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32.
„Die Kölner Polizei hat die Nachbarschaft rund um das ‚Queens‘ erneut befragt. Es gibt zwar keine eindeutigen Angaben, jedoch meinen die meisten, sich daran zu erinnern, dass der Club unmittelbar nach dem fraglichen Datum geschlossen wurde. Das beweist zwar nichts, aber ich bin mir sicher, dass der Club das Ziel der Truppe war. Und genauso sicher bin ich mir, dass der Club der russischen Mafia gehört. Dafür gibt es zwar auch keine Beweise, aber eigentlich auch keine Zweifel“, erläuterte Hauptkommissar Strecker auf der morgendlichen Konferenz der Ermittler des BKA.
„Dann lassen wir den Club durchsuchen“, schlug Kommissar Marten vor.
„Das bringt nichts. Dort werden wir keine Spuren mehr finden. Die sind im wahrsten Sinne des Wortes gestrichen worden. Und auf Zeugenaussagen brauchen wir dort auch nicht zu hoffen. Erstens sagen die sowieso nichts und zweitens sind alle Zeugen mittlerweile wahrscheinlich weg. Jenseits des Ural, wenn sie Glück gehabt haben. Nein, das sollten wir schön für uns behalten. Dass wir das wissen und die Mafia das noch nicht weiß, ist das einzige Kapital, das wir aus meinem Ausflug herausschlagen können. Vorausgesetzt, die Kölner Kollegen waren bei ihren aktuellen Befragungen hinreichend diskret. Sonst bleibt uns nicht einmal das“, konterte Strecker.
„Was schlagen Sie stattdessen vor?“, fragte Hauptkommissar Faber.
„Wir müssen sie beobachten“, sagte Hauptkommissar Strecker. „Die Spitze. Eigentlich alle, zumindest den Botschafter.“
„Den Botschafter?“, unterbrach Kommissar Schmiede.
„So nennen sie den Chef, den für die deutschen Aktivitäten Verantwortlichen. Sein Name, zumindest der Name unter dem er in der Öffentlichkeit agiert, ist Dimitri Petrovic, wohnhaft in Köln, in einer Villa im Hahnwald und beruflich Geschäftsführer einer Im- und Exportfirma, sowie einer Firma, die Immobiliengeschäfte betreibt. Die Mafia ist sicher auch hinter unserer Bande her. Einen derartigen Angriff können sie nicht unbeantwortet lassen. Vielleicht ist die Mafia ja schneller und erfolgreicher als wir. Und führt uns so auf die Spur der Bande.“
„Viel ist das nicht. Und teuer“, erwiderte Faber. „Dieser sogenannte ‚Botschafter‘ wird sich ja kaum selbst die Finger schmutzig machen. Und wir können ja nicht alle beschatten, die bei ihm ein- und ausgehen. Aber mehr haben wir im Moment nicht. Und bis dahin stellen wir dem Konsul zwei Aufpasser vor die Tür. Rund um die Uhr. Marten, bitte veranlassen Sie das. Und schärfen Sie den Kollegen ein, dass sie nicht auffallen dürfen. Sonst ist dieser Strohhalm auch nichts mehr wert. Und was machen wir im Hinblick auf die Suche nach dem Jungen und seiner Mutter?“, fragte Faber in die Runde.
„Die können wir einstellen“, antwortete Strecker.
„Einstellen?“, erwiderte Hauptkommissar Faber ungläubig.
„Ja einstellen, die sind tot und wenn sie es noch nicht sind, werden sie es bald sein. Zumindest bevor wir sie finden werden“, retournierte Strecker.
„Das akzeptiere ich nicht. Nur weil Sie meinen, die Mafia zu kennen, weil Sie resignieren, werde ich die Hoffnung nicht aufgeben. Nicht so lange wir keine verlässlichen Beweise haben. Bis dahin werden wir alles tun, um die Vermissten zu finden. Ist das klar? Im Gegenteil: Ich werde die Einrichtung einer SOKO beim Kriminalrat beantragen. Wenn wir die Entführten finden wollen, brauchen wir mehr Personal. Viel mehr Personal. Strecker und Marten, Sie kommen nach der Besprechung mit in mein Büro. Wir besprechen die Einzelheiten. Haben wir sonst noch etwas?“, fragte Faber in die Runde, begleitete die Frage aber durch einen intensiven, eindeutigen Blick in Richtung Hauptkommissar Strecker. Der verstand und schwieg.
„Nein. Nichts“, erwiderte Dr. Brick. „Wir suchen im Darknet weiter nach passenden Informationen, haben aber bisher noch nicht einen Shop gefunden, der auch nur einer näheren Überprüfung wert wäre. Wir beteiligen uns an Spielen und den zugehörigen Chats und versuchen auf diese Art und Weise Kontakt zu der Gemeinschaft zu bekommen. Ob wir auf diesem Weg je weiterkommen, kann ich nicht abschätzen. Es gibt Tausende von Spielen die prinzipiell infrage kommen und zu jedem mehrere Kommunikationskanäle bzw. Gruppen von Spielern. Wir haben zwar Programme geschrieben, die relevante Adressen automatisch durchsuchen und vermeintliche Treffer selektieren. Da wir aber im Prinzip gar nicht wissen, wonach wir eigentlich suchen, mussten wir das Netz mit den Suchmustern, also den Begriffen, die wir suchen, recht grobmaschig knüpfen. Dementsprechend bekommen wir also auch recht viele der vermeintlichen Treffer. Und die müssen wir uns alle ansehen. Und abschätzen, ob wir sie weiterverfolgen oder nicht. Die Weiterverfolgung ist meist ziemlich zeitaufwendig, bei Chats von Spielen können wir uns nur in die Spiele schalten, am Chat teilnehmen und hoffen, dass sich die Verdächtigen wieder zuschalten. Das dauert zumeist Stunden, pro Spiel. Wir müssen ja auch mitspielen oder zumindest so tun. Sonst fallen wir auf und verbrennen unsere Avatare, also die künstlichen Namen unter denen wir an den Spielen teilnehmen.
Und was die verdächtigen Webshops angeht: Da müssen wir schnell sein, denn die Shops ziehen schnell um, auf neue Webadressen. Dann sind sie für uns verloren. Und auch die Beschäftigung mit den Shops ist zeitaufwendig. Zumeist verwenden sie für ihre Produkte Codenamen. Das macht die Analyse des Angebotes schwieriger. Und wenn wir danach immer noch der Ansicht sind, dass es ein Kandidat sein könnte, müssen wir Testkäufe simulieren. Das bedingt natürlich wieder die Schöpfung und Nutzung von fiktiven Nutzern mit deren Identitäten sie agieren. Und das alles müssen wir ja auch noch im Blick behalten. Also müssen wir es dokumentieren und so weiter und so weiter. Vermutlich brauchen wir Unterstützung von Kommissar Zufall. Sonst wird das nichts.“
„Scheiße“, resümierte Faber. „Entschuldigung, Ingrid“, schob er halbherzig hinterher. „Aber auch damit machen wir weiter. Wir haben ja sonst nichts. Ingrid, meine Herren, an die Arbeit. Strecker, Marten, bitte kommen Sie mit.“
33.
„Kommen Sie rein und schließen Sie die Tür.“ Die Worte kamen scharf und deutlich, obwohl Hauptkommissar Faber sie sprach, ohne seine beiden Kollegen anzusehen. Stattdessen ging er schnurstracks an seinem Schreibtisch vorbei und deutete mit seiner rechten Hand, noch während er ihnen den Rücken zukehrte, mit einer saloppen Bewegung in die Gegend vor seinem Schreibtisch, wo zwei Stühle standen. Er ließ sich in seinen Stuhl fallen, öffnete sein Jackett, reckte sich, streckte die Arme hoch und atmete deutlich aus.
„Wasser?“, fragte er seine beiden Gäste, die mittlerweile ebenfalls Platz genommen hatten. Eine Antwort erwartete er gar nicht. Er hörte auch nicht hin. Er brauchte nur eine kleine Pause um herunterzukommen, um ruhig zu bleiben, um Strecker nicht an die Gurgel zu gehen. Bildlich gesprochen.
„Okay!“, hob er endlich an. Weniger freiwillig, er fühlte sich noch nicht bereit, aber das Räuspern von Kommissar Marten machte nur allzu deutlich, dass es an der Zeit war. „Strecker“, begann Faber wieder und die folgenden Worte kosteten ihn mehr an Anstrengung als er sich anmerken ließ. „Entschuldigen Sie, wenn ich vorhin etwas energisch, vielleicht sogar zu laut geworden bin. Das war wahrscheinlich etwas zu emotional, hatte aber eigentlich einen rationalen Hintergrund. Dr. Brick hat Ihnen ja ausführlich erläutert, wie hilflos wir im Nebel herumstochern. Eigentlich nur auf den Zufall hoffen, viel zu wenige Leute haben. Wir kriegen aber nicht mehr. Jedenfalls nicht mit unserem Fall, mit unserer Suche nach einer ominösen Gemeinschaft, die Überfälle begeht. Sachbeschädigung, wenn es hochkommt auch noch Körperverletzung. Mückenstiche im Vergleich zu anderen Gewalttaten, mit denen die Behörden tagtäglich konfrontiert werden. Priorität null. Aber die Suche nach zwei verschwundenen Menschen, wahrscheinlich sogar nach Entführungsopfern, das ist was ganz anderes. Das ist wichtig. Dafür gibt es Ressourcen. Und die will ich haben. Weil wir sie brauchen. Und deshalb möchte ich keine Spekulationen, kein Wort mehr hören, dass auch nur den geringsten Zweifel daran weckt, dass wir fest daran glauben, dass Marc Johann und seine Mutter noch leben. Und das wir alles dafür tun müssen, alles dafür tun werden, sie zu finden. Und um sie zu finden, müssen wir die Gemeinschaft finden. Wozu wir erheblich mehr Ressourcen brauchen. Marten, überlegen Sie schon mal, wie viele Leute mit welchen Fähigkeiten wir brauchen. Ich weiß, es ist Wochenende, aber wir haben keine Zeit. Daher will ich, dass das Gros der Verstärkung schon Montag früh anfangen kann. Ich rede mit dem Chef und rufe die Vorgesetzten der Einheiten an, aus denen wir die Neuen rekrutieren. Das Rekrutieren der einzelnen Beamten übernehmen Sie, Marten. Und jetzt raus. An die Arbeit. Und Strecker. Mir ist auch klar, dass beide tot sind.“
34.
„Der Pförtner?“, fragte Leo.
„Einer der Pförtner“, erwiderte Boris. „Sie haben mehrere. Und ich kann es mir nicht leisten, alle unter Vertrag zu nehmen. Aber den einen, den hatte ich glücklicherweise. Er war zwar ziemlich überrascht und gar nicht erfreut, als meine Jungens ihn gestern kontaktiert haben. Aber er hat sich auch nicht lange gesträubt. Unser Anliegen war aber auch nicht so schwer erfüllbar. Ich hatte ihn ja mit Bedacht gewählt. Er sitzt da im Foyer, kennt die meisten Beamten, kann zuhören ohne Aufmerksamkeit zu erregen, selbst wenn er mal eine Frage stellt, dürfte kaum jemand Verdacht schöpfen. Er ist halt höflich, interessiert sich für die Arbeit der Menschen, die er tagtäglich sieht. Also, der Fall wird vom Dezernat W3 bearbeitet. Es ist erst vor Kurzem gegründet worden und beschäftigt sich mit Internetkriminalität. Nach unserem Gespräch von vorgestern, habe ich keinerlei Zweifel, dass dies die Wahrheit ist. Er hat uns auch schon eine Reihe von Namen von Beamten geliefert, die zu dem Dezernat gehören. Er wird die Liste nochmals überprüfen, vervollständigen, falls nötig und uns noch Fotos von den Personen auf der Liste machen. Zudem wird er Augen und Ohren offenhalten und uns benachrichtigen, falls es wichtige Neuigkeiten gibt. Mehr habe ich nicht.“
„Das reicht auch. Zumindest um anzufangen“, sagte der Consultant. „Sobald wir die vollständige Liste und die Fotos haben, brauche ich ein größeres Team. Mindestens vier Männer plus Fahrzeug für jeden Namen auf der Liste. Wir müssen alle Mitglieder des Dezernats beschatten. Um Schwachstellen zu finden. Der Pförtner war hilfreich, aber um das zu erfahren, was uns wirklich hilft, müssen wir näher ran. Viel näher ran. Ich komme morgen wieder. Sagen wir gegen 16:00 Uhr? Wäre schön, wenn Du alles für die erste Teamsitzung vorbereiten lassen könntest. Tischvorlagen, Beamer für die Bilder. Ein paar Kleinigkeiten zu essen, alles was man so braucht, um ein Team für einen wichtigen, aber ziemlich langweiligen Auftrag zu motivieren. Mindestens jeweils ein Mitglied jedes Zweierteams sollte anwesend sein. Und bitte sorge für die Ausrüstung. Kameras mit Nachtsichtfunktion und Teleobjektiven. Saubere, nicht kontaminierte Handys und unauffällige, ebenfalls saubere Fahrzeuge. Je früher wir anfangen, desto besser. Boris, es war mir wie immer ein Vergnügen“, sagte Leo und erhob sich aus dem Besuchersessel, der vor dem opulenten Schreibtisch stand, hinter dem Boris täglich mindestens 12 Stunden in seinem Büro thronte.
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