Der Maharadscha und ich | Erotischer Roman

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Sie lächelt ihn an. Reicht ihm ihre Hand. »Sandrine from Germany.« Er nimmt sie und sein Händedruck ist zugleich weich und fordernd. Angenehm kühl ist die Hand und die Haut hat etwas von Seide. Ganz weich. Sandrine nimmt wahr, wie gepflegt seine Hände sind. Es sind lange, feingliedrige Finger. Er wisse sehr wohl, wer sie sei, antwortet ihr der Fremde, ohne allerdings seinen eigenen Namen preiszugeben. Seine Augen schauen sie wach und neugierig an. Sehr offen und klar. Sandrine mag diesen Blick, auch wenn sie sich unter dieser Musterung irgendwie nackt fühlt, ausgezogen. Am nächsten Abend gäbe es im Palace Hotel ein großes Dinner. Ob sie auch zu diesem Abendessen kommen würde. Er würde sich sehr freuen. Mit diesen Worten verschwindet er in der tanzenden Menge. Sandrine sucht mit ihren Augen vergeblich nach ihm. Während sie weiter mit ihren Freundinnen tanzt, geht ihr der elegante Fremde nicht mehr aus dem Sinn. Ob er wohl auch ein Gast im Palace Hotel ist, fragt sie sich.
6.
Die Fahrt zurück zum Hotel gestaltet sich ausgelassen und fröhlich. Saira kann es nicht sein lassen, selbst noch auf der Rikscha zu tanzen, was den Fahrer immer wieder aus dem Takt bringt. Ihr Blick geht hinauf zu den Sternen. Sie streckt ihre Arme dem Nachthimmel entgegen und flüstert ein: »Oh, du mein Shah Rukh Khan! Komm! Komm und nimm mich heute Nacht! Ich gehöre ganz dir! Nimm mich und mach’s mir! Von außen, von innen und von allen Seiten.« Alle drei lachen sie und erinnern Saira daran, dass zu Hause Leon auf sie wartet und das gewiss nicht lustig findet, dass sie diesen Shah so anhimmelt.
Der solle doch mit seinen Kumpels Fußball spielen. Diese eine Nacht würde sie nun Shah Rukh Khan gehören. Außerdem könne der leider viel besser tanzen als ihr Leon. Wahrscheinlich nicht nur auf der Tanzfläche. Was der wohl mit seinen Händen auf dem Körper einer Frau anzustellen vermag. Saira fährt mit ihren Händen ihren Körper entlang, während der Rikscha-Fahrer versucht, die Beherrschung zu behalten und nicht nur auf Sairas wunderbar geschwungene Formen zu starren. Sie drückt ihm zum Abschied einen Kuss auf die Stirn, was ihn völlig perplex werden und beinahe vergessen lässt, dass seine Dienste noch bezahlt werden müssen.
»He, Mädels! Danke für den schönen Abend!« Mit diesen Worten verabschiedet sich Sandrine von den beiden Freundinnen, schließt die Augen und weiß, dass sie erst einmal nicht schlafen kann. Ein sanfter Luftzug weht bei den Fenstern herein und lässt die Gardinen tanzen. Mondlicht erstrahlt ihren kleinen Palast mit den vier Säulen. Was für ein wunderschönes Zimmer. Was für ein wunderschöner Abend. Und was für ein wunderschöner Mann. In Windeseile sind ihre beiden Freudinnen eingeschlafen, was sie an deren gleichmäßigem Atem erkennt.
Weil sie Lust dazu hat, zieht sie ihr Kleid und auch ihre Unterwäsche aus, spürt den Luftzug auf ihrer nackten Haut und tanzt um die Säulen ihres Zimmers herum. Ihr Körper erinnert sich noch an die Tänze des Abends, die sie nun wiederholt. Sie wiederholt Melodien, stumm dringen sie aus ihrem Mund. Leicht und beschwingt ist sie. Das Leben kann schön sein. Und auch Indien kann schön sein. Sogar indische Männer. Erschöpft sinkt sie auf ihr Bett und sinkt in einen tiefen Schlaf.
7.
Hände schlingen sich um ihre Hände, Arme umwickeln Arme, Haut glänzt im Mondschein. Der weiße Marmor leuchtet im milchigen Licht des Mondes. Wehende Vorhänge werfen einen zarten Schatten. Sie liegt auf dem Boden, wälzt sich herum. Er ist warm und kühlend zugleich. Sie spürt den glatten Stein unter ihrem Becken, unter ihren Fersen. Die Schulterblätter liegen auf. Wieder ist sie ganz nackt. Arme umgreifen ihre Taille. Finger streichen ihre Seite entlang. Ein warmer Körper liegt auf ihrem, schmiegt sich an sie. Sie kann den warmen Atem an ihrem Hals spüren. Beine wickeln sich um ihre Beine, wickeln sich so mit aller darum, ziehen sie zur Seite, sodass sie sich plötzlich dreht, auf ihm liegt. Sie sieht seine Brust im Mondlicht, die sich mit jedem Atemzug hebt und senkt. Sie spürt sein erregtes Glied zwischen ihren Schenkeln. Es ist heiß. Es pulsiert. Ihr ist heiß. Sie spürt, wie das Blut in ihre Lenden strömt, wie ihre Schamlippen anschwellen, wie sie heißer und heißer wird. Mit ihren Lippen umspielt sie sein Glied, gleitet mit den feuchten Lippen hinauf und hinunter an dem erigierten Penis, sodass dieser immer praller wird, sodass ihr immer heißer wird, sie immer erregter wird, sie immer mehr dem Moment entgegenfiebert, wo er in sie eindringt, endlich in sie stößt.
Sie umschließt die geschwollene Prachtdolde, fühlt die runde glatte Eichel an ihren Scheidenwänden und spürt dann, wie er tief in sie eindringt, immer tiefer. Sie hört ihren eigenen Atem, hört ihr Stöhnen, hört das Stöhnen, das immer lauter und schneller wird. Sie reibt ihn in sich hinein, reibt sich an ihm. Ihr Becken geht auf und nieder, umkreist seinen Prachtstängel, greift ihn fest mit der Muskulatur ihrer Schenkel, greift ihn und saugt ihn dabei tief in sich hinein.
Weitere Hände tauchen auf, umgreifen sie von hinten. Es sind die Hände ihres ersten Masseurs. Sie spürt, wie sich sein männlicher Körper von hinten an sie schmiegt. Sie fühlt den warmen Atem in ihrem Nacken. Die Hände umgreifen ihre Brüste, kneten sie, spielen dann mit ihren Erdbeeren. Mit zwei Männern in einem Raum zu sein, von zwei Männern verwöhnt zu werden, erregt sie zutiefst. Der Schwanz in ihr ist heiß und steif. Auch der zweite Schwanz, den sie hinten an ihrem Kreuzbein spürt, versprüht wilde heiße Lust.
Ein Mund legt sich um den großen Zeh ihres rechten Fußes, saugt an ihm. Es ist der Mund ihres zweiten Masseurs. Finger streifen über ihre Fußsohle und treiben ihre Lust in noch größere Höhen. Ein weiterer Schwanz reibt sich nun an der Fußsohle, reibt den prallen Stängel in die Höhlung der Fußsohle hinein. Der Schwanz in ihr vibriert. Der Schwanz im Rücken pocht. Und der dritte an ihrer Fußsohle schlägt nun sachte auf die Fußsohle ein. Drei Männer. Drei Schwänze. Und ER in ihr.
Die erste Welle kommt langsam, die zweite haut sie beinahe um. Es durchströmt sie. Immer wieder kommt sie, durchströmt es sie, schüttelt es sie, lässt es sie vibrieren. Sie fließt, sie tanzt, sie schreit und wacht dann schweißgebadet auf.
Es ist immer noch dunkel, als sich ihre Augen öffnen und sie realisiert, dass sie sich tatsächlich in dem Zimmer befindet, das gerade ihre Träume erfüllte. Allerdings liegt sie nicht auf dem Marmor-Boden, sondern in dem großen Bett in der Mitte des Raumes. Auch ist ER nicht bei ihr. Auch nicht die beiden anderen Liebhaber. Alleine liegt sie in diesem Bett, neben sich hört sie den Atem ihrer Freundinnen. Sie kann in dem Moment nicht anders, als es sich selbst zu machen, als sich selbst zu reiben, in höchste Orgasmen hinein zu reiben. Immer wieder taucht dabei sein Gesicht auf. Sie hat ihn in ihrem Traum gesehen. Und sie hat ihn erkannt. Den schönen Fremden. Den, der so viel über sie weiß. Über den sie selbst allerdings kaum etwas weiß. Außer, dass er sehr gut aussieht. Und dass er am Abend bei dem Dinner erscheinen wird.
8.
Der nächste Tag beginnt mit Yoga-Lessons. Saira und Anna haben ein Yoga-Studio ausfindig gemacht und gleich drei Stunden Privatunterricht gebucht bei einem »wahnsinnig berühmten Guru«. Sandrine haben sie gleich mit angemeldet, die denn auch brav ihre Trainingssachen einpackt und das Unvermeidliche über sich ergehen lässt. Der Sonnengruß oder was auch immer die so nennen, tut ihr tatsächlich ganz gut. Nach dem Tanzen am gestrigen Abend verspürt sie einen leichten Muskelkater, der bei all den Dehnungen und Drehungen langsam weicht. Ein bisschen peinlich berührt muss sie erkennen, dass Anna und Saira ihren Oberkörper wesentlich höher aufrichten können als sie selbst. »Das ist die Kobra«, wispert Saira ihr zu. »Die mag ich besonders.«
Sandrines Oberkörper sinkt ermattet bäuchlings auf den Boden. Sie kann nicht mehr. »Das sieht man, dass du die magst. Hast du die letzten drei Jahre auch noch was anderes gemacht als diese Kobra?« Saira und Anna liegen immer noch mit den Beinen und dem Becken auf dem Boden und heben Arme und Oberkörper in die Höhe. Sie wirken entsetzlich entspannt. »Ist gut für die Muskulatur des unteren Rückens.« Anna lächelt sie an. »Kann man gut beim Sex gebrauchen.« Dass die beiden immer wieder Anspielungen machen müssen in Richtung Sex. Kann Sandrine gar nicht verstehen.
Als sie alle zusammen eine Position einnehmen, die sich offensichtlich Schmetterling nennt, werden die Bemerkungen noch krasser. »Hilft, das Becken weiter öffnen zu können«, flüstert ihr dieses Mal Saira zu. »Kann der Schwanz noch tiefer in dich eindringen.« Sandrine presst die beiden Fußsohlen aneinander, zieht sie in Richtung Becken und versucht, die Knie ein wenig weiter Richtung Boden zu bringen. Ihre Freundinnen sitzen beide kerzengerade in dieser Position da. Deren Knie ruhen entspannt auf dem Boden, während Sandrine sich um jeden Millimeter abmüht, den die Knie der Yoga-Matte näher kommen könnten. Sie bleiben jedoch aufrecht und weit vom Boden entfernt.
»Ich dachte, ihr betreibt Yoga, um wahnsinnig spirituelle Erfahrungen zu machen. Und jetzt stellt sich heraus, dass es bei all dem nur um Sex geht …« Saira hat weiter die Beine weit gespreizt, hält ihre beiden Füße, deren Sohlen fest aneinandergepresst sind und beugt nun auch noch den Oberkörper nach vorne und legt ihn auf den Beinen ab. Unfassbar. Sandrine würde auseinanderbrechen in dieser Position. »Was heißt hier NUR Sex? Klar geht es um Sex. Und um Spiritualität. Beides.« Mit einem Lächeln auf den Lippen und offensichtlich tiefenentspannt, antwortet ihr die zusammengefaltete Saira.
»Soll ich dich wieder auseinanderfalten?« Sandrine kann sich nicht vorstellen, dass es möglich ist, alleine aus dieser Position herauszukommen. Saira streckt ihre Arme in die Länge und kommt dann mit dem Oberkörper wieder in eine sitzende Position, faltet dann selbstständig ganz langsam und erstaunlicherweise ohne schmerzverzerrtes Gesicht ihre Beine wieder auseinander, streckt sie vor sich aus. »Nicht nötig. Fühlt sich geil an.« Sie schaut lachend Sandrine an, streift mit ihren Händen genussvoll über ihre langen Beine. »Noch nie was von Tantra gehört?« Sandrine muss gar nicht antworten. Ihre Unkenntnis steht ihr offensichtlich ins Gesicht geschrieben. »Oder vom Kamasutra?« Auch bei dieser Frage kann sie nur in Unwissenheit den Kopf schütteln. »Na, dann wird’s Zeit!«
Als Sandrine am Ende des Unterrichts am Boden liegt, ist sie nicht ganz sicher, ob ihre Knochen noch an der Position sind, wo sie hingehören und ob sie noch alle miteinander verbunden sind. Sie hätte nie gedacht, dass es möglich ist, den eigenen Körper auf so abgefahrene Arten und Weisen zu verbiegen und zu verdrehen. Bei dem, was ihre Freundinnen den Baum nannten – »eine ganz einfache Asana« –, wurde ihr dann bewusst, dass es auch mit ihrem Gleichgewichtssinn so eine Sache ist. Sie kann sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so lange auf einem Bein gestanden hat. Und dann auch noch die Arme nach oben strecken, entspannt ins Becken atmen. Das Becken spürt sie jetzt besonders. »Ist das der Grund, weshalb das Ganze mit Sex zu tun haben soll? Dass es beim Yoga auch um Sex geht …!«, schüttelt sie leicht irritiert den Kopf. Sie dachte immer, dass all diese Yoga-Fanatiker hoffnungslos unerotisch, unsexy und frigide sind. Tantra? Kamasutra? Zwar hat sie davon gehört, kennt sich damit allerdings nicht wirklich aus.
Während sie eigentlich ruhig und ohne Gedanken auf dem Boden liegen sollte – das nennt sich die Totenstellung, wurde ihr gesagt –, kreisen ihre Gedanken wie wild um das neu Gehörte. Wieso machen ihre Freundinnen ständig Bemerkungen über Sex ihr gegenüber, fragt sie sich. Sie hat mit denen doch noch nie über Sex gesprochen, schon gar nicht über ihr eigenes Sexleben. Was die sich da wohl denken? Ob die wohl selbst Sex haben? Sie hat immer gedacht, dass die beiden halt verheiratet sind und eben keinen Sex mehr haben. Deshalb wollte sie bislang noch nie heiraten. Heiraten ist einfach unsexy. Am Ende haben die mehr Sex als sie mit ihrem Dirk je hatte, OBWOHL sie den nicht geheiratet hat, befürchtet sie jetzt.
»In sexueller Hinsicht war Dirk einfach ein Loser, ein totaler Loser.« Wenn’s hoch kam, bekam der einmal pro Woche einen hoch, hat den dann in Sandrine reingesteckt, sich maximal zwei Minuten in ihr bewegt, dann abgespritzt und das war’s, erinnert sie sich. Da kann sich Sandrine noch ganz andere Sachen vorstellen. Ganz andere.
9.
Nach der Yoga-Stunde gibt es eine Suppe. Linsen. Gar nicht so schlimm. Außerdem hat sie höllisch Hunger nach dem ganzen Gedehne und Geschiebe. »Habt ihr beiden etwa immer noch Sex mit euren Männern?«, fragt sie rundheraus ihre beiden Freundinnen in dem kleinen Restaurant, das zu dem Yoga-Studio gehört. Die beiden schauen sich an, schauen dann Sandrine an und platzen förmlich vor Lachen. »Was hast du denn gedacht? Dass wir mit dem Ehevertrag einen Klosterbeitritt unterschrieben haben?« Anna fährt sich mit der Zunge über die Lippen, um Reste der Linsensuppe zu entfernen. »Das ist doch das Tolle am Verheiratetsein. Dein Süßer schläft mit dir in einem Bett, wohnt mit dir in einer Wohnung und ihr könnt viel öfter und viel leichter als jemals zuvor Sex miteinander haben.« Sandrine schaut jetzt auch Saira an. »Nicht nur im Bett oder auf dem Sofa oder am Küchentisch, unter der Dusche, im Hauseingang …« Anna ergänzt: »Auch in der Garage, auf der Motorhaube, in den Gartenstühlen oder auf der Kinderschaukel.« Sandrine steht der Mund offen. Hat sie das richtig verstanden, was ihre beiden Freundinnen ihr da gerade mitteilen? »Wollt ihr sagen, ihr habt an all diesen Orten Sex mit euren Männern?« Die beiden schauen sich einvernehmlich an, nicken und blicken dann rüber zu Sandrine, der mittlerweile zum Heulen zumute ist. »Wollt ihr mir sagen, dass ihr all die Jahre geilen Spaß hattet, während ich mit meinem Dirk auf dem Sofa saß?« Ein wenig mitleidig nimmt Anna nun Sandrines Hand in ihre.
»Ehrlich gesagt waren wir beide ziemlich erleichtert, als du mit diesem Schlappschwanz Schluss gemacht hast.« Sandrine nimmt ihre Hand wieder an sich. Sie ist sprachlos und wütend zugleich. Essen kann sie jetzt überhaupt nichts mehr und schiebt den Rest Linsensuppe von sich fort. »Ihr habt wild gevögelt und ich hab’ Fernsehserien geschaut?« Wieder nicken beide. Fragend schauen sie sich an. »Deswegen haben wir dir doch den Masseur geschickt …« Sandrine kann plötzlich nur noch stottern. »Wollt ihr mir sagen, dass es bei der Massage gar nicht um meine Kopfschmerzen ging?« Die beiden schütteln verneinend die Köpfe, schweigen. »Ihr wusstet, dass der nicht nur meine Füße …?« Auf einmal fällt es Sandrine wie Schuppen von den Augen. »Habt ihr ihm etwa gesagt, dass er’s mir besorgen soll?« Langsam und zaghaft nicken die beiden bejahend. »War’s denn schön?«, fragen sie Sandrine unisono. »Es war verdammt schön!« Jetzt kann Sandrine nur lachen, über sich, über die Situation und ihre Blödheit. »Da habe ich wohl noch einiges von euch zu lernen.«
10.
Die große Terrasse des Palace Hotels ist hell von Kerzen erleuchtet. Um sie vor dem Wind zu schützen, stehen sie in weißen filigran gearbeiteten Laternen. Der helle Marmor schimmert geheimnisvoll im Kerzenschein. Die Bediensteten haben ihren roten Turban heute durch einen weißen ersetzt. Die vielen Besuchern Platz bietende Tafel ist mit langen, weißen Tüchern behängt. Auch die Bestuhlung ist in dieser Farbe gehalten. Alle Gäste wurden gebeten, ausdrücklich nur in heller Kleidung zu erscheinen. Alles erstrahlt in weißem, hellen Licht. Ein magischer Kontrast zu dem dunklen Firmament. Auch das Wasser des Sees liegt dunkel und geheimnisvoll um die Insel des Hotels herum, schluckt jedes Licht und lässt den weißen Tisch und die weißen Gäste umso mehr erstrahlen. Die Gesichter leuchten, besonders die Augen.
Saira und Anna tragen lange weiße Kleider aus zarter Seide. Sandrine hat das Gefühl, als hätten sie bereits vor ihrer Anreise von diesem Ereignis gewusst und nur sie nicht eingeweiht. Zum Glück hat sie eine dünne weiße Baumwollhose mit eingepackt. Zu der trägt sie ein einfaches, weißes Top. Nicht gerade der Inbegriff von Romantik und Eleganz, doch sie hat den Eindruck, dass dieses Outfit zu ihr passt. In der hoteleigenen Boutique hat sie tatsächlich noch eine weiße Krawatte erstanden, die sie locker um den Hals gewickelt zu dem Oberteil trägt. Sie mag hier nicht die typische Weibchennummer abziehen. Darin sind ihre beiden Freundinnen eh viel besser. Die sind denn auch schon beim Eintreten von zwei Herren umringt, die extra aus den Staaten angereist sind, um einmal in ihrem Leben im Palace Hotel abzusteigen. Sandrine hasst Amis, erst recht die von der Sorte Charming Idiots.
Mit einem Glas Sekt in der Hand, in dem eine weiße Jasminblüte schwimmt – Bier wird heute leider nicht ausgeschenkt –, schaut sie sich unter den Gästen um. Es ist eine illustre Schar aus aller Herren Länder. Dass sie alle in Weiß gekleidet erscheinen, verleiht dem Ganzen in der Tat einen sehr feierlichen Charakter. Sie wirken vornehm und so, als könnten sie sich benehmen, was gewiss bei näherem Betrachten auf die wenigsten zutrifft. Sandrine möchte nicht wissen, womit die alle das Geld verdient haben, das es ihnen ermöglicht, hier zu sein. Eigentlich interessieren sie all diese Reisenden kaum. Sehnsüchtig sucht sie mit ihren Augen nach ihm, dem schönen Fremden.
Nicht nur Bestuhlung und Tischdecke sind weiß. Es wird nur auf weißem Porzellan serviert. Auch die Speisen sind dieser Farbe angepasst. Es gibt weißen salzigen Lassi. Bei den immer noch warmen Temperaturen ist dieses Joghurtgetränk angenehm erfrischend. Saira und Anna haben nach ihren Flirts wieder neben Sandrine Platz genommen. Sie erläutern ihr, was es alles zu essen und zu trinken gibt. Natürlich gibt es Reis, heute Abend mit Jasmin gewürzt. Der Blumenkohl mit Kokosraspeln in Kokosmilchsauce erinnert nur noch von Ferne an das, was Sandrine zu Hause als Blumenkohl kennt. Weiße Fischfilets werden in Sahnesauce mit Kreuzkümmel und Anis serviert. Auch wenn Sandrine das ein bisschen affig erscheint, dass wirklich alles in Weiß gehalten ist, so muss sie doch gestehen, dass die Tafel ein schöner Anblick ist und dass sie sich auch nach den Bergen von Speisen noch angenehm leicht fühlt. Das Mahl endet mit einem Reisschnaps, ebenfalls weiß.
Immer wieder hält sie nach ihm Ausschau. Offensichtlich hat er es sich anders überlegt und kommt also nicht zu diesem Dinner. Ihre Enttäuschung kann sie nicht ganz vor den Freundinnen verbergen, die völlig aus dem Häuschen sind und dem Dinner diverseste poetische Namen zu geben versuchen: Sinfonie in Weiß, Mondscheinflüstereien, Nights in white satin. Die Erwähnung des letzten Namens lässt Sandrine an das berühmte Lied von den Moody Blues denken. »Nights in white satin – never reaching the end.« Am liebsten möchte sie laut »Oh, I love you« mit der Band singen, wenn das nicht so absolut kindisch, kitschig und lächerlich wäre. Dieses ganze Weiß um sie herum muss irgendwie ihr Hirn vernebelt haben. Besser sie geht jetzt, bevor sie am Ende noch anfängt loszuheulen und den Mond anzujaulen.
Gerade als sie sich von den beiden Freundinnen verabschieden will, sieht sie ihn auf der Terrasse erscheinen. Natürlich trägt auch er Weiß. Einen weißen, eleganten Herrenanzug mit kleinem Kragen, der ihm ausgesprochen gut steht. Überhaupt sieht er an diesem Abend noch besser aus als bei dem Danceoke-Vergnügen. Er wird von allen Seiten begrüßt, viele scheinen ihn zu kennen, was er mit einer gewissen Bescheidenheit über sich ergehen lässt. Saira tuschelt mit ihrem männlichen Sitznachbarn und flüstert Sandrine dann zu: »Das ist der Besitzer des Palace Hotels, ein stinkreicher Typ. Ihm gehört hier die halbe Gegend.«
Tatsächlich hält er eine kleine Ansprache, begrüßt alle seine Gäste und bedankt sich, dass sie ihm die Ehre erweisen, sein Hotel zu besuchen und dass sie sich alle bereit erklärt haben, mit ihm gemeinsam in diesen Traum von Weiß einzutauchen. Im weißen Licht würden sich alle Farben versammeln, seien alle Gegensätze aufgehoben. Es sei zugleich die Farbe der äußersten Fülle und der äußersten Leere. So paradox wie das Leben. So rätselhaft wie die Kunst. Gerne lädt er die Gäste ein, nach diesem Dinner auch seine Ausstellungsräume zu besuchen. Er sei ein Freund der Kunst. Eine seiner besten Freundinnen widme sich vor allem der erotischen Kunst und habe einige ganz außergewöhnliche Skulpturen aus weißem Marmor geschaffen. Er würde sich glücklich schätzen, auch sie heute hier begrüßen zu dürfen und gemeinsam mit allen Anwesenden deren Ausstellung hier im Palace Hotel eröffnen zu können.
Neben ihm erscheint eine ungewöhnlich große Frau, die ihn bei Weitem überragt. Sie trägt ein langes, glänzendes, weißes Gewand, dessen Schleppe auf dem Boden hinter ihr her schleift. Ihr Kopf ist umrundet von langem weißen Haar, das ihr zugleich etwas Hexenhaftes als auch etwas Engelsgleiches verleiht. Sandrine spürt ihre Eifersucht wie einen Stich in ihrem Herzen. »Ob er mit der etwas hat? Eine Künstlerin?« Daneben nimmt sie sich als Fachangestellte in einem Logistikzentrum doch sehr bescheiden und kleingeistig aus. Wieder würde sie am liebsten das Weite suchen. Dass sie nachts von diesem reichen Mann geträumt hat, kommt ihr jetzt ziemlich peinlich und überheblich vor. »Was bildet sie sich da eigentlich ein? Was will so einer schon von ihr?«, arbeitet es in ihr.
»Das möchte ich sehen, was die für erotische Kunst macht?« Anna packt Sandrine am Ellenbogen, sodass diese sich gar nicht wehren kann und zieht sie mit sich Richtung Ausstellungshalle, den Menschenmassen nach, die sich jetzt alle auf den Weg machen. »Wer weiß, was wir da für neue Inspirationen bekommen …«, flüstert ihr die Freundin ins Ohr. Sandrine fühlt sich gerade nur dumpf und weit von irgendwelchen Inspirationen entfernt. Hatte sie mal irgendwo Lust, so ist ihr die aktuell komplett vergangen. »Kann das sein, dass dich dieser wirklich reiche, gut aussehende Mann bei unserem Tanz-Event angesprochen hat?! Täusche ich mich oder war das wirklich so?« Oh, Mist. Anna hat also mitbekommen, dass dieser schöne Fremde Sandrine an der Bar kontaktiert hat. »Ja, ja, da hat mich irgend so ein Typ angesprochen. Aber der war das bestimmt nicht. Was will so einer wie der schon in einer Danceoke-Location?« Dass Sandrine auch immer so rot anlaufen muss, wenn sie lügt. Anna und Saira schauen sie an, haben sie offensichtlich durchschaut und wissen nur zu gut, dass es sich um den gleichen Mann handelt. Warum auch immer der in der vergangenen Nacht in der Disko war.
»Wir finden, du solltest ihn ansprechen.« Verschwörerisch schauen sie Sandrine an und es ist klar, dass sie keine Ruhe geben werden. »Und wie stellt ihr euch das vor? Der ist hier umringt von Menschenmassen und von wahnsinnig genialen Künstlern. Soll ich etwa zu ihm gehen und ihm sagen: He, ich möchte Ihnen etwas von den Vorteilen unserer neuen Logistik-Zentrale erzählen? Das wird ihn bestimmt brennend interessieren.« Anna fährt nun höchst anzüglich mit ihrer Zunge über ihre Lippen. »Ich glaube nicht, dass er sich mit dir unterhalten will.« Ich mich auch nicht mit ihm, denkt Sandrine, schweigt aber lieber ihren Freundinnen gegenüber. In herrscht ist eine schier unerträgliche Mischung von Hilflosigkeit, Wut und absoluter Geilheit vor, die sie fast zerreißt. Am schlimmsten ist diese Prise von romantischer Liebestrunkenheit, die sich auch noch obenauf gesetzt hat.
11.
»Marble Arch« nennt sich die Ausstellung, zu der die drei mit allen anderen gehen. Marmorbogen. Die Formen, die die Künstlerin aus Marmor geschaffen hat, sind sehr stilisiert und erinnern entfernt an menschliche Körper. Abgerundete, weiche, glänzende Gestalten laden den Betrachter ein, sich im Miteinander und Ineinander verschiedener Steinskulpturen zu verlieren. Der große Marmorbogen, der der Ausstellung den Titel verleiht, überragt deutlich die anderen Kunstwerke. Er erinnert an einen weiblichen nach hinten gebogenen Leib. Der Oberkörper des weiblichen Wesens zerfließt wie eine große Lache auf dem Boden, hingegeben, ekstatisch. Zwischen das, was an zwei Beine denken lässt, schiebt sich eine lange runde Form, an deren Ende eine runde Kugel thront, die dementsprechend an eine prall gefüllte Eichel erinnert.
Bei einem weiteren Exponat muss Sandrine unweigerlich an weit gespreizte Beine denken. Die dazugehörige Steinskulptur, die sich über die Gespreizte beugt, hat wieder die Form eines Bogens. Sie gleitet in die andere Form hinein, passt sich dieser haargenau an, wie zwei Wellen, die ineinander fließen, die genau zusammenpassen.