppen hinunter.
Unten wurde ich geblendet von der Sonne und von noch jemanden, der an der Wand lehnte.
Grr, er erfüllt wirklich jedes Klischee eines sexy Polizisten. Am liebsten würde ich ihm die Strähnen seines dunklen Haars aus der Stirn streichen und ihm das blaue Hemd herunterreißen, aber man kann ja nicht alles haben.
Über den Rand seiner Pilotenbrille blickte er mich an und verdrehte die Augen.