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„Such dir eine aus“, sagte Sam und vergrub die Hände in seinen Jackentaschen. Bettina fand alle ganz nett, Sam merkte aber, dass ihr keine davon wirklich gefiel und sie fanden in den Regalen des Geschäftes noch eine, die gut zur neuen, dunkelblauen Jacke passte und die Bettina auch selbst ausgesucht hätte. Wahrscheinlich hätte sie sie im Normalfall aufgrund des Preises wieder zurückgestellt, aber das war jetzt irrelevant.
Danach ging es ins benachbarte Schuhgeschäft. Auch dort wurden sie bereits erwartet und Bettina bekam sechs Paar Schuhe vor sich gestellt. Auch hier war die Wahl schnell getroffen. „So, und jetzt noch eine Station.“
Bettina war gespannt, was das denn nun sein würde. Die letzte Station war ein Frisörgeschäft, dessen Inhaber Bettina und auch Sam für horrendes Geld die Haare schnitt. Bettina überlegte insgeheim, wie sie ihre Bank dazu überreden konnte, ihr Kredite für vierteljährlichen Frisörtourismus nach London zu genehmigen. George, so hieß der gute Mann, hatte es tatsächlich geschafft, Bettina zu überreden ein gutes Stück ihrer Haare zu opfern. Er hatte ihr eine Frisur verpasst, die sowohl einfach zu pflegen war, als auch noch top aussah und ihr selbst sogar ausnehmend gut gefiel. Ein Erfolg auf ganzer Linie.
Sam hatte gerade seine Kreditkarte wieder weggepackt, als sein Telefon klingelte. Sie verabschiedeten sich von George und Sam telefonierte auf der Straße eine Minute lang mit seiner Mutter. Danach sah er aus, als hätte er gerade einen 48-stündigen Drehtag hinter sich.
„Ist was passiert?“, fragte Bettina.
„Ja“, sagte er nur und lief los. Bettina holte ihn ein und lief neben ihm her. „Was denn? Etwas Schlimmes?“
„Ja“, sagte er, schaute aber nicht zu ihr und wurde auch nicht langsamer. Er fluchte vor sich hin. Sam sah Bettina an. Ihr Magen war sofort schon wieder in heller Aufregung, und das nicht nur, weil sie Sam am liebsten geküsst und umarmt hätte, um ihn irgendwie zu beruhigen. Sondern auch aus Neugierde, gemischt mit der Befürchtung, dass etwas noch Absurderes passiert sein könnte, als das, was sie schon wusste.
„Meine Mutter hat ihren Schwestern angedeutet, dass wir verlobt sind.“
„Was?“
„Ja.“
„Und jetzt?“ Bettina bemühte sich, nicht panisch zu klingen.
„Ich weiß es nicht.“
Kapitel 7
„Wir fahren jetzt zurück in meine Wohnung“, sagte Sam und schnallte sich an. „Ich spiele dieses Spiel bis zu einer bestimmten Grenze mit und die ist jetzt erreicht. Ich bin dir unendlich dankbar, dass du hier ohne meine Mutter oder mich besser zu kennen deinen Urlaub drangibst, um unsere Familienehre zu retten, aber meine Mutter überstrapaziert deine Hilfe gerade nicht unerheblich.“ Sam lenkte das Auto auf die Straße und reihte sich in den Verkehr ein.
„Wir werden klarstellen, dass wir einfach nur zusammen sind. Theoretisch müssten wir, wenn es nach meiner Mutter gehen würde, jetzt noch Ringe kaufen. Ich finde, das geht zu weit. Ich lasse mir als Schauspieler von Terry genug Befehle geben, da weiß ich aber, dass sie durchdacht sind. Bei den Befehlen meiner Mutter bin ich da manchmal wirklich nicht sicher. Und irgendwo ist Schluss.“
„Warum ist es denn für sie so schlimm, wenn ihr Sohn keine Freundin oder Verlobte hat?“, fragte Bettina und sah zu Sam hinüber.
Er schnaubte. „Es ist gesellschaftlich nicht zu dulden. Allein zu sein, zwischen zwei Partnern, ist für meine Mutter ein Übergangszustand, den es schnellstmöglich zu beenden gilt. Sie ist jetzt siebzig und kommt aus einer anderen Zeit. Sie und Dad haben geheiratet, als sie achtzehn waren. Neun Monate später kam mein ältester Bruder David auf die Welt, zwei Jahre später Alan, dann war ein paar Jahre Pause, dann kam ich. Meine Mutter wollte aber lieber ein Mädchen, und fast vier Jahre nach mir hat es dann endlich noch geklappt. Eileen, meine Schwester. Meine Mutter wollte immer eine große Familie, war zu Hause und hat sich um alles gekümmert. Mein Dad hatte einen hohen Posten im Eisenbahnbau. Es ging meinen Eltern gut, meine Mutter hatte immer alles, was sie wollte, dafür hat sie Haushalt, Garten und Kinder versorgt. Ihre zwei Schwestern und sie kommen aus einer traditionellen Familie. Meine Geschwister sind alle verheiratet und haben mindestens ein Kind. Und ich bin Schauspieler und, naja, das schwarze Schaf der Familie, wenn es nach meiner Mutter geht.“ Sam konzentrierte sich auf den Verkehr und Bettina erkannte die Straße, in der Sam wohnte. Er fand einen Parkplatz fast genau gegenüber der Eingangstür.
„Ja, und die Familie meines Vaters ist meiner Mutter ein Dorn im Auge“, sagte Sam und stellte die Einkaufstaschen ab.
„Warum das?“, fragte Bettina, schloss die Eingangstür und zog ihre Schuhe aus.
„Weil …“, sagte Sam, und trug die Einkaufstüten ins Wohnzimmer. Er kippte alles auf das Sofa und sortierte die Kleidung auseinander. „Mein Vater hat nur eine Schwester, Tilly. Sie ist jetzt zweiundsiebzig und noch sehr fit, aber meine Mutter sieht sie als Bedrohung für Ordnung und Vaterland. Tilly ist wirklich toll. Sie ist Witwe und verprasst ihr Erbe mit Kreuzfahrten. Sie sagt, was sie denkt und macht, was sie will.“
„Klingt doch prima. Ich finde das toll, wenn man im Alter noch fit ist und das Geld hat, so etwas zu machen.“
Sam lachte und legte Bettinas neue Socken auf ihren Kleidungsstapel. Sam ging zum Esstisch, suchte und fand eine Schere und kam zurück zum Sofa. „Ja, sie ist witzig. Aber hat auch den Hang, Familienfeiern zu sprengen oder auch mal was zu sagen, das meiner Mutter gegen den Strich geht.“ Sam begann, die Preisetiketten der neu gekauften Kleidung abzuschneiden und gab die Sachen an Bettina weiter, die sie ordentlich zusammenlegte.
„So, lass uns packen und ins Bett gehen, morgen müssen wir früh los.“
Bettina stand vom Sofa auf und nahm ihren Klamottenstapel auf den Arm. Sie hatten gut gegessen und dabei kaum gesprochen, aber beim Kochen war sie wieder dagewesen, diese fast schon unheimliche Harmonie zwischen den beiden. Sie hatten die Abendnachrichten im Fernsehen geschaut und Sam hatte noch in der Kaninchenzeitschrift gelesen, damit er morgen mitreden konnte bei seinem Vater.
Als Bettina gerade ins Bett gehen wollte, klopfte es leise an der Tür. „Bettina?“
„Ja, komm rein.“ Sam öffnete die Tür. Er war barfuß, hatte nasse Haare und trug eine karierte Flanellhose und ein T-Shirt. „Ich … wollte noch mal sagen, wie sehr du mir damit hilfst. Egal, was in den nächsten Tagen passiert … danke.“ Er war mit drei Schritten bei ihr und umarmte sie fest. Es kam überraschend, aber sie umarmte ihn mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit fest zurück.
Er ließ sie weit genug los, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. „Gute Nacht. Wir müssen so um fünf oder viertel vor fünf los.“
„Also Wecker auf vier?“
Sam nickte. „Ja, passt. Gute Nacht.“
„Gute Nacht, Sam.“
Er schloss die Tür wieder.
Bettina ging ins Bett und versuchte erfolgslos, einzuschlafen, als ihr der Gedanke kam, wie sie wohl die nächsten Nächte verbringen würde. Mit Sam in einem Bett? Oder würde jeder ein eigenes Zimmer bekommen? Wenn auch seine drei Geschwister mit Partnerinnen vorbeikommen würden, und seine Tante, wie würden sie denn dann alle in das Haus passen? Vielleicht war es ja ein sehr großes Haus. Sie dachte noch über die Umarmung eben nach und schlief darüber ein.
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