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208. Im Jahr 614 (141 v.Chr.).
Caepio50 tat gegen die Feinde nichts, das der Rede lohnte, die Seinen aber behandelte er aufs Härteste, sodass er von ihnen beinahe umgebracht worden wäre. Denn da er auch gegen die anderen, namentlich aber gegen die Ritter mit ungebührlicher Strenge verfuhr, taten ihm viele besonders bei Nacht mancherlei Schabernack und streuten lose Reden gegen ihn aus, und je mehr er sich ärgerte, desto mehr neckten sie ihn, um ihn aufzureizen. Wie nun die Sache an den Tag kam und doch keiner sie getan haben wollte, warf er den Verdacht auf die Ritter, weil er aber auf niemanden die Schuld bringen konnte, wollte er sie alle seinen Zorn entgelten lassen und befahl ihnen, 600 an der Zahl, nur von Reitknechten begleitet, über den Fluss, an dem sie ihr Lager hatten, zu setzen und von dem Berg, auf welchem Viriatus stand, Holz zu holen. Weil die Gefahr für alle augenscheinlich war, baten ihn die Tribunen und die Legaten, sie nicht zugrunde zu richten. Die Ritter warteten eine Weile, ob er auf jene hören würde, als er aber darauf bestand, hielten sie es für unwürdig, ihn selbst zu bitten, so sehr er dies auch wünschen mochte, und wollten lieber sterben, als ihm gute Worte geben und zogen aus, den Befehl zu vollziehen. Mit ihnen zog die Reiterei der Bundesgenossen nebst anderen Freiwilligen. Sie gingen über den Fluss, fällten das Holz und häuften es rings um das Feldherrnzelt, um ihn zu verbrennen; und er wäre auch verbrannt worden, wenn er sich nicht durch die Flucht gerettet hätte.
209. Als Gesandte der Numantiner kamen, empfingen sie die Römer außerhalb der Mauer, um nicht den Schein zu erwecken, als ob sie den Frieden bestätigten, schickten ihnen jedoch Gastgeschenke, um ihnen nicht die Hoffnung auf einen Frieden zu nehmen. Die Freunde des Mancinus stellten die Notwendigkeit des Vertrags vor, wie viele Römer dadurch gerettet wären und wie sie alle ihre früheren Besitzungen in Spanien noch besäßen, und meinten, nicht ihre eigene gegenwärtige Gefahrlosigkeit, sondern die damalige Gefahr der Soldaten, nicht was geschehen sollte, sondern was möglicherweise geschehen könnte, müsste man bedenken. Die Numantiner ihrerseits sprachen viel von ihrer früheren Ergebenheit gegen jene, von dem an ihnen verübten Unrecht, das sie zum Krieg gezwungen hätte, und von der Treulosigkeit des Pompeius und wollten dafür Dank, dass sie Mancinus und seinen Leuten das Leben geschenkt hätten. Die Römer aber erklärten den Vertrag für ungültig und beschlossen die Auslieferung des Mancinus an die Numantiner.
210. Als Scipio gegen die Spanier kämpfte, fürchteten sich die Barbaren vor ihm und brachten ihren König Boriantus (Viriatus) um. Einige derselben kamen zu Scipio und verlangten von ihm, für ihre Tat belohnt zu werden; dieser aber antwortete, dass es bei den Römern nirgends Sitte sei, meuchlerische Angriffe der Untergebenen auf das Leben ihrer Anführer gutzuheißen. [Die Barbaren brachten ihren Herrscher Boriantus um, kamen und verlangten von Scipio für ihre Tat belohnt zu werden. Scipio aber antwortete, dass es bei den Römern nirgends Sitte sei, meuchlerische Angriffe der Untergebenen auf das Leben ihrer Anführer gutzuheißen.
211. Im Jahr 618 (137 v.Chr.).
Der Zensor Appius Claudius hätte aus Strenge viel Ungebühr begangen, wenn ihn nicht sein Amtsgenosse Quintus [Fulvius] daran gehindert hätte. Denn dieser als von sanftem und ganz entgegengesetztem Charakter, widersetzte sich ihm nicht mit Leidenschaft, sondern gab ihm hin und wieder nach und wusste ihn durch freundliche Behandlung so zu leiten, dass er nur selten mit Heftigkeit einschritt.
212. Publius Furius nahm Quintus Pompeius und Quintus Metellus, obgleich sie gegen ihn und unter sich feindlich gesinnt waren, als Legaten mit, um sich von den Taten, die er verrichten wollte, einen sicheren Beweis zu verschaffen und sie wider ihren Willen zu Zeugen seiner Tapferkeit zu machen.
213. Tiberius Gracchus brachte den römischen Staat in große Verwirrung, obgleich er durch seinen Großvater Africanus aus einem der ersten Häuser stammte und einen desselben würdigen Charakter besaß, sich auch durch wissenschaftliche Bildung und hohe Gesinnung auszeichnete. In je höherem Grade sich dies alles bei ihm fand, umso mehr wurde er zum Ehrgeiz hingerissen. Nachdem er einmal vom Pfad des Guten gewichen war, geriet er, ohne es selbst zu wollen, immer mehr auf Abwege. –
Denn als ihm51 der Triumph über Numantia verweigert worden war und er selbst, der auf eine ehrenvolle Anerkennung seiner dabei geleisteten Dienste gehofft hatte, sich nicht nur getäuscht sah, sondern sogar Gefahr lief, ausgeliefert zu werden, überzeugte er sich, dass bei Beurteilung der Taten nicht auf den wahren Wert der Leistungen an sich, sondern auf zufällige Umstände Rücksicht genommen werde, und verließ diese Bahn des Ruhms als unsicher. Da er aber gleichwohl auf irgendeine Weise sich emporzuschwingen strebte und dies eher durch die Menge als durch den Senat zu erreichen glaubte, schloss er sich dem Volk an.
214. Marcus Octavius wurde aus verwandtschaftlicher Eifersucht freiwillig ein Gegner des Gracchus. Nun galt nirgends mehr Mäßigung. Mehr darauf bedacht, einander zu besiegen als dem Gemeinwesen zu nützen, erlaubten sie sich, wie in einer Alleinherrschaft und nicht in einer Demokratie, viele Gewalttätigkeiten und erlitten, als wären sie im Krieg und nicht im Frieden, mancherlei Unbilden. Denn bald zogen sie einzeln, bald mit zahlreichem Anhang unter kränkenden Schmähungen und wirklichen Kämpfen nicht nur in der übrigen Stadt, sondern selbst in der Curie und in der Volksversammlung gegeneinander los. Zum Vorwand nahmen sie das Gesetz, in der Tat aber griffen sie nach allem anderen, um in nichts einander einen Schritt weit zu weichen. So ging auch sonst nichts seinen gewöhnlichen, ordentlichen Gang; die Obrigkeiten setzten aus, die Gerichte standen still, Handel und Wandel stockten. Allenthalben herrschten Verwirrung und Unordnung; Rom hieß bei ihnen noch eine Stadt, war aber ein förmliches Feldlager.
215. Gracchus gab Gesetze zugunsten derer, die vom Volk Kriegsdienste taten, übertrug das Richteramt vom Senat auf die Ritter und knetete und warf alles Bestehende durcheinander, um sich daraus einige Sicherheit zu verschaffen. Als ihm aber auch dabei nichts gelang, seine Amtszeit zu Ende ging und er sich mit Niederlegung desselben seinen Feinden preisgegeben sah, bemühte er sich, sich auch für das folgende Jahr mit seinem Bruder zum Volkstribun, seinen Schwiegervater Appius Claudius aber zum Konsul wählen zu lassen, und ließ es für diesen Zweck nicht an Worten und Versprechungen fehlen. Oft legte er sogar Trauerkleider an und führte seine Mutter und seine Kinder vor das Volk, um mit ihm zu flehen.
216. Im Jahr 625 (129 v.Chr.).
Publius Scipio Africanus hatte mehr Ehrgeiz, als ziemlich war oder mit seinen sonstigen Vorzügen übereinstimmte, und doch freute sich niemand selbst von der Gegenpartei über seinen Tod,52 auch wünschten sie ihn, obgleich sie ihn für ihren größten Widersacher hielten, zurück. Denn sie sahen, dass er dem Gemeinwesen gut anstand, und befürchteten auch für sich nichts Schlimmes von ihm. Mit seinem Fall sank wieder die Macht der Nobilität, sodass die Landverteiler ungestraft ganz Italien, sozusagen, plündern durften.
Dies scheinen auch die Menge von Steinen, die vom Himmel auf einige Tempel fielen und mehrere Menschen töteten, und die Tränen Apollos vorbedeutet zu haben. Denn er weinte – weinte drei Tage lang, sodass die Römer auf den Rat der Wahrsager beschlossen, seine Bildsäule zu zerschlagen und ins Meer zu werfen.
217. Gaius Gracchus hatte dieselben Grundsätze wie sein Bruder, nur dass dieser von der Tugend in Ehrgeiz und von diesem auf die Abwege des Lasters geriet; er dagegen, von Natur ein unruhiger Kopf, handelte aus freier Entschließung schlecht. Als Redner übertraf er ihn weit, zeigte aber deswegen auch in seinen Anschlägen mehr Bosheit, in seinen Unternehmungen mehr Kühnheit und größere Anmaßung in allem, was er tat. Er war der Erste, der während seiner Reden an das Volk auf- und niederging, der Erste, der den Arm entblößte, sodass seit ihm keines von beiden mehr für unanständig galt. Da er mit großer Gedrängtheit der Beweise und mit viel Nachdruck der Worte sprach und oft so hingerissen wurde, dass er auf ganz anderes abschweifte, als er sagen wollte, nahm er einen Flötenspieler mit sich, nach dessen Takt er sich stimmte und mäßigte. Und wenn er auch dann sich noch vergaß, hielt er inne.
218. Im Jahr der Stadt 631–633 (123–121 v.Chr.).
Als ein Mann von solchem Charakter griff er die Staatsverfassung an; und weil er sich stellte, als ob er etwas Unerlaubtes weder spreche noch tue, stand er bald bei Volk und Rittern in höchstem Ansehen und hätte bei längerem Leben den ganzen Adel und Senat zugrunde gerichtet. Durch übermäßige Herrschsucht aber selbst seinen Anhängern verhasst, ging er durch seine eigenen Künste unter.
219. Im Jahr der Stadt 635 (119 v.Chr.).
In das sechshundertfünfunddreißigste Jahr der Erbauung Roms fiel die hundertvierundsechzigste Olympiade.
220. Im Jahr der Stadt 640 (114 v.Chr.).
Die Priesterinnen der Vesta hatten zwar die Strafe und die Schande selbst zu büßen, machten aber auch viele andere unglücklich. Die ganze Stadt kam durch sie in Unruhe. Denn bedachte man, dass das sonst durch Gesetze Unverletzliche, durch Religion Geheiligte, durch Furcht vor Strafe rein Erhaltene befleckt wurde, so hielt man nichts mehr für zu schändlich und ruchlos, dass es nicht verübt werden könnte. Es wurden daher nicht nur die Überwiesenen, sondern, aus Abscheu vor dem Verbrechen, auch alle anderen Angeklagten zur Strafe gezogen; und man schien nicht so sehr über das Verbrechen der Frauen bekümmert, sondern das Ganze für ein Verhängnis göttlichen Zorns anzusehen.
Drei derselben hatten sich zu gleicher Zeit mit Männern eingelassen. Eine von ihnen, Marcia, hatte nur mit einem Ritter zu tun gehabt und wäre vielleicht unentdeckt geblieben, wenn nicht die strenge Untersuchung gegen die anderen auch sie hineingezogen hätte. Aemilia und Licinia aber hatten eine Menge Buhlen und gaben sich, eine um die andere, denselben hin. Anfangs hatten sie nur mit wenigen Einzelnen und insgeheim Umgang und stellten sich, als wäre jeder der allein Begünstigte, später aber ließen sie jeden, der Verdacht schöpfen und sie verraten konnte, um ihn zum Stillschweigen zu nötigen, an ihrem Umgang teilnehmen. Ihre älteren Liebhaber, obgleich die es bemerkten, ließen es sich gefallen, um sich nicht durch ihren Unwillen zu verraten. So gaben sie sich bald mit einem, bald mit vielen, bald einzeln, bald gemeinschaftlich ab, Licinia aber vornehmlich mit dem Bruder der Aemilia und Aemilia mit dem der Licinia.
Lange Zeit blieb die Sache verborgen. Obgleich viele Männer und Frauen, Freie und Sklaven darum wussten, blieb es doch sehr lange verschwiegen, bis ein gewisser Manius, der bei dem ganzen Frevel den vornehmsten Unterhändler und Helfer gemacht hatte, die Sache verriet, weil er seine Freiheit und andere Vorteile, auf die er gehofft hatte, nicht erhalten hatte. Wirklich besaß er auch nicht nur zum Kuppeln, sondern auch zur Verleumdung und zum Hetzen besonderes Geschick.
221. Im Jahr der Stadt 642 (112 v.Chr.).
Schon dies allein hatte Marcus Drusus Ruhm gebracht. Catos frühere Niederlage, und weil er die Soldaten mit großer Milde behandelte, bewirkten aber, dass sein Sieg, wie es schien, zu hoch veranschlagt wurde und er mehr Ehre erntete, als seine Taten verdienten.
222. Im Jahr der Stadt 646 (108 v.Chr.).
Metellus forderte von Iugurtha, der ihm Frieden anbot, vieles, aber jedes einzeln und immer so, als ob er sonst nichts weiter fordern wollte. So erhielt er von ihm nach und nach Geiseln, Waffen, die Elefanten, die Gefangenen und die Überläufer. Letztere ließ er alle töten. Doch kam es nicht zum Frieden, weil Iugurtha, aus Furcht, gefangen genommen zu werden, sich weigerte, zu ihm zu kommen, und weil auch Marius und Gnaeus den Frieden hintertrieben.
223. Marius, überhaupt ein unruhiger, aufrührerischer Kopf, ein Freund des gemeinsten Pöbels, aus welchem er selbst stammte, befeindete alles, was Adel hieß. Wo immer er durch Reden, Versprechungen, Lügen und Meineid seinen Vorteil zu finden hoffte, bedachte er sich nicht lange. Verleumdung der Besten und Lob der Schlechtesten waren für ihn ein Spiel. Kein Wunder, dass er bei solchem Charakter lange Zeit sein Wesen trieb; denn durch listige Kniffe und sein Glück, das ihm überall treu blieb, wusste er sich sogar den Ruhm wahren Verdienstes zu erwerben.
Den Metellus zu verleumden, wurde ihm leichter, weil derselbe Patrizier und als Held bekannt war, er selbst aber aus niedriger Dunkelheit erst vor das Volk zu treten begann. Denn die Menge war geneigt, den einen aus Neid zu demütigen, den anderen wegen der Versprechungen, die er machte, emporzuheben; besonders aber trug dazu bei, dass das Gerücht ging, Metellus habe zu Marius, als er ihn zu der Wahlversammlung beurlaubte, gesagt: »Du darfst froh sein, wenn du mit meinem Sohn – der damals noch ein sehr junger Mensch war – Konsul wirst.«
Gauda53 grollte dem Metellus, weil er von ihm auf seine Bitte weder die Überläufer noch die Leibwache römischer Soldaten erhielt oder auch deshalb, weil er ihn nicht nahe bei sich sitzen ließ, eine Ehre, die sonst die Konsuln Königen und Fürsten immer zu erweisen pflegten.
224. Im Jahr der Stadt 647 (107 v.Chr.).
Als Cirta gegen Bedingungen übergegangen war, schickte Bocchus54 Gesandte an Marius. Anfangs verlangte er Iugurthas Reich als Lohn seines Übertritts; später, als er dies nicht erhielt, bat er einfach um Frieden. Marius schickte die Gesandten nach Rom; Iugurtha hingegen begab sich in die verlassensten Gegenden seines Landes.
225. Im Jahr der Stadt 648 (106 v.Chr.).
Marius nahm zwar die Gesandten des Bocchus an, erklärte aber, dass er sich nicht früher auf Unterhandlungen einlasse, bis er ihm den Iugurtha ausgeliefert hätte. Und dies geschah auch.
226. Im Jahr der Stadt 648 (106 v.Chr.).
Tolosa, welches früher mit den Römern verbündet gewesen war, durch seine Hoffnungen auf den Erfolg des Einfalls der Kimbern aber zum Abfall verleitet wurde und die Besatzung in Fesseln legte, überfielen [die Römer] unversehens bei Nacht. Von ihren Freunden in die Stadt gelassen, plünderten sie die Tempel und raubten überdies viele andere Schätze. Denn die Stadt war von jeher reich und besaß die Weihegeschenke, welche die Gallier auf ihren Zügen unter Brennus aus Delphi geraubt hatten. Jedoch hatten die Römer in der Stadt dabei keinen nennenswerten Vorteil, da die Soldaten sich das meiste davon aneigneten. Auch wurden viele deswegen zur Verantwortung gezogen.
227. Im Jahr der Stadt 649 (105 v.Chr.).
[Quintus] Servilius [Caepio] brachte durch seinen Neid gegen den Mitfeldherrn, dem er zwar an Gewalt gleich–, als einem Konsul aber im Rang nachstand, großes Unglück über das Heer. Nach des Scaurus Tod hatte Mallius dem Servilius entboten, zu ihm zu stoßen. Dieser aber erwiderte, jeder müsste seine eigene Provinz schützen; als er jedoch später befürchtete, er möchte ohne ihn siegen und allein den Ruhm davon haben, kam er zwar, lagerte sich aber weder an demselben Ort noch pflog er Beratung mit ihm, sondern schlug, um noch vorher mit den Kimbern handgemein zu werden und allen Ruhm des Krieges allein davonzutragen, sein Lager in der Mitte zwischen Mallius und den Feinden auf. Anfangs waren sie auch, solange sie die Uneinigkeit derselben nicht wussten, den Feinden so furchtbar, dass dieselben Lust zum Frieden bezeigten. Als sie aber an den Konsul Mallius ihre Gesandten schickten, war Servilius aufgebracht, dass sie sich nicht an ihn wenden wollten, und gab ihnen nicht nur keine versöhnliche Antwort, sondern hätte die Gesandten beinahe ums Leben gebracht.
Die Soldaten zwangen endlich den Servilius, sich zu Mallius zu begeben und mit ihm über das, was zu tun sei, zu beratschlagen. Sie vereinigten sich aber so wenig, dass sie durch diese Zusammenkunft nur noch feindseliger gegeneinander wurden. Es kam zu Zank und Schmähungen, und sie trennten sich auf schimpfliche Weise.
228. Gnaeus Domitius hatte Scaurus vor Gericht geladen, als aber ein Sklave desselben zu ihm kam und versprach, viele schwere Vergehen wider seinen Herrn vorzubringen, nahm er von seiner Angabe nicht nur keine Kenntnis, sondern übergab ihn gebunden an Scaurus.
229. Publius Licinius Nerva, Prätor auf der Insel Sizilien, ließ, auf die Nachricht, dass man die Sklaven misshandle, oder aus Gewinnsucht (denn er war gar nicht unbestechlich) bekannt machen, dass alle, die über ihre Herrn zu klagen hätten, zu ihm kommen und Hilfe finden sollten. Es rotteten sich nun viele zusammen und klagten teils über Misshandlung, teils führten sie anderes gegen ihre Herren an, indem sie glaubten, der günstige Zeitpunkt sei gekommen, wo sie ohne Gefahr alles, was sie wünschten, durchsetzen könnten. Aber auch die Herren traten zusammen, widersetzten sich ihnen und gaben in keinem Stück nach. Weil nun Licinius wegen der Zusammenrottung beider Teile befürchtete, der unterlegene Teil möchte gefährliche Unruhen anfangen, ließ er keinen der Sklaven vor sich, sondern entließ sie mit dem Bedenken, dass ihnen nichts mehr zuleide geschehen würde, in der Hoffnung, dass sie, zerstreut, keine Unruhen anfangen würden. Diese aber, die sich vor ihren Herren fürchteten, weil sie sich überhaupt erkühnt hatten, sich zu beklagen, verbanden sich und wurden Straßenräuber.
230. Im Jahr der Stadt 651 (103 v.Chr.).
Die Messenier (Mamertiner) glaubten nichts befürchten zu dürfen, wenn sie ihre beste und kostbarste Habe dahin (in die Stadt) flüchten. Auf die Nachricht davon aber überfiel sie Athenio, ein Kilikier, welcher unter den Räubern das größte Ansehen besaß. Bei einem öffentlichen Feste, das sie in der Vorstadt feierten, jagte er sie auseinander und tötete viele. Auch hätte er sich beinahe der Stadt selbst bemächtigt. Er verschanzte sich in dem festen Macella und richtete von dort aus im Land großen Schaden an.
231. Im Jahr der Stadt 652 (102 v.Chr.)
Die Barbaren waren besiegt, viele in der Schlacht gefallen und nur wenige hatten sich gerettet. Um seine Soldaten aufzumuntern und zugleich zu belohnen, verkaufte Marius die ganze Beute um ein Geringes an dieselben, damit er nicht den Schein hätte, als ob er sie ihnen ganz umsonst geschenkt habe. Dadurch bewirkte Marius, der bisher bloß bei dem Pöbel, aus dem er ja stammte und von dem er zu Ehren erhoben worden war, in Gunst stand, dass auch die Patrizier, von denen er gehasst worden war, ihn gleich den anderen mit Lobeserhebungen überhäuften. Er erhielt das Konsulat mit dem Willen und der Zustimmung aller, auch für das folgende Jahr, um den Krieg vollends zu beendigen.
Sobald die Kimbern einmal innehielten, verloren sie von ihrem Mut und wurden an Leib und Geist geschwächt und abgestumpft. Schuld daran war, dass sie statt unter freiem Himmel, wie früher, jetzt unter Dächern wohnten, statt der früheren kalten, jetzt warme Bäder gebrauchten, an Leckereien und Süßigkeiten, wie man sie hierzulande genoss, sich ergötzten, sie, die früher rohes Fleisch aßen, und sich gegen ihre Gewohnheit im Wein bis zur Völlerei übernahmen. Dies raubte ihnen den ungestümen Mut und verweichlichte ihren Körper, sodass sie keine Beschwerden und Anstrengungen, keine Hitze, keine Kälte, keine Nachtwachen mehr ertragen konnten.
232. Im Jahr der Stadt 655 (99 v.Chr.).
[Quintus Metellus] des [Quintus] Metellus Sohn flehte für sich und öffentlich alle um die Rückberufung seines Vaters mit solcher Innigkeit an, dass er Pius, d.h. »der gute Sohn«, genannt wurde.
233. Furius grollte dem Metellus, weil er ihm als Zensor das Ritterpferd genommen hatte. Den Publius Furius, welcher wegen dessen, was er als Volkstribun getan hatte, angeklagt war, töteten die Römer in voller Volksversammlung. Zwar hatte er den Tod allerdings verdient (denn er war ein aufrührerischer Mensch, machte früher Partei mit Saturninus und Glaucias, sprang von diesen ab, ging zu ihren Gegnern über und bekämpfte sie mit diesen), doch hätte es nicht auf diesem Wege geschehen sollen. Ihm schien jedoch sein Recht widerfahren zu sein.
234. Zwar gab es auch noch andere Parteihäupter, die meiste Macht aber hatten auf der einen Seite Marcus [Drusus], auf der anderen Quintus [Caepio], beide herrschsüchtig und von unersättlichem Ehrgeiz und eben dadurch sehr zu Streitigkeiten geneigt. Darin waren sie einander gleich. Drusus aber war Quintus an vornehmer Geburt, an Reichtum und verschwenderischer Freigebigkeit gegenüber allen, die seines Geldes bedurften, überlegen. Dieser dagegen war durch seine zuversichtliche Frechheit und Kühnheit, durch seine zuvorkommenden Nachstellungen und die Bosheit, womit er sie vorzubereiten pflegte, gegen jenen im Vorteil; daher war es natürlich, dass sie, durch gleiche wie durch verschiedene Eigenschaften sich das Gleichgewicht haltend, einen langen Zwiespalt pflegten, der selbst nach ihrem Tod noch fortdauerte.
235. Drusus und Caepio, anfangs die besten Freunde und gegenseitige Schwäger, gerieten in Feindschaft und übertrugen diese selbst auf die Staatsverwaltung.
236. Im Jahr der Stadt 661 (993 v.Chr.).
Rutilius, einen höchst vortrefflichen Mann, verurteilten sie aufs Ungerechteste. Er wurde nämlich auf Veranlassung der Ritter durch Quintus Mucius der Bestechung angeklagt und mit einer Geldstrafe belegt. Dies taten sie, weil sie ihm übel nahmen, dass er ihren Bedrückungen bei der Erhebung der Zölle gegenzusteuern suchte.
Rutilius verteidigte sich mit edler Freimütigkeit und verschwieg nichts, was ein rechtschaffener Mann, der verleumdet wird und mehr das Schicksal des Staates als sein eigenes beklagt, nur immer vorbringen konnte. Er wurde aber verurteilt und trat sogleich sein Vermögen ab. Daraus ging nun am deutlichsten hervor, dass seine Anklage unbegründet war; denn es fand sich, dass er weit weniger besaß, als er nach seinen Anklägern in Asien an sich gebracht haben sollte, und dass alles auf gerechte und gesetzliche Weise erworbenes Besitztum war. Solches Unrecht erlitt er; auch Marius hatte einige Schuld bei seiner Verurteilung. Denn ein so verdienstvoller und angesehener Mann musste ihm jedenfalls gefährlich sein. Weshalb jener auch, da es auf diese Art in der Stadt herging und er mit einem solchen Menschen nicht zusammenleben wollte, freiwillig Rom verließ und in demselben Asien eine Zeit lang zu Mytilene lebte. Als dieses aber im Mithridatischen Krieg sehr mitgenommen war, begab er sich nach Smyrna, wo er seine Tage beschloss und nicht wieder nach Rom zurückkehren wollte. Auch wurde ihm weder sein Ruhm noch sein Vermögen dadurch geschmälert; denn vieles gab ihm Mucius, noch mehr die Städte und Könige, mit denen er früher zu tun gehabt hatte, sodass er weit mehr als sein früheres Vermögen besaß.
237. Im Jahr der Stadt 663 (91 v.Chr.).
Als sich in Rom der Bürgerkrieg entspann, soll auch außer anderen vielen schrecklichen Dingen, die Livius und Diodor berichteten, bei unbewölktem, heiterem Himmel ein scharfer, kläglicher Trompetenton erklungen sein. Alle, die ihn gehört hatten, sollen sich vor Furcht entsetzt haben, die etruskischen Wahrsager aber eine Veränderung des Menschengeschlechts und eine Umschaffung der Welt aus dem Wunder gedeutet haben; denn es gebe acht Geschlechter der Menschen, die sich durch ihre Sitten voneinander unterscheiden, jedem sei von der Gottheit ein gewisser Zeitraum zugemessen, der mit dem Umlauf des großen Jahres zu Ende gehe; wenn der frühere Zeitraum endige und ein anderer anfange, gebe sich auf der Erde oder am Himmel ein Wunderzeichen kund; oder es werde den solcher Dinge Kundigen gleich auf andere Weise fühlbar, dass jetzt die Menschen an Sitten und Lebensart anders geworden sind und weniger nach den Göttern als die früheren fragen.
238. Im Jahr der Stadt 664 (90 v.Chr.).
Lupus hatte die Patrizier in seinem Heer im Verdacht, dass sie seine Pläne den Feinden verrieten, und schrieb ihretwegen an den Senat, ohne etwas [Gewisses erfahren zu haben]. Dadurch hetzte er die ohnedies von Parteisucht Entflammten noch mehr gegeneinander auf, und es wäre zu noch größeren Unruhen gekommen, hätte man nicht einige Marsen ertappt, die, unter die Futter holenden Römer gemengt, als wären sie Bundesgenossen, ins Lager kamen, alles, was man tat und sagte, erforschten und den Ihrigen hinterbrachten. So legte sich der Unwille gegen die Patrizier.55
239. Marius riet Lupus, der ihm, obgleich er mit ihm verwandt war, nicht recht traute, aus Neid und weil er hoffte, zum siebten Mal Konsul zu werden, da er allein der Sache eine glückliche Wendung geben konnte, den Krieg in die Länge zu ziehen. Denn sie, meinte er, würden hinreichend Lebensmittel haben, jene dagegen, in deren Land der Krieg geführt werde, es nicht mehr lange aushalten.