Beschäftigte im Öffentlichen Dienst II

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Nunmehr hat der EuGH[39] in der Sache Sebastian Kreuzinger sowie Tetsuji Shimizu festgestellt, dass der Urlaubsanspruch nicht automatisch deshalb verfällt, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt hat. Weist der Arbeitgeber jedoch nach, dass er mit der notwendigen Sorgfalt gehandelt hat, um dem Arbeitnehmer die Ausübung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu ermöglichen und hat dieser aus freien Stücken auf die Ausübung des Anspruchs verzichtet, obwohl er dies hätte tun können, kann der Arbeitnehmer keine Abgeltung verlangen.
Folgende Fälle lagen dem EuGH vor:
Nach erfolgreichem Abschluss des Referendariats beim Land Berlin beantragte Sebastian Kreuziger eine Abgeltung seines nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaubs. Er hatte sich bewusst dazu entschieden, in den letzten fünf Monaten seines Referendariats keinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Die Abgeltung wurde ihm verweigert, da die entsprechende Erholungsurlaubsverordnung der Beamten des Landes Berlin einen solchen nicht vorsehe und er vor Beendigung des Referendariats aufgefordert worden war, seinen verbliebenen Urlaub zu nehmen. Das OVG-Berlin-Brandenburg legte die Sache dem EuGH vor.
Tetsuji Shimizu war über zehn Jahre aufgrund mehrerer befristeter Verträge bei der Max-Planck-Gesellschaft als Arbeitnehmer beschäftigt. Am 23.10.2013 erfuhr er, dass sein Vertrag nicht über den 31.12.2013 hinaus verlängert werde. Gleichzeitig forderte die Arbeitgeberin ihn auf, vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Erholungsurlaub zu nehmen. Der Arbeitnehmer nahm nur 2 Tage Urlaub und begehrte die Abgeltung von 51 Tagen aus den letzten beiden Jahren nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, dass der Arbeitnehmer den Urlaub habe beantragen müssen, damit der Anspruch am Ende des Bezugsraums nicht ersatzlos untergehe. Auch dieser Fall wurde seitens der Arbeitsgerichtsbarkeit dem EuGH vorlegt.
Der EuGH führte hinsichtlich der Frage nach der begehrten Abgeltung der Urlaubsansprüche aus, dass bei fehlendem Urlaubsantrag zuvor von dem Arbeitgeber geprüft werden müsse, ob der betreffende Arbeitnehmer auch tatsächlich in die Lage versetzt worden sei, seinen Jahresurlaub auszuüben. Denn der Arbeitgeber trage eine besondere Verantwortung dafür, dass seine Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Urlaub tatsächlich wahrnähmen. Daher müsse der Arbeitgeber konkrete organisatorische Maßnahmen ergreifen, die geeignet seien, dem Arbeitnehmer die Ausübung seines Anspruchs zu ermöglichen. Rechtzeitig und klar müsse dem Beschäftigten mitgeteilt werden, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht tatsächlich nähme, möglicherweise am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfalle. Zudem müsse der Arbeitgeber darüber informieren, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs würden geltend machen können, wenn er seinen Urlaub nicht während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nähme, obschon er tatsächlich die Möglichkeit dazu hätte. Diese Pflicht gehe allerdings nicht so weit, von ihm zu verlangen, dass er seinen Arbeitnehmer zwingen müsse, die ihm zustehenden Ruhezeiten tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Vielmehr sei darauf zu achten, dass Urlaubsansprüche nicht nur angesammelt würden, um diese sich bei Beendigung vergüten zu lassen. Denn der Schutz von Sicherheit und Gesundheit liege auch im Interesse des Arbeitgebers.
In der Sache Kreuzinger hat das Gericht ausgeführt, dass das Land Berlin dem Referendar es ermöglicht habe, seinen Urlaubsanspruch auszuüben, dieser jedoch vor der erfolgreichen Ablegung seiner mündlichen Prüfung des zweiten Staatsexamens diesen nicht habe nehmen wollen. Daher könne ihm eine finanzielle Vergütung verweigert werden.
In der Sache Shimizu hat der EuGH zunächst darauf hingewiesen, dass sich der Arbeitnehmer gegenüber einem privaten Arbeitgeber direkt auf Art. 31 Abs. 2 der Charta der Europäischen Union berufen könne, um eine Anwendung nationalen Rechts auszuschließen, die verhindere, dass eine solche Vergütung gezahlt werde. Sodann bezweifelt das Gericht, dass die Max-Planck-Gesellschaft mit der notwendigen Sorgfalt gehandelt habe, um dem Arbeitnehmer die Inanspruchnahme seines Urlaubs zu ermöglichen. Diese habe lediglich am 23.10.2013 den Arbeitnehmer aufgefordert, seinen Urlaub zu nehmen, während er zeitgleich erfahren hat, dass sein Arbeitsvertrag nicht verlängert werde. Wegen der kurzen Zeitspanne zwischen dieser Maßnahme und dem Ablauf des befristeten Vertrages am 31.12.2013 stelle sich diese Maßnahme als verspätet dar. Damit war die Aufforderung auch nicht geeignet, dem Arbeitnehmer die Inanspruchnahme von Urlaub zu ermöglichen.
Achtung
Der Arbeitgeber ist vor dem Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis stets gehalten, diesen rechtzeitig darauf hinzuweisen, wie viel Urlaub ihm konkret zusteht, bis wann genau dieser zu nehmen ist und dass dieser bei Nichtinanspruchnahme verfällt, ohne einen Abgeltungsanspruch auszulösen. Eine pauschale Information an alle Beschäftigten genügt gerade nicht. Wie bereits unter A I 14. dargestellt, kann es bei sich verändernden Arbeitszeitmodellen auch erforderlich werden, erneut im Kalenderjahr den Arbeitnehmer entsprechend zu informieren. Genügt der Arbeitgeber diesen Pflichten nicht, kann der Arbeitnehmer Abgeltungsansprüche geltend machen.
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Demgegenüber scheidet ein Abgeltungsanspruch jedoch aus, wenn der Arbeitgeber seiner Informationsobliegenheit deshalb nicht nachgekommen ist, weil der Arbeitnehmer langandauernd erkrankt war. Solange der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist, kann eine entsprechende Information nicht erfolgen, da dem Arbeitgeber die Dauer der Erkrankung bereits nicht bekannt ist.[40] Insoweit gelten die Verfallsfristen von 15 Monaten hinsichtlich des Mindesturlaubs und 12 Monaten hinsichtlich des Mehrurlaubs.
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Eine Abgeltungsregelung enthält schließlich § 17 Abs. 3 BEEG: Endet das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit oder wird es im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt, so hat der Arbeitgeber den noch nicht gewährten Urlaub abzugelten.
Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine gesetzliche Sonderregelung zu der Verfallsvorschrift des § 7 Abs. 3 BUrlG.
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Sind Abgeltungsansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht verfallen, so stellt sich die Anschlussfrage, innerhalb welcher Zeit sie vom Beschäftigten geltend zu machen sind.
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass Urlaubsabgeltungsansprüche der tariflichen Ausschlussfrist des § 37 TVöD unterliegen. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehe der Urlaubsabgeltungsanspruch. Der Anspruch werde zugleich fällig und könne auch vom arbeitsunfähigen Arbeitnehmer verwirklicht werden. Denn nach der Rechtsprechung des BAG[41] handelt es sich um einen reinen Geldanspruch. Hierin besteht auch kein Verstoß gegen § 13 Abs. 1 BUrlG, da die tarifliche Ausschlussfrist keine inhaltliche Einschränkung des Anspruchs, sondern nur dessen Geltendmachung und zeitliche Begrenzung betrifft.
17.Ersatzurlaub
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Hat der Arbeitnehmer rechtzeitig Urlaub beantragt und gewährt der Arbeitgeber diesen nicht, obschon weder betriebliche Gründe noch Urlaubswünsche anderer Beschäftigter entgegenstehen, so stellt sich die Frage nach dem Verfall des Urlaubs.
Nach Ansicht der Rechtsprechung wandelt sich der verfallene Urlaubsanspruch im Verzugszeitraum in einen Ersatzurlaubsanspruch um. Dieser auf Naturalrestitution gerichtete Schadensersatzanspruch ist nicht in Geld zu entrichten, sondern in Form von (Ersatz-)Urlaubstagen. Diese Auffassung hat das BAG[42] bekräftigt. Ausgeführt hat es im Einzelnen, dass sich ein Schadensersatzanspruch gem. § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 S. 1, § 286 Abs. 1, § 287 S. 2, § 249 Abs. 1 BGB ergibt, wenn der Arbeitgeber mit der Urlaubsgewährung in Verzug gerät. Im Verzugszeitraum wandelt sich der verfallene Urlaubsanspruch in einen auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichteten Schadensersatz um.
18.Kürzung des Erholungsurlaubs bei ruhendem Arbeitsverhältnis
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Wie § 26 Abs. 2 c) TVöD zu entnehmen ist, soll sich der Urlaubsanspruch für jeden vollen Kalendermonat, soweit das Arbeitsverhältnis ruht, vermindern.
Ruhende Arbeitsverhältnisse Elternzeit § 17 Abs. 1 BEEG Wehrübung § 4 ArbPlSchG Sonderurlaub § 28 TVöD Rente auf Zeit § 33 Abs. 2 S. 5 und 6 TVöD Pflegezeit §§ 2, 3 PflegeZGa)Elternzeit
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Nimmt ein Arbeitnehmer Elternzeit nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG in Anspruch, kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Obschon als Kann-Regelung zunächst offen formuliert, macht auch der öffentliche Dienst von dieser Kürzungsoption generell Gebrauch. Zu beanstanden ist diese Kürzung weder europarechtlich noch nach nationalem Recht, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung entschieden hat.
Tipp
Die Formulierung in § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG, wonach nur für volle Kalendermonate eine anteilige Kürzung des Erholungsurlaubs erfolgt, legt nahe, dass Arbeitnehmer wenn möglich nicht zum ersten Tag eines Monats mit der Elternzeit beginnen und diese auch nicht am letzten Tag eine Monats enden lassen, um insoweit keine Urlaubsansprüche gekürzt zu bekommen.
Beispiel
Die Arbeitnehmerin beginnt ihre Elternzeit am 15.12.2021. Da nur für volle Kalendermonate eine Kürzung in Betracht kommt, erhält sie im Kalenderjahr 2021 den vollen Jahresurlaub.
Beispiel
Ein Arbeitnehmer kehrt in Vollzeit zum 30.9.2021 aus der Elternzeit an den Arbeitsplatz zurück. Da er nicht den gesamten September am Arbeitsplatz abwesend war, erhält er auch für diesen Monat im Kalenderjahr Erholungsurlaub, somit 4/12 von 30 Tagen, folglich 10 Tage.
Beispiel
Ein Arbeitnehmer kehrt in Vollzeit zum 1.10.2021 aus der Elternzeit an den Arbeitsplatz zurück. Hier erhält er nur für die Monate Oktober bis Dezember anteiligen Erholungsurlaub, somit 3/12 von 30 Tagen, folglich 7,5 Tage, gerundet 8 Tage.
b)Wehrdienst
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Ebenso kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat kürzen, den der Arbeitnehmer Wehrdienst leistet, § 4 ArbPlSchG. Auch von dieser rechtmäßigen Kürzungsnorm macht der öffentliche Arbeitgeber Gebrauch.
c)Rente auf Zeit
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Ist der Arbeitnehmer für einen langen Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt, so wird ihm regelmäßig nach Ablauf des Krankengeldbezugs eine Rente auf Zeit gewährt. Wie § 33 Abs. 2 S. 5 und 6 TVöD zu entnehmen ist, endet das Arbeitsverhältnis mit Eintritt in die Rente auf Zeit nicht, es ruht vielmehr. Im Gegensatz zu den Normen im BEEG und ArbPlSchG handelt es sich jedoch um eine tarifliche Regelung, die wie vom BAG entschieden den Urlaubsanspruch nicht umfassend auszuschließen vermag.[43]
Aufgrund des Unabdingbarkeitsgrundsatzes in § 13 BUrlG kann der gesetzliche Mindesturlaub i.H.v. 20 Tagen nicht durch eine Tarifnorm ausgeschlossen werden. Zulässig ist es hingegen, den darüber hinausgehenden Mehrurlaub i.H.v. 10 Tagen entsprechend zu kürzen.
Beispiel
Ein vollzeitbeschäftigter Tarifbeschäftigter erkrankt ab August 2018 schwer und ist fortwährend arbeitsunfähig bis zu seinem Ausscheiden im September 2021. Ab dem 1.11.2019 bezieht er eine Rente auf Zeit.
Der Arbeitnehmer erhält in 2018 seinen vollen Jahresurlaub von 30 Tagen. Denn die Erkrankung steht der Entstehung von Urlaubsansprüchen nicht entgegen.
Bis zum 31.10.2019, vor Beginn der Rente auf Zeit, steht dem Arbeitnehmer ein anteiliger Urlaubsanspruch von 10/12 von 30 Tagen, folglich 25 Tage zu.
Ab November 2019 kann der tarifliche Mehrurlaub, jedoch nicht der gesetzliche anteilige Mindesturlaub gekürzt werden, so dass sich ein anteiliger Urlaub von 2/12 von 20 Tagen Mindesturlaub = 3,33, gerundet 3 Tage ergibt. Damit steht dem Arbeitnehmer in 2019 ein Urlaub von 28 Tagen zu.
Im Jahr 2020 entsteht ein Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Tagen.
Gleiches gilt für 2021. Indem der Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit nicht in der ersten Kalenderjahreshälfte aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, steht ihm nach § 3 BUrlG der volle Mindesturlaub zu.[44]
d)Sonderurlaub
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Gem. § 28 TVöD können Beschäftigte bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Verzicht auf die Fortzahlung des Entgelts Sonderurlaub erhalten.
Während die Rechtsprechung selbstverständlich davon ausgegangen war, während eines Sonderurlaubs Urlaubsansprüche anteilig pro Kalendermonat zu kürzen, machte das BAG eine kurze Kehrtwende.[45] Der Entscheidung lag der Fall einer bei der Charité in Berlin beschäftigten Krankenschwester zugrunde, der Sonderurlaub zur Pflege eines nahen Angehörigen bewilligt worden war. Nach Ablauf des Sonderurlaubs schied die Krankenschwester aus dem Arbeitsverhältnis aus und forderte sodann die Abgeltung von während der Zeit des Sonderurlaubs entstandener Urlaubsansprüche. Während die Charité ihr einen „Urlaub vom Urlaub“ verwehrte, sprach das BAG einen gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch zu.
Mit neuer Senatsbesetzung hat das BAG nunmehr von dieser Auffassung Abstand genommen und entschieden, dass unbezahlter Sonderurlaub nicht mehr hinsichtlich der Urlaubsberechnung zu berücksichtigen ist.[46] Befindet sich ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr ganz oder teilweise im unbezahlten Sonderurlaub, ist bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu beachten, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben. Dies führt dazu, dass einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels Arbeitspflicht kein Anspruch auf Sonderurlaub zusteht.
Die aktuelle Auffassung des BAG überzeugt auch deshalb, weil zwischenzeitlich mancher Arbeitgeber berechtigten Sonderurlaubsbegehren nicht entsprochen hat, weil er nicht bereit war, für Zeiten nicht erbrachter Arbeitsleistung und bei Verzicht auf die Arbeitskraft gleichwohl Urlaubsansprüche gewähren zu müssen.
Tipp
Möchte ein Arbeitnehmer nur für einen kurzen Zeitraum Sonderurlaub geltend machen und gleichwohl in den Genuss von Urlaubsansprüchen kommen, muss er einen Antrag auf Sonderurlaub stellen, der zwar monatsübergreifend, jedoch nicht monatsfüllend ist.
Beispiel
Ein Arbeitnehmer beantragt Sonderurlaub vom 2.2.2021 bis 29.3.2021. Da keine vollen Kalendermonate betroffen sind, steht dem Arbeitnehmer gleichwohl der gesamte Jahresurlaubsanspruch zu.
e)Pflegezeit
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Um den Beschäftigten die Möglichkeit zu eröffnen, pflegebedürftige nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen und damit die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege zu verbessern, wurde das PflegeZG geschaffen.
Zum einen sieht § 2 PflegeZG bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber vor.
Zum anderen kann ein Beschäftigter eine Pflegezeit in Anspruch nehmen, soweit der Arbeitgeber mehr als 15 Personen beschäftigt, § 3 PflegeZG.
Während die kurzzeitige Arbeitsverhinderung maximal zehn Arbeitstage umfasst und damit Urlaubsansprüchen nicht anspruchsmindernd entgegensteht, umfasst die Pflegezeit bis zu sechs Monate, wie § 4 Abs. 1 PflegeZG zu entnehmen ist. Um Urlaubsansprüche während der Pflegezeit nicht entstehen zu lassen, wurde mit der letzten Reform des PflegeZG in § 4 Abs. 4 PflegeZG die ergänzende Regelung aufgenommen, dass der Arbeitgeber Erholungsurlaub, der dem Beschäftigten für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der vollständigen Freistellung von der Arbeitsleistung um ein Zwölftel kürzen kann. Wie bei der Elternzeit macht hiervon der öffentliche Arbeitgeber Gebrauch.
Beispiel
Eine in einer 4-Tage-Woche tätige Arbeitnehmerin nimmt Pflegezeit vom 15.4.2021 bis zum 28.8.2021 in Anspruch. Damit hat sie drei volle Kalendermonate – Mai bis Juli nicht gearbeitet, so dass der Urlaubsanspruch entsprechend zu kürzen ist. Ihr steht damit ein Anspruch von 9/12 von 24 Tagen, folglich 18 Tage zu.
19.Keine Ruhensfälle
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Ruht das Arbeitsverhältnis nicht, entsteht grds. auch ein Monat für Monat fortlaufender Urlaubsanspruch. Allerdings hat auch hierbei die Rechtsprechung Ausnahmen von diesem Grundsatz festgelegt.
Nichtruhende Arbeitsverhältnisse Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit Mutterschutz Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation i. S. v. § 9 EFZG Freistellungsphase in der Altersteilzeit Sabbatical Langzeitkonten § 3 EFZG, § 44 SGB V, § 22 TVöD § 3 MuSchG, § 16 MuSchG §§ 6, 10 TV FlexAZ § 10 Abs. 6 TVöDa)Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit
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Nach der gefestigten Rechtsprechung ruht das Arbeitsverhältnis nicht, soweit ein Beschäftigter krankheitsbedingt seine Arbeit nicht erbringen kann. Nach § 3 EFZG erhält er zunächst bis zur Dauer von sechs Wochen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, ggfs. nachfolgend einen Anspruch auf Krankengeld nach § 44 SGB V und ggfs. ergänzt um einen Anspruch auf Krankengeldzuschuss nach § 22 TVöD.
Während dieser Zeit erwirbt der Arbeitnehmer trotz fehlender Leistung gleichwohl einen Urlaubsanspruch. Selbst wenn der Arbeitnehmer im gesamten Kalenderjahr keinerlei Arbeit krankheitsbedingt erbringen konnte, steht ihm der volle Jahresurlaubsanspruch zu. Das erscheint insoweit befremdlich, als dass der Urlaub dazu gedacht ist, sich von der erbrachten Arbeit zu erholen und Freizeit zu gewähren. Letzteres gelingt stets. Es darf jedoch die Frage aufgeworfen werden, wie sich ein Arbeitnehmer von der Arbeit, die er u.U. über Jahre hinweg nicht erbringen konnte, erholen können soll.
b)Mutterschutz
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Um die Gesundheit der Frau und ihres Kindes am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit zu schützen, hat das MuSchG einen besonderen Gesundheitsschutz für (werdende) Mütter bestimmt.
Nach § 3 MuSchG erstreckt sich der allgemeine Mutterschutz grds. auf die Zeit der letzten sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung. Für Früh- und Mehrlingsgeburten sowie bei Kindern mit einer Behinderung bestehen umfangreichere Schutzpflichten. Darüber hinaus kann ein ärztliches Beschäftigungsverbot für die schwangere Frau nach § 16 MuSchG erforderlich werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis ihre Gesundheit oder die ihres Kindes bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.
Liegen diese Voraussetzungen vor, so bleibt gleichwohl der Anspruch auf Erholungsurlaub bestehen. Alles andere verbietet sich bereits deshalb, weil dies zu einer (mittelbaren) Frauendiskriminierung führen würde.
c)Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation
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Den Fällen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gleichgestellt sind gem. § 9 EFZG Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation. Auch hierbei läuft der Urlaubsanspruch weiter.
d)Freistellungsphase in der Altersteilzeit
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Die Tarifvertragsparteien haben zur Regelung flexibler Arbeitszeiten für ältere Beschäftigte den TV FlexAZ vereinbart. Damit soll den besonderen Belangen älterer Beschäftigter Genüge getan werden und diese mit den dienstlichen und betrieblichen Interessen der öffentlichen Arbeitgeber in Einklang gebracht werden. Der Tarifvertrag legt fest, älteren Beschäftigten im Rahmen der dienstlichen Gegebenheiten einen flexiblen Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen.
Neben der Option, im Rahmen der Altersteilzeit vorzeitig aus der aktiven Phase des Berufslebens auszuscheiden, kann erstmals auch vereinbart werden, dass Beschäftigte länger am Berufsleben teilhaben können. Dazu können sie bereits vor Erreichen der Altersgrenze für eine abschlagsfreie Altersrente für langjährig Versicherte mit dem Arbeitgeber das FALTER-Arbeitszeitmodell vereinbaren. Dieses sieht eine Reduzierung der Arbeitszeit bei gleichzeitiger Inanspruchnahme einer Teilrente vor. Dieses Arbeitszeitmodell wird über den Zeitpunkt des Erreichens des maßgebenden Alters für eine abschlagsfreie Altersrente für langjährig Versicherte (und damit über die Regelaltersgrenze) hinaus für einen bestimmten Zeitraum fortgesetzt. Insoweit entstehen auch Urlaubsansprüche.
Beschäftigte, die hingegen in reduzierterem Umfang arbeiten möchten, können zwischen dem Blockmodell oder dem Teilzeitmodell wählen.
Beim Blockmodell i.S.d. § 6 Abs. 3 Buchst. a) TV FlexAZ wird die Arbeitszeit ungleichmäßig verteilt und in verblockter Form erbracht. In der ersten sog. Arbeitsphase setzt der Beschäftigte seine Arbeit fort, um in der sich anschließenden Freistellungsphase vollständig von der Arbeitsleistung befreit zu sein. In beiden Phasen erhält der Beschäftigte das Entgelt entsprechend seiner Teilzeitbeschäftigung hälftig.
Hat sich der Beschäftigte für das Blockmodell entschieden, bestehen während der Arbeitsphase grds. keine Besonderheiten hinsichtlich der Berechnung des Urlaubsanspruchs. Dieser steht dem Beschäftigten vollumfänglich zu, § 10 TV FlexAZ.
In der Freistellungsphase besteht nach § 10 S. 1 TV FlexAZ kein Anspruch auf Urlaub, da bereits keine Arbeitspflicht besteht, von der der Beschäftigte entbunden werden könnte.
Liegt ein Übergangsjahr vor, in welchem der Beschäftigte von der Arbeitsphase in die Freistellungsphase wechselt, so wird dem Beschäftigten nach § 10 S. 2 TV FlexAZ für jeden vollen Beschäftigungsmonat Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs gewährt. Die Urlaubsberechnung erfolgt insoweit pro-rata-temporis. Es erfolgt keine Kürzung des Urlaubsanspruchs, sondern eine Umrechnung der Urlaubsdauer und Anpassung des Urlaubsanspruchs aufgrund des von der Urlaubsregelung abweichenden Arbeitszeitmodells. Es entsteht ein anteiliger Urlaubsanspruch, der unionsrechtskonform ist.





