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Wenn man die Geschichte der Medien als eine „fortwährende Vervollkommnung medialer Techniken“ (Schulz 1986: 113) begreift,17 dann gerät abseits der Sprache zunächst die Erfindung der Schrift in den Blick (näher dazu: Steinmaurer 2016: 179 ff.). Die Schrift hat sowohl die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit als auch die Zeitgebundenheit aller mündlichen Verständigungsversuche überwunden. Parallel mit dieser raum-zeitlich übergreifenden Verfügbarkeit (Speicher- und Tradierbarkeit) menschlicher Kommunikation erweiterten sich zudem die verschiedenen Ausdruckstechniken. Das betrifft sowohl die sprachliche Vielfalt, als auch die Entwicklung der Bildmedien (Malerei, Grafik, Fotografie, Film, Fernsehen), ebenso den Buchdruck bis hin zu den bislang ausgereiftesten Speichermöglichkeiten sowohl schriftlicher als auch audiovisueller Kommunikationsangebote in Form diverser digitaler Datenträger bzw. -speicher.
Aus einer technikorientierten Perspektive lassen sich Medien als „materiell-mechanische oder energetische (elektrische, elektromagnetische, elektronische, optoelektronische) Träger und Übermittler von Daten bzw. Informationseinheiten und mechanische sowie elektronische Mittel der Datenverarbeitung“ (Hiebel/Hiebler/Kogler/Walitsch 1998: 12) definieren. Auf den ersten Blick kann man Medien somit als Transportmittel begreifen. Es scheint, als würden sie die zu vermittelnden Bedeutungsinhalte in Form ihrer jeweiligen materiellen Manifestationen (als Äußerungen) der jeweiligen Kommunikationspartner zwischen diesen hin und her befördern.
Diese technikzentrierte Vorstellung vom Medium als bloßes Transport- oder Transfermittel („Container-Metapher“) gilt jedoch aus sozialwissenschaftlicher Sicht längst als zu eindimensional18. Man geht auch nicht mehr davon aus, dass Informationen oder Bedeutungen im Kommunikationsprozess einfach „ausgetauscht“ werden.
Ein Tausch besteht ja darin, dass Objekte ihre Besitzer wechseln. Jemand besitzt etwas nicht mehr, was er/sie vor dem Tausch noch besessen hatte (und umgekehrt). Daher gilt, dass die „gesamte Metaphorik des Besitzens, Habens, Gebens und Erhaltens […] ungeeignet für ein Verständnis von Kommunikation“ (Luhmann 1984: 193) ist, denn im Kommunikationsprozess wird nichts weggegeben: „Derjenige, der etwas mitteilt, verliert sein Wissen nicht aus dem Kopf.“ (Luhmann 2002: 289) Im Gegenteil: Er besitzt es auch hinterher noch. Bei Kommunikation hat man es „mit einem Vorgang zu tun, der offenbar multiplikativ wirkt. Erst hat es nur einer, dann wissen es zwei oder mehr oder hundert, Millionen, je nachdem, an welches Netzwerk wir denken“ (ebd.).
Obwohl die alltagssprachliche Vorstellung vom Austausch wissenschaftlich unsinnig ist, taucht sie sogar in der jüngeren kommunikationswissenschaftlichen Literatur immer noch auf (vgl. etwa Godulla 2017: 249, Quiring/Schweiger 2006, Schulz 2009: 176, Stöber 2011: 321).
Menschliche Kommunikation wird eher als „Aktualisierung von Sinn“ (Luhmann 1971: 32) begriffen, d. h., dass im Bewusstsein der jeweiligen Kommunikationspartner·innen (im Idealfall) dieselben (realiter wohl: ähnliche) Bedeutungsinhalte wachgerufen werden.
Zwischenbilanz
Es gibt keine unvermittelte(!) Kommunikation: „Alle Kommunikation bedarf eines Mittels oder Mediums, durch das hindurch eine Nachricht […] aufgenommen wird“ (Graumann 1972: 1182). Eine Kommunikation ohne Medium ist völlig unmöglich.19 In diesem allgemeinen Sinn steht Medium daher – speziell was die menschliche Kommunikation betrifft – sowohl für personale (der Person gleichsam „anhaftende“) Vermittlungsinstanzen als auch für jene technischen Verbreitungs- und Empfangsmittel, die im Laufe der Menschheitsgeschichte entstanden sind.
2.4.1 Medium als Kommunikationstechnik
Ein längst klassischer Versuch, diese mediale Vielfalt systematisch zu differenzieren, geht auf den Journalisten und (später an der FU-Berlin lehrenden) Publizistikwissenschaftler Harry Pross (1972) zurück. Er unterscheidet primäre, sekundäre und tertiäre Medien. Inzwischen ist diese Differenzierung durch quartäre und soziale Medien angereichert worden.
•Primäre Medien: Darunter versteht Pross die Medien des „menschlichen Elementarkontaktes“ (Pross 1972: 10). Neben der Sprache in ihren vielgestaltigen Ausprägungen zählen dazu auch alle nonverbalen Vermittlungsinstanzen, die dem Bereich der Mimik und/oder Gestik angehören: So existieren etwa Ausdrucksmöglichkeiten von Auge, Stirn, Mund, Nase; ebenso kann über Bewegungen der Extremitäten oder eine bestimmte Haltung der Arme und Beine, also: der Körperhaltung insgesamt, etwas mitgeteilt werden. All diese leibgebundenen Expressionsmöglichkeiten können als „Medien“ zur Bedeutungsvermittlung fungieren. Gemeinsam ist ihnen, „dass kein Gerät zwischen Sender und Empfänger geschaltet ist und die Sinne der Menschen zur Produktion, zum Transport und zum Konsum der Botschaft ausreichen“ (Pross ebd.: 145). Oder andersherum: „Die Abwesenheit von Medientechnik definiert Primärmedien“ (Hörisch 2004: 76).
•Sekundäre Medien: Dazu zählt Pross alle jene Medien, die auf der Produktionsseite ein Gerät erfordern, nicht aber auf der Empfangsseite zur Aufnahme der Mitteilung. Vom Rauchzeichen über Feuer- und Flaggensignale bis zum Brief können außerdem hier alle – kraft der Erfindung des Druckverfahrens entstandenen – Manifestationen menschlicher Mitteilungen eingeordnet werden: So z. B. das Flugblatt (Flyer), das Plakat, das Buch und die Zeitung.
•Tertiäre Medien: Mit dieser Kategorie werden schließlich jene Kommunikationsmittel erfasst, zu denen technische Sender und technische Empfangsgeräte gehören. Telefon, Fernschreiber, diverse Funkanlagen, Sende- und Empfangseinrichtungen, Schallplatte (CD/DVD), Film, aber v. a. die sogenannten elektronischen Massenmedien wie Hörfunk und Fernsehen, sowie Computer und diverse digitale Datenträger sind hier zu nennen. All diesen Medien ist gemeinsam, dass sie „ohne Geräte auf der Empfänger- wie auf der Senderseite nicht funktionieren können“ (Pross ebd.: 224).
Die technische Entwicklung gegen Ende des 20. Jhdts. hat zu Konvergenzen im Medienbereich geführt: Mit dem Zusammenwachsen von Telekommunikation, Computer und Rundfunk (vgl. Latzer 1997, 2015)20 wurde zu Beginn des dritten Jahrtausends ein fundamentaler und nachhaltiger Medienwandel eingeleitet (Kinnebrock/Schwarzenegger/Birkner 2015). Konnten Medien früher in der Regel über die Eigenschaften bestimmter Geräte (Radio-, Fernsehapparat, CD-Player/Plattenspieler, Fotoapparat, Telefon etc.) definiert werden, so hat sich mittlerweile der Computer als eine Art kommunikative Universalmaschine (mit dem Bildschirm als universale Oberfläche) profiliert, über die man die verschiedensten medialen Dienste in Anspruch nehmen kann. Die Größe bzw. Kleinheit der Laptops, Notebooks, Tablets und Smartphones hat auch den Wandel unserer Kommunikationsgewohnheiten beschleunigt – die stetig wachsende tägliche Zeitspanne für die Nutzung diverser Online-Angebote scheint ein valider Indikator dafür zu sein (Eimeren 2013, Eimeren/Frees 2013, Koch/Frees 2017, Beisch/Schäfer 2020). Die technische Inkarnation dieses Wandels kam im Jahr 2007 in Gestalt des Apple iPhones21 auf den Markt. Seither ermöglichen solche Geräte bekanntlich nicht bloß mobilen Kontakt zum Internet, man kann außerdem Musik hören, fotografieren, filmen, Notizen speichern, Emails versenden, eine Unzahl entsprechender Apps installieren – und eben auch telefonieren (siehe dazu auch Kap. 7.8). Als Bezeichnung für diese neuen Medien hat sich der Name
•Quartäre Medien (auch: „Digitale Medien“ oder „Online-Medien“) eingebürgert (Faulstich 1998: 31, Winter 1998: 274 ff.). Quartäre Medien sind eigentlich internetbasierte Tertiärmedien. Sie beruhen auf der Technik der Digitalisierung und setzen die Existenz (bzw. die Nutzung) eines Computers mit Online-Verbindung voraus. Neu ist bei diesen Medien außerdem, dass die bislang eher starre Rollenzuschreibung in Sender und Empfänger durch interaktive Momente eine gewisse Flexibilität erfährt. Vielfach kann ein Aufweichen dieser traditionellen Sender-Empfänger-Beziehung beobachtet werden.22 Als quartäre Medien sind im publizistischen Bereich die Online-Auftritte von Offline-Medien (Printmedien sowie Rundfunkanstalten) zu klassifizieren, sowie Websites (Homepages) diverser Unternehmen und Organisationen. Zu quartären Medien zählen aber auch Emails, Chats, Weblogs (Blogs) sowie diverse (internetbasierte) Plattformen, die sich im Kontext der fortschreitenden Digitalisierung und der damit einhergehenden massiven Ausbreitung des Internets zu Beginn des 21. Jahrhunderts herausgebildet haben. Unter der Etikettierung „soziale Medien“ sind sie mittlerweile Teil der Alltagssprache geworden.
Soziale Medien (die Wortkombination ist eine schlichte Übersetzung des englischen Social Media) zählen zu den quartären Medien. Man spricht auch von Social Network Sites (SNS) bzw. Social Network (SN), Social Web, oder (älter) Social Software. Diese eher technik- und netzwerkorientierten Bezeichnungen konnten sich aber nicht durchsetzen (Stegbauer/Jäckel 2008, Welker/Kloß 2014) – alltagsprachlich etabliert hat sich der Terminus Social Media, der die mediale Affinität dieser Software betont.23 Technisch handelt es sich dabei um allgemein (oder mit Passwort) zugängliche digitale Plattformen im Internet. Man hat es also stets mit onlinebasierter (digitaler) Vernetzung zu tun hat, bei der es um das Veröffentlichen und Bearbeiten von Inhalten aller Art geht (Schmidt 2018: 17 ff.). Die Rede ist von Facebook, Twitter, YouTube, Instagram, Snapchat, diversen Weblogs (Blogs) etc. Man kann behaupten, dass die Nutzung sozialer Medien – wenigstens in Europa und in den USA – „für den Großteil der Bevölkerung zum regelmäßigen Bestandteil ihrer Kommunikation und Interaktion“ (Taddicken/Schmidt 2017: 19) geworden ist.
Soziale Medien sind ohne die Existenz des sogenannten Web 2.0 nicht denkbar. Unter Web 2.0 – auch: Mitmach-Web (Kantel 2009) oder Participatory Web (Beer 2009, Blank/Reisdorf 2012) – versteht man Internetauftritte, deren Erscheinung „durch die Partizipation ihrer Nutzer (mit-)bestimmt wird“ (Münker 2015: 59). Allerdings variieren diese Partizipationsmöglichkeiten erheblich. Vielfach werden bloß Kommentare oder Bewertungen zugelassen (wie z. B. auf der Website des amerikanischen Online-Händlers Amazon), während im User-Generated Content (Schweiger/Quiring 2007) die radikalste Ausprägung des Web 2.0 zum Ausdruck kommt (wie z. B. bei der Online-Enzyklopädie Wikipedia, deren Texte ausschließlich user·innengeneriert sind).
Wir sehen also: Der Begriff Medium ist vielfältig. Abgesehen von den (primären) körpergebundenen Ausdrucksmöglichkeiten, die ganz ohne Technik auskommen, kann man an materiell-technische Trägersubstanzen (wie Luft, Papier oder Strom) denken, aber auch an CDs, an Bücher, Zeitungen, an Radio, Fernsehen, Film und schließlich an das Internet sowie das dort zugängliche Social-Media-Universum. Ein regelrechtes Begriffs-Wirrwarr hat sich hier angesammelt24 – es ist nicht zuletzt dem technischen Fortschritt v. a. im 20. Jahrhundert geschuldet.
Aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive, wie sie im vorliegenden Buch vertreten wird, reichen diese bislang materiell-technischen Definitionen von „Medium“ allerdings nicht aus, selbst wenn sie sich mit Hilfe der von Harry Pross initiierten – und weiter gedachten – Differenzierung durchaus kategorisieren lassen. Immer wenn von Medien in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft die Rede ist, hat nämlich mehr im Spiel zu sein, als bloß die Technik, darüber gibt es in der Fachdiskussion hinlänglich Übereinstimmung (z. B. Beck 2006, 2015, Bentele/Beck 1994, Burkart 2002, Krotz 2015, Neverla 1998, Pürer 2014, Pürer/Springer/Eichhorn 2015, Rössler 2003, Rühl 1998, Saxer 1999, 2012a, Schmidt 2015a, Schweiger/Weihermüller 2008, Weischenberg 1998).
2.4.2 Medium: ein kommunikationswissenschaftlicher Begriff
Auch wenn man – so überlegt Weischenberg (1998) – auf den ersten Blick gerade das Internet als das „Massenmedium“25 schlechthin begreifen könnte, weil es sich doch scheinbar mit allen möglichen Angeboten an alle möglichen Menschen richtet, so wäre ein derartiger Medienbegriff dennoch „kommunikationswissenschaftlich untauglich“ (ebd.: 52). Kommunikationstechniken werden nämlich erst dann zu Medien im kommunikationswissenschaftlichen Sinn, „wenn sie über die Funktion eines technischen Vermittlungssystems hinaus in einen spezifischen institutionalisierten Handlungskontext eingebunden sind“ (Neverla 1998: 29 f.). Sie sind „ohne den Menschen nicht vorstellbar: Sie wurden von Menschen in einem sozialen Prozess erfunden und entwickelt, über das ob und wie ihrer Anwendung wird beraten und gestritten. Technische Medien sind ohne eine soziale Form des Gebrauchs wirkungs- und bedeutungslos“ (Bentele/Beck 1994: 40). Wenn wir Medien bloß als Apparate, Kanäle, Leitungen etc., also als ausschließlich technische Infrastruktur begreifen, können wir nämlich nicht erfassen, „was da vorgeht, wenn sich Publizistik oder Massenkommunikation, unter Mitwirkung von Internet, in und mit einer sozialen Umwelt ereignen“ (Rühl 1998: 101). Kurzum: Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive greift man zu kurz, wenn man in Medien bloß technische Apparate sieht, sie müssen darüberhinaus als „gesellschaftliche Instrumente“ (Pürer 2014: 206) betrachtet werden.
Das publizistische Medium
Ulrich Saxer (2012a) hatte lange Zeit hindurch beklagt, dass die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft über keinen angemessenen Medienbegriff verfügt. Von ihm selbst stammt schließlich eine mittlerweile legendäre und in unserer Disziplin auch weithin akzeptierte Begriffsexplikation, die mehr als bloß die Materialität und Technizität der Medien in den Fokus rückt.
Saxer geht davon aus, dass ein publizistik- und kommunikationswissenschaftlicher Medienbegriff die „Doppelnatur des Systems Medium“ (Saxer 1975: 209) berücksichtigen muss. Diese Doppelnatur besteht einerseits darin, dass sich jedes publizistische Medium zunächst durch ein gewisses kommunikationstechnisches Potential auszeichnet (beim Medium Buch wären das z. B. Materialität, Druck, Schrift, sowie Schreib- und Lesefähigkeit). Aber als publizistisches Medium verweist es andererseits auch auf bestimmte Sozialsysteme, die sich um diese Kommunikationstechnologie herum bilden (für das Buch sind das z. B. Autor·innenorganisationen, Verlage, Buchhandel und eine anonyme Leser·innenschaft). Nach Saxer sind Kommunikationstechniken allein daher eher „aussageneutral“ (ebd.: 210). Ihre inhaltliche und formale Differenzierung wird erst von ihrer jeweiligen „Institutionalisierung“ bestimmt, d. h. von der „Art und Weise, wie Gesellschaften die Medien in ihren Dienst nehmen“ (ebd.).
Im Sinn von Saxer (insb.: 1980b, 1998, 1999, 2012a) sind für einen publizistik- und kommunikationswissenschaftlich angemessenen Begriff von Medium nunmehr folgende Begriffsbestandteile charakteristisch:
•Kanal: Zunächst der bereits angesprochene und mittlerweile banale Umstand, dass Medien stets irgendeinen Kommunikationskanal verwenden (publizistische Medien in der Regel einen auditiven, visuellen oder audiovisuellen). Dazu gehört (noch aus technischer Perspektive) auch die Präferenz des jeweiligen Kanals für bestimmte Zeichensysteme,26 was wiederum mit bestimmten Bereitstellungsqualitäten verbunden ist: Dass z. B. ein Printmedium (wie z. B. das Buch oder die Zeitung) ausschließlich (visuell wahrnehmbare) lesbare Texte sowie (bewegungslose) Bilder drucken kann, bedeutet, dass z. B. keine Live-Berichte möglich sind, wie im Fernsehen – wenngleich diese „klassischen“ Grenzen dank Internet (man denke nur an Online-Auftritte von Printmedien) fallweise auch verschwimmen.27
•Organisation: Dann geht es darum, dass publizistische Medien ihre Kommunikationskanäle organisieren müssen, um die jeweilige Medientechnik entsprechend zum Einsatz zu bringen. Bei publizistischen Medien handelt es sich in der Regel um Organisationen, die zweckgerichtete Tätigkeiten erbringen: Professionals (berufstätige Journalist·innen) stellen (zumeist) arbeitsteilig (in einer Redaktion) ein bestimmtes Programm her. Sie verfolgen ihre (jeweils definierten) Organisationsziele dadurch, dass sie diese Programminhalte (via Druck, Funk und/oder online) öffentlich zugänglich machen. Damit erbringen sie überdies bedeutungsvolle, gesellschaftlich relevante Leistungen (Funktionen) für ihre jeweiligen Zielgruppen. Als ihre elementarste Leistung nennt Saxer „die Vergegenwärtigung von Abwesendem“ (1999: 6) und damit zusammenhängend auch die Überwindung von (räumlichen, zeitlichen und sozialen) Distanzen sowie die Definition von „Beziehungen zwischen Personen und zwischen gesellschaftlichen Systemen“ (ebd.). Sie tragen freilich auch zur Unterhaltung/Entspannung bei, unterstützen gesellschaftliche Integration, bewirken politische Sozialisation etc.28 – kurz: Medienkommunikation ist in modernen Gesellschaften omnipräsent, Saxer spricht auch vom Prozess der „Medialisierung“ (2012a: 18), den er als „gesellschaftliches Totalphänomen“ (ebd.: 64) klassifiziert.
•Institution: Die moderne Gesellschaft ist auf die Existenz von publizistischen Medien angewiesen. Sie existieren dauerhaft, folgen bestimmten Regeln und erbringen wichtige Leistungen für die Gesellschaft (Beck 2015: 93 f.). Sie sind „ihres umfassenden Funktionspotenzials wegen institutionalisiert“ (Saxer 1999: 6) und ihre Kommunikation wird in der Regel nicht dem Zufall überlassen. Je nachdem, wie Gesellschaften organisiert sind (also gemäß ihrer wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse), nehmen sie die Medien unterschiedlich in ihren Dienst. Die Typen der Medieninstitutionalisierung unterscheiden sich durch die Art und Intensität der Kontrollen, die jeweils vorhanden sind. Saxer unterscheidet vier Grundtypen von Medieninstitutionalisierung: zwei undemokratische (autoritäre und totalitäre Systeme) sowie liberale (Marktregulierung) und demokratisch kontrollierte Regelungen. Die letzteren kommen in den Programmaufträgen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zum Ausdruck. In Europa ist häufig ein Nebeneinander von liberaler und demokratisch kontrollierter Institutionalisierung anzutreffen (Saxer ebd.: 10 f.).
Medien – so die Nominaldefinition von Saxer aus publizistikwissenschaftlicher Perspektive – sind somit als „komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen“ (Saxer 1999: 6)29 zu begreifen.
Man könnte „mit gesellschaftlicher Dominanz“ (Faulstich 1998: 27) ergänzen. Damit wäre noch die Geschichtlichkeit jedes Mediums betont, denn im Hinblick auf seine wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Steuerungs- und Orientierungsaufgaben unterliegt jedes Medium einem permanenten Wandel. Aus medienökonomischer Sicht gibt es inzwischen ebenfalls einen Ergänzungsvorschlag – er lautet: Medien sind „komplexe institutionalisierte Produktions- und Rezeptionssysteme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem (technischem wie gesellschaftlichem) Leistungsvermögen“ (Kiefer/Steininger 2014: 16). Damit wird zusätzlich zweierlei betont: Zum einen, dass medienökonomische Überlegungen sowohl die Medienproduzenten (Produktionssystem) als auch das Publikum der Medien (Rezeptionssystem) betreffen, und zum anderen, dass Medien(organisationen) sowohl mit technisch-ökonomischen als auch mit gesellschaftlichen Erwartungen zu kalkulieren haben.
Somit ist endgültig klargestellt: Nicht jeder technische Kommunikationskanal, mit dem irgendwelche Signale gesendet werden (können), ist schon als „Medium“ im publizistikwissenschaftlichen Sinn zu klassifizieren. So wird man Kabel- oder Satellitenfernsehkanäle nicht als „Medien“, sondern eher als Übertragungstechniken, als eine Art kommunikative Infrastruktur begreifen, mit der das „Medium Fernsehen“ (auf vielen Kanälen mit verschiedenen Programmen) gesendet und empfangen werden kann. Ebenso wird das Internet (genauso wie der Computer) angemessener als technische Infrastruktur zu erfassen sein, auf deren Basis sich dann neue „quartäre Medien“ (wie Homepages bzw. Websites von Unternehmen, Online-Auftritte von Offline-Medien, eigenständige Online-Medien etc.) oder auch alte (sekundäre) Medien (wie Briefe, Zeitungen, Bücher etc.) generieren lassen.
Medien erster und zweiter Ordnung
In diesem Zusammenhang soll ein sinnvoller (viel zu selten aufgegriffener) Vorschlag zur terminologischen Klärung nicht unerwähnt bleiben, nämlich die Unterscheidung zwischen Medien erster und zweiter Ordnung (Kubicek/Schmid/Wagner 1997: 32 ff.):
•Als Medien erster Ordnung wären die soeben als „Infrastruktur“ klassifizierten Vermittlungs- und Speichertechniken (wie Telefon, Fax, TV- und Radiokanäle, CDs etc., aber auch das Internet sowie das dort zugängliche Social-Media-Universum) zu begreifen. Medien erster Ordnung eröffnen technische Möglichkeiten der Vermittlung, des Speicherns und/oder Abrufens von Mitteilungen. Ein Medium erster Ordnung wäre also nichts anderes als eine Technik, mit einer bestimmten Potentialität, mit einer „Möglichkeitsbedingung für die Entwicklung von Medien zweiter Ordnung, im Sinne sozialer Institutionen“ (ebd.: 35).
•Von Medien zweiter Ordnung sollte dagegen erst dann gesprochen werden, wenn institutionalisierte Kommunikatoren am Werk sind, die diese technischen Mittel zur Herstellung und Verbreitung von Inhalten benützen, wenn also diese Vermittlungstechniken zur Selektion, Strukturierung und Präsentation von Aussagen im Hinblick auf ein Publikum eingesetzt werden. Deshalb ist das Internet lediglich als technische Infrastruktur zu begreifen, mit deren Hilfe Medien zweiter Ordnung entstehen können. Publizistische Medien (im Sinn des Saxer’schen Medienbegriffs) wären mithin allesamt als Medien zweiter Ordnung zu begreifen.
Eine zentrale Ursache für Missverständnisse liegt – so Kubicek/Schmid/Wagner (1997: 34) – genau darin, dass man die Unterschiede zwischen Medien erster und zweiter Ordnung vermischt, wenn man z. B. das Telefonnetz, das Internet oder eine Tageszeitung gleichermaßen als Medium bezeichnet. Dem ist vollinhaltlich zuzustimmen.
Nach diesem Exkurs zum Medienbegriff ist nun aber auf ein weiteres grundsätzliches Charakteristikum der menschlichen Kommunikation hinzuweisen, welches die Art und Weise des Gebrauchs der verschiedenen Vermittlungsinstanzen betrifft und die Voraussetzung für die Vielfalt menschlicher Kommunikationsmodalitäten darstellt: auf den Symbol-Charakter der menschlichen Kommunikation.
2.5 Menschliche Kommunikation als symbolisch vermittelte Interaktion
Der Terminus symbolisch nimmt nicht nur auf eine bestimmte Möglichkeit des Gebrauchs medialer Ausdrucksformen durch den Menschen Bezug; mit Symbol ist zugleich auch eine bestimmte Funktion von Zeichen angesprochen. Daher ist zunächst eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Zeichenbegriff notwendig. Erst auf dieser Basis kann die Besonderheit des Symbolbegriffes und seine Bedeutung für die menschliche Kommunikation diskutiert werden – denn: Der Kommunikationsprozess ist immer auch ein Zeichenprozess (!).
Ein Zeichen30 ist eine materielle Erscheinung, der eine Bedeutung zugeordnet (worden) ist. Indem ein Zeichen etwas bedeutet, verweist es auf etwas. Es deutet auf etwas hin, das von ihm selbst verschieden (!) ist. Der Gegenstand/der Zustand/die Beziehung/das Ereignis/die Idee usw., auf das/den das Zeichen verweist, fungiert dabei nur als die Quelle seiner Bedeutung; der eigentliche Träger der Bedeutung ist das Zeichen selbst. Ein Zeichen kann grundsätzlich alles sein, was (sinnlich) wahrnehmbar ist. „Zeichen können materielle Gegenstände (z. B. ein Wegweiser aus Holz), deren Eigenschaften (z. B. die rote Farbe) oder materielle Ereignisse (z. B. eine Handbewegung) sein“ (Schaff 1968: 27).