Im Schatten der Verschwörung

- -
- 100%
- +
Später saß er mit Michel in seiner Kammer.
»Was betrübt dich, mein Freund?«
Michel hatte er nicht täuschen können. Wie sollte er ihm darauf antworten? Mias öffnete eine Truhe und holte ein kleines Ledersäckchen und ein Bündel Schriften heraus. Das hatten ihm seine Eltern am Nachmittag übergeben. Es war die dürftige Habe Ottilie Müntzers.
»Michel, lies diesen Brief; dann sag mir: Was ist das für ein Mensch, der solche Worte schreibt?«
Michel nahm das Papier an sich, rückte nahe zum Kerzenleuchter und las laut.
Mein liebes Weib, dies schreib ich dir aus großer Gefahr. Verloren ist alles, dahingegeben sind wir in die schwere Zucht Gottes. Es kam, wie du prophezeit hast: Jeder hatte nur sein eigen Ding im Sinn und nicht die Sache Gottes. Wie hätte ER da unser Schwert führen sollen? Ich weiß nun nicht, ob es mir gelingt, zu entkommen. Mir scheint jedoch, ein anderer Weg wartet auf mich, ein Kelch schwer zu trinken. So werden wir uns erst in der Ewigkeit wieder begegnen. Du sollst wissen, dass ich niemals bereute, dich zum Eheweib genommen zu haben. Gott hat mir in dir eine Gehilfin gegeben, wie man besser sich nicht wünschen kann. Ich bereu wohl manche unnütze Stund’ in meinem Leben, aber keine einzige von denen, die ich mit dir verbracht. So herze auch unseren lieben Sohn von mir. Unterweise ihn und das noch Ungeborene im lauteren Geiste des Evangeliums. Vertraue dem Boten dieses Briefes, er wird dir helfen, so ich es nimmer vermag. Zuletzt muss doch Gottes Sache siegen!
Auf ewig dein Thomas, gegeben zu Frankenhausen am 15. Mai anno 1525
»Was ist das für ein Brief? Woher hast du ihn?«
»Ein Verwandter hat ihn geschrieben, der schon lange tot ist. Sag, was meinst du, was war er für ein Mensch?«
Michel überlegte. »Ich verstehe nicht alles, was da geschrieben ist. Doch dieser Mann war ein Gelehrter, er hat große Liebe für seine Frau und sein Kind. Mon dieu, Matthias, solch einen Brief könntest du schreiben – ein guter, kluger Mensch wie du kommt mir dabei in den Sinn.«
Mias schlug entsetzt die Hände vor das Gesicht. »Wie ich, sagst du?«
»Nun löse mir das Rätsel. Wer hat das geschrieben?«
»Michel, ich werde mit meinem Vater auf eine Reise ins Thüringische gehen. Dort will ich sehen, was dieser Verwandte mit mir zu tun hat. Danach kann ich dir das Rätsel lösen.«
»Soll ich dich begleiten?«
Mias schüttelte traurig den Kopf. »Nein, lieber Freund, diesen Weg muss ich ohne dich gehen.«
Später, als er alleine in der Kammer zurückgeblieben war, öffnete Mias den kleinen Lederbeutel und holte seinen Inhalt heraus. Ein silberner Ring. Klein, schmal, darauf etwas eingraviert. Eine Weinranke. Er passte gerade an seinen kleinen Finger. Ottilie Müntzers Ehering. Innen war ein schwarzer Schriftzug zu erkennen: Apo2/10/2
Was mochte das bedeuten? Natürlich, eine Stelle aus der Heiligen Schrift. Mias öffnete nochmals seine Truhe und holte eine Ausgabe der Vulgata heraus. Diese Bibel in lateinischer Sprache hatte ihm sein Vater zum Beginn seines Studiums geschenkt. »Apo« stand für Apokalypse des Johannes. Die Zahlen meinten das zweite Kapitel, im Vers 10 den zweiten Teil. Mias blätterte eine Weile, bis er den Text gefunden hatte.
Esto fidelis usque ad mortem, et dabo tibi coronam vitae. Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.
Was für ein merkwürdiger Trauspruch.

1 »Vielleicht ein Ritter aus Amiens?«
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.





