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Weil Veränderungen des Befindens sehr aussagekräftig sind, kurzfristig eintreten und Rückschlüsse in Echtzeit gestatten, lege ich bei der Arthritisbehandlung großen Wert auf engmaschige Rückmeldungen. So kann ich feststellen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. June ist ein gutes Beispiel dafür. Wenn Schmerzen in ihren Händen während unserer Zusammenarbeit zunahmen, stiegen auch ihre Entzündungsmarker an. Aufgrund ihrer Berichte zu ihrem Befinden wusste ich jedoch stets, wie es um sie stand. So konnte ich feststellen, wie ihre Therapie anschlug und wann wir das Prednison zurückfahren konnten. Wir kamen überein, das Kortikosteroid versuchsweise auszuschleichen, obwohl ihr CRP-Spiegel – der seit ihrem ersten Termin bei mir massiv zurückgegangen war – nach wie vor leicht erhöht war.
* Als stark positives Ergebnis für Rheumafaktor oder ACPA gilt ein Wert, der den oberen Normalwert um mehr als das Dreifache übersteigt.
Anmerkung der Übersetzerin: In Europa gilt die vergleichbare EULAR-Leitlinie, auf deren Grundlage die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie, DGRh, die S1-Leitlinie „Rheumatoide Arthritis“ erarbeitet hat.
KAPITEL 2
Spondyloarthritis
Unter Spondyloarthritis versteht man einen Beschwerdekomplex, bei dem Entzündungen und arthritische Veränderungen der Wirbelsäule im Mittelpunkt stehen. Am bekanntesten ist die Psoriasisarthritis (PsA), die jedoch keineswegs die einzige entzündliche Erkrankung in der Gruppe der Spondyloarthritiden ist. Der Oberbegriff umfasst auch die ankylosierende Spondyloarthritis (AS), juvenile Spondyloarthritis, reaktive Arthritis und akute anteriore Uveitis. Im Unterschied zu anderen Arthritisformen befallen die Krankheiten unter diesem Oberbegriff nicht nur die Gelenke, sondern auch die Enthesen, also die Teile einer Sehne oder eines Bandes, die am Knochen ansetzen. Hinzu kommt, dass jede dieser Erkrankungen mit einem erhöhten Risiko für eine chronisch entzündliche Darmerkrankung (Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn) verbunden ist – und umgekehrt. An dieser Stelle konzentrieren wir uns auf die zwei häufigsten Formen der Spondyloarthritis, die Psoriasisarthritis und die ankylosierende Spondyloarthritis.
Psoriasisarthritis (PsA)
Von Psoriasisarthritis sind zwei bis drei Prozent der Bevölkerung betroffen. Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis erkranken üblicherweise die großen Gelenke, insbesondere die der Wirbelsäule. Die PsA kann auch in verschiedenen Teilen des Körpers einschließlich der Finger und Zehen in Erscheinung treten. Menschen mit Augenentzündungen wie Uveitis und Iritis sind häufiger von Psoriasisarthritis betroffen und umgekehrt. Die Krankheit tritt bei Männern und Frauen mit gleicher Häufigkeit auf. Da es für eine Psoriasisarthritis weder spezifische Bluttests noch andere Diagnoseverfahren gibt, stützt sich die Diagnose auf das Punktesystem CASPAR (siehe Kasten), das Symptome erfasst, die der Arzt feststellen kann, sowie Symptome, von denen der Patient berichtet.1
Klassifikationskriterien für Psoriasisarthritis (CASPAR)
Neben einer entzündlichen Arthritis, Enthesitis (Entzündung der Enthese einer Sehne oder eines Bands) oder Schmerzen im unteren Rücken liegen mindestens drei der folgenden Kriterien vor:
● Sie haben gegenwärtig Psoriasis (Schuppenflechte): 2 Punkte
● Sie hatten in der Vergangenheit Psoriasis: 1 Punkt
● Sie haben keine Psoriasis, aber ein Familienmitglied ersten Grades hat diese Erkrankung: 1 Punkt
● Ihr Fingernagel hat sich vom Nagelbett gelöst: 1 Punkt
● Entzündung von einem oder mehreren Fingern oder Zehen (aktuell oder früher einmal von einem Rheumatologen festgestellt): 1 Punkt
● Der Rheumafaktor ist im Blut nicht nachweisbar: 1 Punkt
● Ein Röntgenbild zeigt eine Knochenproliferation (keinen Knochensporn) in Form eines verwaschenen Bereichs um das Gelenk: 1 Punkt
Zur Beurteilung der Gelenke und zur Diagnosestellung können Bildgebungsverfahren herangezogen werden. Der erste Schritt ist üblicherweise ein Röntgenbild. Die beste Wahl ist jedoch häufig die Magnetresonanztomographie (MRT), mit der Schäden und Schwellungen der Sehnen besser darstellbar sind. Eine weitere Option ist Ultraschall, wobei das neuere Dopplerultraschallverfahren tiefere Einblicke in das Gelenk gestattet. Das macht es zu einem gut verfügbaren und sehr nützlichen Hilfsmittel zur PsA-Diagnose, aber auch zur Feststellung, ob eine echte Remission ohne Entzündungen eingetreten ist.2
Schuppenflechte (Psoriasis) ist eine Hauterkrankung, bei der gerötete Hautareale mit silbrigen Schuppen an jedwedem Körperteil auftreten können. Bei schätzungsweise 20 bis 30 Prozent der Betroffenen liegt auch eine Psoriasisarthritis vor. Falls Sie Arthritis haben und auch nur kleinste Schuppenflechtenareale aufweisen, haben Sie wahrscheinlich eine Psoriasisarthritis. Deshalb muss Ihre gesamte Haut ärztlich begutachtet werden, auch die Kopfhaut und die Haut hinter den Ohren. Schuppenflechte wird üblicherweise als reine Hauterkrankung betrachtet. Vielen Menschen ist daher nicht bewusst, dass eine Psoriasisarthritis einen sehr schweren Verlauf nehmen kann und mit einem erhöhten Risiko für Depressionen, starkem Übergewicht und metabolischem Syndrom einhergeht. Das metabolische Syndrom zeichnet sich dabei durch zu viel Bauchfett aus, das eine hohe Entzündungsaktivität im Körper erzeugt. Diese Begleiterkrankungen schränken die Lebensqualität ein und erhöhen das Sterberisiko insgesamt.3 Zu den Symptomen des metabolischen Syndroms zählen ein erhöhtes Taille-Hüft-Verhältnis, Bluthochdruck, ein hoher Cholesterinspiegel und entweder Prädiabetes (erhöhter Insulin- oder Blutzuckerspiegel) oder klinisch diagnostizierter Diabetes, bei dem der Blutzucker medikamentös reguliert werden muss.
Bei mehr als 80 Prozent der Betroffenen treten die ersten Hautveränderungen zehn Jahre oder länger vor den ersten Arthritisbeschwerden auf. Allerdings kann auch schon Jahre vor der ersten Schuppenflechte eine Arthritis vorliegen, womit die Hautsymptomatik für die Diagnose nicht erforderlich ist. Wegen dieser Uneindeutigkeit kann die Diagnose ohne erkennbare Schuppenflechte nur durch einen Rheumatologen gestellt werden.
Es gibt fünf Subtypen der Psoriasisarthritis, die gemäß dem Klassifizierungssystem nach Moll und Wright eingeteilt werden. Diese Kategorien sind nur scheinbar klar voneinander abgegrenzt. In der Praxis passen viele Menschen nicht exakt in das eine oder andere Schema, sodass die Diagnose nicht immer auf der Hand liegt. In der Schulmedizin erleichtert die Festlegung auf eine Kategorie die Ermittlung der passenden Behandlung. In der funktionellen Medizin spielt der Subtyp letztlich keine Rolle, weil allen Erscheinungsformen ein Entzündungsgeschehen und wahrscheinlich wie bei der rheumatoiden Arthritis auch ein Ungleichgewicht im Darm zugrunde liegt. Die Behandlung ist somit dieselbe. Ich führe die fünf Kategorien dennoch auf der folgenden Seite auf, um zu zeigen, dass man auch ohne Schuppenflechte eine Psoriasisarthritis haben kann.
Meine Patientin Robin, eine 56 Jahre alte Frau, glücklich verheiratet und Mutter von zwei Kindern, ist ein gutes Beispiel für jemanden, der nur schwer in diese Kategorien einzuordnen ist. Als sie mich aufsuchte, berichtete sie, dass sie seit zehn Jahren sehr müde sei. Die chronischen Schmerzen in Händen, Handgelenken, Knien, Ellbogen, Nacken und
● Asymmetrische Arthritis an einigen Gelenken: Betroffen sind hier bis zu fünf mittelgroße Gelenke wie Handgelenke oder Knie, für gewöhnlich nur einseitig. Das ist der Unterschied zur rheumatoiden Arthritis, bei der typischerweise beide Handgelenke (bilateral oder symmetrisch) sowie die kleinen Gelenke der Hände und Füße befallen sind, bevor die größeren Gelenke erkranken.
● Symmetrische Polyarthritis: Diese Kategorie ähnelt in vielerlei Hinsicht der rheumatoiden Arthritis: Die Krankheit erfasst zahlreiche kleine Gelenke auf beiden Seiten des Körpers, und bei bis zu 50 Prozent der Betroffenen mit PsA ist im Röntgenbild eine Schädigung der Knochen innerhalb der Gelenke erkennbar. Bei diesem Krankheitsbild muss der Arzt das Blut auch auf rheumatoide Arthritis hin untersuchen.
● Distale interphalangeal dominante Arthritis (DIP-Synovitis): Hier betrifft die Arthritis die Endgelenke der Zehen und Finger. Normalerweise ist auch der Nagel eingedellt, und der Nagel löst sich schmerzlos vom Nagelbett. Wenn keine Schuppenflechte vorliegt, kann diese Form der PsA einer Arthrose ähneln. Das Röntgenbild sollte dem Arzt die Unterscheidung ermöglichen.
● Spondyloarthritis: Diese Arthritis befällt die Wirbelsäule oder die Sakroiliakalgelenke (eines oder beide), die das Ende der Wirbelsäule mit dem Becken verbinden. Die Schmerzen im unteren Rücken bei einer Spondyloarthritis gleichen denen der ankylosierenden Spondyloarthritis, was dem Arzt die Diagnose erschweren kann. Eine ankylosierende Spondyloarthritis lässt sich jedoch über einen Gentest auf HLA-B27 im Blut nachweisen. Fällt dieser Test negativ aus, liegt eher eine PsA vor.
● Arthritis mutilans: Diese schwere Erkrankung, die 20 bis 40 Prozent der Menschen mit Psoriasisarthritis entwickeln, kann extreme Gelenkveränderungen hervorrufen, die Knochen zerstören und irreversible Funktionsverluste nach sich ziehen. Schon aus diesem Grund ist die frühe Diagnose und Behandlung bei Psoriasisarthritis genauso wichtig wie bei rheumatoider Arthritis.4
Rücken hätten während der Stillzeit ihres ersten Kindes begonnen, also vor 15 Jahren. Beim Erstkontakt bitte ich meine Patienten stets, ihre Schmerzen auf einer Skala von 1 bis 10 einzuordnen. Robin wählte die 5. Zusätzlich war etwa zwei Monate, bevor Robin zu mir kam, an ihrem linken Mittelfinger eine schmerzhafte stenosierende Tenosynovitis aufgetreten. Dabei bleibt der Finger in gekrümmter Haltung blockiert. Dieses Muster der Arthritis und der Gelenkschmerzen passte zu keiner der oben genannten Kategorien. Weil Robin jedoch im Alter zwischen 20 und 30 an Schuppenflechte erkrankt war, ging ich von einer PsA aus. Die Bluttests bestätigten diese Vermutung. Robins Werte für Rheumafaktor, CCP-Antikörper, CRP, ESR und ANA waren normal, und sie hatte auch keine Antikörper gegen Borreliose und andere Infektionen, sodass andere mögliche Ursachen entfielen.
Robins Schuppenflechte hatte an beiden Knien und Ellbogen begonnen und jeweils etwa drei Wochen angehalten. Als sie zum ersten Mal zu mir kam, hatte sie üblicherweise drei bis vier Schübe pro Jahr auf Kopfhaut und Nacken sowie zwischen den Brüsten. Diese Schübe hielt sie mit oberflächlich aufgetragener Steroidcreme unter Kontrolle. Gegen ihre Arthritis nahm sie bislang frei verkäufliche Schmerzmittel ein. Stärkere Arzneien hatte sie bisher nie benötigt und auch keinen Rheumatologen für eine definitive Diagnose aufgesucht.
Zu meiner Detektivarbeit gehört bei allen neuen Patienten auch die Frage nach Verdauungssymptomen. Robin berichtete, dass sie nach dem Essen häufig starke Blähungen hätte und zweimal an starken Bauchschmerzen gelitten hätte. Die Ärzte hatten jedoch nie die Ursache gefunden. Angesichts ihrer Verdauungsproblematik verordnete ich ihr nicht nur die Einstiegsdiät für den Darm, sondern bat sie auch um eine Stuhlprobe, um den Zustand ihres Mikrobioms beurteilen zu können. Der Test ergab eine auffällige bakterielle Dysbiose. Nachdem wir ihren Darm mit Kräutern und Probiotika behandelt hatten, wurde die Arthritis rasch besser. Auf die Dysbiose und ihre Behandlung gehe ich in Teil 2, „Heilung für den Darm, Heilung für die Gelenke“, näher ein. Dort werden auch die wissenschaftlichen Studien zu Verbindungen zwischen einem gesunden Darm und gesunden Gelenken angesprochen.
Ankylosierende Spondyloarthritis (AS)
Die ankylosierende Spondyloarthritis ist eine chronisch entzündliche Erkrankung, die leicht verlaufen oder aber zu starken Einschränkungen führen kann. Die Hauptsymptome sind starke, chronische Rückenschmerzen und Steifheit – was logisch ist, denn ankylosis bezeichnet das Steifwerden eines Gelenks und spondylos bezieht sich auf einen Wirbel. Bei dieser Erkrankung bildet sich zwischen den Wirbelgelenken neue Knochenmasse. Es entstehen knöcherne Verbindungen, wodurch die Wirbelsäule immer steifer wird. Ohne rechtzeitige Behandlung können die Wirbel bei manchen Menschen dauerhaft miteinander verwachsen. Die ankylosierende Spondyloarthritis betrifft Männer etwa doppelt bis dreimal so häufig wie Frauen.
Die Diagnose einer ankylosierenden Spondyloarthritis wird gestellt, wenn jemand jünger als 45 Jahre alt ist und die folgenden drei Merkmale aufweist:
1. Chronische Rückenschmerzen, die über drei Monate anhalten,
2. auf dem Röntgenbild oder der MRT-Aufnahme erkennbare Entzündung der Sacroiliacalgelenke und
3. positiver Gentest auf das Protein HLA-B27. Dieser Gentest ist bei etwa 90 Prozent der AS-Patienten positiv.
Ohne diese drei Merkmale ist es unwahrscheinlich, dass die Erkrankung bei Ihnen vorliegt. In diesem Fall müssen Sie mit Ihrem Arzt weiter nachforschen. Wenn ich bei einem Patienten eine ankylosierende Spondyloarthritis vermute, ordne ich einen HLA-B27-Test an. Ist dieser positiv, so schicke ich ihn zur Bestätigung zum Röntgen oder zu seinem Rheumatologen. Ohne HLA-B27-Nachweis ist eine AS-Diagnose zwar möglich, aber sehr ungewöhnlich. Bei negativem Testergebnis sind Sie wahrscheinlich von etwas anderem betroffen.
Etwa 4,6 bis fünf Prozent aller Menschen mit Schmerzen im unteren Rücken haben AS. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung wird in den USA auf 0,2 bis 0,5 Prozent geschätzt. Dabei gibt es auch ethnische Unterschiede. Europäer beispielsweise sind zu 7,5 Prozent HLA-B27-positiv. Das ist der höchste Anteil aller ethnischen Gruppen. (Zum Vergleich: Afroamerikaner stellen mit 1,1 Prozent den niedrigsten Anteil.) Allerdings erkranken nur fünf bis sechs Prozent der Menschen mit einem positiven Test auf HLA-B27 an einer ankylosierenden Spondyloarthritis. Diese Zahlen klingen vielleicht nicht besonders hoch, doch wenn man die Gesamtzahl der Menschen bedenkt, sind sie doch besorgniserregend. Eine genetische Vorbelastung heißt jedoch keineswegs, dass Sie nichts tun könnten. Wie bei der rheumatoiden Arthritis müssen wir die jeweiligen Auslöser der Entzündung finden und behandeln, damit sich die Symptome bessern. Auch bei AS spielt die Darmgesundheit eine Rolle. Darauf gehen wir in Teil 2, „Heilung für den Darm, Heilung für die Gelenke“, näher ein.
Abschließend möchte ich Ihnen noch von zwei meiner Patientinnen erzählen. Die eine ist Sharon, die Jahre nach einer schweren Episode von Morbus Crohn – einer entzündlichen Erkrankung des Dünndarms – Arthritis entwickelte. Sharon war eine kerngesunde Frau, die täglich ihre sechs Kilometer lief und Fußball spielte. Nach dem Verzehr von Himbeeren, die mit einem bestimmten Parasiten infiziert waren, erkrankte sie an schlimmem Durchfall. Viele andere Infizierte starben offenbar an diesem Befall. Sharon lag eine Woche im Krankenhaus und benötigte viele Antibiotika und Mittel gegen den Parasiten.
Ihr Darm erholte sich ihrer Aussage nach nie wieder davon, und sie hatte regelmäßig mit Blähungen, Aufstoßen und immer wieder auch mit Durchfall zu kämpfen. Solche Geschichten höre ich häufig: Eine schwere Erkrankung verändert dauerhaft das Wohlbefinden, obwohl sie angeblich längst ausgeheilt ist. Einige Jahre nach dieser Infektion bekam Sharon Fieber, Schmerzen und wieder Durchfall. Diesmal lautete die Diagnose Morbus Crohn. Der Nachweis wurde endoskopisch erbracht. Das Endoskop mit Kamera wurde über den Rachen in den Magen und Dünndarm eingeführt. Sharon erhielt den immunmodulierenden Wirkstoff 6-MP, von dem sie allerdings so müde wurde, dass sie ihren Job kündigen musste und nur noch schlief. Immerhin gesundete sie damit so weit, dass sie schwanger wurde. Als sie mich aufsuchte, lag die Geburt ihres ersten Kindes acht Jahre zurück. Sharon ging es nicht gut, aber sie kam zurecht. Nach der Geburt ihres Kindes hatte sie drei- bis viermal täglich lockeren Stuhlgang, ihr war oft übel, und sie hatte Schmerzen im rechten Unterbauch.
Es ging ihr jedoch gut genug, um das 6-MP abzusetzen, doch dann setzten Rückenschmerzen ein. Sie waren so schlimm, dass Sharon nicht mehr laufen konnte. „Die Rückenschmerzen überlagerten meine Verdauungsprobleme“, sagt Sharon. Nach einem Termin beim Rheumatologen erfuhr Sharon, dass sie HLA-B27-positiv war. Das Röntgenbild zeigte eine Entzündung ihrer Sakroiliakalgelenke, und fast ihre gesamte Wirbelsäule war von Arthritis befallen. Aufgrund dieses Symptomkomplexes und der Testergebnisse wurde bei ihr eine ankylosierende Spondyloarthritis diagnostiziert. Hinzu kamen steife Hände mit entzündeten Sehnen, doch am schlimmsten waren die Rückenschmerzen.
Drei Jahre lang probierte Sharon es mit unterschiedlichen Arzneimitteln, darunter Steroide und zwei Biologika, welche das Immunsystem unterdrückten: Adalimumab gegen die Rückenschmerzen und Infliximab gegen Morbus Crohn. Da sie daraufhin Hefepilzinfektionen entwickelte – was bei einer Ausbremsung des Immunsystems gut möglich ist –, brach sie diese Therapie ab. Irgendwann nahm sie gar keine Medikamente mehr, doch da kehrte der Morbus Crohn so vehement zurück, dass sie ins Krankenhaus musste und wieder mit Antibiotika behandelt wurde.
Kurz nach ihrem Klinikaufenthalt stellte Sharon fest, dass sie erneut schwanger war. Sie freute sich sehr auf das zweite Kind, doch für ihren Körper war diese ungeplante Schwangerschaft eine große Belastung. Schließlich war sie so matt und müde, dass sie Infusionen benötigte, um die neun Monate zu überstehen. Ihre Medikamente nahm sie nicht mehr, hatte jedoch schlimme Rückenschmerzen und große Angst. Der Morbus Crohn gelangte nie mehr in Remission, sondern köchelte vor sich hin und bescherte ihr Monat für Monat anfallsweise wässrige Durchfälle. Nachdem Sharons Kind geboren war, erhielt sie gegen den Morbus Crohn den entzündungshemmenden Wirkstoff Mesalazin. Daraufhin beruhigte sich ihr Darm, und seitdem ist sie bei dieser Medikation geblieben.
Zwei Jahre nach der Geburt ihres zweiten Kindes machten die Rückenschmerzen ihr das Leben so schwer, dass es ihr schließlich reichte. Sie probierte ein neues Immunbiologikum, Certolizumab, das alle zwei Wochen gespritzt werden musste. Dieser Therapie unterzog sie sich schon zwei Jahre, als sie mich aufsuchte. Das Certolizumab linderte ihre Beschwerden etwa zehn Tage lang. Danach ließ die Wirkung nach, und Sharon litt die vier verbleibenden Tage bis zur nächsten Spritze unter furchtbaren Schmerzen. Trotz all ihrer Medikamente hatte sie weiterhin mit lähmenden Rückenschmerzen zu kämpfen, und auch die Achillessehnen machten Beschwerden. Zu diesen erheblichen Einschränkungen gesellten sich Angst und Stress, sodass sie kaum den Tag überstand und sich abends nicht mehr um ihre Kinder kümmern konnte, die damals erst vier und sechs Jahre alt waren. Um nachts schlafen zu können, nahm sie das angstlösende Mittel Lorazepam sowie Hydrocodon, ein Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide. Zusätzlich erhielt sie Duloxetin, ein Antidepressivum, das auch gegen Schmerzen hilft, und Pregabalin gegen die Nervenschmerzen im Bein, die von einem Bandscheibenvorfall herrührten.
Die Aussage, dass es Sharon bei unserem ersten Gespräch nicht gut ging, ist weit untertrieben. Ich erzähle hier von Sharon, um zu betonen, dass ankylosierende Spondyloarthritis Patienten massiv beeinträchtigen kann. Bei manchen Menschen ist mein erstes Ziel in der funktionellen Medizin die Schmerzlinderung, damit sie ihr Leben wieder leichter bewältigen können. Zudem ist Sharon ein Beispiel für den klassischen Zusammenhang zwischen chronisch entzündlicher Darmerkrankung und Spondyloarthritis. Dass zwischen diesen beiden Gesundheitsproblemen eine Verbindung besteht, ist seit Langem bekannt und unterstreicht alles, was ich in diesem Buch weitergebe: Es gibt Zusammenhänge zwischen dem Darm und körperweiten Entzündungen.
Auf Sharon und ihre Behandlung gehe ich in Kapitel 6, „Den Darm heilen“, näher ein. Wie alle meine Patienten mit entzündlich bedingter Arthritis befolgte sie meine Arthritiskur. Zum Zeitpunkt, während ich dies schreibe, arbeite ich seit einem Jahr mit Sharon zusammen. Obwohl wir noch einen langen Weg vor uns haben, hat sich ihre Lebensqualität erheblich verbessert. Inzwischen kann sie mit ihren Kindern umhertollen, was vorher nicht möglich war. Ihr Stuhlgang hat sich normalisiert, und wenn sie ihr Certolizumab nimmt, reicht die Dosis für die vollen 14 Tage aus. Das sind Trippelschritte, aber es geht sichtlich aufwärts.
Eine ankylosierende Spondyloarthritis beeinträchtigt nicht jeden so massiv wie Sharon. Ein perfektes Beispiel für eine Patientin mit einer nur leicht ausgeprägten Erkrankung ist die 52-jährige Pilates-Lehrerin Tina. Seit zehn Jahren leidet sie unter ankylosierender Spondyloarthritis, hatte die eher leichten Rückenschmerzen jedoch mit Meloxicam im Griff, einem Wirkstoff aus der Gruppe der nicht-steroidalen Entzündungshemmer (NSAID). Wenn sie zum Skifahren ging, erhöhte sie die Dosis leicht, um mit den Schmerzen klarzukommen. Von mir wollte Tina in erster Linie wissen, wie sie ihre Gesundheit über die Ernährung unterstützen könnte. Und sie wollte gern ihr Schmerzmittel absetzen. Inzwischen hat sie die Arthritiskur durchgeführt und schraubt die Medikation allmählich herunter. Ihre Rückenschmerzen sind verschwunden, und sie hat mehr Energie denn je. Ihr ist bewusst, dass ankylosierende Spondyloarthritis letztlich eine chronische Erkrankung sein kann, mit der sie gegebenenfalls leben muss. Aber sie ist fest entschlossen, einer möglichen Verschlimmerung konsequent vorzubeugen. So weit, so gut.
Konventionelle Medikation
Die Therapie sowie die Kriterien für die Beurteilung, ob eine Psoriasisarthritis in Remission ist, ähneln in vielerlei Hinsicht dem Vorgehen bei rheumatoider Arthritis. Da die Laborwerte bei Psoriasisarthritis in der Regel unauffällig sind, gilt das Fehlen von Symptomen als klinische Remission. Dieses Ziel wird auch für Menschen mit ankylosierender Spondyloarthritis zugrunde gelegt. Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis zielt die Behandlung somit auf minimale Krankheitsaktivität ab.
Sowohl bei PsA als auch bei AS kommen regelmäßig nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAID) und Corticosteroide zum Einsatz. NSAID lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: nichtselektive und selektive Wirkstoffe. Zu den nichtselektiven NSAID, die frei verkäuflich sind, zählen Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Naproxen. Eine unerwünschte Nebenwirkung ist hier die Schädigung der Magenschleimhaut. Mögliche Folgen sind eine Magenschleimhautentzündung (Gastritis), die sich wie Sodbrennen anfühlen kann, oder ein Magengeschwür (Ulkus). Zudem werden aus Sicht der funktionellen Medizin die empfindliche Magen-Darm-Schleimhaut gereizt und eine übermäßige Darmdurchlässigkeit verschlimmert. Die selektiven NSAID, die sogenannten COX-2-Inhibitoren, sind hervorragende Schmerzmittel, die Magen und Darm weniger belasten. Beispiele aus dieser Gruppe sind die Wirkstoffe Diclofenac, Celecoxib und Indometacin. Sie erhöhen jedoch das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko. Daher eignen sie sich nur für die vorübergehende Behandlung und nicht für herzkranke Patienten. In der PsA-Behandlung werden gern NSAID-Präparate mit Methotrexat kombiniert. Wie bei der rheumatoiden Arthritis ist Methotrexat auch bei Psoriasisarthritis und ankylosierender Spondyloarthritis ein Grundbaustein der Therapie, obwohl seine Wirksamkeit erst durch wenige Studien untersucht wurde. Die verfügbaren Studien kamen zu dem Ergebnis, dass Methotrexat in Dosen unter 15 Milligramm pro Woche nicht sehr wirkungsvoll ist. Am besten ist die Wirkung in Kombination mit einem biologischen DMARD wie Infliximab. Immunbiologika eröffnen ganz neue Ansätze zur erfolgreichen PsA-Behandlung. In den USA sind zur PsA-Therapie gegenwärtig die folgenden TNF-Inhibitoren zugelassen: Infliximab, Adalimumab, Certolizumab, Etanercept (ein TNF-Blocker) und Golimumab (ein TNF-Blocker, der nur einmal im Monat verabreicht wird). Insgesamt erscheinen die verschiedenen Wirkstoffe vergleichbar. Das heißt, wenn Sie auf den einen nicht gut ansprechen, könnte ein anderer besser helfen. Das habe ich häufig erlebt. Eine Dauertherapie mit diesen Arzneimitteln kann jedoch signifikante unerwünschte Wirkungen mit sich bringen. Deshalb nehme ich mir so viel Zeit für Gespräche, warum man diese Mittel so früh wie möglich wieder ausschleichen und absetzen sollte.






