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Neubildungen in Fülle! Aber immer noch im Rahmen des Raumbildes und der Konstruktion der Basilika mit flacher Holzdecke. An die Wurzel des überlieferten Systems griff erst die Forderung der vollständigen Durchführung des Steinbaus, d. h. des Übergangs von der flachen Holzdecke zum Gewölbe. Dass sie nicht ausbleiben konnte, begreift sich leicht. Romanische Kirchen, deren Holzdecken sich bis heute erhalten haben, gehören zu den größten Seltenheiten, Brandnachrichten bilden in den Klosterchroniken eine stehende Rubrik. Nicht bloß von außen kam die Gefahr, durch Blitzschlag, Brandlegung in Kriegszeiten u. dgl., sie lag in der Einrichtung des Kirchengebäudes selbst, dessen kleine, lichtarme, im Winter verschlossene Fenster zu ausgedehnter Anwendung von Kerzen- und Lampenlicht hinführten. Von der gewölbten Decke erwartete man praktisch größere Sicherheit, ästhetisch den Eindruck größerer Monumentalität. Eine gewisse Kenntnis der Wölbetechnik hatte sich erhalten, an den Halbkuppeln der Apsiden, in Krypten, Emporen, Kapellen wurde sie überall geübt; zuweilen überrascht das Zustandekommen auch größerer Gewölbebauten, die dann aber immer zentral disponiert sind (wie z. B. S. Bénigne in Dijon, Ottmarsheim, beabsichtigt in der Kapitolskirche in Köln, alles Bauten aus der ersten Hälfte und Mitte des 11. Jahrhunderts). Die Schwierigkeit lag nicht im Wölben an sich, sondern darin, dass die den Römern geläufig gewesenen Gewölbeformen, an die man hätte anknüpfen können, unvereinbar waren mit der Raumform der Basilika, die nun einmal die historisch tief eingewurzelte, liturgisch wie künstlerisch durch große Vorzüge gestützte Kirchenform war; denn die über Pfeilern und Bögen schwebenden, oberwärts freiliegenden Hochwände, wie sollten sie Gewölbe tragen, ohne durch deren Schub seitlich auseinander geworfen zu werden?
So stand man vor dem Dilemma: das Gewölbe annehmen und die Basilikenform fallen lassen – oder der Basilika treubleiben und auf die Gewölbe verzichten. Verschiedene Schulen haben sich hierin verschieden verhalten, lange Zeit ist mit wechselnden Versuchen hingegangen, die befriedigende Lösung brachte erst das gotische System.
Das Auftauchen des Gewölbeproblems hatte aber noch eine andere Folge, die eines Wandels im ganzen Baubetrieb. Wo sich nicht, wie in Italien und vielleicht auch im südlichen Gallien, alte Gewerkschaften erhalten hatten, da hatte die Geistlichkeit die Leitung übernommen. Diese dilettantische Betriebsart ist in den Folgen kenntlich genug; indessen unter den einfachen Bedingungen der Frühzeit genügte sie. Aber es kam die Zeit, wo mehr verlangt werden musste. Umsichtig regierte Klöster, wie Cluny und Hirsau nebst ihren Anverwandten sahen sich schon genötigt, aus ihren Laienbrüdern Gesellschaften von Bauhandwerkern berufsmäßig zu organisieren, womit alsbald bedeutende technische Fortschritte sichtbar wurden. Das war aber nur eine Zwischenstufe. Der allgemeine Zug ging auf vollständige Laisierung. Und das hieß zugleich Nationalisierung. Die Gleichförmigkeit der früheren Jahrhunderte schwindet; je näher zur Höhe des Mittelalters, umso reicher werden die Differenzierungen, umso bestimmter die Stilphysiognomien der einzelnen Landschaften. Versuchen wir, so gut es mit wenigen skizzenhaften Strichen gelingen kann, die Hauptcharaktere zu schildern.
Am weitesten in der Spaltung in regionale Sondertypen, merkwürdigerweise ohne Schwächung der Triebkraft des einzelnen Zweiges, ging das heutige Frankreich. Der damalige Zustand unfertiger Rassenmengung und mangelnder Staatseinheit erklärt diese Erscheinung wohl im Allgemeinen, aber nur selten in ihren konkreten Einzelheiten. Wo beim Bau eines einflussreichen Klosters, einer vielbesuchten Wallfahrtskirche eine neue technische oder künstlerische Entdeckung gemacht wurde, da bildete sich für einige Zeit ein Schulmittelpunkt. Den Anlass zu einer durchgreifenden Scheidung der Schulen in zwei große Lager gab die Wölbungsfrage, wobei die geographische Grenzlinie ungefähr dieselbe ist, wie zwischen der Sprache des oc und der Sprache des oil. Das Gebiet der Langue d'oc ging mit raschem Entschluss zur Wölbung über, etwa um das Jahr 1000, erheblich früher als irgendein anderer Teil des Abendlandes; das Gebiet der Langue d'oil verharrte bei der Flachdecke. Das 11. Jahrhundert hindurch bleiben die Gewölbebauten in der künstlerischen Fassung roh und ungefüge; dann aber, in der Glut und Erregung der Kreuzzugszeit gelingt ein neuer und großer Aufschwung. Zwischen dem ersten und dem zweiten Kreuzzug sind alle Meisterwerke des französisch-romanischen Stils entstanden. Freilich, das Ziel der Wölbung war erreicht durch ein Opfer, auf dessen Unvermeidlichkeit wir schon hingewiesen haben, durch das Opfer der Basilika. Die unter den römischen Vorbildern gewählte Wölbungsform war der nach der Längsachse des Gebäudes durchgehende Halbzylinder, das Tonnengewölbe; das System teils das des einschiffigen Saales, teils das der dreischiffigen Halle mit parallelen Tonnen. Das Holz wurde in dieser Bauart so vollständig ausgeschlossen, dass man selbst die Dächer aufgab, mit steinernen Platten über dem Gewölberücken sich begnügte. Die Mauern ungeheuer mächtig, die Fenster über Bedarf klein. Da die letztere Erscheinung sich auch an den Basiliken Italiens und Spaniens wiederholt, muss man annehmen, dass in jenem Zeitalter dunkle Stimmung der Innenräume von den Menschen des Südens geflissentlich aufgesucht wurde als etwas die Andacht Beförderndes. Das 12. Jahrhundert behielt in Südfrankreich die obengenannten Systeme bei, aber es veredelte sie durch ein Raumgefühl, von dem man jahrhundertelang nichts gewusst hatte. Diese einfachen, ruhevollen, wohlgestimmten Verhältnisse sind Ergebnis eines neuerwachten Verständnisses für den in jenen Gegenden noch aus zahlreichen Denkmälern sprechenden antiken Kunstgeist; gleichzeitig wird das antike Detail wieder aufgenommen und mit überraschender Feinfühligkeit, zuerst genau, dann freier nachgebildet. Der Schauplatz dieser Protorenaissance ist die Mittelmeerküste und das Rhonetal mit Ausläufern nach Burgund; darf man etwa sagen, das griechische Blut sei hier noch nicht verbraucht gewesen? – Wesentlich ein anderes Naturell, ein keltisch gefärbtes, gibt sich in Aquitanien und im Poitou zu erkennen. Hier wird die dreischiffige Hallenanlage, mit gleicher Höhe aller Schiffe, bevorzugt. Im Innenraum bleibt sie bedrückt und dumpf, in einer unbeschreiblich fremdartigen, barbarischen Stimmung; das Äußere prunkt in einem Überschwall von Zierformen; ihre Bildung ist weichlich und üppig, dabei ein Hang zur Anhäufung spukhaft monströser Tiergestalten, deren Vorbilder, durch Vermittlung sassanidischer Gewebe, aus der altorientalischen Vorratskammer der Phantastik herstammten. Eine überaus merkwürdige Umbildung des einschiffigen Saales vollzog sich in der Landschaft Périgord: das Tonnengewölbe wurde durch eine Folge von sphärischen Kuppeln ersetzt. Auch diese sind ein Erwerb aus dem Osten, von den Kreuzfahrern mitgebracht; aber nur als Element; Komposition und Geist der perigordinischen Kunst ist nicht byzantinisch; es entsteht ein Bautypus von hoher Eigentümlichkeit, der in manchen Denkmälern eine rigorose Erhabenheit erreicht, mit der sich in der Baukunst aller Zeiten und Völker Weniges vergleichen lässt. – Wieder ein anderes, sehr prägnantes Gebilde entstand im zentralen Bergland der Auvergne. Das innere System ist das der Hallenkirche mit Hinzufügung von Emporen über den Abseiten; es zeichnet sich konstruktiv durch große Festigkeit aus und nähert sich auch im Raumbild einigermaßen wieder der Basilika. Künstlerisch reifer ist die Außenansicht; durch Verbindung des Kapellenchors mit einem hohen, staffelförmig gegliederten, von einem achteckigen Turm gekrönten Querschiff gewinnt sie eine plastische Massengliederung von ungewöhnlichem Reiz. Der Typus blieb auch nicht auf seine auvergnetische Heimat beschränkt. Einige hochberühmte Wallfahrtskirchen – S. Fides in Conques, S. Saturnin in Toulouse, S. Jago in Compostela – gaben ihm weitere Ausbreitung. Alle diese Schulen waren denen Nordfrankreichs und überhaupt dem ganzen übrigen Europa voraus im konstruktiven Denken wie in der glanzvoll gestaltenreichen Formphantasie. Aber sie hatten sich von der gemein europäischen Entwicklung abgesondert. Bald nach Erreichung ihrer höchsten Blüte gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts sterben sie ab, ohne einen triebkräftigen Samen zu hinterlassen.
Unter den Schulen Nordfrankreichs sind Isle de France, Champagne und Picardie, der Heimatboden des künftigen gotischen Stils, in der romanischen Epoche verhältnismäßig die schwächsten. Ihr Stil ist eklektisch, am meisten verwandt dem der westlichen Rheinlande. Von 1100 ab werden Versuche im Gewölbebau angestellt, doch nur in kleinerem Maßstab; im Ganzen herrscht die Flachdecke bis 1150. Nur die beiden an den Flügeln stehenden Schulen, die burgundische und die normannische, waren dem Süden ebenbürtig in der Kunstkraft, überlegen im Einfluss nach außen. – Von Burgund gingen die beiden großen abendländischen Klosterreformen aus, die kluniazensische und die zisterziensische. Beide propagierten wo nicht einen eigenen Stil, so doch ein bestimmt formuliertes Bauprogramm; auch lehrten sie, darin zumal für Deutschland wichtig, eine bessere Mauertechnik. Das Urbild der Kluniazenserkirchen wurde gegeben durch den Bau des Abtes Majolus vom Jahr 981. Hundert Jahre später wurde er abgebrochen unter Abt Hugo dem Großen und ein ganz kolossaler, überaus prächtiger Neubau errichtet, das größte Kirchengebäude, das in der romanischen Epoche überhaupt entstanden ist. Er erlangte nicht mehr den gleichen internationalen Einfluss wie die ältere Kirche. Gleichwohl ist er ein baugeschichtlicher Merkstein dadurch, dass in ihm das Problem der Einwölbung der Basilika zum ersten Mal seine Lösung fand. Cluny war der Mittelpunkt der jüngeren burgundischen Schule, die durch Größe der monumentalen Gesinnung und vornehme künstlerische Kultur zu ihrer Zeit, d. i. in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, den höchsten Platz in der abendländischen Baukunst einnahm. In eigentümlicher Weise klingen in ihr Vorahnungen so der Gotik wie der Renaissance zusammen: an jene erinnert die Raumgestaltung und der Gliederbau im Großen, an diese der Formenapparat. Nur die konstruktive Lösung konnte nicht ganz befriedigen, da das Wagnis der Überspannung des Mittelschiffes mit einem durchlaufenden Tonnengewölbe als zu kühn sich erwies. – Der Aufschwung der normannischen Schule datiert von der Klosterreform durch Abt Wilhelm von Fécamp. Er brachte von Cluny die Grundrissdisposition und die Doppeltürme der Fassade. Im Übrigen entwickelte sich die normannische Bauart selbständig. Ihr eignet feste Willenskraft und klarer Verstand. Der Gedanke der Wölbung, und zwar der Wölbung der Basilika, begann sie schon bald nach der Mitte des 11. Jahrhunderts zu beschäftigen; hohe Emporen sollten die Mittelschiffswände gegen den Gewölbedruck sichern. Indessen kamen die Hauptgewölbe nicht zur Ausführung; aber die Emporen, die starken Bündelpfeiler verblieben dem System und gaben ihm sein straffes und wehrhaftes Aussehen; dazu ein Detail, dem antike Erinnerungen, überhaupt das Pflanzenornament, gänzlich fremd waren, das nur mit starren geometrischen Formen, mit Ecken und Spitzen, Schuppen und Kerben, Zacken und Sternen operierte, das aus Eichenholz geschnitzt und aus Eisen geschmiedet zu sein schien; der stärkste Gegensatz zu dem weichlichen, qualligen Formcharakter des Südwestens; ob aber im Zusammenhang mit altgermanischen Erinnerungen, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Mit den Normannen ist dieser Stil übers Meer gegangen und hat sich die britische Insel so vollständig unterworfen, dass dort von einem Nachleben sächsischer Art nichts zu entdecken ist.
Über Italien ist im Rahmen dieser Übersicht nur kurz zu sprechen. Es zeigt ein nicht weniger vielgestaltiges Bild als Frankreich, aber nicht aus Überfluss an spontanen Trieben, sondern aus Mangel an Widerstandskraft gegen fremde Einflüsse. Wo diese nicht hinkamen, da war lange Zeit nur Stagnation und Verwilderung. Der Dom von Pisa, 1063 begonnen, aber zu nicht geringem Teil erst im 12. Jahrhundert ausgeführt, gibt das erste Beispiel eines höheren Lebensgefühls, das in einem Hauptpunkt mit der Tendenz der nordalpinen Länder, ohne von ihr abzuhängen, übereinstimmt: in der mit dem Inneren gleichartigen Behandlung des Außenbaus. Bis tief ins 13. Jahrhundert zehrt die toskanische Architektur von den hier gegebenen Gedanken, zu denen nur die Florentiner, durch selbständige Beobachtung und Deutung der Antike – wie in Südfrankreich ein verfrühter Anlauf zur Renaissance – einige neue Züge hinzubrachten. In Rom wusste man nichts anderes, als die gebrechlichen Basiliken der alten Zeit immer wieder aufs neue auszuflicken mit Bausteinen aus dem antiken Trümmerfeld. Den ersten Platz, wenn nach Menge und Glanz der Bauwerke zu urteilen wäre, dürften Apulien und Sizilien beanspruchen, aber es fehlte zugleich Einheit und Konsequenz; byzantinische, arabische, normannische, pisanische und lombardische Motive geben mit älteren lokalen Erinnerungen das bunteste Durcheinander. Fühlung mit den Bestrebungen jenseits der Alpen hatte nur die Lombardei. Hier kam um dieselbe Zeit wie in Burgund und am Rhein die Wölbung der Basilika zustande. Es scheint, dass Versuche mit dem Hallensystem vorausgegangen waren; ob als selbständige Erfindung oder als Import aus Südfrankreich, ist nicht festzustellen. Der Vorzug des lombardischen Systems ist seine große Festigkeit, sein Mangel die befangene Raumbildung. Diagonalrippen und Strebemauern sind bekannt, also der Idee nach ein Analogon zu den Anfängen des gotischen Stils: aber es wurden keine weiteren Folgerungen daraus gezogen. Das Äußere ist Backsteinrohbau, sehr massig, in den Gliederungsmotiven unorganisch. Aus der lombardischen Architektur spricht trotzige, schwere Größe, sehr selten Anmut. Man hat ihre Hauptwerke – aus dem 12. Jahrhundert – lange für weit älter gehalten als sie sind.
Im Vergleich mit Frankreich und Italien zeigt Deutschland im romanischen Stil ein einheitliches Bild; ein einheitlicheres als nachmals im gotischen; die Entwicklung der beiden Länder bewegte sich in dieser Hinsicht entgegengesetzt. Und die deutsche Baukunst hatte, um nicht in primitiver Rohheit stecken zu bleiben, die Einheit auch viel nötiger. Ein doch nicht ganz geringes Verdienst um sie möchten wir den Königen zuschreiben, teils durch die zahlreichen bedeutenden Kirchenbauten, die sie unmittelbar beförderten, vielleicht noch mehr durch ihre engen Beziehungen zur hohen Geistlichkeit. Großenteils aus dem Hofklerus gingen die Bischöfe, das will sagen, die großen Bauherren, hervor; im Dienst des Königs waren sie weit gereist, hatten sie viel gesehen; auf der damaligen Entwicklungsstufe konnte der wandernde Hof mehr für die Zirkulation der künstlerischen Gedanken und Kräfte tun, als es einer festen Hauptstadt möglich gewesen wäre. Die größten Bauunternehmungen liegen in der Zeit vor dem Investiturstreit; was in Mainz, Worms, Speyer, Straßburg, Limburg, Hersfeld, Würzburg, Bamberg, Regensburg, Magdeburg, Hildesheim, Bremen damals geschah, durchweg durch Männer, die zum Hofe in naher Verbindung standen, ist in der Größe der Intention im 12. Jahrhundert nicht wieder erreicht worden. Einen gewissen Erfolg in anderer Form brachte die mit Cluny zusammenhängende Hirsauer Schule, die vor allem für Süddeutschland wichtig wurde, aber auch bis nach Thüringen und Sachsen ihren Einfluss erstreckte. Im Ganzen liegt doch die beste Kraft des deutschen Bauwesens im sächsischen und fränkischen Stamm. Gegen das Ausland ist Deutschland in dieser Zeit abgeschlossen, die Verbindung mit dem Westfrankenreich war abgebrochen; mehr, doch auch nicht tiefgreifende Beziehungen bestanden zu Italien. Die lombardischen Wanderarbeiter waren als Kenner der Steinbearbeitung geschätzt und brachten auch manche neue Schmuckformen mit.
Die sächsischen Bauten gehen selten über mittlere Größe hinaus; ihr Wert liegt in der klaren Grundrissdisposition – durchweg im Sinn des lateinischen Kreuzes –, den harmonischen Raumverhältnissen, der sorgfältigen, maßvollen, in der Zeit der Reife glänzenden, aber aller Phantastik abholden Einzelbehandlung. Die Schwaben und Bayern, soweit sie nicht durch die Hirsauer Schule auf neue Bahnen geführt werden, bleiben in altertümlichen, schwach gegliederten Anlagen befangen und ihr Formensinn neigt zum Derben oder Grotesken; kleine Architekturbilder von malerischer Tendenz gelingen ihnen am besten.
Die rheinische Kunst erreicht die Meisterschaft in der großartigen Gruppierung vieltürmiger Anlagen, wofür die Dome von Mainz, Worms, Speyer (Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts umgestaltet) und zahlreiche Kirchen des Niederrheins allbekannte Beispiele geben. Hier auch wurde mit dem Gewölbebau begonnen. Gleich mit Aufgaben ersten Ranges. An der Spitze stehen die von Kaiser Heinrich IV. umgebauten Dome von Speyer und Mainz. Ihr System ist das der Basilika mit Kreuzgewölben. Das große Problem wurde also fast gleichzeitig mit Cluny in Angriff genommen, für den Durchschnittsstand der deutschen Baukunst vorerst noch zu kühn. Größere Verbreitung gewann der Gewölbebau selbst in den Rheinlanden erst 50 Jahre später. Bis er in Schwaben und Sachsen Wurzel fasste, vergingen weitere 50 Jahre, und noch immer verdrängte er die Holzdecke nicht ganz. Zunächst war der Fortschritt ein unzweideutiger auch nur im Praktischen; künstlerisch war das deutsche System, das sog. gebundene, wenig ausgiebig.
So wurde am Schluss des 12. Jahrhunderts – das erste Mal, dass es in einer Hauptfrage geschah – die Erfahrung des Auslandes zu Hilfe gerufen. Bis dahin hatte sich die deutsche Baukunst, nach der großen Rezeption in der Karolingerzeit, wesentlich aus eigener Kraft fortgebildet. Aus fremden Kunstkreisen nahm sie gelegentlich ornamentale Anregungen an, wie die Handelsartikel der Kleinkunst sie vermittelten, oder allgemein gehaltene Vorschriften des Bauprogramms, wie sie die Kluniazenser und Zisterzienser mitbrachten, oder es wurden italienische Maurer in Dienst gestellt. Das alles griff nicht tief. Etwas anderes ist es mit der jetzt angeknüpften Beziehung zur nordfranzösischen Schule. In dieser waren wichtige konstruktive Entdeckungen im Gang. Dass sie die Entstehung eines ganzen neuen Stils in sich schlossen, wurde schwerlich erkannt. Jedenfalls ging die Absicht der Deutschen, indem sie Schüler der Franzosen wurden, nicht nach dieser Richtung. Sie eigneten sich nicht das französische System im Ganzen an, sondern nur so viel herausgegriffene Glieder desselben, als nötig schien, ihren eigenen Kompositionen mehr Bewegungsfreiheit zu schaffen. Hiermit tritt der romanische Stil in seine letzte, blühendste Phase. Man bezeichnet sie nach alter Gewohnheit noch immer als die Phase des Übergangsstils, obgleich die diesem Namen zugrundeliegende historische Konstruktion als irrig erkannt ist. Zum Schönsten dieses sog. Übergangsstils gehört eine von Köln ausgehende, um und nach der Wende des 12. zum 13. Jahrhunderts entstandene Gruppe von Kirchen (Apostelkirche, Groß-S. Martin, S. Quirin in Neuß u. a. m.), die sehr verschieden vom gotischen Gedanken, in freier Weise an antike Nischensysteme anknüpfen. So hat auch Deutschland eine Art Protorenaissance gehabt. – Ein Hauptinteresse des Spätromanismus betrifft die Detailformen. Diese verlieren nun den letzten Rest von dem strengen und wortkargen Wesen der älteren Zeit. Geschmeidige Kraft, Fülle ohne Unruhe, leichter Fluss der ornamentalen Erfindung, schöne Sicherheit des plastischen Ausdrucks und vor allem ein unbeschreibbarer, bis auf den heutigen Tag nicht verflüchtigter poetischer Duft, dies zusammen lässt die Hohenstaufenzeit als die glücklichste in der Geschichte der deutschen Baukunst erscheinen, jedenfalls als die Zeit, in welcher die Begriffe der Vornehmheit und der Volkstümlichkeit in erfreuliche Nähe gerückt waren; vornehm von Geburt und Sitte waren die Bauherren, aus dem Volk kamen und in beneidenswerter Naivität schufen die Künstler. Volkstümlich ist die deutsche Kunst noch einmal, im 15. und frühen 16. Jahrhundert, gewesen, aber nicht mehr vornehm. Und vornehm noch einmal im 18. Jahrhundert, aber nicht mehr volkstümlich.
Ein bedeutsamer Zug in der künstlerischen Kultur des Jahrhunderts der Staufer ist endlich das Eindringen künstlerischer Absichten in den Wohnbau. Voran gingen die Klöster mit ihren Refektorien, Kapitelsälen und Kreuzgängen. Doch konnte es sich hier nach der Natur der Sache nur um Innenarchitekturen handeln. Heitere und glänzende Repräsentation nach außen kennzeichnet den vornehmen Profanbau. In der Burg waren der Entfaltung dieser Tendenz bestimmte Grenzen gesetzt, doch wird man nicht übersehen dürfen, dass auch die unmittelbar dem Wehrzweck dienenden Teile in der schönen und mächtigen Behandlung der Quadertechnik und der ausdrucksvollen Führung der Silhouetten mit Bewusstsein auf den ästhetischen Eindruck abgestimmt wurden. In den Städten greift der Steinbau um sich. Das Patrizierhaus ist nicht mehr unter allen Umständen Stadtburg, ein neuer Typus mit offenen Fensterreihen und hohen Giebeln, der Anfang zum Bürgerhaus des späten Mittelalters, bahnt sich den Weg. Ja es nehmen sogar in Stadtbefestigungen hier und da die Tore einen Charakter mehr des festlichen Empfanges als der Abwehr an.
Das mittelalterliche Kultursystem war in die Phase sommerlicher Reife getreten, als ein neuer Stil, der gotische, geboren wurde. Neu ist er freilich nur bedingungsweise zu nennen. Er tritt nicht in Opposition zu den Zielen der bisherigen Entwicklung, es ist vielmehr das Hauptproblem derselben, die Gewölbebasilika, das er mit vollkommeneren Mitteln zu lösen unternimmt. Der Vielheit nationaler und landschaftlicher Varianten, in die der romanische Stil immer mehr sich auseinandergelegt hatte, macht er ein Ende; er siegt als künstlerischer Ausdruck des eben damals kräftig vordringenden Einheitsstrebens im Geistesleben der abendländischen Völker. Obgleich in seinem Ursprung landschaftlich scharf begrenzt, ist er nach seiner Tendenz kosmopolitisch.
Der gotische Stil nimmt seinen Ausgang vom konstruktiven Gebiet, und zwar von einer bestimmten Einzelfrage. Wie ist die Form des Kreuzgewölbes gemäß den Bedingungen des basilikalen Aufbaus zu verbessern? Zugleich materiell fester und formell biegsamer zu machen? Das vollentwickelte gotische Gebäude ist in seiner Erscheinung unsäglich kompliziert, und doch sind die Grundgedanken einfach und von so geschlossener Fügung, dass sie sich in eine kurze, dreigliedrige Formel zusammenfassen lassen: Konzentration des Gewölbedruckes auf die Eckpunkte mittels selbständig gemauerter Diagonal- und Randbögen; Einführung des Spitzbogens als desjenigen, der den geringsten Seitenschub ergibt und für das Verhältnis von Grundlinie zu Scheitelhöhe freie Wahl gestattet; Widerlagerung durch ein selbständiges Strebesystem. Einzeln waren diese Formen schon alle, auch der Spitzbogen, in der romanischen Baukunst verschiedener französischer Schulen vorgekommen, das Neue liegt in ihrer Verbindung. Daraus entwickeln sich alle übrigen Eigenschaften des Systems mit fast naturgesetzlicher Folgerichtigkeit. Wurden die tragenden Mauern für die Last des Gewölbes nur intermittierend von Punkt zu Punkt in Anspruch genommen und wurde an jedem Punkt der auf ihn wirkende Druck in eine seitliche und eine senkrechte Komponente gespalten, so dass nur noch die letztere in Frage kam, dann konnte auch die Mauer, ähnlich wie schon das Gewölbe, zerlegt werden in aktive und passive Bestandteile, in solche, welche struktive Arbeit leisten und solche, welche lediglich zum Raumabschluss dienen. Die Letzteren sind für die Stabilität des Gebäudes entbehrlich. Sie werden angewendet, nur wo andere Zwecke es erheischen, vor allem an der Decke; dagegen die Wände, welche jetzt nur noch Füllungen zwischen Pfeilern sind, können so vollständig von den Fensteröffnungen absorbiert werden, wie man jeweils für gut befindet. Es war gleichsam eine Ehrenfrage für das System, darin bis an die letzte Grenze zu gehen. Gewiss hätte man sich soweit nicht vorgewagt, hätte nicht eine andere inzwischen ebenfalls vervollkommnete Technik ihre Dienste angeboten: die Glasfabrikation. Das Korrelat zur Auflösung der Steinwände ist ihr Ersatz durch Glaswände. Sie sollen aber nicht bloß vor Wind und Wetter schützen, sie haben auch eine ästhetische Aufgabe. Ein Raum ohne Wände, ohne solche, die das Auge als Raumgrenze empfindet, wäre ästhetisch ein Widerspruch in sich selbst. Es darf also die verglaste Fensteröffnung nicht als ein Leeres erscheinen. So wird sie mit einem Gitterwerk feiner steinerner Stäbe und Bögen ausgestattet, und die Glastafeln werden gefärbt. Damit ist der zerstörte Flächenzusammenhang wiederhergestellt, sind gleichsam Teppiche zwischen den Pfeilern ausgespannt von unerhörter Farbenpracht, durchlässig für das von außen eindringende Licht, eine Schranke für das von innen vordringende Auge des Beschauers. Nichts mehr im Steinwerk ist ruhende Masse (außer den Gewölbekappen), alles Bewegung. Und diese teilt sich dem Raumbild selber mit, das sich nun gewaltig in die Höhe reckt. Neben allem, was unmittelbar im System liegt, sind die Veränderungen in den Proportionen, dann aber auch in der Beleuchtung wesentliche Momente in der Wandlung der Grundstimmung vom Romanischen zum Gotischen. Äußerste Vervielfältigung der Einzelglieder, Steigerung der Höhen, Verringerung der Durchmesser, Schweifung der horizontalen Linien, Verlegung des Gemäldeschmucks in die Fenster und Durchflutung des Raumes mit farbigem Licht; damit ist die Basilika, obschon in den allgemeinsten Bestimmungen unverändert, doch zu einem völlig neuen ästhetischen Charakter umgebildet. Die Gotik ist in den Mitteln, die sie anwendet, ganz Logik, im Gefühlsausdruck ganz Mystik. Kann ein vollkommeneres Symbol der mittelalterlich-kirchlichen Weltanschauung als in dieser Synthese gedacht werden?