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„Hugh!" rief der fremde Wilde und fuhr in der Sprache seines Volkes fort — „der Kahn ist gefunden, aber es ist Niemand da, mir zu helfen. Kommt, laßt uns ihn vom Felsen losmachen."
„Gern," antwortete Chingachgook, welcher den Dialekt verstand, „führe uns, wir wollen folgen."
Der Fremde, welcher mitten in dem Brausen der Wasser die Stimme und den Accent nicht zu unterscheiden vermochte, führte sie in der erforderlichen Richtung, wobei die beiden Letzteren sich dicht an seine Ferse hielten, und so erreichten alle Drei schnell den Kahn. Der Irokese hielt an dem einen Ende, Chingachgook stellte sich in der Mitte auf, und Jasper begab sich zu dem andern, da es von Wichtigkeit war, daß der Fremde nicht die Anwesenheit eines Blaßgesichts gewahr werde, — eine Entdeckung, die eben so gut durch die Kleidungsstücke, welche der junge Mann noch trug, als durch das Sichtbarwerden seines Kopfes hätte herbeigeführt werden mögen.
„Lüpft!" sagte der Irokese mit der seiner Rasse eigenthümlichen Kürze, und mit geringer Anstrengung machten sie den Kahn vom dem Felsen los, hielten ihn einen Augenblick in der Luft, um ihn auszuleeren, und setzten ihn dann sorgfältig in der geeigneten Lage auf das Wasser. Alle Drei hielten fest, damit er nicht unter dem heftigen Drängen der Strömung ihren Händen entschlüpfte, während der Irokese, welcher den Curs leitete und sich an dem Bug des Kahnes befand, die Richtung nach dem östlichen Ufer, oder dem Orte, wo seine Freunde seine Rückkehr erwarteten, einschlug.
Da der Delaware und Jasper auf dem Umstand, daß ihre eigene Erscheinung dem Indianer so gar nicht aufgefallen war, annehmen konnten, daß sich noch mehrere Irokesen in der Stromenge befanden, so fühlten sie die Nothwendigkeit der äußersten Vorsicht. Männer von weniger Muth und Entschlossenheit würden zuviel Gefahr zu laufen gefürchtet haben, wenn sie sich in die Mitte ihrer Feinde begaben; aber die kühnen Gränzleute kannten die Furcht nicht, waren mit Gefahren vertraut, und sahen die Nothwendigkeit, wenigstens die Besitzergreifung des Fahrzeugs von Seite der Feinde zu verhindern, zu sehr ein, um nicht mit Freuden zu Erringung dieses Zweckes sich sogar noch größeren Wagnissen zu unterziehen. Jaspern erschien auch in der That der Besitz oder die Zerstörung dieses Kahnes für Mabel so wichtig, daß er sein Messer zog, und sich bereit hielt, Löcher in denselben zu stoßen, um ihn wenigstens für den Augenblick unbrauchbar zu machen, wenn er und der Delaware durch irgend einen Umstand zum leeren Rückzug genöthigt werden sollten.
Mittlerweile schritt der Irokese, welcher den Zug anführte, in der Richtung seiner eigenen Partei, langsam durch das Wasser und schleppte seine widerstrebenden Hintermänner nach. Einmal hatte Chingachgook schon seinen Tomahawk erhoben, um ihn in das Hirn seines vertrauenden und argwohnlosen Nachbars zu senken; aber die Wahrscheinlichkeit, daß der Todesschrei oder der schwimmende Körper Lärm erregen würden, veranlaßte den behutsamen Häuptling, sein Vorhaben zu ändern. Im nächsten Augenblick bereute er jedoch seine Unentschlossenheit, denn plötzlich fanden sich die Drei, welche den Kahn festhielten, von vier Andern umgeben, welche gleichfalls nach dem Fahrzeug spähten.
Nach den gewöhnlichen kurzen charakteristischen Ausrufungen, welche ihre Zufriedenheit bezeichneten, hielten die Wilden den Kahn mit Lebhaftigkeit an; denn Alle schienen die Notwendigkeit, sich dieser wichtigen Erwerbung zu versichern, zu fühlen, da solche auf der einen Seite zur Verfolgung der Feinde, auf der andern zur Sicherung des Rückzuges dienen sollte. Dieser Zuwachs der Gesellschaft war jedoch so unerwartet, und gab dem Feinde ein so vollständiges Uebergewicht, daß sich selbst der Scharfsinn und die Gewandtheit des Delawaren einige Augenblicke in Verlegenheit befand. Die fünf Irokesen, welche den Werth ihrer Sendung vollkommen erkannten, drängten gegen ihr Ufer zu, ohne zu einer Besprechung anzuhalten: denn ihre Absicht ging in Wahrheit dahin, die Ruder, deren sie sich vorläufig versichert hatten, zu holen, und drei oder vier Krieger einzuschiffen, sammt allen ihren Büchsen und Pulverhörnern, deren Mangel allein sie verhindert hatte, sobald es dunkel war, über den Fluß zu schwimmen.
So erreichten nun Freunde und Feinde mit einander den Rand des östlichen Fahrwassers, wo, wie in dem westlichen, das Wasser zu tief war, um durchwatet werden zu können. Hier erfolgte eine kurze Pause, denn es war nöthig, die Art zu bestimmen, wie man den Kahn darüber wegbringen solle. Einer von den Vieren, welcher eben bei dem Boot angelangt war, war ein Häuptling, und da der amerikanische Indianer dem Verdienst, der Erfahrung und dem Range Achtung zu zollen gewöhnt ist, so verhielten sich alle Uebrigen stille, bis her Führer gesprochen hatte.
Durch diesen Halt wurde die Gefahr einer Entdeckung für Jasper, obgleich er zur Vorsorge seine Mütze in den Kahn geworfen hatte, noch vermehrt. Doch mochten seine Umrisse in der Dunkelheit, da er Jacke und Hemd ausgezogen hatte, weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und seine Stellung am Hintertheile des Kahnes begünstigte gleichfalls ein Verborgenbleiben, da die Indianer mehr vorwärts blickten. Nicht so verhielt sich's mit Chingachgook, welcher sich buchstäblich mitten unter seinen tödtlichsten Feinden befand und sich kaum bewegen konnte, ohne einen derselben zu berühren. Er verhielt sich jedoch ruhig, obgleich alle seine Sinne rege waren und er jeden Augenblick bereit stand, zu entwischen, oder im geeigneten Moment einen Schlag zu führen. Die Gefahr einer Entdeckung wurde noch dadurch vermindert, daß er sich sorgfältig enthielt, auf die, welche hinter ihm waren, zurück zu blicken, und so wartete er mit der unüberwindlichen Geduld eines Indianers auf den Augenblick, welcher ihm zu handeln gestattete.
„Mögen alle meine jungen Leute an's Land gehen und ihre Waffen holen, bis auf die zwei an den Enden des Boots. Diese mögen den Kahn über die Strömung wegbringen."
Die Indianer gehorchten ruhig und ließen Jasper an dem Stern, und den Indianer, welcher den Kahn aufgefunden hatte, an dem Bug des leichten Fahrzeuges. Chingachgook tauchte so tief in den Fluß, daß er ohne entdeckt zu werden, an den Andern vorbei kommen konnte. Das Plätschern in dem Wasser, das Schlagen der Arme und der gegenseitige Zuruf verkündete bald, daß die Vier, welche sich später zu der Gesellschaft gefunden, im Schwimmen begriffen waren. Sobald der Delaware sich hievon überzeugt hatte, erhob er sich, nahm seine frühere Stellung wieder ein und dachte nun aus den Augenblick des Handelns.
Ein Mann von geringerer Selbstbeherrschung als der unseres Kriegers würde wahrscheinlich jetzt seinen beabsichtigten Streich ausgeführt haben. Aber Chingachgook wußte, das noch mehr Irokesen hinter ihm in der Strömung sich befanden, und er war ein zu geübter und erfahrener Krieger, um irgend etwas unnützerweise zu wagen. Er ließ deßhalb den Indianer am Bug des Kahnes in das tiefe Wasser stoßen, und nun schwammen alle Drei in der Richtung des östlichen Ufers fort. Statt aber das Fahrzeug quer über die rasche Strömung treiben zu helfen, begannen Jasper und der Delaware, als sie sich mitten in dem kräftigsten Schusse des Wassers befanden, in einer Weise zu schwimmen, daß dadurch die weiteren Fortschritte in die Quere des Stromes verhindert wurden. Dieß geschah jedoch nicht plötzlich oder in der unvorsichtigen Manier, mit welcher ein civilisirter Mensch den Kunstgriff versucht haben würde, sondern mit Schlauheit und so allmählig, daß der Irokese am Bug zuerst dachte, er habe blos gegen die Gewalt der Strömung anzukämpfen. Wirklich trieb auch unter dem Einfluß dieser gegenwirkenden Operation der Kahn stromabwärts und schwamm in ungefähr einer Minute in dem stillen tieferen Wasser am Fuße der Stromenge. Hier fand jedoch der Irokese bald, daß etwas Ungewöhnliches sich dem Weiterkommen entgegenstemme, und als er zurückblickte, wurde es ihm klar, daß er den Grund desselben in den Bemühungen seiner Gehülfen zu suchen habe.
Jene zweite Natur, welche in uns die Gewohnheit erzeugt, sagte dem Irokesen schnell, daß er allein mit seinen Feinden sei. Mit einem raschen Stoße durch das Wasser fuhr er Chingachgook an die Kehle, und nun ergriffen sich die beiden Indianer, welche ihren Posten am Kahne verlassen hatten, mit der Wuth der Tiger. In der Mitte der Finsterniß und der düsteren Nacht, in einem Elemente schwimmend, das so gefährlich für einen tödtlichen Kampf sein mußte, schienen sie Alles mit Ausnahme ihres blutigen Hasses und des gegenseitigen Bestrebens, den Sieg davon zu tragen, vergessen zu haben.
Jasper hatte nun den Kahn, der unter den durch das Ringen der beiden Kämpfer hervorgebrachten Wellenstößen wie eine Feder im Winde dahin flog, völlig in seiner Macht. Der erste Gedanke des Jünglings war, dem Delawaren zu Hülfe zu schwimmen. Dann aber zeigte sich ihm die Wichtigkeit der Sicherung des Kahnes in ihrer vollen Gewalt, und während er auf die schweren Athemzüge der beiden Krieger, welche sich an den Kehlen gefaßt hielten, horchte, trieb er so eilig als er es vermochte, dem westlichen Ufer zu. Dieses hatte er bald erreicht, und nach kurzem Suchen die zurückgebliebene Gesellschaft, wie auch seine Kleider wieder aufgefunden. Wenige Worte genügten, um die Lage, in welcher er den Delawaren verlassen, und die Art, wie er den Kahn gerettet, auseinander zu setzen.
Als die am Ufer Befindlichen die Mittheilung Jaspers gehört hatten, trat eine tiefe Stille ein, und jeder lauschte aufmerksam in der eiteln Hoffnung, etwas zu vernehmen, was über den Ausgang des schrecklichen Kampfes, welcher im Wasser stattgefunden, oder noch fortdauerte, Aufschluß geben konnte. Aber man vernahm nichts durch das Geräusch des brausenden Flusses, und es gehörte mit zu der Politik ihrer Feinde auf dem entgegengesetzten Ufer, eine todtengleiche Stille zu beobachten.
„Nehmt dieses Ruder, Jasper," sagte Pfadfinder ruhig, obgleich es den Uebrigen dünkte, daß seine Stimme melancholischer als gewöhnlich tönte, „und folgt mir mit Euerm Kahn. — Es ist nicht räthlich, lange hier zu bleiben."
„Aber der Serpent?"
„Die große Schlange ist in den Händen ihrer eigenen Gottheit, und wir leben oder sterben, je nach den Absichten der Vorsehung. Wir können ihm nicht helfen und würden zuviel wagen, wenn wir müßig hier bleiben und wie Weiber im Unglück jammern wollten. Diese Finsternis, ist kostbar." —
Ein lauter, langer, durchdringender Schrei drang vom Ufer herüber und unterbrach die Worte des Wegweisers.
„Was bedeutet dieser Lärm, Meister Pfadfinder?" fragte Cap. „Er klingt ja mehr wie das Zetergeschrei der Teufel, als wie Töne aus den Kehlen von Menschen und Christen."
„Christen sind es keine, geben sich auch für keine aus, und wollen keine sein; und wenn Ihr sie Teufel nennt, so habt Ihr sie kaum unrecht betitelt. Dieser Schrei ist ein Freudenruf, wie ihn die Sieger ausstoßen. Es ist kein Zweifel, der Körper des Serpent ist todt oder lebendig in ihrer Gewalt."
„Und wir —," rief Jasper, welcher den Schmerz einer edlen Reue fühlte, denn der Gedanke vergegenwärtigte sich seinem Geiste, daß er wohl dieses Unglück abzuwenden vermocht hätte, wenn er seinen Kameraden nicht verlassen haben würde.
„Wir können dem Häuptling nichts nützen, Junge, und müssen diesen Platz so schnell als möglich verlassen."
„Ohne einen Versuch zu seiner Befreiung? — ja ohne zu wissen, ob er todt oder lebendig ist?"
„Jasper hat Recht," sagte Mabel, welche zwar zu sprechen vermochte, jedoch nur mit heiserer und erstickter Stimme. „Ich habe keine Furcht, Onkel, und will hier bleiben, bis ich weiß, was aus unserem Freunde geworden ist."
„Das scheint vernünftig, Pfadfinder," warf Cap ein. „Ein rechter Seemann kann nicht wohl seinen Kameraden verlassen, und es freut mich, so richtige Grundsätze unter diesem Frischwasservolk zu finden."
„Fort, fort damit," erwiederte der ungeduldige Wegweiser, indem er zugleich den Kahn in den Strom drängte. „Ihr wißt nichts, darum fürchtet Ihr nichts. Aber wenn Euch Euer Leben werth ist, so denkt daran, die Garnison zu erreichen und überlaßt den Delawaren den Händen der Vorsehung. Ach! der Hirsch, der zu oft zu der Lick geht, trifft am Ende doch mit dem Jäger zusammen!"
Siebentes Kapitel.
Dieß — Yarrow — ist der Strom, darob
In schönem wachem Traume
Die Phantasie sich kühn erhob —
Ein Bild, verwischt im Schaume!
O wär' des Sängers Harfe hier.
Daß frohe Lieder klängen.
Um aus dem schweren Busen mir
Die Oede zu verdrängen!
Wordsworth.
Die Scene war nicht ohne ihre erhabenen Momente. Die glühende, hochherzige Mabel fühlte ihr Blut durch die Adern dringen und ihre Wangen erröthen, als der Kahn in den Strom einlenkte, um den Platz zu verlassen. Die Finsterniß der Nacht hatte nachgelassen, da die Wolken sich zerstreuten; aber das überhängende Gehölz umnachtete die Ufer so sehr, daß die Kähne wie in einem dunkeln Schachte, welcher sie gegen Entdeckung schützte, in der Strömung hinabfuhren. Demungeachtet aber durften sich die in den Kähnen Befindlichen keineswegs für sicher halten, und selbst Jasper, welcher für das Mädchen zu zittern begann, warf bei jedem ungewöhnlichen Tone, der von dem Walde ausstieg, besorgte Blicke umher. Das Ruder wurde mit Leichtigkeit und der äußersten Sorgfalt geführt, denn der leichteste Ton mochte in der tiefen Ruhe dieser Stunde und dieses Ortes den wachsamen Ohren der Irokesen ihre Stellung verrathen.
Alles dieß erhob noch die großartigen Eindrücke der Lage des Mädchens und trug dazu bei, den gegenwärtigen Augenblick zu den aufregendsten zu machen, der Mabel je in ihrem kurzen Leben vorgekommen war. Muthig, voll Selbstvertrauen, wie sie war, und noch gehoben durch den Stolz, welchen sie als die Tochter eines Soldaten fühlte, konnte man kaum von ihr sagen, daß Furcht auf sie einwirke, aber ihr Herz schlug oft schneller als gewöhnlich, ihr schönes Auge strahlte, unbemerkt in der Finsterniß, mit dem Ausdruck der Entschlossenheit, und ihre belebten Gefühle steigerten noch die Erhabenheit dieser Scene und der Ereignisse dieser Nacht.
„Mabel," sprach Jasper mit unterdrückter Stimme, als die Kähne so nahe bei einander schwammen, daß die Hand des jungen Mannes sie zusammenhalten konnte. „Sie haben keine Furcht und vertrauen freimüthig unserer Sorgfalt und unserm guten Willen Ihren Schutz — nicht wahr?"
„Ich bin eines Soldaten Tochter, wie Ihr wißt, Jasper Western, und müßte erröthen, wenn ich Furcht bekennen sollte."
„Verlassen Sie sich auf mich — auf uns Alle. Euer Onkel, der Pfadfinder, der Delaware, wenn der arme Bursche hier wäre, — und ich selbst werden eher Alles wagen, ehe Ihnen ein Leides zustoßen soll."
„Ich glaube Euch, Jasper," erwiederte das Mädchen, indem sie unwillkürlich ihre Hand in dem Wasser spielen ließ. „Ich weiß, daß mein Onkel mich liebt und nie an sich selber denkt, ohne zuerst an mich gedacht zu haben; auch glaube ich, daß ihr Alle Freunde meines Vaters seid und gerne seinem Kinde beisteht. Aber ich bin nicht so schwach und zaghaft, als Ihr glauben mögt; denn obgleich ich nur ein Stadtmädchen und, wie die meisten von dieser Klasse, ein wenig geneigt bin, Gefahr zu sehen, wo keine ist, so verspreche ich Euch doch, Jasper, daß keine thörichte Furcht von meiner Seite der Ausübung Eurer Pflicht in den Weg treten soll."
„Des Sergeanten Tochter hat Recht, und sie ist werth, ein Kind des wackern Thomas Dunham zu sein," warf der Pfadfinder ein. „Ach, mein Kind, wie oft spähete oder marschirte ich mit Ihrem Vater an den Flanken oder der Nachhut des Feindes in Nächten, die dunkler waren als diese, und zwar unter Umständen, wo Keiner wissen konnte, ob ihn nicht der nächste Augenblick in einen blutigen Hinterhalt führe. Ich war an seiner Seite, als er in der Schulter verwundet wurde, und der wackere Kamerad wird, wenn wir zu ihm kommen, Ihnen erzählen, wie wir's anstellten, um über den Fluß, der uns im Rücken lag, zu setzen, und seinen Skalp zu retten."
„Er hat mir's erzählt," sagte Mabel mit mehr Feuer, als in ihrer gegenwärtigen Lage klug sein mochte. „Ich habe Briefe von ihm, in welchen er von allem Diesem Erwähnung thut, und ich danke Euch von Grund meines Herzens für Eure Dienste. Gott möge es Euch vergelten, Pfadfinder; und es gibt keine Erkenntlichkeit, die Ihr von der Tochter fordern könntet, welche sie nicht mit Freuden für ihres Vaters Leben leisten würde."
„Ja, das ist so die Weise von euch sanften und reinen Geschöpfen. Ich habe früher Einige von euch kennen gelernt, und von Andern gehört. Der Sergeant selbst hat mir von seinen jüngern Tagen erzählt, von Ihrer Mutter, von der Art, wie er um sie freite und von all den Querstrichen und widrigen Zufällen, bis er es zuletzt durchsetzte."
„Meine Mutter lebte nicht lange genug, um ihn für Alles zu entschädigen, was er that, sie zu gewinnen," sprach Mabel mit bebender Lippe.
„So sagt er mir. Der brave Sergeant hat gegen mich keinen Rückhalt, und da er um manches Jahr älter ist als ich, so betrachtete er mich auf unsern mannigfaltigen Späherzügen als so eine Art von Sohn."
„Vielleicht, Pfadfinder," bemerkte Jasper mit einer Unsicherheit der Stimme, welche den beabsichtigten Scherz vereitelte, „würde er erfreut sein, in Euch wirklich einen solchen zu besitzen?"
„Und wenn er's wäre, Eau-douce, läge etwas Arges darin? Er weiß, was ich auf der Fährte und als Kundschafter bin, und hat mich oft Aug' in Auge mit den Franzosen gesehen. Ich habe bisweilen gedacht, Junge, daß wir Alle uns Weiber suchen sollten, denn der Mann, der beständig in den Wäldern und in Berührung mit seinen Feinden oder seiner Beute steht, muß zuletzt einige Gefühle seines Geschlechts verlieren."
„Nach den Proben, die ich davon gesehen habe," erwiederte Mabel, „möchte ich sagen, daß die, welche viel in den Wäldern leben, auch vergessen, so Manches von der Hinterlist und den Lastern der Städte zu lernen!"
„Es ist nicht leicht, Mabel, immer in der Gegenwart Gottes zu weilen, und nicht die Macht seiner Güte zu fühlen. Ich habe den Gottesdienst in den Garnisonen besucht und, wie es einem braven Soldaten ziemt, versucht, an den Gebeten Antheil zu nehmen; denn, obgleich ich nicht auf der Dienstliste des Königs stehe, so kämpfe ich doch in seinen Schlachten und diene seiner Sache; — aber so sehr ich mich auch bemühte, den Garnisonsbrauch würdig mitzumachen, so konnte ich mich doch nie zu den feierlichen Gefühlen und zu der treuen Hingebung erheben, welche ich empfinde, wenn ich allein mit Gott in den Wäldern bin. Hier stehe ich Angesicht in Angesicht mit meinem Meister. Alles um mich ist frisch und schön, wie es aus Seiner Hand kommt. Da gibt es keine spitzfindigen Doktrinen, um das Gefühl zu erkälten. Nein, nein, die Wälder sind der wahre Tempel Gottes, in welchem die Gedanken frei sich erheben und über die Wolken dringen."
„Ihr sprecht die Wahrheit, Meister Pfadfinder," sagte Cap, „und eine Wahrheit, welche Alle, die viel in der Einsamkeit leben, kennen. Was ist zum Beispiel der Grund, daß die Seeleute im Allgemeinen so religiös und gewissenhaft in ihrem ganzen Thun und Lassen sind, wenn es nicht der Umstand ist, daß sie sich so oft allein mit der Vorsehung befinden, und so wenig mit der Gottlosigkeit des Landes verkehren? Oft und vielmal bin ich auf meiner Wache gestanden, unter dem Aequator oder auf dem südlichen Ocean, wenn die Nächte leuchteten von dem Feuer des Himmels; und dieses, meine Lieben, ist der geeignetste Zeitpunkt, dem sündigen Menschen seinen Zustand zu zeigen. Ich habe mich unter solchen Umständen wieder und wieder niedergeworfen, bis die Wandtaue und Talje-Reepen meines Gewissens mit Macht erknarrten. Ich stimme Euch daher bei, Meister Pfadfinder, und sage, wenn Ihr einen wahrhaft religiösen Mann sehen wollt, geht auf's Meer, oder geht in die Wälder."
„Onkel, ich habe geglaubt, die Seeleute ständen im Allgemeinen in dem Rufe, daß sie wenig Achtung vor der Religion hätten?"
„Alles heillose Verläumdung, Mädchen! frage einmal einen Seefahrer, was seine wirkliche Herzensmeinung über die Bewohner des Landes, die Pfarrer und alle Uebrigen sei, so wirst du etwas ganz Anderes hören. Ich kenne keine Menschenklasse, welche in dieser Beziehung mehr verläumdet wird, als die Seeleute, und aus keinem andern Grund, als weil sie nicht zu Hause bleiben, um sich zu vertheidigen und die Geistlichkeit zu bezahlen. Sie haben freilich nicht so viel Unterricht, als die auf dem Land; aber was das Wesen des Christenthums anbelangt, so segeln die Seeleute die Ufermenschen stets in den Grund."
„Ich will für alles Dieß nicht einstehen, Meister Cap," entgegnete Pfadfinder, „obschon Einiges davon wahr sein mag. Aber es bedarf nicht des Donners und des Blitzes, um mich an meinen Gott zu erinnern, und ich bin nicht der Mann, Seine Güte eher in der Verwirrung und Trübsal zu bewundern, als an einem feierlichen, ruhigen Tage, wo Seine Stimme aus dem Krachen der todten Baumzweige, oder im Gesange eines Vogels meinen Ohren wenigstens eben so lieblich tönt, als wenn ich sie in dem Aufruhr der Elemente vernehmen müßte. Wie ist es mit Euch, Eau-douce? Ihr habt es eben so gut mit Gewittern zu thun, als Meister Cap, und müßt etwas von den Gefühlen kennen, welche im Angesicht eines Sturmes auftauchen."
„Ich fürchte, daß ich zu jung und unerfahren bin, um viel über diesen Gegenstand sagen zu können," erwiederte Jasper bescheiden.
„Ihr fühlt aber doch Etwas dabei!" sagte Mabel rasch. „Ihr könnt nicht — Niemand kann unter solchen Scenen leben, ohne zu empfinden, wie sehr er des Vertrauens auf Gott bedarf."
„Ich will meine Erziehung nicht zu sehr verläugnen, und deßhalb gestehen, daß ich wohl dabei bisweilen meine Gedanken habe, aber ich fürchte, daß dieses nicht so oft und so viel geschieht, als es sollte."
„Frisch-Wasser!" erwiederte Cap nachdrücklich. „Du wirst doch nicht zu viel von dem jungen Mann erwarten, Mabel. Ich denke, man nennt Euch bisweilen mit einem Namen, der alles Dieß bezeichnet, Eau-de-vie, nicht wahr?"
„Eau-douce," entgegnete mit Ruhe Jasper, der sich bei Gelegenheit seiner Fahrten auf dem See sowohl die Kenntniß des Französischen, wie auch mehrere Dialekte der Indianer zu eigen gemacht hatte. „Es ist der Name, den die Irokesen mir gegeben haben, um mich von einigen meiner Gefährten zu unterscheiden, welche einmal eine Fahrt auf dem Meere mitgemacht haben, und nun die Ohren der Landbewohner mit Geschichten von ihren großen Salzwasserseen erfüllen."
„Und warum sollten sie das nicht thun? Sie thun dadurch den Wilden keinen Schaden, und wenn es auch nichts zu ihrer Civilisation beiträgt, so kommen sie dadurch doch nicht in eine noch größere Barbarei. Ja, ja, Eau-douce, denn das mag doch wohl den weißen Branntwein bedeuten, den man füglich genug Eau-deuce[Ein unübersetzbares Wortspiel Mischen dem im Englischen gleichlautenden Eau-douce und Eau-deuce, von denen das letztere Teufelswasser bedeutet.] nennen kann, weil er so ein verteufelter Stoff ist."
„Die Bedeutung von Eau-douce ist süßes Wasser, oder Wasser, welches getrunken werden kann; die Franzosen nennen so das frische Wasser," erwiederte Jasper, welchen die von Cap gemachte Bemerkung, obgleich er Mabels Onkel war, nicht auf's Angenehmste berührte.
„Wer wie zum Henker können sie aus Eau-in-deuce Wasser machen, wenn sie unter Eeau-de-vie Branntwein verstehen? So mögen es meinetwegen die Franzosen in dieser Gegend halten; das ist aber nicht der Brauch in Burdox und andern französischen Häfen. Außerdem versteht man bei den Seeleuten unter Eau immer Branntwein, und unter Eau-de-vie einen Branntwein von höherer Stärke. Ich verdenke Euch übrigens Eure Unwissenheit nicht, denn sie ist Eurer Stellung angemessen, und da ist nicht zu helfen. Wenn Ihr mich aber zurückbegleiten und eine Reise oder zwei auf dem Weltmeer mitmachen wollt, so möchte das für den Rest Eurer Tage einen geeigneten Wendepunkt abgeben, und Mabel hier, wie auch alle andere jungen Frauenspersonen werden besser von Euch denken, wenn Ihr auch so alt werden solltet, als einer von den Bäumen in diesem Forste."
„Nein, nein," unterbrach ihn der redliche und freimüthige Wegweiser, „ich kann Euch versichern, daß es Jaspern in dieser Gegend nicht an Freunden fehlt; und obgleich das Umsehen in der Welt ihm so gut als einem Andern von Nutzen sein kann, so soll doch Niemand geringer von ihm denken, selbst wenn er uns nie verläßt. Eau-douce oder Eau-de-vie — er ist ein braver, treuherziger Junge, und ich habe immer so gesund geschlafen, wenn er auf der Wache war, als wenn ich selbst aufgewesen wäre und mich umgethan hätte; ja, und eben deßhalb noch gesunder. Des Sergeanten Tochter wird es nicht für nöthig halten, daß ein junger Bursche auf's Meer gehe, um ein Mann zu werden oder sich Achtung und Ansehen zu erwerben."