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Anstatt also politische Identitäten zu verbinden oder eine Politik auf die Beine zu stellen, die Identität hinter sich lässt, ist allyship ein Symptom der Politikverdrängung zugunsten individualistischer Selbsthilfe-Techniken und moralinsaurer sozialer Medien im kommunikativen Kapitalismus. Zu ihren Grundannahmen zählen: selbstbezogene Individuen, Politik als Besitzgegenstand, eine auf die Haltung reduzierte Transformation und ein unumstößliches, naturalisiertes Zusammenspiel von Privileg und Unterdrückung. Die Akzentuierung des Unterstützens wurzelt in der Auffassung, Identität sei der primäre politische Faktor, und verlagert mithin die Aufmerksamkeit von strategisch-organisatorischen und taktischen Fragen hin zu verhaltenstechnischen Lackmustests, die von vornherein jene Kollektivität ausschließen, auf die eine revolutionäre linke Politik angewiesen ist. Natürlich braucht die Linke Unterstützer und Bündnispartner. Wer Fortschritte machen will, muss mitunter befristete Bündnisse schließen. Ein Kampf mit dem Kommunismus als Horizont wird eine Reihe taktischer Bündnisse zwischen verschiedenen Klassen, Sektoren und Strömungen erfordern. Aber zeitweilige Unterstützer, die auf ihre Eigeninteressen konzentriert sind, sind nicht dasselbe wie Genossen – obwohl sie Genossen werden können. Insofern sollte meine Kritik am Unterstützer als Symptom und Beschränkung der aktuellen Identitätspolitik nicht missverstanden werden als Ablehnung praktischer Bündnispolitik im Rahmen politischer Auseinandersetzungen. Das wäre absurd. Meine Ablehnung gilt dem Unterstützungskonzept als Form und Modell der Kämpfe gegen Benachteiligung, Verelendung, Enteignung und Ausbeutung.
Der kommunikative Kapitalismus fordert Einmaligkeit. Wir sollen wir selbst sein, für uns selbst sprechen und alles selbst machen. Sich einzufügen, nachzumachen und anderen das Wort zu überlassen wird weithin als schlecht angesehen, als Zeichen für Schwäche, Unwissenheit oder Unfreiheit. Die Unmöglichkeit individueller Politik, die Tatsache, dass politischer Wandel immer nur kollektiv stattfinden kann, wird ausgeblendet und verdrängt zugunsten der unausgegorenen Überzeugung, wir würden von Systemen und Kräften bestimmt, die jenseits unseres Handlungsspielraums liegen. Das Klima verändert sich. Wir nicht.
Mit der Erkenntnis, dass die Fixierung auf individuelle Identität der Grund unserer politischen Ohnmacht ist, können wir neue Handlungsspielräume erlangen durch die kollektiven Kräfte derjenigen, die in einem Kampf auf derselben Seite stehen. Wir können mehr sein als Unterstützer, denen es um die Verteidigung ihrer individuellen Identität geht und um die Belehrung Anderer, was diese für sie zu tun haben. Wir können Genossen sein, die zusammen für die Veränderung der Welt kämpfen. Ich stimme Mark Fishers wichtigem Memo zu: »Wir müssen lernen, oder: wieder lernen, wie man Kameradschaftlichkeit und Solidarität herstellt, anstatt das Geschäft des Kapitals zu besorgen und uns gegenseitig zu verurteilen und zu beschimpfen.«43
Während der Unterstützer hierarchisch, spezifisch und nachgiebig ist, ist der Genosse egalitär, generisch und utopisch; deshalb vermag das Verhältnis unter Genossen die Beschränkungen des Alltags (sprich: der kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse) zu durchbrechen. Im folgenden Kapitel greife ich mögliche Einwände gegen diese Idee des generischen Genossen auf. Meine Beispiele in Kapitel zwei wie im gesamten Buch speisen sich weitgehend, aber nicht ausschließlich aus der Geschichte der Kommunistischen Partei der Vereinigten Staaten, der CPUSA. Da es in quasi jedem Land der Welt kommunistische Parteien und Organisationen gegeben hat, könnten die Beispiele aber von fast überallher stammen. Die meisten Parteien standen irgendwann einmal vor ähnlichen Problemen. Ich verwende Beispiele aus den USA, weil sie belegen, dass selbst eine äußerst individualistische, kapitalistische, rassistische, vom Kalten Krieg durchdrungene politische Kultur wie die US-amerikanische einen Modus politischer Zugehörigkeit hervorgebracht hat, der als Alternative zur allyship taugt. Mein Ziel ist es, eine andere mögliche Geschichte ans Licht zu bringen – eine Geschichte, die Genossen in polarisierten und scheinbar nicht-revolutionären Verhältnissen geschrieben haben, in Verhältnissen, die unseren nicht unähnlich sind.
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