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Um ein Kind im ersten Schuljahr zu beaufsichtigen, hatte ich die bessere Möglichkeit, weil ich nur halbtags arbeitete. Zwar maulte Ramona, die vermutlich befürchtete, zum Dienst- und Putzmädchen ihres Vaters zu werden, aber wir ließen uns da nicht rein reden. Wir fanden diese Lösung am Besten.
Zwar mussten Udo und ich anfangs bei Beate unterkriechen, und es dauerte noch ein paar Monate, bis ich die passende Wohnung gefunden und eingerichtet hatten, aber dank Udos Entscheidung verdienten wir, als freie Verkäufer, genügend um ein schönes Zuhause zu schaffen.
Trotzt Udos Spielsucht ging es uns sehr gut, weil wir Summen verdienten, die uns ein großzügiges Leben zu gestatten.
Rene wusste das alles zu seinem Vorteil zu nutzen. Dabei respektierte der Bengel weder Udo noch dessen Umfeld, nahm aber was er kriegen konnte, er war mit allen Wassern gewaschen. Außer in der Schule, wo man gleich seine Legasthenie erkannte und ihn in den Deutsch-Förderkurs steckte, da passte er sich an.
Man verzieh man ihm jeden Blödsinn, sogar, dass er gerne klaute. Sobald sich die Möglichkeit ergab, dass er eine Spardose oder Geldbeutel unbeobachtet erwischen konnte, nahm er sich was er brauchte.
Allerdings beklaute Rene nur Leute, von denen er wusste, dass sie den Verlust verkrafteten. Udos Spardose und die Haushaltskasse von Roberts Mutter mussten oft herhalten, jedoch meine Mutter bestahl er nie. Nicht weil er diese Oma mehr mochte als die Andere, nein, weil er wusste wie schwer meine Mutter für ihr Geld arbeitete. Und weil der soziale Unterschied deutlich sichtbar war. Seines Vaters Mutter empfand er als reich, denn sie hatten ja ein Mehrfamilienhaus, meine Mutter als arm, sie wohnte zur Miete und lebte bescheiden.
Rene sah sich vermutlich als eine Art „Robin Hood“. Denn er beklaute nur die Reichen und mit dem erbeuteten Geld beglückte er die Armen, in dem Fall seine Freunde. Er lud sie zu einem Stadtbummel ein, und verprasste die Kohle auf eine soziale Art mit denen gemeinsam. Dass er, als Legastheniker, auch noch oft die Schule schwänzte, sah er als normal an. Probleme waren folglich vorprogrammiert.
Rene hatte das Glück, dass seine junge Lehrerin ihm wohl auch gut gesonnen war, sodass sie mir die Schuld für seine Fehlzeiten gab. Einmal warf sie mir sogar vor, dass ich nicht täglich für meinen Sohn kochte, denn der Gaststätten-Mittagstisch sei doch nichts gescheites, fand sie.
Natürlich verbat ich mir ihre Einmischung in meine Tagesplanung und war der Ansicht, dass mein Sohn mehr als gut versorgt wurde.
Leider war unser Leben von ständigen Umbrüchen beruflicher Natur geprägt, weil wir in unsicheren Sparten arbeiteten. Das bekam auch unser kleines „Schlitzohr“ mit und versuchte auch das zu seinen Gunsten zu nutzen.
Weil er immer Augen und Ohren offen hielt, bekam Rene auch unsere weniger soliden Geschäftspraktiken mit, was sicher nicht gerade gut für die Entwicklung eines kleinen Jungen war.
Nach der Fassadengeschichte orientierten wir uns neu als Subunternehmer im Baugeschäft. Leider bemühten wir uns einfach zu wenig, unsere nicht ganz koscheren Geschäftspraktiken von dem Jungen fern zu halten, sodass er schon am Telefon die gleichen Sprüche und Lügen losließ wie wir, wenn unsere Gastarbeiter bei uns anriefen.
Ich ließ es dummerweise zu, dass Rene log: „Nein Udo nix da, nein Chefin auch nix da. Ich sagen, Ramis angerufen. Tschüss.“ Obwohl ich daneben stand. So lehrte ich meinen Sohn zu lügen. Worüber wunderte ich mich, wenn ich ihn auch bei anderen Gelegenheiten beim Lügen erwischte?
Nach einiger Zeit hatte auch Ramona ihre Schmollphase aufgegeben und war mehr bei uns als bei ihrem Vater. Robert war das inzwischen ganz recht, da er sich wohl mit seiner neuen Freiheit arrangiert hatte. Was er beruflich machte und wie es finanziell bei ihm aussah wusste ich nicht, nur dass er irgendwann umzog bekam ich mit. Er hatte mit einem Freund und dessen Familie ein altes Zweifamilienhaus gemietet, in das unsere Tochter auch plötzlich umzog. Damit zog Ramona sich mal wieder beleidigt von mir zurück. Zwar fiel mir das anfangs kaum auf, denn ich war viel zu viel geschäftlich unterwegs, sodass auch Rene häufig bei Robert und Ramona übernachtete. Allerdings war ich froh, dass die Kinder bei ihrem Vater gut aufgehoben waren, weil bei uns gerade wieder ein Umbruch anstand.
Die Subzeit nahm ein radikales Ende, sodass wir mal wieder in die Lage kamen, uns neu orientieren zu müssen.
Damit begann die Zeit des illegalen Glückspiels.
Schlitzohr Rene begutachtete unser neues Geschäft neugierig, und fragte beim Anblick der Roulette-Anlage: „Sag mal Mutsch, haben die Spieler dabei überhaupt eine Chance?“
Als ich verneinte, sagte der Junge im Brustton der Überzeugung: „Das dachte ich mir, sonst hätte der Udo das auch nicht gemacht.“ Ich ließ diese Feststellung kommentarlos stehen, denn genau diese aufmerksame Helligkeit des Zehnjährigen war das, was ich an ihm liebte.
Im Gegensatz zu seiner älteren Schwester nahm er am Leben teil, und war auch an seinem Umfeld interessiert. Manchmal zwar auf raffinierte Art und Weise, aber ich mochte seine geistige Beweglichkeit. Ramona war eine Schlafmütze gegen ihn. Ihre übersensible Mentalität führt sogar dazu, dass sie die sechste Klasse wiederholen musste.
Kurz darauf mussten Udo und ich uns ganz schnell eine andere Bleibe suchen. Denn durch Udos Zockerei waren Mietschulden aufgetreten. Weil unsere Vermieter ihre Eigentums-Wohnung verkaufen wollten, beauftragten sie einen Makler mit dem Verkauf. In der Zeit passierte es des Öfteren, dass der Makler mit Kaufinteressenten zur Besichtigung kommen wollte. Da wir immer sehr viel unterwegs waren, und mein Sohn alleine zu Hause war, wimmelte Rene den Makler telefonisch ab. Auf die Bitte des Maklers, er möge mir bitte eine Notiz hinterlegen, dass der Makler am nächsten Nachmittag mit Interessenten kommen wolle, erwiderte der kleine „Strolch“: „Ich bin Legastheniker, ich kann nicht schreiben!“ und legte den Hörer auf. Anstatt ihm zu erklären, dass er so nicht mit Erwachsenen umgehen dürfe, verkniff ich mir schmunzelnd, die nötige Standpauke.
Deshalb bekamen wir gleich nach der fristlosen Kündigung die Räumungsklage. Wegen der Schnelle des Verfahrens mussten wir unsere Möbel einlagern und mal wieder bei Beate unterkriechen.
Welch ein Glück, dass die Kinder bei Robert gut aufgehoben waren, dachte ich nur. Natürlich ließ Robert sich seine Großzügigkeit von mir fürstlich belohnen. Aber das waren mir meine Kinder wert, und dagegen kam nicht einmal Einspruch von Udo.
Nach ein paar Wochen ging uns die Enge in Beates möbliertem Zimmer denn doch gegen den Strich. Seit sie im Erdgeschoss des Hauses eine Kneipe eröffnet hatte, war es im Haus immer recht laut, aber was uns am meisten missfiel war, dass Beate ständig irgendeinen Typ in ihr Bett schleppte. Uns war es zwar egal was die mit ihren Gästen machte, wen die mit ins Bett nahm oder wie viele, aber dass wir immer befürchten mussten, dass irgendein Fremder in der Wohnung herum lief, gefiel uns gar nicht.
Nach kurzer Suche überraschte Udo mich mit einer neuen Wohnung. Er hatte in Wülfrath eine große Wohnung angemietet. Dass er das ohne mich zu fragen gemacht hatte ärgerte mich schon ein wenig, denn die Kleinstadt war immerhin circa zwanzig Kilometer entfernt, und wir mussten nun jede Nacht, nach Feierabend, die Strecke fahren.
Der einzige Vorteil den ich in der Wohnung sah war, dass Udo den Mietvertrag auf seinen Namen gemacht hatte.
Für Rene hieß das aber, die Schule zu wechseln, und das wollte er eigentlich nicht. Also sollte der Kleine auch bei Robert bleiben. Damit war der Junge einverstanden. Weil Robert aber zu wenige Aufträge hatte und dadurch finanziell sehr knapp war, bot Udo ihm an, ihn bei uns im Zockgeschäft anzulernen.
Leider war Robert ein unbelehrbarer Dummkopf, weil er keine Lust hatte, sich von Udo oder dessen Partner Klaus, korrigieren zu lassen. Er meinte, er könne ja die Kugel werfen, das müsse reichen. Weil er am Tableau nicht klar kam hielt Robert es nicht lange bei uns im Casino aus, sondern blieb nach kurzer Zeit einfach weg. Udo und Klaus waren zuerst empört über diese Art der Undankbarkeit, denn immerhin hatte Robert volle Gage für seine Unfähigkeit bekommen, obwohl er als Anfänger in der Branche total überbezahlt war. Aber dann ignorierten die Beiden Roberts Dummheit einfach.
Seltsame Bankgeschäfte
Dass wir meinen Ex-Mann mit der Renovierung unserer neuen Wohnung beauftragt hatten, wurde ebenso zu einem Reinfall, genauso wie seine Mitarbeit in unserem Casino.
An dem Morgen, als er zum Streichen kommen wollte, warteten Udo und ich vergeblich. Also saßen wir in halb eingeräumter Wohnung und ärgerten uns, diesem unzuverlässigen Mann noch einmal vertraut zu haben. Udo zögerte nicht lange, sondern holte die Maler aus Wuppertal, die uns schon einmal das Apartment gestrichen hatten.
Mitten in den Renovierungsarbeiten rief Roberts Mitbewohner an und bat mich die Kinder abzuholen. „ Du musst dich um deine Kinder kümmern, Robert ist eben verhaftet worden. Er hat eine Bank überfallen, die Bullen haben ihn heute Morgen aus dem Bett geholt, und das Geld sowie die Waffe bei ihm gefunden.“ Berichtete sein Nachbar.
Trotzt schockierender Nachricht fuhren wir sofort los, wollten anwesend sein wenn die Kinder aus der Schule kommen. Roberts Freund und Nachbar erzählte uns, dass Robert am frühen Morgen sturzbetrunken nach Hause gekommen sei, und als die Kinder gerade zur Schule gegangen waren, seien die Bullen ins Haus gestürmt, als hätten sie nur auf die freie Bahn gewartet. Leugnen war dann wohl zwecklos, denn das erbeutete Geld hatte Robert im Beutel des neuen Staubsaugers versteckt, und die Pistole lag in der Schreibtisch-Schublade.
Udo und ich waren fassungslos über so viel Dummheit.
Nichts desto trotz rief ich zuerst einmal einen bekannten Anwalt aus der näheren Umgebung an, erklärte ihm das Gehörte und beauftragte ihn, sich umgehend um die Sache zu kümmern. „Bitte fahren Sie sofort zu der Dienststelle wo mein Exmann festgehalten wird. Der Mann braucht dringend anwaltliche Hilfe, der ist hilflos im Umgang mit der Polizei.“ Drängte ich den Anwalt.
Er versprach sich darum zu kümmern, wollte aber zuvor einen Vorschuss von fünfhundert Mark haben. Es war für uns selbstverständlich, dass wir das Geld sofort zu der Kanzlei brachten.
Den Kindern die Situation zu erklären fiel mir fürchterlich schwer. Aber ich gab mir Mühe, die Kinder zu beruhigen, ihnen begreiflich zu machen, dass wir für sie da waren und sie natürlich mit in unsere neue Wohnung nehmen würden.
Allerdings lehnte Ramona das energisch ab. „Nein, ich komme nicht mit nach Wülfrath, ich werde zu meinen Großeltern ziehen. Ich will hier nicht weg und vor allen Dingen will ich nicht die Schule wechseln.“
Anfangs schrieb ich die Reaktion ihrem Erschrecken zugute, versuchte sie sanft zu beeinflussen. Aber als ich sie in die Arme nehmen wollte stieß sie mich grob weg und ging auf Abstand. Ramona blieb bei ihrer Aussage.
„Kind, ich verstehe ja, dass du nicht in eine andere Gegend ziehen willst, dass du in deiner Umgebung bleiben willst. Aber du weißt doch gar nicht, ob deine Großeltern damit einverstanden sind. Schließlich brauchst du ja auch Platz, wenn auch nicht unbedingt ein eigenes Zimmer, aber doch ein Bett, Kleiderschrank und einen Schreibtisch, zum Hausaufgaben machen. Und wo sollen die das hernehmen? So einfach wie du dir das vorstellst ist das alles nicht.“ Versuchte ich meine Tochter zur Vernunft zu bringen.
Wortlos ging Ramona zum Telefon und rief Roberts Mutter an. Schon nach ein paar Worten hörte ich, dass nicht meine Schwiegermutter, sondern Roberts jüngerer Bruder am Telefon war.
„Die Oma war nicht zu Hause, aber der Micha sagt, dass ich auf jeden Fall vorbeikommen soll, er regelt das schon. Ich gehe jetzt dahin, und entweder ich bleibe gleich da, oder ich schlafe heute Abend mal erst hier, bis es geklärt ist wo ich hin kann. Der Micha hat gesagt, dass ich ganz bestimmt da hinkommen kann. Also, du kannst ruhig fahren.“
Ramona sagte das mit so einer Bestimmtheit, dass mir der Widerspruch im Hals stecken blieb. Aber ich schrieb die Reaktion meiner Tochter ihrem Schock zu, deshalb verschob ich eine endgültige Entscheidung auf später.
Udo griff ein und meinte: „Meinst du nicht, Schatz, dass wir mal mit Roberts Eltern wegen der zukünftigen Schritte sprechen sollten? Die Fünf Scheine werden nicht alles sein, was der Anwalt für Roberts Verteidigung haben will. Und außerdem muss die Wohnung aufgelöst werden, denn wer soll da die Miete bezahlen, bis der wieder raus kommt, wird sicher ein paar Jahre dauern. So lange kann die Wohnung nicht bestehen bleiben. Wer soll das bezahlen?“
„Natürlich, soweit hab ich noch gar nicht gedacht. Aber was hältst du davon, wenn wir die Wohnung nehmen? Wir hätten dann nicht so einen weiten Weg und die Kinder könnten ihre Zimmer behalten. Ja, das wäre die einfachste und beste Lösung.“ Redete ich mich in Euphorie.
„Nein, ich werde nicht in so eine Hütte einziehen.“ Lehnte Udo energisch ab. „Jetzt wo wir gerade eine schöne Wohnung gefunden haben, werde ich mich nicht verschlechtern. Das kannst du gleich wieder vergessen.“ Leider wäre jeder Widerspruch eine Lüge gewesen, in dieser schrecklichen dunklen Altbau-Wohnung hätte ich mich auch nicht wohl gefühlt.
Die Situation nervte mich enorm, ich war wütend auf meinen Exmann. Konnte dieser Mann denn nicht einmal einer vernünftigen Arbeit nachgehen? Wozu hatte der eigentlich seinen Meister gemacht? Ich durfte gar nicht darüber nachdenken, wie ich geackert und malocht hatte, um dieses Mannes Faulheit zu unterstützen, und seine dummen Fehler auszubügeln. Alles umsonst! Wieder musste ich sehen, wie ich seinen Bockmist wieder gerade bog. Wurde ich den Mann denn niemals los? Gut, für die Kinder würde ich alles tun, damit es ihnen gut ging, die hatte ich nun mal. Zurückgeben ging nun mal nicht, dann hätte ich die Zeit um viele Jahre zurückdrehen müssen. Wollte ich das? Nein, ich liebte meine Kinder, das war klar.
Die Besprechung mit den Schwiegereltern war ein Desaster.
Ganz konsequent lehnte Roberts Mutter jegliche Hilfe für ihren Sohn ab. Sie war empört, dass dieser missratene Sohn, der ihr schon mehr als genug Ärger bereitet hatte, den guten Familiennamen nun auch noch mit einer solchen Tat in Misskredit brachte. Sie verweigerte jegliche Hilfe, und auch Geld für den Anwalt oder andere Hilfen lehnte sie kategorisch ab.
Auch von dem Ansinnen, Roberts Tochter in ihrem Haushalt aufzunehmen war sie alles andere als begeistert. Sie verstand nicht, wieso Ramona nicht mit zu mir wollte. „Warum willst du unbedingt hier bleiben? Denkst du die Schulen in Wülfrath sind schlechter als hier? Also ich wüsste gar nicht, wo ich dich unterbringen sollte. Wir haben kein Zimmer frei, und schließlich bist du zu alt um mit mir oder dem Opa in einem Raum zu schlafen. Nein, Kind, du stellst dir das einfacher vor als es ist!“ Schob sie jeglicher Diskussion einen Riegel vor.
Warum und wie der jüngere Sohn seine Eltern überzeugt hatte, konnte ich mir nicht erklären, aber am nächsten Tag erklärte der mir, dass Ramona bleiben dürfe. Und Micha wollte sich auch um die Wohnungsauflösung kümmern.
„Dass er das gerne macht ist mir klar, der ist schon lange scharf auf Roberts Musikanlage.“ Klärte ich meinen Partner auf.
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