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(12) Wen er nun bei solchem Verrat antraf, den bestrafte er, andere ließ er auf bloßen Verdacht hin aus Leidenschaft ergreifen. Niemandem traute er mehr und ließ selbst einige der ihm noch übrigen Kinder aus Argwohn umbringen. Daher stellte ihm einer seiner Söhne Pharnakes teils aus Furcht, teils in der Hoffnung, von den Römern das väterliche Reich (er war schon zum Mann gereift) zu erhalten, nach dem Leben. 2 Er wurde aber entdeckt (weil viele öffentlich und insgeheim jeden seiner Schritte belauerten) und hätte, wenn die Leibwächter nur die geringste Zuneigung zu dem Greis gehabt hätten, unfehlbar die verdiente Strafe gefunden. Mithridates aber, sonst so weise in allen Regierungssachen, wollte immer nicht einsehen, dass weder Waffen noch die Menge der Untertanen einem ohne ihre Liebe etwas nützen und dass sie, je mehr derselben sind, bei unzuverlässiger Treue nur noch gefährlicher werden. 3 Pharnakes zog also mit seinen früheren Anhängern und den zu seiner Gefangennahme ausgeschickten Truppen, welche er ohne viel Mühe für sich gewonnen hatte, gegen seinen Vater. Auf diese Nachricht schickte der Greis, mit dem Versprechen, sogleich selbst nachzukommen, einige Soldaten gegen seinen Sohn voraus. 4 Auch sie hatte er, weil sie den Mithridates ohnehin nicht liebten, auf seine Seite gebracht, nahm die Stadt ohne Widerstand ein und ließ seinen Vater, der sich in den Palast geflüchtet hatte, umbringen.
(13) Zwar wollte dieser sich selbst entleiben und hatte, nachdem er seinen Frauen und noch übrigen Söhnen zuvor Gift verteilt hatte, den Becher vollends ausgetrunken; er konnte aber weder hierdurch noch durchs Schwert den Selbstmord vollbringen. 2 Denn das Gift, obgleich tödlich, griff ihn nicht an, da er sich durch täglichen Gebrauch von Gegengiften dagegen abgehärtet hatte; und der Stich mit dem Schwert war bei der durch Alter, die ängstliche Dringlichkeit der Umstände und die, wenn auch noch so schwache Wirkung des Giftes, entkräftete Hand nicht tief genug eingedrungen. 3 Während er sich so nicht durch eigene Kraft den Tod geben konnte und doch länger, als gut war, zu leben schien, fielen diejenigen, die er wider den Sohn ausgesandt hatte, über ihn her und beschleunigten mit ihren Schwertern und Lanzen seinen Tod. 4 So hatte denn Mithridates, nach so wechselvollen, merkwürdigen Schicksalen auch ein außergewöhnliches Lebensende. Er suchte wider Willen seinen Tod, wollte sich selbst töten und vermochte es nicht. Durch Gift und Schwert [versuchter] Selbstmörder, wurde er von den Feinden vollends abgeschlachtet.
(14) Pharnakes schickte den einbalsamierten Leichnam als Beweis seiner Heldentat an Pompeius und ergab ihm sich und sein ganzes Reich. Pompeius entehrte auf keine Weise den toten Mithridates, sondern gab vielmehr Befehl, ihn in der Gruft seiner Väter94 beizusetzen. Die Feindschaft war mit dem Leben erloschen, dem Leichnam konnte er nicht grollen, 2 gab aber zum Lohn des Vatermords dem Pharnakes das Reich des Kimmerischen Bosporus und nahm ihn unter die Freunde und Bundesgenossen des römischen Volkes auf. Mit des Mithridates Tod war sein ganzes Reich, wenige Orte ausgenommen, unterworfen. 3 Jedoch hatten einige noch feste Plätze außerhalb des Bosporus inne, die sie nicht übergeben wollten, nicht so sehr in der Absicht, sich ihm zu widersetzen, als vielmehr aus Furcht, es möchten andere die von ihnen bewachten Schätze plündern und die Schuld davon auf sie schieben; sie warteten demnach, um alles dem Pompeius selbst auszuliefern.
(15) Als hier alles in Ordnung war, Phraates sich ruhig verhielt, Syrien und Phönikien auf römisches Maß eingerichtet waren, wandte er sich gegen Aretas. Dieser herrschte über die jetzt den Römern unterworfenen Araber bis ans Rote Meer. Er hatte Syrien sehr beunruhigt und setzte, obgleich von den Syrien zu Hilfe gekommenen Römern besiegt, dennoch die Feindseligkeiten fort. 2 Gegen ihn und seine Grenznachbarn also zog Pompeius aus, überwand sie mit wenig Mühe und nahm sie gefangen. Von da rückte er gegen das syrische Palästina zu Felde, weil dessen Bewohner Phönikien mit Krieg überzogen hätten. Es herrschten über dieses Volk die Brüder Hyrkanos und Aristobulos, die sich über den Priesterdienst (so nannten sie ihre Herrschaft) ihres Gottes (sei nun dieser, wer er wolle) stritten und die Städte in Parteien getrennt hatten. 3 Den Hyrkanos, der keine bedeutende Streitmacht befehligte, bezwang er ohne Schwertstreich, Aristobulos aber warf sich in eine Burg und musste sich vermöge einer Übereinkunft ergeben. Da er aber weder die Schatzungsgelder, noch die Burg ausliefern wollte, ließ er ihn gefangen nehmen und unterwarf sodann das übrige Land ohne weitere Schwierigkeit. Die Belagerung von Jerusalem aber machte ihm viel zu schaffen.
(16) Die Stadt selbst, in die ihn der Anhang des Hyrkanos einließ, nahm er bald; den Tempel jedoch, den die Gegenpartei innehatte, eroberte er nicht ohne Schwierigkeit. 2 Derselbe lag auf einer Anhöhe und war mit einer Mauer befestigt. Wäre die Gegenwehr an allen Tagen die gleiche gewesen, so hätte er ihn nicht erobert; da sie sich aber an den sogenannten Saturnustagen95 nicht zur Wehr setzten und untätig blieben, gaben sie den Römern Zeit, die Mauern zu bestürmen. 3 Denn da diese die Gewohnheit der Tempelverteidiger wahrnahmen, strengten sie sich die andere Zeit eben nicht sehr an, beim Eintritt dieses Tages aber stürmten sie den Tempel aus allen Kräften. 4 So wurden sie denn auch am Saturnustage, ohne sich zu verteidigen, bezwungen und alle Schätze geplündert.96 Hyrkanos wurde zum König gemacht und Aristobulos gefangen abgeführt. 5 Dies geschah in Palästina; denn so hieß der ganze Landstrich, soweit er von Phönikien bis Ägypten am Mittelmeer sich erstreckt, seit uralten Zeiten. Sie haben noch einen anderen, später angenommenen Namen, das Land heißt nämlich Iudaea nach dem Volk der Juden.
(17) Woher sie diese Benennung haben, weiß ich nicht; sie erstreckt sich aber auch auf Ausländer, die nach denselben Gesetzen leben. Auch unter den Römern gibt es von dieser Gattung Leute, welche, obgleich oft unterdrückt, dennoch dergestalt sich angesammelt hat, dass sie die freie Ausübung ihrer Gesetze durchgesetzt hat. 2 Sie unterscheiden sich von anderen Menschen sowohl in ihrer ganzen Lebensordnung als auch darin, dass sie keinen der anderen Götter verehren und ausschließlich auf den einen all ihre Anbetung beschränken. Auch hatten sie in Jerusalem selbst kein einziges Götterbild, ihren Gott halten sie für unaussprechlich und unsichtbar und übertreffen in eifrigem Gottesdienst alle übrigen Menschen. 3 Ihm bauten sie einen sehr großen, prachtvollen Tempel; nur ist er offen und ohne Dach.97 Der Saturnustag ist ihnen heilig, an ihm haben sie außer anderen seltsamen Gebräuchen auch den, dass sie keine Arbeit verrichten dürfen. 4 Das Nähere über ihren Gott, den Ursprung seiner Verehrung, ihre Furcht vor demselben ist von vielen geschrieben und gehört nicht in diese Geschichte.
(18) Die Einteilung der Tage nach den sieben sogenannten Wandelsternen (Planeten) ist bei den Ägyptern aufgekommen und jetzt bei allen Völkern, jedoch, glaube ich, nicht vor langer Zeit angenommen worden. Die alten Hellenen wenigstens wussten, soviel mir bekannt ist, nichts davon. 2 Da dieselbe aber jetzt bei allen Völkern und selbst bei den Römern üblich und gewissermaßen heimisch geworden ist, so will ich mit wenigem darzulegen suchen, wie und auf welche Weise man diese Einrichtung getroffen hat. Mir sind zwei Berechnungen bekannt, die zwar leicht verständlich sind, sich aber auf eine gewisse Theorie stützen. 3 Wenn man die sogenannte Harmonie, diatessaron98 (welche als Hauptteil der Musik angenommen wird) auf die Sterne, auf denen die ganze Ordnung der Himmelsbewegung beruht, und zwar so, wie jeder seine Bahn beschreibt, anwendet und nun von dem äußersten Kreis, dem des Saturnus beginnt, 4 unter Übergehung der zwei folgenden den Herrn des vierten [Kreises] nimmt, von diesem dann wieder zwei Kreise überspringt, auf den siebten fortrechnet, auf die gleiche Weise auch die Übrigen durchgeht und die Tage nach den Göttern dieser Kreise der Reihe nach benennt, so findet man, dass diese alle zu der Himmelsordnung in musikalischem Verhältnis stehen.
(19) Dies ist die eine Berechnungsweise. Die zweite ist Folgende: Man zählt die Stunden des Tages und der Nacht von Eins an, gibt die erste dem Saturn, die zweite dem Iupiter, die dritte dem Mars, die vierte der Sonne, die fünfte der Venus, die sechste dem Merkur und die siebte dem Mond, 2 je nach der Ordnung der Kreise, wie sie die Ägypter rechnen, fährt so auf gleiche Weise fort, bis man alle vier Stunden durchgerechnet hat, und man wird finden, dass die erste Stunde des folgenden Tags auf die Sonne kommt. 3 Verfährt man mit den nächsten 24 Stunden wie zuvor, so trifft die erste Stunde des dritten Tags auf den Mond, und bei weiterer Durchrechnung wird jeder Tag den ihm zukommenden Gott erhalten. So gibt es die Überlieferung.
(20) Nachdem Pompeius auch diese Unternehmung beendet hatte, ging er noch einmal an den Pontos, übernahm die festen Plätze und kehrte über Kleinasien und Griechenland nach Italien zurück. 2 Viele Schlachten hatte er gewonnen, viele Fürsten und Könige mit Waffengewalt oder durch Vertrag unterworfen, acht Städte und Landschaften bevölkert, den Römern bedeutende neue Geldquellen eröffnet, die meisten den Römern unterworfenen Staaten auf dem Festland Asiens nach eigenen Gesetzen und Verfassungen aufs Beste geordnet, sodass noch jetzt seine Einrichtungen bestehen. 3 Alle diese wichtigen Leistungen aber, die vor ihm noch kein Römer vollbracht hatte, könnte man doch vielleicht zum Teil auf Rechnung des Glücks und der Mitkämpfer setzen. Was aber alleiniges Werk des Pompeius war und allgemeine Bewunderung verdient, ist, 4 dass er – an der Spitze so großer Heere zu Land und zur See, bei den bedeutenden Geldmitteln, die er aus den Gefangenen gewonnen hatte, nachdem er sich viele Fürsten und Könige zu Freunden gemacht und alle Völker, bei denen er befehligt, durch Wohltaten sich verbunden hatte, 5 während er ganz Italien bewältigen und Roms ganze Macht an sich reißen konnte, da die meisten ihn freiwillig als Oberherrn anerkannt, die anderen, welche etwa widerstanden, bald aus Ohnmacht sich ihm gefügt hatten – dieses verschmähte und, 6 sobald er nach Brundisium kam, sogleich unaufgefordert, und ohne dass der Senat oder das Volk es beschlossen hatte, all seine Heere entließ und sich ihrer nicht einmal zur Verherrlichung seines Triumphzuges bedienen wollte. Denn wohl wissend, wie sehr man das Betragen des Marius und des Sulla verabscheute, wollte er die Römer, auch nicht auf wenige Tage, der Besorgnis ähnlicher Schreckensszenen aussetzen.
(21) Auch nahm er keinen der vielen Beinamen an, zu denen er [aufgrund der eroberten Gebiete] berechtigt war. Er verstand sich aber zu dem größeren Triumph, welcher ihm, obgleich er bisher ohne Beisein der Siegesgenossen nicht gestattet war, zuerkannt worden war. 2 Er hielt ihn über alle seine Siege auf einmal. Den anderen, schön verzierten Siegeszeichen über jede, auch die geringste seiner Taten, folgte ein großes, reich geschmücktes mit der Aufschrift: »Über die Welt.« 3 Jedoch legte er sich keinen Beinamen zu und begnügte sich mit dem Magnus, den er schon vor seinen jetzigen Kriegstaten erhalten hatte. Er strebte nach keiner übermäßigen Auszeichnung, und wenn ihm eine in seiner Abwesenheit zuerkannt worden war, machte er nie mehr als einmal Gebrauch davon. 4 So sollte ihm z.B. bei allen Festlichkeiten den Lorbeerkranz und Feldherrnmantel, bei Ritterkämpfen aber das Triumphkleid zu tragen gestattet sein. Diese Ehren wurden ihm, so sehr auch Marcus Cato dagegen war, hauptsächlich auf Betreiben Caesars zuerkannt.
(22) Was dieser für ein Mann war, wie er der Menge schmeichelte, den Pompeius zwar untergrub, beim Volk aber, um seine Gunst zu gewinnen und den eigenen Einfluss zu mehren, empfahl, ist schon früher gesagt worden. Cato, aus dem Geschlecht der Porcier, nahm sich in allem seinen berühmten Vorfahren zum Vorbild, übertraf ihn aber durch seinen Eifer für griechische Bildung. 2 Immer nur auf das Wohl des Volkes bedacht, bewunderte er niemanden, liebte das Volk über alles, sah und hasste in jedem hervorstechenden Talent einen Feind der Freiheit und war allem, was das Volk berührte, aus Mitleid für dessen Schwäche eifrig zugetan. 3 Ein Volksfreund wie keiner, verfocht er das Recht sogar mit Gefahr für sich selbst, ganz freimütig. All dies tat er nicht, um Macht, Ruhm oder Ehre zu erlangen, sondern einzig, um die Freiheit im Staat vor der Willkür Einzelner zu bewahren. 4 Mit diesen Grundsätzen trat er damals zum ersten Mal auf und bekämpfte die Volksbeschlüsse, nicht aus Feindschaft gegen Pompeius, sondern weil sie gegen die Gesetze der Väter waren.
(23) Die erwähnten Rechte wurden dem abwesenden Pompeius zugesprochen. Als er kam, erhielt er nichts mehr. Doch hätte man ihm noch mehr gegeben, wenn er es begehrt hätte. Wenigstens wurde anderen, die weniger mächtig waren als er, oft viel und übertriebene Ehre zuerkannt. Dass man es aber nicht mit gutem Willen tat, ist unverkennbar. 2 Pompeius also, überzeugt, dass alles, was das Volk den Großen selbst mit dem besten Willen gibt, den Verdacht errege, es sei durch den Einfluss der Mächtigen abgerungen und dem Empfänger als eine Gabe nicht des freien Willens, sondern des Zwangs, nicht des Wohlwollens, sondern der Schmeichelei, [und insofern] wenig Ehre bringe, verbot seinen Leuten gleich zu Anfang, eine Ehrenbezeichnung für ihn vorzuschlagen. 3 Dies, so meinte er, sei immer noch besser, als das Zuerkannte nicht anzunehmen. Das eine erzeuge Hass wegen der Übermacht, die es durchgesetzt hat, und wenn man es ausschlage, da es doch als Geschenk von Männern sei, die sich, wo nicht für mehr, wenigstens für gleichberechtigt halten, so werde dies als Geringschätzung und Übermut ausgelegt, während man im anderen Fall den Namen eines anspruchslosen Bürgers nicht zum Schein, sondern durch die Tat erwerbe. 4 Er hatte fast all seine Ehrenstellen und Oberbefehle gegen die Vorschrift der bestehenden Gesetze erhalten und verzichtete gerne auf solche, die weder ihm noch anderen etwas halfen, sondern ihm den Hass und den Neid selbst der Geber zuzogen. Dies geschah jedoch erst in der späteren Zeit.
(24) Den Rest des Jahres hatten die Römer überall Frieden, sodass man nach langer Zeit die Vogelschau des Heils wieder vornehmen konnte. Dies ist eine Art Anfrage bei dem Gott, ob er gestatte, um Heil für das Volk zu flehen. Denn selbst die Bitte, bevor sie erlaubt wäre, hielt man für Sünde. 2 Für diese Feierlichkeit war jährlich ein Tag angesetzt, an welchem kein Heer zu Felde ging noch sich zur Schlacht stellte oder sie schlug. Daher unterblieb sie in den unaufhörlichen Bürgerkriegen. Ohnedies war es den Römern schwer, einen von all diesen Hindernissen freien Tag auszuscheiden, 3 auch wäre es höchst widersinnig gewesen, zu einer Zeit, wo sie bei den inneren Unruhen einander freiwillig unsäglichen Schaden zufügten und besiegt oder als Sieger, zu Schaden kamen, die Götter noch um Glück anzuflehen.
(25) Jetzt glaubte man allerdings jene Vogelschau halten zu dürfen; jedoch fiel sie nicht rein aus. Die Vögel flogen von unrechter Seite,99 und man musste sie wiederholen. Auch andere ungünstige Vorzeichen ergaben sich. 2 Es blitzte mehrmals bei heiterem Himmel, heftige Erdstöße folgten, Menschengestalten wandelten an vielen Orten in der Luft und feurige Strahlen schossen von Westen auf, sodass jeder, selbst der Laie, mit bangen Erwartungen auf die Zukunft blickte. 3 Die Volkstribunen verbündeten sich mit dem ihnen völlig gleich gesinnten Konsul Antonius. Der eine wollte die Söhne der von Sulla Verbannten wieder zu den Staatsämtern zulassen, der andere dem mit ihm (der Bestechung) überführten Publius Paetus und Cornelius Sulla wieder den Zutritt in den Senat und zu den Magistraten eröffnen. 4 Der eine schlug Nachlass der Schulden, der andere Verteilung der Grundstücke in Italien und den Provinzen vor. Cicero und andere ihm gleich gesinnte Männer entdeckten und vereitelten noch zeitig genug diese ihre Anschläge, bevor sie etwas durchführen konnten.
(26) Titus Labienus aber, welcher den Gaius Rabirius der Ermordung des Saturninus angeklagt hatte, erregte vielfache Unruhen. Saturninus war nämlich schon seit 36 Jahren tot, und die Konsuln hatten damals vom Senat den Auftrag erhalten, wider ihn mit bewaffneter Hand einzuschreiten. 2 Der Senat sollte nun durch jenen Spruch alle Beschlussrechte verlieren, wodurch der ganze Staat in Verwirrung geriet. Rabirius gestand die Ermordung nicht, sondern leugnete. Die Volkstribune wollten dem Senat alle Macht und alles Ansehen entziehen und sich volle Willkür sichern. 3 Denn dadurch, dass sie Beschlüsse und Maßregeln des Senats von so vielen Jahren her in Untersuchung nahmen, wurden andere aufgefordert, dasselbe wie jener ungestraft oder gegen mäßige Buße zu verüben. Der Senat hielt es schon für höchst ungerecht, dass ein Mann aus seiner Mitte, der nichts verbrochen hatte, in hohem Alter verurteilt werden sollte; noch weit mehr aber empörte ihn, dass der erste Stand im Staate so entehrt und die Leitung der Staatsangelegenheiten den schlechtesten Menschen in die Hände gegeben werden sollte.
(27) Stürmische Umtriebe und Kämpfe der Parteien erfolgten, erst für oder gegen die Zuweisung der Sache vor die Richter. Als erstere Meinung, von Caesar und anderen unterstützt, durchdrang, handelte es sich um die Klage selbst. 2 Seine Richter, und unter diesen er und Lucius Caesar, erklärten denselben (und die Klage betraf nichts Geringeres als Hochverrat) für schuldig, obgleich sie nicht von dem Volk nach den Gesetzen, sondern in gesetzwidriger Weise von dem Prätor selbst gewählt worden waren. 3 Rabirius appellierte an das Volk, wäre aber auch bei diesem verurteilt worden, wenn nicht Metellus Celer, damals Augur und Prätor, es verhindert hätte. Denn da sie nicht hören und das Gesetzwidrige des Urteilsspruchs nicht anerkennen wollten, lief er nach dem Ianiculum und nahm die Kriegsfahne ab, sodass sie nichts mehr entscheiden konnten.
(28) Mit dieser Fahne hat es folgende Bewandtnis: Weil vor alten Zeiten noch viele feindliche Völker um die Stadt her wohnten, fürchtete man, sie möchten, während das Volk in Zenturien versammelt wäre, das Ianiculum besetzen und die Stadt angreifen, und verordnete, dass nicht alle zugleich abstimmen, sondern immer einige abwechselnd diesen Platz besetzt halten sollten. 2 So lange nun die Versammlung dauerte, wachte man dort; wenn sie aber auseinanderzugehen im Begriff war, nahm man die Fahne ab und die Wächter zerstreuten sich. Sobald dieser Posten nicht mehr bewacht war, durfte nichts weiter vorgenommen werden. 3 Dies geschah jedoch nur bei Zenturiatkomitien, weil sie außerhalb der Mauern100 gehalten wurden und alle waffenfähigen Römer zugegen sein mussten. Auch noch jetzt hält man dies, dem alten Gebrauch zu Ehren, ein. 4 Es löste sich also damals auf die Abnahme der Fahne die Versammlung auf, und Rabirius war gerettet. Zwar hätte Labienus die Sache noch einmal vor Gericht bringen können, er tat es aber nicht.
(29) Catilina verlor auf folgende Art und aus folgenden Gründen das Leben: Der Senat beschloss, als er sich wieder um das Konsulat bewarb und alle Mittel aufbot, seinen Zweck zu erreichen, hauptsächlich auf Ciceros Betreiben, die auf Amtserschleichung gesetzte Strafe noch durch zehnjährige Verbannung zu verschärfen. 2 Diesen Beschluss glaubte jener (wie es auch war) auf sich gemünzt und wollte nun mit einer Rotte Anhänger Cicero und andere auf dem Wahlplatz selbst umbringen und sich sogleich zum Konsul wählen lassen. Es gelang ihm aber nicht. 3 Cicero erfuhr den Mordanschlag, eröffnete denselben dem Senat und hielt eine heftige Rede wider ihn. Weil er aber den Senat nicht zu den gewünschten Maßregeln bewegen konnte (denn die Sache schien unwahrscheinlich und man argwöhnte, dass er sie aus Feindschaft anschuldigte) geriet er in Furcht, weil er Catilina noch mehr erbittert hatte, 4 und wagte sich nicht, wie sonst, unbewacht in die Versammlung, sondern brachte noch Vertraute zu seiner Verteidigung mit und trug, teils der eigenen Sicherheit wegen, teils um jenen verhasst zu machen, einen Panzer unter dem Kleid und ließ denselben hin und wieder geflissentlich sehen. 5 Hierdurch, und weil auch anderwärts die Sage ging, dass man ihm nach dem Leben trachte, wurde das Volk dermaßen aufgebracht, dass sich die Mitverschwörer Catilinas fürchteten und sich ruhig verhielten.
(30) So wurden andere zu Konsuln gewählt, und seine Pläne waren nicht mehr nur gegen Cicero und dessen Anhang, sondern gegen den ganzen Staat gerichtet. 2 Bald hatte er in Rom selbst die verworfensten Menschen, denen jeder Umsturz erwünscht kam, und bei den Bundesgenossen durch Verheißung von Schuldenerlass und Güterverteilung eine große Menge für sich gewonnen. 3 Die Ersten und Mächtigsten derselben (unter anderen selbst den Konsul Antonius) verband er durch die fürchterlichsten Eide. Er schlachtete einen Knaben, ließ sie über dessen Eingeweiden schwören und verspeiste dieselben mit den Übrigen. 4 Den hauptsächlichen Vorschub taten ihm in Rom Konsul Antonius und Publius Lentulus, der, nach dem Konsulat aus dem Senat gestoßen, jetzt, um wieder in denselben zu kommen, eine Prätur verwaltete, 5 in Faesulae aber, dem Sammelplatz seiner Anhänger, Gaius Manlius, ein im Krieg sehr erfahrener Mann (denn er hatte unter Sulla als Zenturio gedient), aber der ausschweifendste Verschwender. Nachdem er alles, was er damals zusammengerafft (und dies war nicht wenig) durchgebracht hatte, suchte er neue ähnliche Bereicherungsquellen.
(31) Während dieser Umtriebe wurden Cicero zuerst die Vorgänge in der Stadt durch Briefe, deren Verfasser er zwar nicht nannte, die aber an Crassus und andere Große abgegeben worden waren, verraten. Auf diese hin erkannte der Senat, dass der Staat sich in Gefahr befinde und nach den Schuldigen gefahndet werden sollte. 2 Nächst dem kam Nachricht aus Etrurien, und nun wurde den Konsuln, wie es sonst üblich war, befohlen, auf die Sicherheit der Stadt und des Staates Bedacht zu nehmen. Diesem Beschluss war noch beigefügt: Die Konsuln hätten darauf zu sehen, dass der Staat nicht zu Schaden komme.101 3 Hierauf wurden an vielen Orten Wachposten ausgestellt, und die in der Stadt Befindlichen wagten nicht, sich zu rühren, sodass man sogar Cicero der Verleumdung beschuldigte. Die Nachrichten aus Etrurien aber bewirkten, dass die Sache mehr Glauben fand und Catilina des Aufruhrs angeklagt wurde.
(32) Anfangs ließ sich dieser, als ob er das beste Gewissen hätte, bereitwillig auf die Sache ein, schickte sich zur Verteidigung an und erbot sich, um nicht entfliehen zu können, sich Cicero in Gewahrsam zu geben. 2 Da dieser aber seine Bewachung nicht annahm, wohnte er aus freien Stücken bei dem Prätor Metellus, um nicht den geringsten Verdacht zu geben, als hätte er Umsturzpläne, bis seine Mitverschworenen auf dem Platz mehr Stärke gewonnen hätten. 3 Weil sein Anschlag aber nicht voranging, Antonius aus Furcht zögerte und Lentulus gar nichts unternehmen wollte, beschied er sie nachts in ein Haus, kam unbemerkt von Metellus zu ihnen, schalt sie ob ihrer Schwäche und Unentschlossenheit, 4 stellte ihnen ihr trauriges Schicksal im Fall der Entdeckung, ihr Glück im Fall des Gelingens vor Augen und ermutigte und bestärkte sie dergestalt, dass zwei102 sich erboten, mit Anbruch des Tages zu Cicero zu gehen und ihn in seinem eigenen Haus zu ermorden.