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Um zu diesem Lärmen und Toben herbeizueilen, wurde mit der Prüfung der noch übrigen Bücher nicht fortgefahren, und so, glaubt man, wanderten sonder Untersuchung und Gehör ins Feuer die Carolea, Leon der Löwe von Spanien nebst den Taten des Kaisers, die Don Luis de Avila geschrieben, welche ohne Zweifel unter den übrigen gewesen sein mußten; und vielleicht, wenn der Pfarrer sie gesehen, hätten sie nicht eine so strenge Verurteilung erlitten.
Als sie zu Don Quijote kamen, war er schon vom Bette aufgestanden und fuhr mit seinem Geschrei und seinem Unsinn fort, führte Stiche und Hiebe nach allen Seiten und war so wach, als ob er nie geschlafen hätte. Sie umfaßten ihn mit den Armen und brachten ihn mit Gewalt ins Bett zurück; und sobald er sich ein wenig beruhigt hatte, wandte er sich zu dem Pfarrer und sagte ihm: »Sicherlich, Herr Erzbischof Turpin, ist es eine große Schande für uns, die wir uns die zwölf Pairs nennen, so mir nichts, dir nichts die Ritter vom Hofe den Sieg in diesem Turniere davontragen zu lassen, da doch wir fahrenden Ritter den Preis an den drei vorhergehenden Tagen gewonnen haben.«
»Laßt gut sein, Herr Gevatter«, sagte der Pfarrer, »Gott wird es schon gefallen, daß das Glück sich wieder ändere und morgen gewonnen werde, was heute verlorengeht; und seid für jetzt auf Eure Gesundheit bedacht; denn es bedünkt mich, daß Ihr übermäßig müde sein müßt, wenn Ihr nicht etwa wund geschlagen seid.«
»Wund geschlagen nicht«, sprach Don Quijote, »aber zerprügelt und zerschlagen; denn jener Bankert von Roldán hat mich mit einem Eichenstamme gedroschen, und all das aus Neid, weil er sieht, daß ich allein seinen hochmütigen Taten entgegentrete. Allein ich würde nicht Rinald von Montalbán heißen, wenn er, sobald ich mich von diesem Bette erhebe, mir es nicht zahlen soll, trotz all seiner Zauberkünste. Aber für jetzt bringe man mir zu essen; denn das, weiß ich, tut mir am meisten not, und was meine Rache betrifft, das bleibe mir anheimgestellt.«
Sie taten also; sie gaben ihm zu essen, und er verfiel wieder in Schlaf und sie abermals in Verwunderung über seine Torheit.
Diese Nacht vertilgte die Haushälterin mit Feuer und Brand alle Bücher, soviel deren im Hofe und im ganzen Haus waren, und manche wohl mochten mit verbrennen, die verdienten, in unvergänglichen Archiven aufbewahrt zu werden; allein ihr Schicksal und die Trägheit des Untersuchungsrichters ließ es nicht zu, und so erfüllte sich an ihnen der Spruch, daß oftmals die Gerechten für die Sünder zahlen.
Eines der Mittel, welche der Pfarrer und der Barbier für jetzt gegen ihres Freundes Krankheit anwendeten, bestand darin, daß sie ihm das Gemach, wo die Bücher gestanden, vermauerten und mit einer Lehmwand verschlossen, damit er, wenn er wieder aufstünde, sie nicht mehr fände – weil vielleicht, wenn man die Ursache beseitigte, die Wirkung aufhören würde –, und sie wollten ihm sagen, ein Zauberer habe die Bücher und das Zimmer und alles auf und davon geführt. Und so ward es in großer Eile vollbracht.
Zwei Tage nachher stand Don Quijote auf, und das erste, was er tat, war, seinen Büchern einen Besuch zu machen, und da er das Gemach nicht fand, wo er es gelassen hatte, ging er von einer Stelle zur andern, es zu suchen. Er kam dahin, wo sonst die Türe war, und tastete nach ihr mit den Händen und drehte und verdrehte die Augen überallhin, ohne ein Wort zu sagen; nach einer guten Weile indessen fragte er seine Haushälterin, wohinaus denn das Gemach mit seinen Büchern liege.
Die Haushälterin, bereits wohlunterrichtet, was sie zu antworten habe, entgegnete ihm: »Was für ein Gemach oder was für ein Ding sonst sucht Euer Gnaden? Weder Gemach noch Bücher sind mehr in unserm Hause; denn all das hat der Teufel in eigner Person geholt.«
»Es war kein Teufel«, sagte die Nichte, »sondern ein Zauberer, der auf einer Wolke daherkam, die Nacht nach dem Tage, wo Euer Gnaden sich von hier entfernte; er kam auf einer Schlange geritten, stieg ab, ging ins Gemach hinein, und ich weiß nicht, was er darin tat; denn nach einer kurzen Weile flog er durchs Dach hinaus und ließ das Haus voll Rauch; und wie wir daran dachten, nachzusehen, was er getan, fanden wir kein Buch und kein Gemach mehr. Nur ist es mir und der Haushälterin noch sehr gut in Erinnerung, daß im Augenblick seines Abscheidens der böse Alte mit schallender Stimme rief, aus geheimer Feindschaft, die er gegen den Herrn dieser Bücher und dieses Gemaches hege, habe er in diesem Hause den Schaden angerichtet, den man nachher schon finden werde. Er sagte auch, er heiße ›Der weise Muñatón‹.«
»Fristón, wird er gesagt haben«, sprach Don Quijote.
»Ich weiß nicht«, entgegnete die Haushälterin, »ob er sich Fristón oder Frißschon nannte; ich weiß nur, daß sein Name auf on ausging.«
»So ist’s«, sagte Don Quijote; »denn der ist ein weiser Zauberer, ein großer Feind von mir, der deshalb böse Gesinnung gegen mich hegt, weil er durch seine Künste und Bücher erfahren hat, daß ich im Verlauf der Zeit mit einem Ritter im Zweikampf fechten soll, den er begünstigt, und daß ich ihn besiegen werde, ohne daß er es hindern kann; und darum müht er sich, mir alle Widerwärtigkeiten zuzufügen, die er vermag. Aber ich tue ihm zu wissen, daß er schwerlich dem widerstreben und entgehen kann, was der Himmel gefügt hat.«
»Wer zweifelt daran?« sagte die Nichte. »Aber wer treibt Euer Gnaden, Herr Ohm, in all diese Streithändel hinein? Ist’s nicht besser, friedlich in seinem Hause zu sitzen und nicht durch die Welt zu ziehen, um noch besser Brot als das beste zu suchen, ohne zu bedenken: Mancher zieht nach Wolle aus und kommt geschoren nach Haus.«
»O Nichte mein«, versetzte Don Quijote, »wie wenig Begriff hast du von solchen Dingen! Ehe man sich scheren soll, hab ich allen denen den Bart gerauft und ausgerissen, denen es einfallen könnte, mir an eines einzigen Haares Spitze zu rühren.«
Sie wollten ihm nichts weiter entgegnen, weil sie sahen, daß sein Zorn aufzulodern begann.
Es geschah nun, daß er vierzehn Tage ganz ruhig zu Hause blieb, ohne irgendein Anzeichen zu geben, daß er mit seinen früheren Torheiten fortfahren wolle. In diesen Tagen führte er mit seinen beiden Gevattern, dem Pfarrer und dem Barbier, die ergötzlichsten Gespräche über seine Behauptung: wessen die Welt am meisten bedürfe, das seien die fahrenden Ritter, und in ihm werde das fahrende Rittertum wiederaufstehen. Der Pfarrer widersprach ihm ein paarmal, ein andermal stimmte er ihm zu, denn wenn er diesen Kunstgriff nicht anwendete, war es nicht möglich, mit ihm fertigzuwerden.
Während dieser Zeit suchte Don Quijote einen Ackersmann, seinen Ortsnachbar, zu gewinnen, einen guten Kerl – wenn man den gut nennen kann, dem es am Besten fehlt –, der aber sehr wenig Grütze im Kopf hatte. Und schließlich sagte er ihm so viel, redete ihm so viel ein und versprach ihm so viel, daß der arme Bauer sich entschloß, mit ihm von dannen zu ziehen und ihm als Schildknappe zu dienen.
Unter anderem sagte ihm Don Quijote, er solle sich nur frohen Mutes anschicken, mit ihm zu ziehen; denn vielleicht könnte ihm ein solch Abenteuer aufstoßen, daß er im Handumdrehen irgendwelche Insul gewänne und ihn als deren Statthalter einsetzte. Auf diese und andre solche Versprechungen hin verließ Sancho Pansa – denn so hieß der Bauer – Weib und Kind und trat in seines Nachbarn Dienst als Knappe.
Sogleich traf Don Quijote Anstalt, Geld aufzutreiben, und indem er einen Acker verkaufte und einen andren verpfändete und dabei alles verschleuderte, brachte er eine ziemliche Summe zusammen. Desgleichen versah er sich mit einem Rundschilde, den er sich von einem Freunde leihen ließ, und nachdem er seinen zerschlagenen Helm, so gut er konnte, hergerichtet, benachrichtigte er seinen Knappen Sancho von Tag und Stunde, wo er sich auf den Weg zu begeben gedachte, damit auch er sich mit allem versehe, was er am meisten zu bedürfen dächte; vor allem aber gab er ihm den Auftrag, einen Zwerchsack mitzunehmen. Sancho erwiderte, er würde allerdings einen solchen bei sich führen, und ebenso gedenke er auch einen Esel mitzunehmen, da er einen sehr guten habe; denn er für sein Teil sei nicht gewohnt, viel zu Fuße zu gehen.
In betreff des Esels hatte Don Quijote einiges Bedenken und überlegte hin und her, ob er sich irgendeines fahrenden Ritters entsinnen könne, der einen Schildknappen eselhaft beritten bei sich gehabt hätte; aber es kam ihm keiner in den Sinn. Jedoch trotz alledem entschied er sich dafür, daß Sancho ihn mitnehmen solle; nur nahm er sich vor, ihn mit einer ehrbaren Reitgelegenheit zu versehen, sobald die Möglichkeit sich böte, dem ersten ungebärdigen Ritter, auf den er stieße, das Pferd abzunehmen. Er versah sich auch mit Hemden und mit den andern Dingen, soviel ihm möglich, gemäß dem Rate, den der Wirt ihm gegeben.
Als all dies getan und zu Ende geführt war, zogen beide – Sancho Pansa, ohne von Kindern und Weib, Don Quijote, ohne von Haushälterin und Nichte Abschied zu nehmen – eines Nachts aus dem Dorfe von dannen, ohne daß jemand sie sah, und in dieser Nacht legten sie so viel Weges zurück, daß sie beim Morgengrauen sich für sicher hielten, man würde sie nicht finden, selbst wenn man auf die Suche nach ihnen ginge. Sancho Pansa zog auf seinem Esel einher wie ein Patriarch, mit seinem Zwerchsack und seiner Lederflasche und mit großem Sehnen, sich schon als Statthalter der Insul zu sehen, die sein Herr ihm versprochen hatte.
Don Quijote nahm zufällig dieselbe Richtung und Straße, die er bei seiner ersten Fahrt genommen, nämlich über das Gefilde von Montiel, das er mit minderer Beschwer als das vorige Mal durchzog, da es die Morgenstunde war und die Sonnenstrahlen sie nur schräg trafen, so daß sie von diesen nicht sehr belästigt wurden.
Hier nun sagte Sancho Pansa zu seinem Herrn: »Gnädiger Junker, fahrender Herr Ritter, sehet wohl zu, daß Euch nicht in Vergessenheit gerate, was Ihr mir von wegen der Insul versprochen habt; denn ich will schon verstehen, sie zu regieren, wie groß sie auch immer sein mag.«
Darauf erwiderte ihm Don Quijote: »Du mußt wissen, Freund Sancho, daß es ein vielfach betätigter Brauch der alten fahrenden Ritter war, ihre Knappen zu Statthaltern der Insuln oder Königreiche zu machen, die sie gewannen, und ich habe mir vorgenommen, daß durch mich ein so preisenswürdiges Herkommen nicht in Abgang geraten soll; vielmehr gedenke ich in demselben noch viel weiter zu gehen. Denn jene haben in manchen Fällen, und vielleicht in den meisten, gewartet, bis ihre Knappen alt geworden, und nachdem sie schon müde waren, zu dienen und schlimme Tage und schlimmere Nächte zu ertragen, so verliehen sie ihnen ein Amt als Graf oder wenigstens als Markgraf über irgendein Tal oder einen Gau von größerer oder geringerer Bedeutung. Allein wenn du leben bleibst und ich leben bleibe, könnte es wohl geschehen, daß, ehe ein halb Dutzend Tage um sind, ich ein großes Königreich gewänne, zu dem noch ein paar andre als Nebenländer gehörten, und die kämen gerade zupaß, um dich zum König über eines derselben zu krönen. Und das brauchst du nicht für etwas Besonderes zu halten; denn es begegnen den besagten Rittern Vorfälle und Zufälle auf so unerhörte und ungeahnte Weise, daß ich mit Leichtigkeit dir sogar noch mehr geben könnte, als ich dir verspreche.«
»Auf diese Art«, entgegnete Sancho Pansa, »wenn ich durch eines der Wunder, wie sie Euer Gnaden erwähnt, König würde, dann brächte es Johanna Gutiérrez, meine Hausehre, mindestenfalls zur Königin und meine Kinder zu Prinzen?«
»Wer zweifelt daran?« antwortete Don Quijote.
»Ich zweifle daran«, versetzte Sancho Pansa, »weil, ich habe so die Meinung, daß, wenn Gott auch Königreiche herabregnen ließe, doch keines auf den Kopf einer Gutiérrez passen würde. Wisset, Euer Gnaden, zur Königin ist sie keine zwei Pfennige wert; Gräfin stünde ihr schon besser, und selbst da müßte der liebe Himmel und guter Menschen Beistand das Beste tun.«
»Befiehl das unserem Herrgott, Sancho«, erwiderte Don Quijote. »Er wird ihr schon geben, was ihr am zuträglichsten ist. Aber werde du nicht so kleinmütig, daß du dich am Ende gar mit wenigerem begnügst, als Landvogt zu werden.«
»Das werde ich nicht tun, gnädiger Herr«, antwortete Sancho, »zumal ich in Euer Gnaden einen so hochgestellten Herrn habe, der in seiner Einsicht schon wissen wird, mir all das zu geben, was gut ist und was ich tragen kann.«
8. Kapitel
Von dem glücklichen Erfolg, den der mannhafte Don Quijote bei dem erschrecklichen und nie erhörten Kampf mit den Windmühlen davontrug, nebst andern Begebnissen, die eines ewigen Gedenkens würdig sind
Indem bekamen sie dreißig oder vierzig Windmühlen zu Gesicht, wie sie in dieser Gegend sich finden; und sobald Don Quijote sie erblickte, sprach er zu seinem Knappen: »Jetzt leitet das Glück unsere Angelegenheiten besser, als wir es nur immer zu wünschen vermöchten; denn dort siehst du, Freund Pansa, wie dreißig Riesen oder noch etliche mehr zum Vorschein kommen; mit denen denke ich einen Kampf zu fechten und ihnen allen das Leben zu nehmen. Mit ihrer Beute machen wir den Anfang, uns zu bereichern; denn das ist ein redlicher Krieg, und es geschieht Gott ein großer Dienst damit, so böses Gezücht vom Angesicht der Erde wegzufegen.«
»Was für Riesen?« versetzte Sancho Pansa.
»Jene, die du dort siehst«, antwortete sein Herr, »die mit den langen Armen, die bei manchen wohl an die zwei Meilen lang sind.«
»Bedenket doch, Herr Ritter«, entgegnete Sancho, »die dort sich zeigen, sind keine Riesen, sondern Windmühlen, und was Euch bei ihnen wie Arme vorkommt, das sind die Flügel, die, vom Winde umgetrieben, den Mühlstein in Bewegung setzen.«
»Wohl ist’s ersichtlich«, versetzte Don Quijote, »daß du in Sachen der Abenteuer nicht kundig bist; es sind Riesen, und wenn du Furcht hast, mach dich fort von hier und verrichte dein Gebet, während ich zu einem grimmen und ungleichen Kampf mit ihnen schreite.«
Und dies sagend, gab er seinem Gaul Rosinante die Sporen, ohne auf die Worte zu achten, die ihm sein Knappe Sancho warnend zuschrie, es seien ohne allen Zweifel Windmühlen und nicht Riesen, die er angreifen wolle. Aber er war so fest davon überzeugt, es seien Riesen, daß er weder den Zuruf seines Knappen Sancho hörte noch selbst erkannte, was sie seien – obwohl er schon sehr nahe war –, vielmehr rief er mit lauter Stimme: »Fliehet nicht, feige niederträchtige Geschöpfe; denn ein Ritter allein ist es, der euch angreift.«
Indem erhub sich ein leiser Wind, und die langen Flügel fingen an, sich zu bewegen. Sobald Don Quijote dies sah, sprach er: »Wohl, ob ihr auch mehr Arme als die des Riesen Briareus bewegtet, ihr sollt mir’s doch bezahlen.«
Und dies ausrufend und sich von ganzem Herzen seiner Herrin Dulcinea befehlend und sie bittend, ihm in so entscheidendem Augenblicke beizustehen, wohl gedeckt mit seinem Schilde, mit eingelegtem Speer, sprengte er an im vollsten Galopp Rosinantes und griff die erste Mühle vor ihm an; aber als er ihr einen Lanzenstoß auf den Flügel gab, drehte der Wind diesen mit solcher Gewalt herum, daß er den Speer in Stücke brach und Roß und Reiter mit sich fortriß, so daß sie gar übel zugerichtet übers Feld hinkugelten.
Sancho Pansa eilte im raschesten Trott seines Esels seinem Herrn beizustehen, und als er herzukam, fand er, daß Don Quijote sich nicht regen konnte, so gewaltig war der Stoß, mit dem Rosinante ihn niedergeworfen. »So helf mir Gott!« sprach Sancho, »hab ich’s Euer Gnaden nicht gesagt, Ihr möchtet wohl bedenken, was Ihr tuet, es seien nur Windmühlen, und das könne nur der verkennen, der selbst Windmühlen im Kopf habe?«
»Schweig, Sancho«, antwortete Don Quijote. »Denn die Dinge des Krieges, mehr als andere, sind fortwährendem Wechsel unterworfen; zumal ich meine, und gewiß verhält sich’s so, daß jener weise Fristón, der mir das Zimmer und die Bücher entführte, diese Riesen in Windmühlen verwandelt hat, um mir den Ruhm ihrer Besiegung zu entziehen; solche Feindseligkeit hegt er gegen mich. Aber am Ende, am Ende werden seine bösen Künste wenig vermögen gegen die Macht meines Schwertes.«
»Gott füge das so, er vermag’s«, entgegnete Sancho Pansa und half ihm, sich zu erheben; und der Ritter stieg wieder auf seinen Rosinante, der nahezu buglahm war.
Unter Gesprächen über das stattgehabte Abenteuer zogen sie nun des Weges weiter nach dem Gebirgspaß Lápice; denn dort, sagte Don Quijote, müßten sich, es sei nicht anders möglich, viele und mannigfache Abenteuer finden, weil es eine vielbegangene Örtlichkeit sei. Nur war er sehr betrübt, weil ihm der Speer zersplittert war; und seinem Knappen dies klagend, sprach er zu ihm: »Ich erinnere mich, gelesen zu haben, daß ein spanischer Ritter namens Diego Pérez de Vargas, als ihm in einer Schlacht das Schwert zerbrach, von einer Eiche einen gewichtigen Ast oder Stumpf losbrach und damit solcherlei Taten an jenem Tag verrichtete und damit auf so viele Mohren klopfte, daß ihm davon die Bezeichnung Machuca (Klopfedrauf) als Zuname blieb, und so nannte er wie seine Nachkommen sich von jenem Tage fürderhin Vargas y Machuca. Dies hab ich dir darum gesagt, weil ich beabsichtige, von der ersten Stechpalme oder Eiche, die sich mir darbeut, auch einen solchen und ebenso tüchtigen Ast abzureißen, und ich meine und gedenke, mit ihm solche Großtaten zu tun, daß du dich für hochbeglückt halten sollst, ihres Anblicks würdig erachtet und Zeuge von Dingen geworden zu sein, die kaum glaublich erscheinen.«
»Das gebe Gott«, sprach Sancho, »ich glaube alles, so wie Euer Gnaden es sagt; aber richtet Euch doch ein wenig gerade auf, denn mich dünkt, Ihr hängt nach einer Seite herüber, und das muß von der Quetschung beim Sturze sein.«
»So ist’s wirklich«, antwortete Don Quijote; »und wenn ich ob des Schmerzes nicht wehklage, so ist es darum, weil es den fahrenden Rittern nicht vergönnt ist, ob irgendwelcher Wunde zu wehklagen, selbst wenn die Eingeweide aus ihr heraushängen sollten.«
»Wenn es so ist, so habe ich nichts zu erwidern«, entgegnete Sancho, »aber Gott weiß, ob ich mich freuen würde, wenn Euer Gnaden wehklagen wollte, wenn Euch etwas weh tut. Von mir kann ich versichern, ich werde über den kleinsten Schmerz, den ich fühlen mag, jammern, wenn nicht etwa der Punkt wegen des Nichtwehklagens sich auch von den Schildknappen der fahrenden Ritter versteht.«
Don Quijote konnte nicht umhin, über die Einfalt seines Schildknappen zu lachen, und so erklärte er ihm, er dürfe allerdings wehklagen, wie und wann er möge, wider Willen oder mit Willen; denn bis jetzt habe er nichts dagegen in den Ordnungen des Rittertums gelesen.
Sancho sagte ihm nun, er möge bedenken, daß es Essenszeit sei.
Sein Herr antwortete ihm, für jetzt tue das ihm selbst nicht not; er aber möchte essen, wann es ihn gelüste.
Auf diese Erlaubnis hin setzte sich Sancho, so gut er konnte, auf seinem Esel zurecht, nahm aus dem Zwerchsack, was er darein getan, und zog reitend und essend hinter seinem Herrn gar langsam einher und setzte von Zeit zu Zeit die Lederflasche mit so großem Wohlbehagen an den Mund, daß ihn der größte Feinschmecker unter den Schenkwirten von Malaga hätte beneiden mögen. Und während er solchergestalt hinzog und einen Schluck nach dem andern tat, kam ihm nichts von allem in den Sinn, was ihm sein Herr nur immer versprochen haben mochte, und er hielt es nicht für Mühsal, sondern für große Ergötzlichkeit, auf die Suche nach Abenteuern zu gehen, so gefahrvoll sie auch wären.
Schließlich verbrachten sie die Nacht unter Bäumen, und von einem derselben brach Don Quijote einen trockenen Ast ab, der ihm zur Not als Speer dienen konnte, und befestigte daran die Eisenspitze, die er von dem Schaft, der ihm in Stücke gegangen, löste.
Diese ganze Nacht schlief Don Quijote nicht und dachte an seine Herrin Dulcinea, um sich nach dem zu richten, was er in seinen Büchern gelesen, wo die Ritter viele Nächte schlaflos in Wäldern und Einöden zubrachten, mit Erinnerungen an ihre Gebieterinnen sich unterhaltend.
Nicht so verbrachte sie Sancho Pansa; denn da sein Magen voll war, und nicht mit Zichorienwasser, durchschlief er die ganze Nacht in einem Zuge, und wenn sein Herr ihn nicht gerufen hätte, wären die Sonnenstrahlen, die ihn ins Gesicht trafen, nicht imstande gewesen, ihn aufzuwecken, ebensowenig wie der Gesang der Vögel, die zahlreich und gar fröhlich die Ankunft des neuen Tages begrüßten. Beim Aufstehen machte er seiner Lederflasche einen Besuch und fand sie etwas schlaffer als den Abend vorher, und es ward ihm das Herz schwer, weil es ihn bedünkte, daß sie nicht einen solchen Weg einschlugen, wo diesem Mangel bald wieder abzuhelfen wäre.
Don Quijote wollte kein Frühstück zu sich nehmen, weil er, wie gesagt, des Sinnes war, sich mit süßen Erinnerungen zu nähren. Sie wandten sich wieder auf den bereits eingeschlagenen Weg nach dem Passe Lápice, und sie erblickten ihn ungefähr um die dritte Stunde des Mittags. »Hier«, sprach Don Quijote, als er seiner ansichtig wurde, »hier können wir die Hände bis an den Ellenbogen in das stecken, was man Abenteuer nennt. Allein beachte wohl, daß du, wenn du mich in den größten Fährlichkeiten erblicken solltest, nicht Hand an dein Schwert legen darfst, um mich zu verteidigen, falls du nicht etwa siehst, daß, die mich angreifen, Pöbel und niederes Gesindel sind; denn in solchem Fall darfst du wohl mir zu Hilfe kommen. Jedoch wenn es Ritter sind, so ist es dir in keiner Weise statthaft noch durch die Gesetze des Rittertums vergönnt, mir beizustehen, bis du zum Ritter geschlagen bist.«
»Sicherlich, Señor«, erwiderte Sancho, »soll Euch hierin völlig gehorsamt werden, um so mehr, als ich von mir aus friedfertig bin und die größte Abneigung habe, mich in Händel und Streitigkeiten zu mischen. Zwar wenn es sich einmal darum handelt, mich zu verteidigen, da werd ich nicht viel Rücksicht auf diese Gesetze nehmen, da göttliche und menschliche Gesetze erlauben, daß jeder sich gegen den wehre, der ihm etwas zuleide tun will.«
»Dagegen sage ich nichts«, antwortete Don Quijote; »aber mir gegen Ritter beizustehen, in diesem Betreff mußt du deinen natürlichen Ungestüm in Schranken halten.«
»Ich erkläre förmlich, daß ich so tun werde«, erwiderte Sancho, »und daß ich diese Vorschrift so heilig halten will wie den Sonntag.«
Als sie mitten in diesem Gespräche waren, ließen sich von fern auf der Straße zwei Brüder vom Benediktinerorden sehen; sie ritten auf Dromedaren, denn nicht kleiner als solche waren die beiden Maultiere, auf denen sie einherzogen. Sie trugen Reisebrillen und Sonnenschirme. Hinter ihnen kam eine Kutsche, begleitet von vier oder fünf Leuten zu Pferd und zwei Maultierjungen zu Fuß. In der Kutsche saß, wie man später erfuhr, eine Dame aus Biscaya; sie reiste nach Sevilla, wo sich ihr Mann befand, der in einem höchst ehrenvollen Amte nach Indien ging. Die Mönche reisten nicht mit ihr, obwohl sie desselben Weges zogen. Und kaum erblickte sie Don Quijote, als er seinem Knappen sagte: »Entweder ich täusche mich sehr, oder dies wird das prächtigste Abenteuer, das man je gesehen; denn diese schwarzen Gestalten, welche sich dort zeigen, müssen Zauberer sein, ja sind es ohne Zweifel, die eine geraubte Prinzessin in dieser Kutsche fortführen, und es tut not, mit all meinen Kräften dieser Ungebühr zu steuern.«
»Das wird schlimmer als die Windmühlen«, sagte Sancho; »bedenket, Señor, daß es Mönche vom Orden des heiligen Benedikt sind, und die Kutsche enthält jedenfalls nur Reisende. Bedenket, ich sage, bedenket ernstlich, was Ihr tut, damit der Teufel Euch nicht berücke.«
»Ich habe dir schon gesagt«, antwortete Don Quijote, »daß du im Punkte der Abenteuer nicht viel verstehst; was ich sage, ist wahr, und gleich sollst du es sehen.«
Und dies sagend, ritt er vorwärts und hielt mitten auf dem Wege, den die Mönche einherzogen; und als sie so nahe waren, daß es ihn bedünkte, sie könnten hören, was er ihnen zu sagen habe, sprach er mit lauter Stimme: »Teuflisches, ungeschlachtes Volk, gleich auf der Stelle laßt die hohen Prinzessinnen frei, die ihr in dieser Kutsche bewältigt von dannen führt; wo nicht, so bereitet euch, augenblicklichen Tod zu empfangen, zur gerechten Strafe eurer bösen Taten.«
Die Mönche hielten die Zügel an und waren hoch erstaunt sowohl über die Gestalt Don Quijotes als auch über seine Reden, und sie antworteten: »Herr Ritter, wir sind weder teuflisch noch ungeschlacht, sondern zwei Geistliche vom Benediktinerorden, die ihres Weges ziehen und nicht wissen, ob oder ob nicht in dieser Kutsche bewältigte Prinzessinnen fahren.«