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240. Die Picener bemächtigten sich derjenigen, die an ihrem Abfall nicht teilnehmen wollten, misshandelten sie vor den Augen ihrer Freunde und rissen den Frauen die Haare mit der Haut von den Köpfen.
241. Mithridates rührte sich, solange die Gesandten der Römer anwesend waren, nicht, sondern hielt sich ruhig, indem er Beschwerden vorbrachte und die großen Summen namhaft machte, die er damals an den Staat und an Einzelne verabfolgt habe. Nicomedes dagegen, stolz auf das Bündnis mit den Römern und geldbedürftig, fiel in sein Land ein.
242. Mithridates schickte Gesandte nach Rom und verlangte, sie sollten, wenn sie Nikomedes für einen Freund hielten, ihn mit Güte oder Gewalt zu einem gebührenden Betragen gegen ihn veranlassen, oder wenigstens ihm erlauben, dass er selbst sich seines Feindes erwehre. Die Römer gewährten ihm nicht nur nicht sein Gesuch, sondern drohten ihm vielmehr noch für den Fall, dass er nicht dem Ariobarzanes Kappadokien zurückgäbe und mit Nikomedes Frieden hielte. Seinen Gesandten befahlen sie, noch an demselben Tag die Stadt zu verlassen und bedeuteten ihm, dass er keine anderen mehr senden dürfte, sofern er sich ihnen nicht fügen würde.
243. Im Jahr der Stadt 665 (89 v.Chr.).
[Konsul] Lucius Porcius Cato hatte ein Heer, das größtenteils aus Städtern und altersschwachen Leuten bestand, und war überhaupt kein sehr kräftiger Mann. Einmal wagte er es, seine Leute darob zu schelten, dass sie seine Befehle zu lässig befolgten, wäre aber beinahe mit Erdwürfen überdeckt worden und ums Leben gekommen, wenn sie Steine gehabt hätten. Weil aber das Feld, auf dem sie sich versammelt hatten, gepflügt und zufällig feucht war, litt er von den Erdklößen keinen Schaden. Der Stifter des Aufruhrs, ein gewisser Gaius Titius, der sonst nie vom Markt kam und sich von Rechtshändeln nährte und ein unverschämtes Lästermaul war, wurde festgenommen und in die Stadt an die Volkstribunen geschickt, aber nicht zur Strafe gezogen.
244. Im Jahr der Stadt 666 (88 v.Chr.).
Auf Befehl des Mithridates töteten alle Asiaten die Römer, nur die Einwohner von Tralles brachten keinen selbst ums Leben, sondern dingten dazu einen Paphlagonier Theophilos, als ob sie dadurch weniger der Rache derselben verfielen oder es einen Unterschied machte, von wessen Händen sie gemordet wurden.
245. Die Thraker, von Mithridates überredet, durchzogen und verheerten Epirus und das ganze Land bis Dodona, wo sie den Tempel Iupiters plünderten.
246. Im Jahr der Stadt 667 (87 v.Chr.).
Cinna hatte noch nicht lange sein Amt angetreten, als er sich vor allem angelegen sein ließ, den Sulla aus Italien zu entfernen, wozu er den Mithridates zum Vorwand nahm, während er in der Tat ihn los zu werden wünschte, damit er nicht, in der Nähe, seine Schritte beobachten und behindern möchte; obgleich er durch Sullas Bemühungen Konsul geworden war und in allem ihm zu willfahren versprochen hatte.
Da nämlich Sulla die Notwendigkeit des Krieges einsah und nach dem Ruhm desselben lüstern war, richtete er vor seiner Abreise alles so zu, wie er es für sich am vorteilhaftesten fand, und ließ sich den Cinna und einen gewissen Gnaeus Octavius zu Nachfolgern wählen, in der Hoffnung, auf diese Art auch abwesend seinen Einfluss zu behaupten. Von Letzterem wusste er, dass er seines sanften Charakters wegen gelobt wurde, und glaubte, dass er ihm keinerlei Spuk machen werde. Ersteren kannte er zwar als einen schlechten Mann, wollte ihn sich aber nicht zum Feind machen, da er schon einigen Einfluss hatte, und versicherte und schwor, ihn in allem zu unterstützen. So tief sonst Sulla die Absichten der Menschen ergründete und in das Wesen der Verhältnisse eindrang, so betrog er sich doch in diesem Mann gänzlich und hinterließ der Stadt einen großen Krieg. Octavius besaß in Staatssachen wenig Rührigkeit.
247. Die Römer beriefen, da ein Bürgerkrieg drohte, den Metellus zum Beistand der Stadt.
Die Römer beriefen, als ein Krieg im Innern ausgebrochen war, den Metellus und befahlen ihm, sich mit den Samniten, so wie er könnte, abzufinden. Denn diese beunruhigten damals allein noch Campanien und das angrenzende Gebiet. Er konnte sich aber nicht mit ihnen vertragen; denn sie verlangten nicht nur für sich, sondern auch für die Überläufer das Bürgerrecht und wollten nichts von der Beute, die sie gemacht hatten, herausgeben, begehrten vielmehr ihre Gefangenen und Überläufer zurück; weshalb selbst der Senat unter solchen Bedingungen einen Frieden mit ihnen nicht guthieß.
248. Nachdem Cinna das Gesetz über die Rückkehr der Verbannten erneuert hatte, stürmten Marius und die mit ihm Vertriebenen nebst dem übrigen Heer durch alle Tore in die Stadt, schlossen dieselben ein, damit niemand entrinne, und mordeten jeden, der ihnen in den Weg kam, indem sie alle ohne Unterschied und durchgängig als Feinde behandelten, besonders aber die Reichen aus Gier nach ihren Schätzen töteten und ihre Frauen und Kinder wie bei der Eroberung einer feindlichen Stadt misshandelten. Die Köpfe der angesehensten Männer stellten sie auf der Rednerbühne auf. Und ihr Anblick war so schrecklich wie ihre Ermordung selbst. Denn außer anderen traurigen Betrachtungen drängte sich den Zuschauern der Gedanke auf, dass dieselbe Stätte, die ihre Voreltern mit Schiffsschnäbeln geziert hatten, jetzt durch die Köpfe ihrer ermordeten Mitbürger geschändet werde.
Mit einem Wort, so unersättlich war die Habgier und die Mordlust des Marius, dass er nach Ermordung seiner meisten Feinde, als ihm in der Verwirrung niemand mehr einfiel, den er zu töten wünschte, seinen Soldaten die Weisung gab, alle, denen er bei ihrem Herantritt nicht die Hand reiche, niederzumachen. So weit war es mit den Römern gekommen, dass sie nicht nur ungehört und aus Feindschaft, sondern schon dadurch, dass Marius die Hand nicht ausreckte, dem Tod verfielen. Denn bei solchem Gewühl und Lärm konnte Marius, wie sich denken lässt, wenn er auch wollte, nicht immer mit Überlegung seine Hand gebrauchen; so kamen denn viele um, an deren Tod ihm nicht gelegen sein konnte. Die Zahl der Getöteten lässt sich nicht angeben; denn fünf volle Tage und ebenso viele Nächte dauerte das Blutbad.
249. Im Jahr der Stadt 668 (86 v.Chr.).
Als die Römer am ersten Tag des Jahres das Neujahrsopfer feierten und die Obrigkeiten nach hergebrachter Sitte ihre Ämter antraten, tötete der Sohn des Marius mit eigener Hand einen Volkstribun und schickte seinen Kopf an die Konsuln, einen anderen stürzte er vom Capitol (was noch keinem derselben widerfahren war) und erklärte zwei Prätoren in die Acht.
250. Als Sulla den Peiraieus belagerte und Mangel an Holz hatte, da die meisten seiner Maschinen durch ihr eigenes Gewicht zusammenbrachen und durch beständiges Feuerwerken der Feinde niedergebrannt wurden, vergriff er sich an den heiligen Hainen. So lichtete er die Akademie, den baumreichsten Platz unter den Vorstädten, und das Lykeion.
251. Weil er viel Geld brauchte, plünderte er die Tempel Griechenlands, indem er teils von Epidauros, teils von Olympia die schönsten und kostbarsten Weihgeschenke holen ließ. Den Amphiktyonen schrieb er damals nach Delphi, es wäre besser, wenn sie ihm die Schätze des Gottes verabfolgen ließen; denn er würde sie entweder sicherer verwahren oder, wenn er sie angreifen müsste, später in gleicher Summe zurückerstatten.
Als die Amphiktyonen das noch übrige silberne Fass, welches die Lasttiere seiner Schwere und Größe wegen nicht fortbringen konnten, zerschlagen mussten, gedachten sie des Titus Flamininus, des Manius Acilius und des Aemilius Paulus, von denen der eine nach Vertreibung des Antiochos aus Griechenland, die anderen nach dem Sieg über die makedonischen Könige sich nicht nur an den hellenischen Heiligtümern nicht vergriffen, sondern sie noch durch Geschenke und Ehrenbezeigungen verherrlicht hatten.
Allein dies waren Männer, welche über mäßige Leute, die ihren Feldherrn schweigend zu gehorchen gelernt hatten, gesetzlichen Oberbefehl führten, Männer von königlicher Seele und einfacher Lebensweise, die mäßigen und festgesetzten Aufwand machten und Schmeichelei gegen die Soldaten für noch schimpflicher hielten als Furcht vor dem Feind.
Die jetzigen Feldherren dagegen, welche durch Gewalt, nicht durch Verdienst, den Oberbefehl erhalten hatten und ihre Waffen mehr gegeneinander als gegen die Feinde gebrauchten, waren gezwungen, um die Gunst der bewaffneten Menge zu buhlen und während der Feldzüge mit ihrem Aufwand für die Ergötzlichkeiten der Soldaten deren Anstrengungen zu erkaufen, indem sie so unvermerkt das ganze Vaterland feilboten und sich selbst, um über die Besseren zu herrschen, zu Sklaven der Schlechtesten machten. Dies vertrieb Marius, führte Sulla zurück, machte Cinna zum Mörder des Octavius, den Fimbria zum Mörder des Flaccus.
Damit machte vor allen anderen Sulla den Anfang, indem er die Untergebenen der anderen bestach und verlockte und für den Unterhalt der Seinigen verschwenderischen Aufwand trieb, sodass er – die anderen zum Verrat, die Seinigen zur Schwelgerei verführend – immer und besonders jetzt bei der Belagerung von Peiraieus einer großen Summe Geldes bedurfte.
253. Aristion, der Befehlshaber von Athen, war aus Ausschweifung und Grausamkeit zusammengesetzt, der Auswurf der schlimmsten Laster und Leidenschaften des Mithridates, und war in diesen letzten Zeiten über die Stadt, die tausend Kriegen, Tyranneien und Unruhen glücklich entronnen war, wie eine tödliche Seuche gekommen. Während der Scheffel Weizen in der Stadt 1000 Drachmen56 galt, während die Einwohner das um die Burg wachsende Parthenia Sohlen und gesottene Ölschläuche aßen, schwelgte er bei hellem Tag in Trinkgelagen und Schmausereien, verhöhnte und verspottete die Feinde, ließ die heilige Lampe der Götter aus Mangel an Öl erlöschen und schickte der Oberpriesterin, die ihn um den zwölften Teil eines Scheffels Weizen bat, dieses Maß in Pfeffer. Die Senatoren und die Priester, welche ihn anflehten, sich der Stadt zu erbarmen und sich mit Sulla zu vergleichen, jagte er durch Pfeilschüsse auseinander.
254. Sulla belagerte die Athener, welche die Partei des Mithridates ergriffen hatten, und es fehlte wenig, so hätte er die ganze Stadt wegen der ihm während der Belagerung angetanen Beschimpfungen gänzlich zugrunde gerichtet, wenn nicht einige verbannte Athener und die Römer in seinem Heer ihn veranlasst hätten, dem Morden Einhalt zu tun. Nach einigem Lob auf die alten Athener erklärte er, er schenke sie jenen, den vielen die wenigen, den Toten die Lebendigen.
255. Hortensius war ein geschickter Feldherr, der große Erfahrung im Kriegswesen hatte.
256. Die Römer hatten in der Schlacht gegen Mithridates bereits die Flucht ergriffen, da sprang Sulla vom Pferd, ergriff eine Fahne und stürzte durch die Fliehenden hindurch auf die Feinde, indem er ausrief: »Ich gehe, einen rühmlichen Tod gegen ein schimpfbedecktes Leben einzutauschen, ihr aber, Waffenbrüder, gedenkt meiner und, wenn man euch fragt, wo ihr den Sulla verlassen habt, saget: in Orchomenos!« Auf diese Worte wandten sie sich voller Scham und Ehrfurcht vor ihrem Feldherrn und besiegten die Feinde.
257. Der Legat des Flaccus [Gaius Flavius] Fimbria, erregte, als jener nach Byzantion kam, einen Aufstand gegen ihn. Denn er war ein tollkühner, unbesonnener Mensch, der nach jeder Art von Ruhm haschte und jeden, der besser war als er, verachtete. So suchte er seit seiner Abfahrt von Rom durch Geldspenden und andere Begünstigungen die Soldaten für sich zu gewinnen und gegen Flaccus zu erbittern. Dies wurde ihm umso leichter, weil jener unersättlich habgierig war und sich nicht damit begnügte, sich die Nebenvorteile zuzueignen, sondern auch aus dem Unterhalt der Soldaten und der Beute, die er jedes Mal als ihm allein zugehörig betrachtete, Vorteil zog.
Als Flaccus mit Fimbria vor Byzanz ankam und die Soldaten sich außerhalb der Mauer lagern hieß, er selbst sich aber in die Stadt begab, nahm Fimbria dies zum Anlass, ihn der Bestechung zu beschuldigen, und schalt ihn, dass er in der Stadt guter Dinge sei, während sie sich bei strenger Witterung unter Zelten behelfen müssten. Nun drangen die Soldaten voll Wut in die Stadt, töteten einige, die ihnen in den Weg kamen, und zerstreuten sich in die Häuser.
Als Fimbria mit dem Quästor in einen Streit geraten war, drohte ihm Flaccus, er wolle ihn nach Rom zurückschicken, und nahm ihm, als er deshalb sich Schimpfreden erlaubte, seine Stelle. Fimbria, welchem die Abreise sehr ungelegen kam, ging bei den Soldaten in Byzanz umher, als wollte er Abschied nehmen, bat sie, ihm Briefe mitzugeben, und beklagte sich über das ihm widerfahrene Unrecht, erinnerte sie an die Dienste, welche er ihnen geleistet hatte, und ermahnte sie auf der Hut zu sein, indem er Winke fallen ließ, als ob Flaccus es auch mit ihnen nicht zum Besten meinte. Als er sah, dass seine Reden Eindruck machten, dass die Soldaten ihm geneigt und gegen jenen misstrauisch waren, trat er an einen erhöhten Platz, reizte sie auf und beschuldigte unter anderem Flaccus, dass er sie für Geld verraten wolle, sodass die Soldaten den ihnen vorgesetzten [Offizier] Thermus davonjagten.
Fimbria brachte viele aus keinem gültigen Grund, noch weil es in Roms Vorteil lag, sondern aus reiner Leidenschaft und Mordlust um. So hatte er einmal viele Pfähle einschlagen lassen, an die er sie binden und zu Tode geißeln ließ; als die Zahl der Pfähle weit größer als die der zum Tode bestimmten war, befahl er aus den Umstehenden einige zu ergreifen und an die überzähligen zu binden, damit sie nicht umsonst eingeschlagen wären.
Nach der Einnahme Ilions machte er alles, dessen er habhaft wurde, ohne Schonung nieder und legte fast die ganze Stadt in Asche. Er eroberte sie aber nicht mit Sturm, sondern durch Arglist. Er lobte sie wegen der Gesandtschaft, die sie an Sulla geschickt hatte, und äußerte, dass es einerlei sei, mit welchem von beiden sie sich vertrügen, da ja sie beide Römer wären. So zog er ein, als käme er zu Freunden und beging die vorerwähnten Gräuel.
258. Im Jahr der Stadt 669 (85 v.Chr.).
Archelaos redete Sulla zu, mit Mithridates Frieden zu schließen. Da dieser darauf einging, kam folgender Vertrag zustande: Mithridates solle Asien und Paphlagonien räumen, Bithynien an Nikomedes, Kappadokien an Ariobarzanes abtreten, den Römern aber 2000 Talente57 zahlen und 70 erzbeschlagene völlig ausgerüstete Schiffe geben, Sulla dagegen ihn in seinem übrigen Reich bestätigen und zum Bundesgenossen der Römer erklären.
Nach dieser Übereinkunft zog Sulla durch Thessalien und Makedonien an den Hellespont und hatte den Archelaos, den er sehr in Ehren hielt, in seinem Gefolge. Als derselbe bei Larissa gefährlich krank wurde, setzte er mit dem Marsch aus und war um ihn besorgt, als ob er einer seiner Unterfeldherrn oder Kriegsobristen wäre. Dies erregte den Argwohn, dass es in der Schlacht bei Chaironeia nicht mit rechten Dingen zugegangen sei; zumal da er alle Freunde des Mithridates, die seine Gefangenen waren, zurückgab und nur Aristion, einen Feind des Archelaos umbringen ließ, hauptsächlich aber, dass er dem Kappadokier 10 000 Morgen Landes auf Euboia gab und ihn in die Zahl der Freunde und Bundesgenossen der Römer aufnahm.
259. Als von Mithridates Gesandte ankamen und sich zum Übrigen bereit erklärten, Paphlagonien aber nicht abtreten wollten und leugneten, dass über Schiffe überhaupt etwas bedungen sei, wurde Sulla unwillig und erwiderte: »Was sagt ihr? Mithridates will Paphlagonien behalten und mir die Schiffe verweigern? Er, den ich voll Dank zu meinen Füßen erwartete, weil ich ihm die rechte Hand noch ließ, womit er so viele Römer ermordete? Er soll mir eine andere Sprache führen, wenn ich nach Asien hinüberkomme! Jetzt aber mag er in Pergamon sitzen und sich auf einen Krieg gefasst machen, den er noch nicht gesehen hat. Aus Furcht schwiegen die Gesandten; Archelaos aber flehte Sulla an, weinte, drückte ihm die Hand und besänftigte seinen Zorn, indem er ihn veranlasste, ihn selbst an Mithridates abzusenden. Er wolle den Frieden unter seinen Bedingungen vermitteln oder, wenn er ihn nicht dazu bringe, sich selbst entleiben.
260. Sulla hielt zu Dardanos in Troas eine Zusammenkunft mit Mithridates, welcher 200 Ruderschiffe, 20 000 Mann schwerbewaffnetes Fußvolk und 6000 Reiter hatte, während Sulla nur vier Eskorten und 200 Reiter begleiteten. Als ihm Mithridates entgegenkam und die Hand reichte, fragte er ihn zuerst, ob er auf die mit Archelaos eingegangenen Bedingungen den Krieg beilegen wolle.
261. Nachdem Sulla und Mithridates den Frieden abgeschlossen hatten, söhnte er ihn auch mit den Königen Ariobarzanes und Nikomedes aus. Mithridates lieferte 70 Schiffe und sehr viele58 Bogenschützen aus und schickte sich an, mit den Übrigen nach dem Pontos abzusegeln. Als aber Sulla seine Soldaten über diesen Frieden sehr unzufrieden sah – denn es empörte sie, dass der feindlichste König, der 150 000 Römer in Asien an einem Tag hingemordet hatte, aus Asien, das er vier Jahre lang geplündert und gebrandschatzt hatte, mit Schützen und Beute beladen abfahren sollte –, entschuldigte er sich damit, dass er Fimbria und Mithridates, wenn sie sich verbanden, allein nicht gewachsen wäre.
262. Weil Cinna und Carbo sich gegen die ausgezeichnetsten Männer Ungesetzlichkeiten und Gewalttaten erlaubten, flüchteten viele, um ihrer Tyrannei zu entgehen, wie in einen sicheren Hafen in das Lager Sullas, und bald hatte sich eine Art Senat um ihn gebildet.
263. Metellus, von Cinna besiegt, kam zu Sulla und war ihm sehr nützlich; denn der Ruf seiner Gerechtigkeit und kindlichen Liebe bewog viele, die sonst eben keine Freunde Sullas waren, zu ihm überzutreten, in der Voraussetzung, dass ein Mann wie er sich nicht ohne Grund an ihn anschließe und nie eine andere als die bessere und für das Vaterland wirklich nützlichere Partei ergreife.
In das Capitol schlug der Blitz ein, und es gingen nebst anderen die Sibyllinischen Bücher zugrunde.
264. Im Jahr der Stadt 671 (83 v.Chr.).
Gnaeus Pompeius, ein Sohn Strabos,59 den Plutarch mit dem Spartaner Agesilaos verglich, aufgebracht über diejenigen, die in der Stadt geboten, flüchtete, noch nicht einmal zum Manne gereift, in das Picenische, sammelte auf eigene Hand dort, wo sein Vater Statthalter gewesen war, eine Mannschaft und stellte eine Privatarmee auf, mit der er für sich allein etwas Erkleckliches ausrichten konnte. Er schloss sich sodann Sulla an, und er, der so klein angefangen hatte, blieb an Größe nicht hinter jenem zurück und verdiente mit der Tat den Namen des Großen, den man ihm beilegte.
265. Im Jahr der Stadt 672 (82 v.Chr.).
Sulla übergab das Heer einem Mann, der in nicht besonderem Lob stand, obgleich er viele um sich hatte, die von Anfang an zu ihm gehalten hatten und weit mehr Erfahrung und Übung besaßen und welche er auch bis dahin zu allem Nötigen verwendet und treu befunden hatte. Ehe er gesiegt hatte, bedurfte er ihrer und sprach ihre Dienste an; als er aber größere Hoffnung hatte, alles in seine Hände zu bekommen, nahm er keine Rücksicht mehr auf sie. Den schlechtesten Leuten aber und solchen, die sich weder durch Geburt noch durch Verdienste auszeichneten, vertraute er. Denn in diesen sah er für alle, selbst die ungebührlichsten Dinge bereitwillige Vollstrecker, die ihm auch für den geringsten Lohn den größten Dank wüssten und weder jemals übermütig würden noch sich die Ehre der Taten oder Ratschläge anzumaßen suchten. Der Mann von Verdienst dagegen würde zu seinen Ungebühren die Hand nicht bieten, ihm sie vielmehr vorhalten, den Ehrenpreis rühmlicher Taten verdientermaßen für sich ansprechen, ihm, als erhalte er nur, was ihm gebühre, keinen Dank wissen und, was er tue und rate, auf eigene Rechnung schreiben.
266. Sulla hatte jetzt die Samniten besiegt und war bis auf diesen Tag hochgefeiert; er hatte sich durch Feldherrntaten und weise Ratschläge den größten Namen erworben und zeichnete sich durch Menschlichkeit und Ehrfurcht vor den Göttern, wie man glaubte, so sehr aus, dass alle der Meinung waren, das Glück stehe ihm seiner Tugend wegen bei. Von dieser Zeit an aber war er so sehr umgewandelt, dass man seine früheren und seine späteren Handlungen nicht für die ein und desselben Mannes halten sollte. So wenig ertrug er sein Glück. Denn jenes, was er, so lange er noch nicht mächtig war, an anderen tadelte, und viel mehr und Schrecklicheres verübte er jetzt selbst. Längst schon hatte er es gewollt, gab sich aber erst als solcher kund, da er die Macht besaß. Und hierin glaubten einige, die vornehmlichste Ursache seines Unglücks zu finden.
Sobald Sulla die Samniten bezwungen und den Krieg beendigt zu haben glaubte (denn was noch übrig war, schlug er nicht an), war er ein anderer Mensch. Zwar blieb er außerhalb der Stadt, gewissermaßen in Schlachtordnung, überbot aber an Grausamkeit Cinna und Marius und alle, die nach ihm kamen. Denn was er keinem fremden Volk, das gegen ihn Krieg führte, getan hatte, tat er seinem Vaterland an, als ob er es im Krieg überwältigt hätte.
Noch am selben Tag schickte er die Köpfe des Lucius Damasippus60 und seiner Gefolgsleute nach Präneste und ließ sie auf Pfähle stecken, auch richtete er viele von denen hin, die sich ihm freiwillig ergeben hatten, als hätte er sie gefangen genommen. Am folgenden Tag berief er die Senatoren in den Tempel der Bellona, als ob er sich rechtfertigen wollte, und sammelte die Gefangenen in die öffentliche Villa, als wollte er sie in sein Heer einschreiben. Diese ließ er allesamt durch andere töten, und viele Menschen aus der Stadt, die sich unter sie gemengt hatten, kamen mit ihnen um. An jene hielt er eine Rede in den bittersten Ausdrücken.
266. Im Jahr der Stadt 672 (82 v.Chr.).
Dessen ungeachtet ließ Sulla die Gefangenen niedermetzeln. Weil sie in der Nähe des Tempels umgebracht wurden, drangen großer Lärm und lautes Geheul, Wehklagen und Gewinsel bis in den Senat, sodass die Senatoren von beiden Seiten beängstigt wurden; denn bei so verruchten Reden und Handlungen musste gleiches Schicksal auch sie erwarten, und deshalb wünschten diese statt dieser doppelten Beängstigung lieber unter denen zu sein, die draußen geschlachtet wurden, um nur einmal von ihrer Furcht befreit zu werden. Allein ihr Tod war nur aufgeschoben, die anderen aber wurden hingemordet und in den Fluss geworfen. Hatte man des Mithridates Tat, der an einem Tag alle Römer in Asien umbringen ließ, für gräulich gehalten, so war sie jetzt klein gegen die Menge und die Todesart der von Sulla Gemordeten.
Aber selbst hier blieb das Übel nicht stehen, wie durch ein Feuerzeichen verbreitete sich das Blutbad von hier durch die Stadt, über das Land und über alle Städte Italiens. Denn viele hasste Sulla selbst, viele seine Freunde teils wirklich, teils vorgeblich, damit sie die gleiche Gesinnung bestätigten, um nicht durch eine Verschiedenheit in den Verdacht der Missbilligung seiner Handlungsweise und dadurch selbst in Gefahr zu kommen. Sie brachten auch alle um, die sie durch Reichtum oder sonst etwas gegen sich im Vorteil sahen, die einen aus Neid, die anderen ihres Geldes wegen. In diesem Fall waren auch sehr viele der Parteilosen, [die keinem Teil geholfen hatten], sondern darum dem Tode verfielen, weil sie sich durch Verdienst, Geburt oder Reichtum vor anderen auszeichneten. Nirgends fand einer Sicherheit vor denen, welche die Macht in Händen hatten, wenn sie ihm schaden wollten.
268. Solches Unglück kam über Rom. Wer könnte all die Misshandlungen gegen die Lebendigen erzählen! Viele wurden an Frauen, viele an Knaben aus den edelsten Häusern, als wären sie Kriegsgefangene, verübt. So schrecklich all dieses war, so schien es doch wegen der Ähnlichkeit früherer Gewalttaten denen, die nichts dabei litten, erträglich. Sulla ging aber weiter und begnügte sich nicht mit dem, was auch andere vor ihm getan hatten. Es kam ihn die Laune an, auch an Mannigfaltigkeit der Mordarten alle zu übertreffen, als ob eine Ehre darin läge, auch in der Grausamkeit niemandem nachzustehen. Um auch hierin neu zu sein, stellte er eine weiße Tafel auf, auf welche er die Namen der Geächteten schrieb.61
Nichtsdestoweniger ging alles wie bisher fort und diejenigen, welche nicht auf der weißen Tafel standen, waren darum noch keineswegs sicher. Denn viele, die teils noch lebten, teils schon tot waren, wurden mit auf die Liste gesetzt, um ihre Mörder der Strafe zu entziehen, sodass sich die Sache von dem Früheren in nichts unterschied und durch ihre Härte und Ungewöhnlichkeit jedermann empörte. Denn die Ächtungstafeln wurden wie Senatoren- oder Soldatenlisten aufgestellt, und alles, was gerade in der Nähe war, lief neugierig hin, als ob sie eine erfreuliche Bekanntmachung enthielten; da fanden viele ihre Verwandten, einige sich selbst auf der Liste der Schlachtopfer und wurden durch die plötzliche Gefahr in Angst und Schrecken versetzt. Viele wurden schon dran erkannt und umgebracht. Außer Sullas Anhang war niemand sicher. Trat einer an die Tafel, wurde er der Neugier beschuldigt, trat er nicht hin, der Unzufriedenheit. Las oder fragte einer, wer darauf stünde, war er verdächtig, als sei er um seiner selbst willen oder wegen seiner Freunde besorgt. Las oder erkundigte er sich nicht, so kam er in Verdacht, dass er darüber unwillig sei, und wurde deshalb gehasst. Weinen oder Lachen wurde auf der Stelle mit dem Tode bestraft. Viele wurden, nicht weil sie etwas sprachen oder taten, was verboten war, sondern wegen ihres finsteren oder lächelnden Gesichtes umgebracht: So genau wurden die Mienen belauert. Keiner durfte seiner Freunde wegen wehklagen oder über das Schicksal des Feindes frohlocken. Auch diese wurden, als ob sie jemanden verhöhnte, niedergestoßen. Selbst die Familiennamen wurden manchen zum Verderben. Denn da einige die Geächteten nicht kannten, legten sie deren Namen allen bei, welchen sie wollten, und viele mussten auf diese Art anstelle anderer sterben. So entstand denn oft großer Lärm, wenn die einen die, denen sie zufällig begegneten, nannten, wie sie wollten, die anderen aber sich diesen Namen nicht geben lassen wollten.