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Rechtzeitig, besser gesagt, gerade so fertig geworden mit dem Beschriften des Papiers, kommen wir am Studentenwohnheim an. Es ist schon kurz nach halb elf. Ich will nicht länger warten und nicht zu spät bei ihr aufschlagen. Ich mache mich auf den Weg zu dem Gebäude, doch es scheint, als ob ich schon an der Eingangstür scheitere. Keine Namen, nur Nummern. Die Tür verschlossen. Es soll doch eine Überraschung werden, also was tun?
Entweder einmal quer alle Klingeln drücken und hoffen, dass ich ihre erwische, oder warten, bis vielleicht jemand herauskommt? Das scheint aber auch unwahrscheinlich, da es schon so spät ist. Aber bekanntlich ist das Glück ja mit den Doofen, keine zwei Minuten später kommt ein Bursche den Gang entlang und will gerade rausgehen. Emilio bleibt im Auto, ich nutze die Gelegenheit und gehe hinein. Aber wie finde ich sie? Ich schaue auf die Briefkästen an der Wand. Es sind gefühlte hundert Namensschilder samt Nummer. Ich suche Malenas Zimmernummer und gehe drauflos.
Da stehe ich nun wieder vor einer Tür, die roten Kartonbögen in der Hand. Mein Herz beginnt zu rasen. Ich klopfe. Sie ist zu Hause, ruft durch die geschlossene Tür, wer da sei. Aber ich antworte nicht, sondern klopfe erneut, solange, bis sie zur Tür kommt und öffnet. Sie starrt mich verdutzt an, will gerade etwas sagen, aber ich halte meinen rechten Zeigefinger vor meine Lippen und zische nur: „Pst!“ Sie schlägt die Hand vor den Mund. Der Flurbereich ist dämmrig. Ich werde nur von dem Licht, das aus ihrem Zimmer dringt, angestrahlt. Ich halte die Bögen in Augenhöhe, damit sie sie gut sehen kann, und sie fängt an zu lesen.
Psssst!
Vor Jahren noch unerreichbar,
jetzt so nah und doch so fern!
1000 Worte und Jahre reichen nicht aus,
um deine Schönheit aufs Papier zu bringen.
Nun steh ich hier vor dir mit zitternden Beinen,
schwitzenden Händen und
einem durchgeknallten Herzen!
Nur um dir eins zu sagen:
Ich würde und werde bis ans Ende der Welt gehen,
nur um dich für einen Augenblick zu sehen!
Denn für mich bist du was Besonderes.
Du fragst dich bestimmt, weshalb ich das tue?
Um es im Leben nie zu bereuen …
… versucht zu haben, dein Herz zu erobern!
Pssst! Behalte den heutigen Abend in deinem …
Sie sagt nichts! Ihr Gesicht ist rot angelaufen, sie schüttelt den Kopf und findet das alles unfassbar, so sagt sie es zumindest. Nun bin ich der Coole und sie zittert am ganzen Körper, man sieht es ihr richtig an. Nach einem Moment sage ich, dass ich jetzt wieder fahre. Da starrt sie mich an, fasst sich an die Stirn und meint nur: „Für zehn Minuten bist du extra 200 km gefahren?“
„Ich würde sogar um die ganze Welt fahren, nur um dich einen Augenblick zu sehen.“ Erst will sie die Bögen haben, doch ich will sie ihr nicht geben. Doch sie schafft es, mich zu überreden, na ja, ich kann ihr den Wunsch nicht verweigern. Als sie das Gedicht in den Händen hält, schaut sie es sich noch mal genau an, doch ich verabschiede mich und gehe los. Innerlich hoffe ich natürlich, dass sie mich aufhält oder mir nachruft, aber sie tut es nicht, und so gehe ich zum Auto zurück. Von Weitem sehe ich meinen Begleiter im Wagen sitzen, der mich neugierig anschaut und es kaum erwarten kann, bis ich mich endlich neben ihn setze und ihm alles erzähle. Mir geht so viel durch den Kopf, dass ich erst mal gar nicht in der Lage bin, überhaupt zu sprechen. Ich muss erst mal alles verdauen.
Auf dem Rückweg hielten wir bei McDonald‘s, bestellten etwas zu essen, erst dann konnte ich so langsam von den zehn Minuten erzählen. War ja eigentlich nicht viel. Das ging relativ schnell. Die Gedanken drehten sich nonstop um sie, ich hätte zu gern gewusst, worüber sie jetzt sprach, was sie dachte, was sie machte. Weil ich so in Gedanken war, fuhr Emilio. Ich starrte alle zwei Minuten auf das scheiß Handy, doch es kam nichts. Kaum stieg ich aus dem Wagen und ging zur Haustür, bekam ich eine SMS von ihr. Sie bedankte sich vielmals bei mir – und beteuerte, dass ich verrückt sei. Das war die letzte Nachricht, von da an kam nichts mehr von ihr.
Ich redete mir ein, dass ich wohl nicht ihr Typ war oder sie einfach kein Interesse hatte, mich näher kennenzulernen, und es mir nicht ins Gesicht sagen wollte oder konnte. Mein Versprechen gegenüber Emilio habe ich dann auch gehalten und mich nicht mehr bei ihr gemeldet. Nach und nach verschwanden die Bilder, Wünsche und Träume vor meinen Augen und schließlich auch aus meinem Kopf. Ich gab es einfach auf. Nichtsdestotrotz grüßte ich sie höflich, wenn wir uns in der Disco sahen, dabei blieb es dann aber auch. Das Schlimme für mich persönlich war im Grunde, dass sie mir keine ehrliche Antwort gegeben hat. Ich hatte keinen blassen Schimmer, woran es gelegen hat, dass sich aus der Situation nicht mehr entwickelte. Ich hatte damit wirklich eine Weile zu kämpfen. Um ehrlich zu sein, habe ich auch versucht, mit allen Mitteln die Sehnsucht nach ihr zu betäuben, mit Gorbatschow und seinen Genossen. Hinzu kamen noch seine Kameraden Jack, Jim und Johnnie, doch keiner von ihnen konnte meine Gedanken und Gefühle ertränken, sie hatten immer noch Luft zum Atmen. Ich wollte sie mir tatsächlich aus dem Kopf trinken. Gott sei Dank konnte ich diesem therapeutischen Ansatz nicht lange standhalten und brach ihn frühzeitig ab. Nach einer Weile verflüchtigten sich die Gedanken wie Schleierwolken am Himmel und es wurde mit der Zeit besser und besser. Heute kenne ich den Grund für ihr Verhalten.
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