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»Ach ja?« Bob Mayer schluckte den Rest des Bissens herunter und lehnte sich auf seinem Schreibtisch nach vorne, wobei er sein Sandwich so heftig umherschwenkte, dass etwas von der Mayonnaise herabtropfte, glücklicherweise auf die Serviette. »Woher willst du das so genau wissen, Richie, hast du welche bei ihr gekauft? Nein Rich, ich sage dir, sie hat damals etwas erlebt ... gesehen oder gespürt ... was sie nicht erleben durfte. Und ich habe es auch gesehen und wenn du etwas schneller gewesen wärst, dann hättest du es auch gesehen und würdest jetzt nicht so ignorant daherreden. Da war etwas, da bin ich mir sicher, hundert pro! Sie ist weder verrückt noch verkauft sie illegales Zeug ... und die Brille hat funktioniert. Es war etwas im Infrarot, da verwette ich sogar meine nächsten drei Eintrittskarten für die Albert Hall ... und nimm mal endlich den verdammten Stöpsel aus dem Ohr! Irgendwann wächst er da fest.«
Bob Mayer hatte dabei mit dem Zeigefinger der anderen Hand auf seinen Kollegen gedeutet.
»Jetzt sperr mal deine Lauscher gut auf, mein Lieber, und hör auf, mit deinem Essen herumzufuchteln, ist ja ekelhaft, schau dir mal die Sauerei an«, er zeigte mit gespieltem Vorwurf, als wenn es sich um die Überreste einer Kannibalenmahlzeit handeln würde, auf den Mayonnaisefleck und fuhr dann fort: »Wir sollten uns da raushalten, meine ich. Erstens ... hast du nicht gesehen, wer diese Dame abgeholt hat? Das waren keine einfachen Bullen, das war die Staatspolizei. Die Fressen erkenne ich besoffen im Dunkeln, die riech ich gegen den Wind ... selbst wenn es Scheiße regnen würde ... und zweitens, höre ich noch genug.« Er tippte sich an das Ohr mit dem Stöpsel.
Richard hatte mit zusammengekniffenen Augen das Wort ›Staatspolizei‹ lang gedehnt ausgesprochen, so als hätte er einen Taubstummen vor sich, der nur von den Lippen ablesen kann. Dabei hatte er seinen Pappbecher so heftig auf den Tisch gestellt, dass ein paar Spritzer des inzwischen lauwarmen Gebräus auf seinem Bildschirm gelandet waren. Mit einer schnellen Handbewegung wischte er sie mit dem Ärmel weg.
»Mensch, jetzt versaue ich mir wegen dir und deiner Olga auch noch meine Uniform, schau dir das an!« Mir einer theatralischen Geste hob der den Arm und betrachtete den kleinen Fleck mit gespieltem Entsetzen, was Bob Mayer nur dazu veranlasste, müde abzuwinken und ihm einen Vogel zu zeigen.
Bei aller Unterschiedlichkeit mochten sich die beiden und meist nahmen sie ihre Wortgefechte nicht wirklich ernst. Es war fast so, als liebten sie ihre kleinen Kabbeleien, die immerhin eine Abwechslung in ihrem wenig aufregenden Dienstalltag darstellten, wenn man einmal von dem besagten Zwischenfall an dem Pfannkuchenstand absah. Sie wussten beide, dass sie sich aufeinander verlassen konnten, wenn es einmal hart auf hart kommen würde, womit allerdings keiner von ihnen wirklich rechnete. Ihnen war aber auch klar, dass es für Männer in Uniform Unangenehmeres und Anstrengenderes gab, als in einer Shopping Mall Streife zu laufen und dafür zu sorgen, dass die Leute in Ruhe ihre Einkäufe erledigen konnten.
»Nichts zu tun, die Herren, haben die Geschäfte heute geschlossen?« Chief Supervisor Don Wichewski war unbemerkt eingetreten und seine Glatze leuchtete mal wieder wie frisch poliert mit der großen Gürtelschnalle vor seinem Bauch um die Wette. Spötter behaupteten, beides glänze immer dann besonders, wenn er eine neue Flamme hatte. Dass die Geschäfte im Delice immer geöffnet waren, wusste er natürlich so gut wie jeder andere in Bushtown.
»Wir machen Pause, Chief. Fancy und Ruler sind draußen«, Bob lehnte sich in seinem Sessel zurück und schaute demonstrativ auf die Wanduhr. »Wir haben gerade über Olga gesprochen ... Olga Wrenolowa, wissen Sie, die Pfannkuchenfrau.«
Die Kollegen Fancy und Ruler, beides sehr erfahrene Beamte, hatten die Mannschaft des Delice-Wachdienstes verstärkt. Kurz nach dem Zwischenfall am Pfannkuchenstand waren sie in die Shopping Mall abkommandiert worden, sodass jetzt unter dem Befehl des Chief Supervisors Wichewski acht Männer im 24-Stunden-Schichtdienst im Einsatz waren.
»Ich weiß, wer Olga Wrenolowa ist, Mayer. Wollen Sie mich für dumm verkaufen? Finden Sie mir einen in der Stadt, der sie nicht kennt. Sie wurde verhaftet, Sie waren doch selbst dabei.
Was gibt es da also noch zu reden? Das ist Schnee von gestern ... im wahrsten Sinn des Wortes, hahaha ... der Pizzamann soll übrigens sehr gut sein ... hat schon eine Filiale drüben in Southend. Ein paar Kumpels von mir waren mal da ... waren ganz begeistert von dem Zeug. Die Abwechslung wird Ihnen guttun, Bob, immer Pfannkuchen kann´s ja wohl auch nicht sein«, lachte er laut über seinen Witz. Dann fuhr er ernster und mit gesenkter Stimme fort: »Ich warte stündlich darauf, dass mir von der NSPO wieder unangenehme Fragen gestellt werden. Irgendwie habe ich das im Urin. Die haben das noch nicht zu den Akten gelegt. Werden noch mal nachbohren, warum es uns entgangen ist, dass im Delice so etwas passieren konnte ... warum wir nicht in der Lage sind, Ordnung zu halten, und so weiter, bla, bla, bla. Obwohl ich denen schon alles gesagt und sogar geschrieben habe, was ich weiß. Na ja, sei´s drum, warten wir's ab. Ich regel das schon.« Er schaute dabei wie der Wettertyp vom Fernsehen, der es gewohnt war, dass seine Prognosen immer stimmten, was kein Kunststück war. Dann straffte er sich und zog seine Uniform glatt, bevor er wieder seinem Büro zustrebte, so als ob ihn dort Herr oder Frau Wichtig persönlich erwarten würde.
»Gehen Sie wieder pünktlich an Ihre Arbeit meine Herren, das Verbrechen schläft nicht, auch nicht in diesen Zeiten, wie Sie wissen«, rief er noch in wichtigtuerischem Befehlston mit einem Blick auf die Uhr, die gerade auf 9:25 gesprungen war.
Kaum an seinem Schreibtisch, griff er zu seinem privaten Mobiltelefon und Sekunden später säuselte er in einer Stimmlage in den Hörer, die ihm wohl keiner seiner Untergebenen zugetraut hätte.
»Gehen Sie pünktlich an Ihre Arbeit«, äffte Richie seinen Chef nach. »Der hat gut reden. Sitzt den ganzen Tag auf seinem Arsch und hält Maulaffen feil. Seitdem wir zu Acht sind führt er sich auf wie ein Viersternegeneral kurz vor der Verleihung seines fünften. Möchte echt mal wissen, was die an dem findet.« Mit ›die‹ meinte er die aktuelle Freundin des Chiefs.
»Steht wahrscheinlich auf schicke Uniformen ... sollte lieber mal schauen, was drinsteckt«, beantwortete er sich selbst die Frage. »Obwohl sie das wahrscheinlich schon getan haben wird, hahaha ... weißt du eigentlich, warum er sich seine Hosen immer so hochzieht?« Er war dabei aufgestanden und zog jetzt eine imaginäre Hose bis unter seine Achseln. Dabei grinste er frech.
»Lass ihn doch, Richie, solange er verknallt ist, haben wir unsere Ruhe, bist ja eh nur neidisch«, meinte Bob gelassen, der sich schon lange nicht mehr über seinen Vorgesetzten aufregte.
Er dachte an Olga, der er die angebliche Tat nie und nimmer zutraute. Musicals lieben und gleichzeitig Drogen verkaufen passte in seinem Weltbild einfach nicht zusammen.
»Neidisch?«, prustete Richard Pease. »Ich, auf den? Hast du dir die Tussi mal angesehen? Nie und nimmer. Die könntest du mir nackt auf den Bauch binden. Aber wie wir ihn kennen, wird in zwei Monaten sowieso die Nächste auf der Matte stehen, beziehungsweise liegen, hahaha.«
Fünf Minuten später, die Pause war in diesem Moment zu Ende, erschien der Chief abermals in der Tür und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war es mit der Ruhe erst einmal vorbei.
»Ich hab´s ja gewusst«, knurrte er, »hat allerdings keine Stunde gedauert.« Er zog sich mürrisch einen Stuhl heran und setzte sich. Richard Pease hatte seinen Streifengang bereits begonnen und Bob Mayer hatte gerade die Reste seines Sandwiches eingepackt und zusammen mit der halb geleerten Flasche Blue Mountain-Mineralwasser in seiner Tasche verstaut. Jetzt blickte er den Chief erwartungsvoll an und fasste sich an den Kragen, der auf einmal eng zu werden schien.
»Ich hatte gerade ein Gespräch mit einem der Chefs der NSPO, ... Mike Stunks, oder so ähnlich«, fuhr er fort. »Sie wollen noch einmal genau wissen, was da neulich hier los war.
Mein schriftlicher Bericht hat denen nicht gereicht. Mayer, Sie hatten ja Ihre Kamera eingeschaltet, als Sie dieses ›Dings‹ verfolgten, und jetzt will die NSPO wissen, was bzw. ob Sie selber etwas mit Ihren eigenen Augen gesehen haben. Meine Berichte genügen denen nicht. Jaja, das gute alte menschliche Auge, tztztz. Sie werden also persönlich befragt werden. Ich habe Sie beide in Schutz genommen, hab´ gesagt, dass Sie sich erst noch an die Brillen gewöhnen müssen, worauf ich eins draufbekommen habe, dass ich Sie gefälligst besser schulen soll. Der hat sich aufgeführt wie Graf Koks ... Sie sind mir was schuldig, geben Sie das an Ihren Kollegen Pease weiter. Ich gehe in die Pause, muss mal an die frische Luft.«
»Sie sind mir was schuldig? Das hat er wirklich gesagt? Hat der sie noch alle?«, fragte Richard empört, als sie sich kurze Zeit später in der Mall trafen. »Er und uns in Schutz nehmen, da lachen ja die Hühner, dem geht´s doch nur um seine eigene Haut. Aber warum hast du auch bloß diese Scheißbrille eingeschaltet, Mann? Der olle Wichewski macht das jetzt zur Chefsache.« Richard Pease machte bei dem Wort ›Chefsache‹ mit beiden Händen imaginäre Anführungszeichen in der Luft.
»Und wir haben jetzt wieder den Ärger am Hals.«
»Ja, ich, weil ich sie eingeschaltet habe, und du, weil du sie nicht eingeschaltet hast, mein Lieber, und hör damit auf, dauernd auf ihm rumzuhacken, es gibt schlimmere Chefs und lass ihn ›Scheißbrille‹ besser nicht hören«, konterte Bob und fuhr fort: »Also was ist jetzt mit den Drogen? Nix Drogen, hab´ ich gleich gewusst, hier geht es um was Größeres. Oder glaubst du, die NSPO kümmert sich um Drogen?«
»Was weiß denn ich«, war die lakonische und leicht resigniert klingende Antwort seines Kollegen, »mir wär´ nur lieb, wenn du uns da nicht weiter reinreitest mit deiner Pingeligkeit. Pass also auf, was du denen erzählst.« Er machte auf dem Absatz kehrt und strebte dem Frozen zu, um sich die neue Bedienung, genauer anzuschauen.
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