Der Maharadscha und ich | Erotischer Roman

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Auch wenn all diese Formen sehr abstrakt sind, kann Sandrine nicht umhin, sich immer mehr von kopulierenden Paaren umgeben zu fühlen. »Geil!« Saira scheint es nicht anders zu gehen, sonst wäre ihr dieser Ausspruch nicht über die Lippen gekommen. Schwänze gleiten in Mösen. Brüste umtanzen Schwänze. Schwänze dringen in Gesäßspalten ein. Münder wölben sich über Schwänze. Riesige Mösen nehmen zig Schwänze auf. Aus einem Schwanz fließt eine Unzahl von Schwänzen heraus. Überdimensionale Schamlippen umwickeln viele kleine Schwänze.
Immer öfter ist ein Räuspern und Hüsteln von den anderen Betrachtern zu hören. Die Atmosphäre im Raum wird immer schwüler, immer heißer. Luft wird sich zu gefächert. Alle scheinen nicht recht zu wissen, was sie mit dieser erotischen Spannung machen sollen. So schnell wie sich der Raum zu Beginn gefüllt hat, so schnell beginnt er nun, sich zu leeren. Mit einem peinlichen, unsicheren Lächeln verabschieden sich die Gäste von der Künstlerin und jenem attraktiven Hotelbesitzer.
Auch Sandrine überlegt, ob sie nicht doch lieber gehen soll. Wieder sind es Anna und Saira, die sie festhalten und nicht enteilen lassen wollen. »Das ist deine Chance. Los, mach dich an ihn ran!« Perplex schaut Sandrine Anna an. »Erzähl ihm, wie toll du die Ausstellung findest und wie sehr dich das antörnt.« Mit einem leichten Schubser bewegt sie Sandrine direkt neben zwei Marmorkugeln, die entfernt an Köpfe erinnern, die sich umeinander drehen; weit geöffnete Münder werden erahnbar, die sich aufeinander stülpen. Marble Kiss, denkt Sandrine. Genau in dem Moment erzählt die Künstlerin einem noch verbliebenen Gast, dass die Skulptur »Marble Kiss« heißt und dass sie versucht habe, das Heiße und das Weiche eines Kusses in die Formen hineinzugeben, auch wenn der Marmor eher an Kälte und Härte denken lässt. Das sei ihr gut gelungen, kann Sandrine ihr als Kompliment erwidern. Besonders gefalle ihr, dass der Kuss so leidenschaftlich und verschmelzend wirke. Sie ist selbst überrascht über ihre eigenen Aussagen.
Durch diese Worte ist ER jetzt endlich auf sie aufmerksam geworden. »Hello Sandrine!«, sagt er sogleich. Ihre Blicke treffen sich. Ihre Körper verharren für einen kurzen Moment. Verharren einen Moment zu lange, sodass die Umstehenden aufmerksam werden. »You mean a kiss as passionate as this one.« Wie in Zeitlupe kommt er auf Sandrine zu. Sein Kopf wandert zu ihrer linken Schulter, sodass Sandrine ihren Kopf wenden muss, um sein Gesicht zu sehen, ihre Köpfe wie umeinander gedreht erscheinen. Beide Häupter neigen sich langsam zur Seite, sodass sich dieser Eindruck des Verdreht-Seins noch verstärkt. Es kommt Sandrine so vor, als würde die Zeit stillstehen. Jeder Moment scheint eine Ewigkeit zu währen. Jahrbillionen scheinen zu vergehen, bis seine Lippen zart und doch immer eindringlicher sich auf die ihren setzen. Wenn sie sich eben vielleicht noch wie ein hartes Stück Stein gefühlt hat, so schmilzt Sandrine jetzt wie ein Eisberg dahin, ist nur noch eine einzige glitzernde Wasserlache, in der sich sein Antlitz spiegelt.
Sie habe nicht gewusst, dass selbst Marmor schmelzen kann, sagt sie ihm. Das würde nur für weißen Marmor gelten, antwortet er daraufhin. Der sei etwas Besonderes, weshalb er ihn so liebe. Er sei magisch. Wenn sie wolle, könne er ihr am nächsten Tag noch mehr Kunstwerke aus Marmor zeigen. Er würde ihr eine Einladung zukommen lassen. Damit wendet er sich wieder seinen Gästen und der Künstlerin zu, wirft Sandrine noch ein letztes Lächeln zu, die daraufhin zusammensackt und nur noch ein »Ich brauch jetzt ein Bier« herausbringen kann.
12.
»Ich heiße Sandrine, bin 28 Jahre alt. Bislang habe ich in meinem Leben nur mit drei Männern Sex gehabt. Frauen haben mich nicht so gereizt. Da habe ich nur mal eine ein bisschen länger geküsst. Ich bin weder besonders groß noch besonders klein. Ich bin nicht hässlich, aber auch keine auffallende Schönheit. Meine Beine sind ganz okay, aber mein Hintern könnte dünner sein. Meine Haare sind blond, aber auch wieder nicht so richtig. Eher so ein Straßenköterblond. Auf die Augen bin ich ganz stolz. Das schon. Die sind besonders groß und ich habe lange Wimpern. Blaue Augen. Aber die Lippen sind ein wenig zu dünn, die Nase zu knubbelig. Ich bin eine echte Normalnummer. Warum um alles in der Welt interessiert sich dieser gut aussehende, superreiche Mann ausgerechnet für mich und gibt mir einen Kuss? Der kann doch bestimmt jede andere haben. Auch andere, die wesentlich attraktiver sind. Und die spannendere Sachen machen, als sich um Logistikfragen zu kümmern. Was ist schon spannend an einer Logistikfachfrau? Erst recht an einer Logistikfachfrau aus Deutschland?
Ich bin nicht besonders sexerfahren. Ich mag lieber Bier und Bratkartoffeln. Ich bin das, was man einen echten Kunstbanausen nennt. Dass Beuys für seine seltsamen Öl- und Butterschmierereien so viel Geld bekommen hat, finde ich unmöglich. Worüber soll ich mich denn mit so einem unterhalten? Wieso will der ausgerechnet mir seine Kunstwerke zeigen«, frage ich mich.
Saira und Anna scheinen sich ähnliche Fragen zu stellen, denn sie fragen Sandrine jetzt genauer, wie denn die Massagen so gewesen seien. Schließlich sei er es, für den der Masseur gearbeitet habe. Vielleicht habe der seinem Chef ein bisschen was von Sandrine erzählt. Erst jetzt beichtet Sandrine den beiden, dass sie nicht nur einen, sondern gleich zwei Masseure hatte, die sie nacheinander verwöhnt haben. Ja, die sie auch beide in erotischer Weise massiert haben, erwidert sie auf ihre fragenden Blicke hin, der eine mit so einem Steindödel und der andere mit dem Mund. »Wie lange«, wollen die beiden dann wissen. »Zwei Stunden«, kann sie dann nur antworten. Ob sie da gekommen sei, fragen sie. »Na ja, schon«, antwortet sie. »Wie oft denn?«, will Saira wissen. »Ich kann mich nicht genau erinnern. Aber eigentlich die ganze Zeit. Kopfschmerzen habe ich dann jedenfalls nicht mehr gehabt«, gibt sie kund. Die beiden staunen nicht schlecht. Zwei Stunden würden sie nicht schaffen, sagen beide einheitlich. »Offensichtlich bist du ein Naturtalent. Kein Wunder, dass sich der smarte Hotelbesitzer da für dich interessiert. Du bist ein echtes Orgasmuswunder. Das will der natürlich ausprobieren. Kann man gut verstehen«, staunt Anna nicht schlecht. Sandrine ist überrascht über ihre Reaktion und kann nur erwidern, dass das doch nichts Besonderes gewesen sei. »Aha!« Sie könne also noch mehr, wenn sie wolle, meint Saira. »Ja«, erwidert sie daraufhin. Sie könnte sich da noch ganz andere Sachen vorstellen. Auch noch viel länger. Ob da ein Mann wohl reichen würde, fragen sie skeptisch. Sie erzählt ihnen lieber nicht von ihren nächtlichen Träumen, in denen sie es gleich mit drei Männern treibt. Wer weiß, wie sie dann reagieren.
Bei dem zweiten und dritten Bier, das sie dann noch trinkt, fragen sie sie aus, ob sie wirklich noch nie Yoga gemacht hätte, auch kein Pranayama. Um so viele Orgasmen haben zu können, müsse man schon viele Atemübungen praktizieren. Sie habe noch nie von Pranadingsbums gehört, erwähnt aber, dass sie – wie sie ja wissen – dreimal wöchentlich joggen würde. Da würde sie dann schon so ihre 12 km laufen. Das beeindruckt sie. Wie häufig sie es sich selbst gemacht habe, wollen sie auch noch wissen, wenn sie schon mit Dirk kaum Sex hatte. »Kaum ist gut«, erwidert sie. »Fast nie. Aber mit mir selbst schon.« Jede halbe Stunde würde sie bei der Arbeit eine kleine Pause einlegen, sich dann selbst auf der Toilette befriedigen, das entspannt und gibt neue Kraft und Konzentration für den Job. Sie sollen das halt nicht weitererzählen. Aber bislang habe es ihr nicht geschadet. Und der Arbeit auch nicht. Wie sie das hinbekommen würde, dass sie nicht zu laut sei auf der Toilette, wollen sie wissen. »Das ist ganz einfach, ich drücke halt immer wieder die Spülung, die ist dann lauter als ich«, gibt sie nüchtern preis.
Saira und Anna sind sich nun sicher, dass Sandrine echt eine scharfe Nummer ist und dass es Zeit wäre, dass auch ein Mann da was davon hätte. Wenn der reich sei, umso besser, finden die beiden, dann würde der vielleicht was springen lassen für ihre Liebeskunst. Für Kunst scheine der ja was übrigzuhaben, meint Anna. Sich selbst als Liebeskünstlerin zu sehen, geht Sandrine ein bisschen zu weit. Sie mag halt Sex. Ja. Aber bislang hat sie dem kaum Aufmerksamkeit geschenkt. »Das wird sich jetzt bestimmt ändern«, konstatieren die beiden und finden, dass es wieder einmal Zeit ist für einen Toast: »Auf die geilsten Nächte Indiens«, stoßen sie mit ihr an. »Auf die Wiederbelebung aller Stellungen des Kamasutra und die geilste Erleuchtung durch tantrische Praktiken«, schiebt Anna noch hinterher. Sandrine versteht nur Bahnhof, mag heute aber nicht nachfragen, was es nun damit auf sich hat. Morgen ist auch noch ein Tag.
13.
In dieser Nacht träumt sie wieder. Wieder ist sie bei der Ausstellung. Aber dieses Mal sind nicht alle in Weiß gekleidet, sondern splitternackt. Sie gehen um die Skulpturen aus Marmor herum, bestaunen sie, sprechen über sie, befühlen sie, gleiten mit ihren Händen den glatten Marmor hinunter, streifen die runden Gebilde entlang, biegen ihre eigenen Körper entlang dieser fließenden Formen, legen sich auf sie, wickeln sich um sie, werden eins mit diesen Formen, reiben ihre Schenkel an ihnen, haben irgendwie Sex mit diesen Kunstwerken. Auch sie legt sich auf eines dieser Exponate. Ihr Oberkörper fällt nach hinten, wird dort von einer Marmorskulptur gehalten. Nun ist es ihr Körper, der sich wie ein großer Bogen nach hinten biegt. Sie spürt den kalten und zugleich weichen Marmor im Rücken, fühlt den kalten Stein an ihren Schenkeln, an ihrer Möse.
Der schöne Hotelier taucht plötzlich auf. Er schiebt einen weißen Marmorschwanz in sie hinein. Immer wieder schiebt er ihn in sie hinein, immer schneller. Sie kommt. Die erste Welle durchreitet sie noch mit dem Steinpenis. Bevor die zweite kommt, tauscht er den Steinschwanz durch seinen eigenen aus. Sie spürt seinen warmen, blutdurchströmten Ständer in sich. Sie schreit. Sie schreit laut und durchdringlich. Niemand bremst sie. Um sie herum sind andere Paare, die es auf den Steinskulpturen miteinander treiben. Auch sie stöhnen, schreien. Männer als auch Frauen. Ein Konzert orgiastischer Gelüste. Irgendwo steht die Künstlerin, auch sie jetzt ganz nackt. Sie schaut auf all die Paare, auf ihre Skulpturen, öffnet ihre Arme, als würde sie sie alle umarmen wollen. Sie wirft den Kopf nach hinten und kommt mit einem wildkatzenähnlichen Fauchen. »Marble Sex«, denkt Sandrine, während sie auf der nächsten Welle reitet mit ihrem wilden Stecher.
Vor ihren Augen verschwimmen die Formen des weißen Marmors. Sie werden immer abstrakter. Sie taucht ganz ein in diese wilde Formenwelt, die mal auf sie zu pulsiert und sich dann von ihr entfernt. Alles ist Bewegung. Alles ist reine Form. Sie ist in dieser Form. Gleichzeitig ist sie diese Form. Sie gibt es gar nicht mehr. Sie ist alles. Geil.
14.
Am nächsten Tag bekommt Sandrine von einem Pagen einen Brief zugesteckt. Sie soll um 19 Uhr am Bootsanleger sein. Alles Weitere würden die Angestellten wissen. Unterschrieben ist der Brief mit Gajendra. Immerhin kennt Sandrine jetzt seinen Namen. Gajendra. Von ihren Freundinnen hat sie gelernt, dass das »J« wie ein »DSCH« ausgesprochen wird. Ganz schön exotischer Name. Bislang hat sie noch nicht so viel mit Menschen aus fernen Kulturen zu tun gehabt. »Gajendra.« Sie entscheidet sich für ein schwarzes Outfit, einfach, weil sie sich darin am wohlsten fühlt. Schlicht und nüchtern. Sie weiß nicht, ob sie ein paar Kondome einpacken soll. »Nur für den Fall der Fälle. Lieber auf Nummer sicher gehen«, sagt sie sich.
Der Gondoliere begrüßt sie, ist dann aber recht wortkarg. Es ist in der Tat eine Gondel ganz im venezianischen Stil, in der sie gerudert wird. »Ganz schön snobistisch«, denkt sie für sich, »so alleine in einer Gondel zu sitzen und den weiten Weg gepaddelt zu werden.« Mit den Erziehungssätzen ihrer Eltern, die sie mehr zu Bescheidenheit und Solidarität mit der Arbeiterklasse erzogen haben, ist das kaum vereinbar. »Was meine Eltern wohl sagen würden, wenn sie mich jetzt sehen könnten?«, fragt sie sich. Aber eigentlich will sie jetzt nicht an ihre Eltern denken. Das ist irgendwie abtörnend.
Das Boot hält direkt unter dem Stadtpalast. Der Gondoliere steigt aus, reicht ihr die Hand. Am Ufer wartet ein Page, der sie ebenfalls wortlos entgegennimmt und Richtung Stadtpalast führt. Bislang hat sie den noch nicht aus der Nähe gesehen. Ihre Freundinnen haben ihr von ihrem Besuch erzählt. Sie selbst hat bislang wenig hierhergezogen. Es geht viele Stufen hinauf, durch Torbögen hindurch. Im Vorbeistreifen sieht sie die Pfauenmosaike, von denen Anna und Saira gesprochen haben. Sie hört das Kreischen eines Pfaus. Er kreischt, als wäre es ihre eigene Angst, die er heraustönen lässt. Niemand ist zu sehen in den großen Hallen des Palastes. Die Besucher scheinen alle gegangen zu sein, die Öffnungszeiten beendet. »Wieso er mich ausgerechnet hierhergeführt hat? Wo bleibt er überhaupt?«, fragt sie sich.
Der Page führt sie vor eine große, mit feinen Intarsien gearbeitete Tür. Auch hier erstrahlt alles in leuchtendem Weiß. »Wie alt wohl dieser Palast sein mag und für wen er mal gebaut wurde? Wahrscheinlich irgend so ein reicher König, der dafür andere ausgebeutet hat. Alles so kleine verspielte Formen, die offensichtlich vergessen machen wollen, dass dies ein Ort der Macht und der Herrschaft ist.« Sandrine fühlt sich unwohl. Der Page bleibt stehen, öffnet ihr die Tür, bedeutet ihr, einzutreten, während er offensichtlich draußen bleibt.
Das Innere hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit den verspielten Formen all der Höfe und Tore, durch die sie bislang geschritten ist. Gerade hohe Wände, nüchternes Weiß. An den Wänden hängen großformatige Gemälde. Wahrscheinlich Ölgemälde, denkt Sandrine. Sehr modern. Die können noch nicht so alt sein. Mit wenigen Strichen skizzierte Figuren sind auf den Bildern zu sehen. Sie tragen alle klare geschlechtliche Attribute und sind in sehr eindeutigen Posen abgebildet. Ein Mann liegt auf einem Tisch. Eine sehr stilisierte Frau hält seinen sehr stilisiert dargestellten Penis und holt ihm offenbar einen runter. Dabei schaut sie den Betrachter an.
Auf einem anderen Werk steht eine riesengroße Frau breitbeinig da. Ihre Möse ist wie ein weites Tor, durch das der Betrachter in ihr Inneres schauen und eintreten kann. Auf einem dritten Bild kopuliert ein Paar. »Ohne Frage, wer auch immer hier wohnt, interessiert sich für Sex und erotische Kunst«, bemerkt Sandrine.
Ein Page tritt von hinten an Sandrine heran. Ohne Worte gibt er ihr zu verstehen, dass er sie ihrer Kleidung entledigen möchte. Sandrine zögert. Sie kennt den Ort nicht, auch nicht den Pagen, ist hier ansonsten ganz alleine. »Andererseits … Ich bin hierhergekommen. Ich will dieses Abenteuer. Langweilig war es in meinem Leben lange genug«, spricht sie sich selbst Mut zu.
Erst als Sandrine eindeutig bejaht, nimmt er ihr Kleid in seine Hände und streift es ihr über den Kopf. Auch den BH und den Schlüpfer zieht er ihr aus – sowie ihre Schuhe. Ohne ein Wort geht er und lässt Sandrine alleine inmitten all der erotischen Bilder stehen. Alleine. Nackt. Fast selbst schon wie ein Kunstwerk unter Kunstwerken. Sie weiß nicht, ob sie sich eher gruseln oder angemacht fühlen soll. Ihre Handtasche hat sie sich nicht nehmen lassen. Da ist ihr Handy drin. Wer weiß, ob sie das nicht doch noch braucht.
Der gleiche Page kommt wieder. In seinen Händen hält er ein weißes Tuch, das er um ihren Kopf wickelt, sodass ihre Augen verdeckt sind und sie nichts mehr sehen kann. »No fear. Everything okay«, sagt ihr der Diener, um sie zu beruhigen. Er nimmt sie an die Hand und führt sie aus dem Raum, durch Flure in ein anderes Zimmer. Sandrine bekommt mit, dass sich das Geräusch ihrer Schritte immer wieder verändert. Mal gibt es mehr Hall, mal weniger, woraus sie schließt, dass die Größe der Räume stets von Neuem variiert. Der Raum, der offensichtlich ihr Ziel darstellen soll, scheint etwas kleiner zu sein. Auch ist es hier wärmer als in den anderen Räumen. Es kommt Sandrine so vor, als könne sie ein Plätschern hören.
Der Page bedeutet ihr, zwei Stufen hinaufzusteigen und sich dann zu setzen. Es ist kein Stuhl, auf dem sie zu sitzen kommt. Sie fühlt eine Rundung. Sie fühlt die Kälte von Metall. Mit ihren Händen tastet sie die Formen des Dings ab, auf dem sie da thront. Die rechte Hand landet auf einer Wasserfläche. Es handelt sich um warmes Wasser, nicht zu heiß. Auf der Wasseroberfläche scheint irgendetwas zu schwimmen. Der Page nimmt ihre Hand, sodass sie einen dieser Gegenstände greifen kann, führt die Hand zu ihrer Nase. Jetzt kann sie die Blütenblätter an ihrer Nasenspitze fühlen und sie riecht den Duft von Jasmin.
Sanft bedeutet ihr der Page, die Beine über den Rand der Wanne zu heben und in das Wasser einzutauchen. »You can ring the bell, when you are ready.« Er reicht ihr eine Schnur, die sich offensichtlich neben der Wanne befindet und an der sie ziehen kann, wenn es ein Problem gibt oder sie genug hat vom Baden. Sie hört, wie sich seine Schritte langsam entfernen. Natürlich könnte sie jetzt das Tuch von den Augen nehmen, um zu schauen, wie ihre Umgebung aussieht. Doch sie will keine Spielverderberin sein. Außerdem gefällt es ihr, dieses Spiel. Sie ist neugierig, was er für sie vorbereitet hat.
Dadurch, dass sie nichts sieht, kann sie das Wasser, in das sie eintaucht, viel stärker wahrnehmen. Es ist wunderbar warm, ohne zu heiß zu sein. Es ist ganz weich. Und es duftet köstlich nach den Jasminblüten. Sie kann sich nicht daran erinnern, schon jemals zuvor in ihrem Leben ein Blütenbad genommen zu haben. Eigentlich eine ganz schön kitschige Nummer, denkt sie.
Während sie sich von dem erfrischenden Nass tragen lässt, wandern ihre Gedanken zu Gajendra. »Wo er wohl sein mag? Was hat er noch mit mir vor? Wieso soll ich baden?«, fragt sie sich. Nicht zu wissen, was sein Plan ist, macht sie sehr aufgeregt. Das Ungewisse lässt sie immer erregter werden. »Nichts zu wissen und dennoch zu vertrauen, war bislang nicht meine Spezialität«, erkennt sie nüchtern. Irgendwann tauchen all ihre Fragen in den Fluten der Wanne unter. Vor ihrem Auge sieht sie wieder viele verschwimmende, ineinanderfließende Formen. Da gibt es keine Konturen. Die Formen pulsieren, bewegen sich, drehen sich umeinander. Leicht fühlt sie sich.
Sie hat nicht mitbekommen, wie der Page wieder den Raum betreten hat. Irgendwann steht er offensichtlich neben ihr, reicht ihr die Hand und bedeutet ihr, aufzustehen und die Wanne zu verlassen. Er hüllt sie in ein großes weiches Handtuch, das ihren Körper umschmeichelt. Sanft trocknet er ihren gesamten Körper, berührt sie dabei ganz zart. Es ist fast wie ein Streicheln, wie eine Zärtlichkeit. Sandrine kann es genießen.
Ein zweiter Diener tritt ein. Während der eine noch ihre Beine abtrocknet, beginnt der zweite bereits, ihren Körper mit einem warmen Öl einzureiben. Er gießt es aus kleinen Kännchen über sie. Sie spürt das Fließen des offenbar erwärmten Öls auf ihrem ganzen Körper. Ein Schauer rieselt über ihren Rücken. Mit jedem neuen Ölfluss erschauert ihr Körper aufs Neue. Beide Pagen gießen das Öl nun über Arme, Beine, Schultern, ihre Brüste. Immer wieder warten sie ab, bis ein Schauer durch Sandrines Körper geht, lassen diesen ausklingen, bevor sie dann neuerlich Öl über sie gießen.
In diesem ölübergossenen Zustand nehmen sie sie an die Hand und führen sie in einen anderen Raum. Er scheint größer zu sein. »Where is Gajendra?« Mit einem »Pst!« bedeuten sie ihr, keine Fragen zu stellen und sich weiter auf das Spiel einzulassen, welches ihr Meister sich für Sandrine ausgedacht hat. Plötzlich nimmt einer der beiden Pagen ihre rechte Hand und führt sie zu etwas, was sich sehr hart anfühlt und offenbar aus Stein ist. Sandrine muss sogleich wieder an den weißen Marmor denken. Vorsichtig tastet sie den Stein entlang. Es ist ein großer Quader, der auf allen vier Seiten etwa einen Meter einnimmt. Die Seiten sind ganz glatt und gerade geschliffen. Sie fühlen sich gut an.
Der Quader scheint auch einen Meter hoch zu sein. Langsam tastet Sandrine mit ihren Händen die obere Seite des Steinblocks ab. Diese Seite ist nicht gerade, sondern sehr geschwungen geformt. Sie fühlt so etwas wie zwei Beine aus Stein, die gebeugt sind. Die Knie der Skulptur bilden eine Sitzfläche. Sie kann auch eine Beckenform ertasten. Von dem Becken aus gleiten ihre Finger Stück für Stück aufwärts und dann kann sie ihn spüren, einen großen aufgerichteten Penis. Auch er scheint aus Stein zu sein. Langsam klettert sie den Quader hinauf, setzt sich zunächst auf die Oberschenkel dieser seltsamen männlichen Gestalt ohne Oberkörper. Sie spreizt ihre Beine und nimmt wahr, wie erregt sie ist. Ihre Augen sind immer noch verbunden. Sie sieht nichts. Den Raum um sich herum kann sie nur erspüren. Auch weiß sie nicht, ob sie sich nun alleine in diesem Raum aufhält. »Wer ist noch bei mir? Ist ER da?«, fragt sie sich. Egal ob er da ist oder nicht, sie entscheidet sich dazu, jetzt in diesem Moment genau das zu tun, worauf sie Lust hat.
Mit einem Fuß stellt sie sich auf den einen Oberschenkel, sodass ihr Becken leicht erhoben ist und sie mit ihrer Scheide den großen Penis berühren kann. Er ist kühl, aber nicht kalt. Aufgrund des Öls an ihrem Körper gleitet er leicht in sie hinein. Er füllt sie ganz aus und stößt an ihren Muttermund. Leichter Schmerz paart sich mit Lust. Leise stöhnt sie auf und hält einen Moment inne. Nachdem der Penis nun ganz in ihr ist, kann sie ihren Fuß wieder absetzen, thront nun ganz auf diesem Lustsessel und ist überrascht, wie bequem und lustvoll das ist.
Langsam beginnt sie, ihr Becken kreisen zu lassen, massiert sich selbst die Scheideninnenwände mit dem Steinschwanz. Dadurch, dass sie aufrecht sitzen kann, liebkost der steinerne Penis gleichzeitig auch ihre Lustperle. Aus ihrem Kreisen wird ein Auf und Ab. Immer schneller und aufgeregter bewegt sich ihr Becken auf und ab. An diesem Punkt ist es ihr egal, ob sie alleine ist oder ob sich da noch jemand mit ihr im Raum aufhält. Sie reibt sich und reibt sich voller Lust, bis sie kommt.
Ihre Bewegungen klingen aus, und noch bevor sie ganz zum Stillstand gekommen sind, spürt sie, wie sich zwei Hände in ihren Nacken legen und sie zu massieren beginnen. Sie streichen zunächst ganz langsam ihren Rücken hinauf und hinunter, ein sanftes Streichen ist es, das immer fester und immer energischer wird. Es wird zu einem Reiben. Und mit dem Reiben hat sie das Gefühl, als würde eine Welle ihren Körper durchströmen. Wieder bewegt sie ihr Becken auf und nieder, auf und nieder, auf und nieder. Ihr Atem beschleunigt sich, wird immer schneller. Zuckungen durchströmen sie vom Becken aufwärts, sodass sie wieder kommt, erneut kommt. Auch wenn sie am liebsten jetzt enden möchte, treiben sie die Hände dazu an, keinesfalls mit den Beckenbewegungen aufzuhören. Die Hände bewegen nun ihr Becken, bewegen es auf und nieder, sodass sie erneut kommt, wieder kommt. Die eine Welle ist noch nicht zu Ende, da tritt bereits die nächste zutage. Und die will gar nicht enden. Es ist wie ein einziger, nicht enden wollender Orgasmus.
Ihr Kopf zuckt unkoordiniert hin und her und es kommt ihr so vor, als wenn er sich gar nicht auf ihrem Hals befände. Und mit diesem Baumeln des Kopfes scheinen alle Gedanken aus ihr herausgepustet. Nicht ein Gedanke. Nichts. Nur Fließen. Nur Formen. Nur Energie. Alles löst sich auf, findet sich wieder, löst sich wieder auf. Nichts scheint mehr fest, nichts scheint mehr fassbar. Der Moment scheint ewig. Der Raum unendlich weit. Zeit spielt keine Rolle. Wer sie ist, woher sie kommt, das alles ist unwichtig in diesem einen Moment.
Sie weiß nicht, wie sie auf das runde Bett gekommen ist. Irgendwer muss sie dorthin getragen haben. Es ist mit weißem Leder bezogen, das weich die Haut umschmeichelt. »Habe ich geschlafen? Wie lange habe ich geschlafen?«, fragt sie sich. Die Augenbinde ist fort, sodass sie jetzt den Raum wahrnehmen kann, in dem sie sich befindet. Er ist sehr modern eingerichtet. Klare Formen dominieren. Bilder befinden sich an den Wänden. Skulpturen stehen im Raum. Das alles interessiert sie gerade weniger. Es scheint niemand im Raum zu sein. Doch neben dem Bett findet sie eine Kordel, so wie es eine solche auch in dem anderen Zimmer gegeben hat, sodass sie beschließt, an dieser zu ziehen. Sogleich erscheint einer der Pagen mit ihrer Kleidung auf dem Arm. Er hält einen Brief in seiner rechten Hand, den sie sogleich an sich nimmt.