Seewölfe - Piraten der Weltmeere 7/III

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Mit offenem Mund stand Gary Andrews da und beobachtete, wie Batuti sich den zweiten Iren schnappte und ihn durch die Mangel drehte, bis er besinnungslos neben dem anderen lag.
Batuti rieb sich zufrieden die Hände. Seine Augen glänzten, als er sich umdrehte und auf das Getümmel blickte, das immer noch vor der kleinen Bucht tobte.
Stenmark hielt zwei Iren, die nicht viel kleiner waren als er selbst, am Genick und knallte ihre Köpfe zusammen. Mit einem Seufzer legten sich die beiden Männer schlafen.
„Vorsicht, Stenmark!“ die helle Stimme Dan O’Flynns kippte über.
Der blonde Schwede zuckte zusammen und wirbelte herum. Pfeifend zerteilte ein Säbel dicht neben seiner Schulter die Luft. Stenmark packte zu. Er kriegte den Säbelarm zu fassen und drehte ihn herum. Der Ire heulte auf. Er wollte mit der anderen Faust zuschlagen, doch Stenmark stieß ihm den Ellenbogen zwischen die Zähne. Der Säbel fiel in den Sand.
Der Schwede ließ den heulenden Iren los und bückte sich nach dem Säbel. Doch wenn er geglaubt hatte, der Ire würde sich jetzt zur Flucht wenden, hatte er sich getäuscht. Wie ein Berserker griff der gedrungene Mann an. Sein Gesicht war rot, vor Wut verzerrt. Seine Faust öffnete sich. Stenmark sah einen Schleier auf sich zufliegen, und zu spät erkannte er, daß der Ire ihm Sand entgegenschleuderte. Er wollte die Augen zukneifen, doch er schaffte es nicht mehr.
Wie Feuer begannen seine Augen zu brennen. Er sah nichts mehr. Instinktiv stieß er den Säbel vor, aber er traf nur Luft. Er hörte ein Keuchen und dann einen fürchterlichen Schrei. Wie ein Wilder hieb er weiter mit dem Säbel um sich. Nur langsam begann sich der Schleier vor seinen Augen auszulösen.
„Willst du mir unbedingt die Rübe absäbeln?“ schrie Dan O’Flynn. „Halt endlich das Brotmesser still, verdammt noch mal, damit ich mir meine Pike wiederholen kann!“
Stenmark erstarrte. Er wischte sich mit der linken Hand über die Augen. Verschwommen sah er den Iren vor sich im Sand liegen. In seiner Brust steckte die abgekürzte Pike Dan O’Flynns. Das Bürschchen mußte seine fürchterliche Waffe dem Iren entgegengeschleudert haben. Der eiserne Haken hatte sich tief in den Brustkorb des Mannes gebohrt. Blut sickerte in den Sand und färbte ihn dunkel.
Als Dan bemerkte, daß Stenmark wieder sehen konnte, ging er außerhalb der Reichweite des Säbels um den Schweden herum und holte sich seine Pike zurück. Dann blickte er sich nach dem nächsten Gegner um. Batuti hatte sich den letzten Iren geschnappt und schleuderte ihn gegen einen Felsen. Leblos sank der Mann zu Boden.
Matt Davies und Blacky hielten die Iren, die inzwischen wieder zur Besinnung gekommen waren, in Schach. Der blitzende Haken an Matts rechtem Arm schien die rothaarigen Kerle besonders zu beeindrucken. Obwohl ihnen die Wut über die Niederlage in den Gesichtern geschrieben stand, wagten sie nicht, sich zu rühren.
„Jagt die Kerle davon“, sagte Hasard gepreßt. „Sie sollen ihre Verwundeten mitnehmen.“ Er drehte sich um und schwang sich wieder über die Felsbarriere, hinter der immer noch Burton und sein Profos gefesselt lagen.
Isaac Henry Burton zitterte vor Wut. Über sein feistes Gesicht mit den fleischigen Wangen und dem gespaltenen Kinn rann der Schweiß in Strömen. Wahrscheinlich hatte er die ganze Zeit über versucht, seine Fesseln zu lösen. Die blaßblauen Augen funkelten mordlustig, als Hasard auf ihn zutrat, ihn kurz herumwälzte und die Fesseln prüfte, die sich nicht um einen Deut gelockert hatten.
Hasard ging zur Felsbarriere zurück, nachdem er einen kurzen Blick auf die Bai geworfen hatte. Das Boot mit den Spaniern hatte die Hälfte der Strecke bereits geschafft. Die drei Karavellen waren vor Anker gegangen. Sie befanden sich außerhalb der Geschütze der englischen Galeonen.
„Gary, Tom und Blacky bleiben draußen und beobachten die Iren“, sagte Hasard. „Ich kenne die sturen Hunde. Die geben noch nicht auf. Wenn sie merken, daß wir von den Spaniern angegriffen werden, kehren sie auf der Stelle um und fallen wieder über uns her. Nehmt euch jeder so viele Musketen und Pistolen, wie ihr tragen könnt, und sucht euch eine gute Deckung. Schießt das nächste Mal früher, damit sie nicht erst an unsere Bucht herankommen.“
Die drei Männer nickten, während die anderen zurück über die Felsbarriere kletterten und ihnen die Musketen hinüberreichten. Kugeln und Pulver standen ihnen in ausreichender Menge zur Verfügung. Sie hatten sich aus dem Lager in den Drum Hills zur Genüge eingedeckt.
„Binden Sie mich los, Killigrew!“ kreischte Isaac Henry Burton plötzlich los. „Sie werden noch bereuen, was Sie getan haben. Ich bin ein Offizier Ihrer Majestät! Sie werden für Ihr Verbrechen am Galgen …“
Er verstummte. Seine Augen quollen hervor, und er wagte kaum noch zu schlucken, denn dann hätte der spitzgefeilte Haken an der Hand von Matt Davies die Haut an seinem Hals geritzt.
„Halt endlich deine große Schnauze, du widerliche Ratte“, sagte Matt böse, „sonst legen wir dich und deinen Profos um und behaupten, die Iren hätten es getan.“
Burton wurde zuerst bleich, dann traten rote Flecken auf seine schwammigen Wangen.
„Die Idee ist gar nicht mal so schlecht, Matt“, sagte Dan O’Flynn. „Ich hätte nicht gedacht, daß dir so etwas einfallen würde …“
Hasard hörte nicht mehr auf das Gespräch der Männer. Er schob seinen Kopf über den Felsen, der sie gegen die Bai abdeckte. Die Spanier waren schon ziemlich nah. In dem Boot saßen sechzehn Männer. Zehn davon waren Soldaten. Sie trugen Helme und Brustpanzer. Jeder von ihnen hatte eine Muskete bei sich, an ihren Hüften hingen Degen, mit denen sie verdammt gut umgehen konnten.
Hasard wußte, daß diese Spanier allein keine besonders große Gefahr für ihn und seine Männer darstellten. Sie befanden sich hier in sicherer Deckung hinter Felsen und Sandwällen, während die Spanier in dem Boot wie auf einem Präsentierteller saßen. Die Musketenkugeln würden sogar die Bootswand durchschlagen.
Viel mehr Sorgen bereiteten Hasard die anderen Spanier, die von den zusammengeschossenen Karavellen geflüchtet und nun auf dem Weg zurück zur Stiefelspitze – dem Landeplatz – waren, um an Bord der restlichen drei Karavellen zu gelangen. Sie hatten genügend Pulver bei sich, um eine Bombe zu basteln, die Hasard und seine sieben Männer in die Luft blasen konnte.
Verdammt, warum verfolgen die Galeonen die Spanier nicht? Gewiß, es war nicht leicht für die Schiffe, gegen das ablaufende Wasser die Bai hinauszusegeln, aber schließlich war ihre Bewaffnung der der Spanier weit überlegen, so daß das Risiko, selbst eine Niederlage einzustecken, ziemlich gering war.
Hasard blickte zur „Isabella“ hinüber. Ben Brighton konnte ihm nicht helfen. Er hatte kaum genügend Seeleute an Bord, um mit dem Schiff zu manövrieren. Aber an Bord der „Santa Cruz“ und der „Marygold“ waren genügend Leute, die ihnen zur Hilfe eilen konnten. Oder hatte Drake ihn und seine Männer bereits abgeschrieben?
Hasard hatte keine Zeit mehr, weiter darüber nachzudenken. Er konnte schon die Geräusche des Bootes hören. Die Riemen klatschten regelmäßig ins Wasser, und die gedämpfte Stimme eines Spaniers gab leise Befehle.
Dann war nur noch das leise Schwappen der von den Felsen zurückgeworfenen Wellen zu hören. Hasard winkte Batuti, Matt Davies und Stenmark heran. Die Männer hatten geladene Musketen in den Fäusten. Dan O’Flynn kroch auf einen Wink Hasards hin seitlich um den Felsen herum. Er sollte die Spanier von der Seite her mit ein paar Kugeln verunsichern, wenn es ihnen gelang, in die kleine Bucht zu stürmen.
Das Bürschchen grinste. In seinem Gürtel steckten vier Pistolen, und in jeder Hand hielt er eine Muskete. Jetzt fehlt nur noch das Messer quer im Mund, dachte Hasard, dann kippen die Spanier schon bei seinem Anblick aus den Stiefeln.
„Zielt auf die Köpfe oder die Beine“, flüsterte er den anderen zu. „Es ist nicht sicher, ob unsere Kugeln ihre Brustpanzer durchschlagen.“
Die Männer nickten. Batuti hatte die Zähne gefletscht. Er wartete wie die anderen auf den Moment, wenn der Bug des Bootes die Felsnadel passierte, die ihnen den Blick hinauf auf die Bai verwehrte. Sie durften sich nicht aufrichten, denn dann würde einer der Kapitäne auf den spanischen Karavellen sicher auf den Gedanken verfallen, ein paar Kanonen abzufeuern, ohne Rücksicht auf die eigenen Leute zu nehmen.
Hasard fluchte still vor sich hin. Es war bei den Spaniern nicht anders als bei den Engländern. Wenn es um den Erfolg einer Sache ging, war es gleichgültig, wie viele Menschen dafür sterben mußten.
Hasard haßte diesen Standpunkt, aber er wußte, daß er nichts daran ändern konnte.
Langsam schob sich die Bootsspitze um den Felsen, der wie ein langer Finger in die Bai ragte. Die Männer der „Isabella“ hatten ihre Musketen auf den Felsen gelegt und zielten sorgfältig. Sie hörten, wie Eisen gegen Felsen schlug. Wasser plätscherte, dann war wieder Stille.
In Hasards Hinterkopf begann es zu kribbeln. Er spürte, daß irgend etwas nicht in Ordnung war. Seine eisblauen Augen zuckten zu Dan hinüber, aber von dem Bürschchen war nichts zu sehen.
Und dann schob sich das Boot in seiner vollen Länge um die Felsnadel.
Außer den sechs Rudergasten befanden sich nur noch zwei Soldaten an Bord! Sie standen auf einer Ducht und zielten mit ihren Musketen auf die Felsen, hinter denen sich Hasard und seine Männer verbargen.
Fast hätte Hasard zu lange gezögert. Er sah, wie es in den Augen der Soldaten aufblitzte. Sie hatten die Gewehrläufe und die Köpfe entdeckt, die über die Felsen schauten. Sie wollten abdrücken, doch da fauchten ihnen die Kugeln der Engländer schon entgegen.
Die beiden Spanier hatten keine Chance. Die Kugeln aus Stenmarks Muskete riß dem einen das halbe Gesicht weg. Der Soldat kippte nach hinten und fiel auf einen der Rudergasten, die sich ins Boot geworfen hatten, nachdem die erste Salve aufgedonnert war.
Der zweite Soldat stürzte ins Wasser. Eine Kugel hatte seinen Helm getroffen und ihn bewußtlos geschlagen.
„Batuti und Matt!“ schrie Hasard und sprang auf. „Kümmert euch um die Rudergasten! Los, Stenmark, wir müssen die anderen Spanier aufhalten!“
Der Schwede hatte seine Muskete weggeworfen. Er hielt jetzt in jeder seiner mächtigen Pranken eine Pistole, die wie Spielzeuge aussahen. Gleichzeitig mit Hasard schwang er sich über den Felsen, hinter dem Dan O’Flynn verschwunden war.
Eine Muskete donnerte auf. Sie hörten einen gellenden Schrei, der von einem spanischen Soldaten stammen mußte.
Eine helle Stimme schrie: „Arwenack!“ Dann folgte der dünne Knall einer Pistole.
Mit Riesensätzen hastete Hasard und Stenmark auf die Stelle zu, an der geschossen wurde. Hasard spürte, wie ihm etwas Kaltes über den Rücken lief. Das Bürschchen kämpfte allein gegen eine Übermacht von acht spanischen Soldaten!
Hasard verscheuchte die Gedanken daran, was Dan alles passieren konnte. Der leichte Nordwind wehte ihm ins Gesicht und verwandelte die Schweißtropfen auf seiner Stirn in kleine kalte Perlen, die ihn in die Haut zu stechen schienen.
Hasard wich einem großen Felsbrocken aus, und dann sah er die von Felsen umrahmte kleine Bucht vor sich, in der ihr Boot lag.
Wieder krachte ein Pistolenschuß. Ein Spanier, der von den Felsen hinunter auf den Strand springen wollte, warf beide Arme in die Höhe. Sein Gesicht war von einem Augenblick zum anderen blutüberströmt. Die Muskete, die er in den Händen gehalten hatte, klapperte auf die Felsen und bohrte sich dann mit dem Lauf in den hellen Sand des schmalen Strandes.
Hasard blieb abrupt stehen, so daß Stenmark fast aufgelaufen wäre. Die Pistole in Hasards rechter Hand schwang hoch. Feuer und Rauch fauchten aus dem Lauf. Die Kugel riß einem Spanier das Bein unter dem Körper weg. Er stürzte zur Seite und krachte mit dem Helm auf den Lauf der Muskete, die er krampfhaft umklammert hielt. Hastig versuchte er sich aufzurichten, aber sein rechtes Bein knickte wieder ab. In seinen Augen war nichts als Angst. Den Mund weit geöffnet, starrte er auf Hasard und Stenmark, die schon wieder schossen.
Gott sei Dank! dachte Hasard erleichtert. Das Bürschchen war so vernünftig gewesen, in Deckung zu bleiben. Hasard hatte diesen Gedanken kaum zu Ende gedacht, da tauchte der Blondschopf hinter dem Felsen auf. Sein Gesicht war vom Kampfeseifer gerötet. Die Augen blitzten. Voller Begeisterung krähte er mit seiner Stimme, die sich überschlug: „Arwenack!“ und sprang über seine Deckung. Er stürmte mit vorgereckter Pike auf die restlichen vier spanischen Soldaten zu, die sich zu Hasard und Stenmark umgewandt hatten.
Der letzte Schuß von Hasard gab den Spaniern den Rest. Zwei von ihnen lagen mit blutigen Köpfen im Sand und rührten sich nicht mehr. Einer hockte mit wachsbleichem Gesicht an einem Felsen und preßte beide Hände auf den Leib. Zwischen seinen Fingern quoll dunkles Blut hervor. Der junge Bursche mit dem durchschossenen Bein hatte seine Muskete losgelassen und versuchte von den beiden großen Männern, die immer noch ihre rauchenden Pistolen in den Händen hielten, wegzukriechen.
Dan O’Flynn hieb einem Spanier mit der Pike den Helm vom Kopf.
„Schluß jetzt, Dan!“ brüllte Hasard. „Sie haben sich ergeben!“
Das Bürschchen hatte es in seinem Eifer nicht bemerkt, daß die Spanier ihren Widerstand aufgegeben hatten. Fast ein wenig enttäuscht zog er sich zu Hasard und Stenmark zurück.
Hasard nickte Stenmark zu. Der Schwede schnitt sein grimmigstes Gesicht und ging auf die Spanier zu. Er nahm ihnen die Waffen ab und befahl ihnen durch Gesten, daß sie ihre Helme und Panzer abnehmen sollten. Sie gehorchten widerspruchslos. In ihren Augen las Hasard das Entsetzen über die Wildheit, mit der sie hier am Strand empfangen worden waren.
Stenmark und Dan begannen die Spanier zu fesseln, auch den Jungen mit dem durchschossenen Bein. Der Mann mit dem Bauchschuß hatte ausgelitten. Als Dan ihn fesseln wollte, schaute er in zwei leere Augen.
Hasard war zurückgelaufen. Hoffentlich waren Batuti und Matt mit den spanischen Rudergasten fertig geworden. Wenn Batuti und Matt Davies auch zwei Kämpfer mit besonderen Qualitäten waren, so war eine dreifache Übermacht von spanischen Seeleuten nicht zu verachten. Hasard hatte schon oft erlebt, daß Seeleute nicht so leicht aufgaben wie Soldaten. Der Kampf mit den Naturgewalten hatte ihre Muskeln gestählt und ihren Willen darauf ausgerichtet, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen.
Aber Batuti und Matt Davies brauchten keine Unterstützung mehr. Keuchend standen sie da, als Hasard auftauchte, um sich herum die sechs Rudergasten des spanischen Bootes.
Über die Brust Batutis zog sich ein breiter Streifen. Darunter glänzte die nackte, dunkle Bauchdecke. Über dem Gürtel staute sich das Blut. Die helle Segeltuchhose sog sich damit voll und färbte sich rot.
Batuti zog die Lippen in die Breite, als er Hasard auftauchen sah. Die beiden Reihen seiner makellosen Zähne leuchteten wie Perlen. Der Kratzer an der Brust schien ihm nichts auszumachen.
Matt Davies schaute weniger zufrieden drein. Auf seiner Stirn prangte eine eigroße Beule. Vor ihm im Sand lag ein Mann, alle viere weit von sich gestreckt. Ein blutiger Riß verlief über seine linke Gesichtshälfte bis zum Hals hinunter.
„Haut mir der Kerl doch glatt einen Riemen über die Birne, als ob mein Kopf aus Eisen sei“, sagte Matt wütend. „Aber der tut das bestimmt nicht noch mal.“
„Nix schlimm“, sagte Batuti und ließ seine Zähne blitzen. „Wenn Birne kaputt, dann kriegst du Haken auf den Hals.“
„Halt deine Klappe, du hinterhältiger Bastard“, sagte Matt und reckte drohend den Arm mit dem spitzgeschliffenen Eisenhaken vor. „Du hast genau gesehen, daß der Kerl von hinten mit dem Riemen auf mich losging! Ich hab dein Grinsen genau gesehen!“
Batuti blickte Matt Davies treuherzig an.
„Nix Grinsen“, sagte er. „Das war Schmerz wegen Streifschuß auf Brust.“
„Lüg mich nicht an, du nackter Affe!“ schrie Matt, der immer wütender wurde. „Den Kratzer hast du doch gar nicht gespürt!“ Hasard trat zwischen die beiden.
„Laß gut sein, Matt“, sagte er lächelnd. „Ihr könnt euch darüber weiter unterhalten, wenn wir wieder an Bord der ‚Isabella‘ sind. Fesselt die Spanier und bringt sie ins Boot. Wir müssen endlich sehen, daß wir hier verschwinden. Ich habe keine Lust, länger in dieser Falle zu hocken und zu warten, bis die Iren und die Spanier mit allen Männern über uns herfallen.“
„Aye, aye“, sagten die beiden wie aus einem Mund. Sie suchten sich Stricke und Lederriemen, die die Spanier als Gürtel trugen, und fesselten die bewußtlosen Rudergasten. Sie gingen nicht gerade sanft mit den Männern um, aber die spürten davon wenig.
Hasard hockte sich auf den Felsen, von dem aus er die Umgebung nach allen Seiten überblicken konnte. Er stöhnte leise auf, als er sah, daß die Spanier drei weitere Boote zu Wasser gelassen hatten. Wahrscheinlich sollten sie die Engländer, die dort am Ufer hockten, den Schiffbrüchigen den Weg zu den letzten drei Karavellen versperrten und wahrscheinlich für die Sprengung in den Drum Hills verantwortlich waren, endgültig in die Hölle jagen.
Östlich der kleinen Bucht, in der Hasard sich mit seinen Männern verbarg, sah Hasard Bewegung im Gelände. Die schiffbrüchigen Spanier waren nicht mehr allzuweit entfernt. Jetzt fehlte nur noch, daß sich auch die Iren in Dungarvan darauf besannen, daß es doch nicht so schwierig sein könne, einem Haufen von acht verfluchten Engländern zu einer vernünftigen Himmelfahrt zu verhelfen.
Hasards sehnsüchtiger Blick glitt hinüber zu den englischen Galeonen. Was er sah, ließ sein Herz plötzlich schneller schlagen. An der Steuerbordseite der „Marygold“ wurde ein Boot zu Wasser gelassen! Nacheinander stiegen fünfundzwanzig Soldaten hinein. Hasard konnte nicht erkennen, wer der letzte war. Wahrscheinlich „Black“ John Norris selbst. Er war bekannt dafür, daß er gefährliche Operationen gern selbst anführte.
Als Hasard zurück zu den spanischen Karavellen blickte, sank seine Hoffnung wieder. Das Boot von Drakes Schiff hatte fast die doppelte Entfernung wie die spanischen zurückzulegen. Wenn auch die Iren und die Schiffbrüchigen von Land angriffen, würde Norris mit seinen Soldaten erst hier eintreffen, wenn keiner der Männer von der „Isabella“ mehr am Leben war.
Hasards Augen verdunkelten sich, als er auf den gefesselten Burton und seinen vierschrötigen Profos sah. Diesen Kerlen hatten sie es zu verdanken, daß sie hier wie die Mäuse in der Falle hockten. Am liebsten hätte Hasard Batuti befohlen, Burton und seinen Profos in die Bai zu werfen.
3.
Die schwarzen Augen des hageren Mannes auf dem Achterdeck der „Viento del Sur“ waren voller Haß, seit er die englische Galeone erkannt hatte, die unter dem nördlichen Ufer der Dungarvanbai ankerte. Er konnte die Augen nicht von der „Isabella von Kastilien“ wenden. Noch vor wenigen Wochen hatte er diese stolze Galeone geführt, und in ihrem Bauch waren dreißig Tonnen Silber verstaut gewesen, die er aus der Neuen Welt nach Spanien hatte bringen sollen.
Die vergangenen Wochen würde er nie in seinem Leben vergessen. Sie waren eine einzige Kette von Demütigungen gewesen. Er hatte plötzlich keine Freunde mehr, als er endlich mit seinen Männern von den kargen Stränden der Inselgruppe der Berlengas von einem Fischerboot zurück zum Festland gebracht worden war.
Sie, die um seine Freundschaft gebuhlt hatten, als es noch hieß, daß niemandes Karriere so schnell und steil nach oben führen würde wie die von Romero Valdez, sie kannten ihn nicht mehr, sie behandelten ihn wie einen Aussätzigen.
Seine Gönner bei der Casa de Contratacion hatten verbissen geschwiegen, als er um die Möglichkeit gebeten hatte, seinen Fehler wiedergutzumachen.
O nein, sie hatten ihm nicht vorgeworfen, daß er sein Schiff mit der kostbaren Silberladung verloren hatte. Das war schon mehr als einem spanischen Kapitän in den letzten Jahren passiert, ohne daß es seiner Karriere viel geschadet hätte. Nein, er hatte einen unverzeihlichen Fehler begangen. Er hatte es zugelassen, daß die Karten von der Neuen Welt, die für die Casa ein Heiligtum waren, in die Hände der Engländer fielen.
Sie hatten zwei Agenten auf den schwarzhaarigen Teufel, der Philip Hasard Killigrew hieß, angesetzt, aber man hatte bisher noch nicht wieder von ihnen gehört. Romero Valdez war nun sicher, daß die Engländer auch sie gefaßt und getötet hatten.
Romero Valdez hätte am liebsten ausgespuckt, als er das erstemal das Deck seines neuen Schiffes, das er befehligen sollte, betreten hatte. Eine lumpige Karavelle mit mangelhafter Bewaffnung und einer Besatzung, die nicht einmal dazu fähig war, den Lehmboden einer Bodega sauber zu fegen! Und er mußte mit ihr Waffen und Munition nach Irland karren.
Er haßte diese fürchterlichen nordischen Länder, in denen es Tage gab, an denen man vor lauter Nebel nicht atmen konnte. Er haßte die wilden, rauflustigen Bewohner Irlands, die sich mit ihrem schauderhaften Bier Räusche antranken und krakeelten wie verrückte maurische Sklaven.
Nur widerwillig löste Romero Valdez seinen Blick von der „Isabella“ und schaute hinüber zum südlichen Ufer, auf das die drei Boote zupullten, die er losgeschickt hatte, um den Überlebenden der beiden zusammengeschossenen Karavellen den Weg freizukämpfen.
Romero Valdez hatte mit Entsetzen beobachtet, wie die Männer des ersten Bootes von den Engländern niedergemacht worden waren, und er hatte plötzlich mit unerschütterlicher Sicherheit gewußt, daß der große schwarzhaarige Mann, den er für einen kurzen Augenblick gesehen hatte, dieser verfluchte Philip Hasard Killigrew war.
Als er den schwarzhaarigen Teufel sah, tastete seine rechte Hand über den linken Arm, der in einem Winkel von 120 Grad stand und steif war. Die Kugel Killigrews hatte ihm das Ellbogengelenk zerschmettert, als er mit den Seekarten in einem Beiboot hatte flüchten wollen.
Kreise drehten sich vor Valdez’ Augen. Der Haß schüttelte ihn so sehr, daß er das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen.
Erst nach Minuten hatte sich der Capitan einigermaßen beruhigt. Er wußte, daß er kühl bleiben mußte, wenn er seine Rache vollenden wollte. Er hoffte auf das Glück, das er benötigte. Dazu gehörte vor allem, daß Capitan Antonio Zapata, der die erste Karavelle befehligt hatte, im Geschützfeuer der Engländer ums Leben gekommen war. Wenn er das Gefecht nicht überlebt hatte, dann war er, Romero Valdez, der dienstälteste Capitan des kleinen Geschwaders, und er würde alles daransetzen, die Schmach, die sein Leben zerstört hatte, zu tilgen und sich an dem Engländer zu rächen, der allein Schuld war an seinem Unglück.
Er preßte die Zähne zusammen. Seine sonst bräunliche Gesichtsfarbe hatte einen olivgrünen Ton angenommen. Aus zusammengekniffenen Augen beobachtete er, wie die drei Boote mit seinen Leuten etwa dreihundert Schritte westlich der Stelle, an der sich die Engländer verschanzt hatten, landeten.
Sein Kopf ruckte herum. Die Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Grinsen, als er sah, wie sich ein einzelnes Boot von der letzten englischen Galeone löste und verzweifelt gegen den Ebbstrom angepullt wurde.
Diesmal würden die. Engländer den kürzeren ziehen, und wenn der schwarzhaarige Teufel Philip Hasard Killigrew nicht mehr lebte, dann stand ihm, Romero Valdez, nichts mehr im Wege, die „Isabella“ zurückzuerobern und sich zu rehabilitieren.
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