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Bastian kannte seinen unglückseligen Charakter selbst recht gut, da es aber seiner Meinung nach zu schwierig gewesen wäre sich zu ändern, so zog er es lieber vor, sich so viel als möglich im Gebrauche der Waffen zu üben und war in dieser Weise ein ausgezeichneter Fechter geworden. Die Folge davon war, dass sich Hiebe über die Hand und Narben im Gesicht, die zahlreich in allen Regimentern zu sein pflegen, deren Waffe der krumme Säbel ist, noch viel zahlreicher in dem Regimente fanden, in welchem Bastian diente, als in einem andern.
Es versteht sich von selbst, dass die meisten dieser Narben dem Säbel Bastians Herrührten. Darum sah man ihn als Soldaten ungern ziehen, sehr gern dagegen als Kameraden. Das hinderte indes nicht, dass ihm die Kameraden ein großes Abschiedsfest gaben, welches vielleicht nur so glänzend und herzlich war, weil er eben Abschied nahm.
Bei dem Scheiden auf immer vergisst man gewöhnlich Mancherlei und so konnte man denn auch bei dem Abschiedsfeste die Bemerkung machen, dass gerade die Benarbtesten die zärtlichsten gegen Bastian waren.
Bastian hatte also Wien verlassen, wo man ihm dies Abschiedsfest gegeben, war durch einen Teil Tyrols und der Schweiz gereist, nach Frankreich zurückgekommen und endlich wie der Kriegsgott selbst im Dorfe Haramont erschienen. Leider suchte Bastian in der allgemeinen Freude vergeblich jene süßen Liebkosungen, ohne welche es kein wahres Glück in dieser Welt gibt, die Umarmung und die Küsse eines Vaters und einer Mutter.
Bastian war Waise seit seiner Geburt, hatte nie jenes höchste Glück gekannt und wahrscheinlich seines Alleinstehens wegen Dienst in der Armee genommen.
Übrigens war dies, wie man schon gesehen hat, sehr wohl von ihm getan, denn er kehrte verhältnismäßig reich zurück, weil er ja lebenslänglich ein jährliches Einkommen von fünfhundert und fünfzig Francs hatte. Damit konnte er, je nach seiner Wahl, leben ohne irgendetwas zu tun oder seine Lage durch Arbeit noch weiter verbessern.
Arbeiten hatte Bastian freilich nicht gelernt und so trat er auch bei dem Nachbar Mathieu, der allmählich ein großer Gutsbesitzer geworden war, nur ein, um die Pferde zu pflegen. Diese Beschäftigung sagte dem Husaren, wie man Bastian nannte, zu; sie erinnerte ihn an seine Schwadron und wenn er, den Unterkiefer vorschiebend, sagte: »Ach, bei dem Regimente war's eine Luft!« hatte er alles gesagt.
Die Worte hatten in den Augen der Anderen nicht eben viel Sinn, sehr große Bedeutung aber für Bastian, den sie an eine ganze Reihe von Liebschaften, Zweikämpfen, guten Mahlzeiten, großen Schlachten und selbst von jenen schlimmen Stunden erinnerten, an die man gar gern zurück denkt, wenn sie vorüber sind.
Wenn die, welche ihr jene Worte aussprechen hörten, fragend und verwundert ihn ansahen, fuhr er fort:
»Das versteht Ihr Philister nicht.«
Und die »Philister« würden es allerdings nicht verstanden haben, auch wenn Bastian geruht hätte es ihnen zu erklären, was er indes nie tat, so dass man in Haramont heute noch nicht weiß, von welcher Luft Bastian eigentlich so warm und sehnsüchtig sprach.
Er hatte, wie bereits erwähnt, großen Eindruck auf die Haramonterinnen gemacht, denn er war jung, er war reich, er war hübsch und besaß überdies das Ehrenkreuz, das in jener Zeit nicht verschwendet wurde. Mehr war nicht nötig, um vielen Mädchen den Kopf zu verdrehen.
Und doch hatte Bastian seine Vorzüge und Reize noch nicht alle entwickelt, er hatte sich noch nicht als Tänzer gezeigt. Erst an dem Sonntage nach seiner Ankunft sollte er seine Tanzgeschicklichkeit bewundern lassen. Die Künste grenzen aneinander, reichen einander die Hand. So war denn auch Bastian ein vollendeter Tänzer, wie er ein vollendeter Fechter war.
Man tanzte fünfhundert Schritte vom Dorfe unter den ersten Bäumen des Waldes, in einem natürlichen Kreise, den einige riesige Buchen bildeten, auf einem sorgsam von dem Dorfgeiger fest und glatt geschlagenen Boden. Für diese Arbeit erhob der Geiger von jedem Tänzer und jedem Contretanze einen Sou.
Als man Bastian am Sonntage nach seiner Rückkehr von weitem nach dem Tanzplatze in seinem glänzenden Anzuge, mit den Sporen an den mit Firnis gewichsten Stiefeln, kerzengerade, die Arme eingestemmt, kommen sah, wendeten sich alle Blicke erwartungsvoll nach ihm.
Die Mädchen hatten ihr Endurteil über Bastian noch nicht ausgesprochen. Sie mussten erst sehen, wie er, der alles, was er tat, gut machte, beim Tanz sich anstellte. Darum war auch eine jede neugierig, welche er zuerst aufziehen werde.
Bastian trat zu einem schönen Mädchen, die Katharina hieß, einer Brünetten mit schwarzen Augen, schön geschwungenem braunen und schlanken Wuchs, die in der großen Stadt, wie man sich ausdrückt, gewesen war.
Katharina, welche bei einer adeligen Dame in der Umgegend in Dienst getreten, war derselben wirklich nach Paris gefolgt, nach einem Jahre aber etwas blass, etwas abgefallen, freilich auch mit hundert Louisdor zurückgekommen, die sie bei dem Herrn Niguet auf erste Hypothek angelegt hatte und die ihr hundert und fünfzig Francs jährlich Zinsen trugen.
Woher diese hundert Louisdor?
Katharina hatte eine Erklärung gegeben: ihre Herrin sei sehr gefährlich krank gewesen und sie habe dieselbe so aufopfernd gepflegt, dass die Dame nach ihrer Genesung ihr aus Dankbarkeit diese hundert Louisdor geschenkt.
Leider glaubten nicht alle an diese Geschichte, wie sinnreich sie auch erfunden war und allerdings konnte dieselbe auch einem einzigen Einwurfe nicht widerstehen.
Man fragte Katharina, woher es komme, dass sie eine so dankbare und freigebige Herrin verlassen habe?
Darauf hatte Katharina nie etwas anders antworten können, als dass sie sich nach ihrer Heimat gesehnt und deshalb zurückgekommen sei und gar Viele zweifelten, dass Katharina ihr kleines Vermögen in solcher Weise erhalten habe. Ja noch mehr, Einige zweifelten nicht nur daran, sondern gaben sogar eine ganz andere Quelle an. Sie sagten, nicht die Herrin sei sehr krank gewesen, sondern Katharina selbst, das habe man an ihrer Blässe und Hagerkeit gesehen als sie zurückgekommen. Sie setzten ferner hinzu, Katharina verdanke die bei Herrn Niguet angelegten hundert Louisdor nicht der Dankbarkeit der Baronin, sondern der Freigebigkeit des Barons.
Da diese Angabe, so böswillig sie auch war, die Rückkunft und das Vermögen Katharinens besser erklärte als die andere, so fand sie auch allgemeinen Glauben und trotz der lockenden Schönheit Katharinens, trotz den auf erste Hypothek ausgeliehenen hundert Louisdor hatte sich kein junger Bursch entschließen können Katharinen zu heiraten. Dagegen wollten viele ihr den Hof machen. Sie erklärte aber mit aller Bestimmtheit, sie sei ein ordentliches Mädchen und werde auf keinen hören, wenn er nicht mit der Feder zur Unterzeichnung des Ehekontrakts erscheine, so dass der Müller von Wuala, eine böse Zunge, äußerte, das Ei zu der Gans, welche jene Feder liefern solle, sei noch nicht gelegt.
Bastian trat also, den einen Arm eingestemmt, den einen Fuß vorgestreckt, zu Katharinen und bot ihr die behandschuhte Hand.
Katharina nahm die Hand mit triumphierendem Lächeln an und trat mit Bastian in den Kreis.
Der Husar schnallte seinen Gurt ab und übergab Säbel und Säbeltasche dem Sohne des Geigers, welcher in der Pause zwischen zwei Tänzen die Sous einzusammeln hatte, und er that dies mit solcher Anmut und Würde, wie etwa Mars, wenn er mit Venus hätte tanzen wollen, sein Schild und sein Schwert den Händen Amors übergeben haben würde.
Man erwartete viel von Bastian; aber, das muss man gestehen, er übertraf alle Erwartungen. Bastian hatte ein besonderes Pass für jede der vier Figuren, aus denen ein vollständiger Contretanz besteht und er führte sie aus, wie sie die Leute im Dorfe nicht nur nicht gesehen, sondern auch wie sie dieselbe gar nicht für möglich gehalten hatten. Deshalb drängte man sich auch so nahe herbei, um Bastian tanzen zu sehen, dass er trotz seinem Stolze auf diesen Sieg seine Landsleute selbst bitten, musste, ihm ein wenig Platz zu machen, wenn sie ihn weiter tanzen sehen wollten.
Man kam dieser Bitte nach, die man für vollkommen gerechtfertigt hielt und Bastian schloss die legte Figur mit einigen Entrechats von solcher Vollendung, dass die Umstehenden allgemein applaudierten.
Bastian führte seine Tänzerin stolz an ihren Platz zurück und sah sich eben in dem Kreise um, welche er wohl für einen zweiten Contretanz mit seiner Hand beehre.
Etwas in der Ferne, nicht unter den Tänzerinnen, waren Frau Marie und Mariechen stehen geblieben. Bastian erblickte das liebliche Gesicht und ging auf sie zu, ohne auf ihre Trauerkleidung zu achten und sprach in seinem süß-schmachtendsten Tone:
»Könnte ich die Ehre haben zum nächsten Contre?«
Mariechen errötete, denn alle Blicke, die dem Husaren gefolgt waren, wendeten sich auf sie.
»Ich danke, Herr Bastian,« sagte Sie, »aber wie Sie sehen, trauere ich um meinen guten Vater.«
»Nun ich dachte mir, sehen Sie, weil Sie zum Tanzplatze gekommen wären,« antwortete Bastian, indem er sich hin und her wiegte und verliebte Augen machte.
»Sie haben Recht, Herr Husar,« entgegnete darauf Mariechen; »es war nicht recht von mir, dass ich mit Trauer außen und innen an den Ort der Freude kam. Wir wollen gehen, Mutter.«
Und sie zog Frau Marien mit sich fort auf den Weg hin, der nach dem Walde führte.
»Oh! oh!« sagte der Husar. »Hat denn das Mariechen in meiner Abwesenheit sogar den Namen geändert? Sie scheint jetzt Jungfer Zimperlich zu heißen.«
Mariechen hörte nicht, was Bastian sagte, aber einige Andere hörten es, auch Ehrlich.
So wenig Ehrlich sich aus dem Tanze machte, hatte er sich doch an den Hang gelegt nicht weit von Mariechen. Sein großer Hund lag neben ihm wie gewöhnlich. Er sah weniger auf die Tänzer und Tänzerinnen als auf Mariechen und wenn sein Auge auf ihr ruhte, vergaß er die Bursche und Mädchen, die im Takte — oder doch beinahe Hüpften, den Geiger, der mit dem Fuße stampfte und die Geige, die so gut als möglich sang.
Einen Augenblick hatte er gleich den Andern Bastian zugesehen, und ihn aus Herzensgrunde beklagt, dass er so anstrengend tanzen müsste, denn er sah nicht ein, wie Jemand sich so abmühe und die Beine so lächerlich um sich werfe, ohne durch irgend ein Gesetz, eine Notwendigkeit dazu gezwungen zu sein.
Als er Bastian den Tanzplatz verlassen und nach Mariechen hingehen sah, richtete er sich auf, um ihm mit einer gewissen Besorgnis nachzublicken. Er ahnte die Absicht des Husaren und es würde ihn tief betrübt haben, wenn Mariechen mit einem Manne getanzt hatte, der so ganz anders tanzte, wie die Burschen im Dorfe.
Obgleich er nicht ganz nahe bei der Gruppe war, so verstand er doch in Folge seiner Fähigkeit die entferntesten Töne zu vernehmen, sowohl die Frage als die Antwort. Seiner Meinung nach hatte Mariechen ganz gut geantwortet, Bastian aber hielt er für einen Grobian, was ihm freilich bei einem Manne nicht auffiel, der nach einem so ganz außergewöhnlichen und übertriebenen Lange nicht recht bei Besinnung sein konnte.
Er beklagte ihn also statt ihn zu tadeln, stand dann auf und ging mit Bernhard Mariechen nach.
VII. Was in dem Dorfe Haramont von 1810 bis 1814 weiter geschah
Von diesem Augenblick an stand der Ruf des Husaren in dem Dorfe fest: den Frauen galt er als das Muster der Eleganz und guten Sitten, den Männern dagegen als der widerwärtigste, unausstehlichste Mensch, der ihnen noch vorgekommen.
Nur Mariechen und Ehrlich machten eine Ausnahme. Der ersteren war er vollkommen gleichgültig, der letztere beklagte ihn. Er war ganz und gar der Meinung des Dey von Algier, welcher einmal einem prächtigen Balle beiwohnte und, als der Herr vom Hause dabei gleich dem geringsten seiner Gäste tanzte, diesen Hausherrn zu sich rufen ließ, um ihn mit gutmütiger Neugierde zu fragen:
»Da Sie so reich sind, Herr, wie Sie zu sein scheinen, warum machen Sie sich die Mühe selbst zu tanzen?«
Aber der gewöhnliche französische Contretanz genügte Bastian bald nicht mehr. Alle französischen Soldaten hatten in Deutschland eine große Vorliebe für den Walzer erlangt und Bastian führte den Walzer unter den Mädchen von Haramont ein.
Um dies zu können, machte er sich zum Tanzmeister, zum Walzertanzmeister, aber wohl verstanden nur für die Mädchen.
Die Folge davon war, dass die Bursche, denen Bastian nicht die geringste Anweisung gab, wie man sich in drei Tempos um sich selbst drehen müsse, bei dem Walzer Bastian ganz freies Feld ließen, und dieser wie ein orientalischer Pascha nur zu winken brauchte, ohne einen Nebenbuhler zu fürchten zu haben.
Die Bursche wollten wohl Einwendungen machen, aber Bastian wendete bei dem ersten Murren sich um, drehte den Schnurrbart wie einen Korkzieher, fragte so artig wie es nur die Husaren verstehen: »was beliebt?« und alles war still.
Und nicht bloß als Tänzer hatte Bastian die Bewunderung aller Haramonterinnen sich erworben, sondern auch als Reiter. Er saß zu Pferd wie ein Gardehusar d. h. mit seltener Vollkommenheit und da er die Pferde des Nachbars Mathieu pflegte, so ritt er dieselben auch, ja er machte ohne Sattel Spazierritte in der Umgegend und zwar so, dass er hin und her durch, das ganze Dorf reiten musste.
Merkwürdig war es aber, dass ihm, obgleich alle Schönen ihn vorzogen, obgleich Katharina ihn besser aufnahm als alle andern, ja gegen ihn von ihren Ansprüchen wegen des Heiratens merklich nachzulassen schien, alles dies gleichgültig blieb, solange er nicht erkannte, dass Marie ihn ansah.
Je störrischer das Pferd war, dass er ritt, umso eifriger drängte er es nach dem Häuschen der Frau Marie hin, damit Mariechen seine Kraft und Gewandtheit im Bändigen der Tiere zu Gesicht bekomme.
Bisweilen ging sein Wunsch wenigstens zur Hälfte in Erfüllung; Mariechen blickte aus Neugierde hin und Ehrlich, der ihn auch ansah, weil er den Blicken Mariechens folgte, fragte sich stets, warum doch der Husar, statt die Spornen und das Gebiss zum Bändigen des störrigen Pferdes anzuwenden, die so einfache Hilfe des Wortes nicht brauche, des Wortes, des Zuredens, womit er, Ehrlich, die verstocktesten Tiere in wenigen Augenblicken zu allem brachte.
Bastian seinerseits liebte den Ehrlich gar nicht, vielleicht weil er ahnte, dass derselbe große Liebe zu Mariechen im Herzen trage, und dass diese die innigste Zuneigung für Ehrlich empfinde: er liebte ihn nicht, sage ich, denn bis zum Hasse ging sein Mangel an Neigung nicht. Ehrlich war so sanft, so gutmütig, so harmlos, dass Niemand ihn hasste, aber er missfiel dem Husaren, wie und irgendetwas missfällt, das uns auf dem Wege aufstößt, ein Hindernis, das uns hemmt.
Auch ließ Bastian keine Gelegenheit vorbeigehen, Ehrlich zu verspotten, namentlich die Engelssanftmut desselben, die sich dem Husaren als Feigheit darstellte. Dann war Ehrlich auch kein Tänzer, kein Reiter, kein Fechter, während Bastian als solcher sich auszeichnete. Er verspottete deshalb Ehrlich nicht nur um das, was er war, sondern auch um das, was er nicht war.
Dass Ehrlich alle diese Spöttereien mit unveränderlicher Ruhe anhörte, versteht sich von selbst.
Aber es kam eines Tages ein Vorfall, der Bastian nachdenklich machte.
Da er in der ganzen Umgegend für einen großen Pferdebändiger galt, so ließen ihn die Pächter und Gutsbesitzer holen, welche unfügsame Füllen oder störrige Pferde hatten und Bastian wusste die Widerspenstigsten gewöhnlich in ganz kurzer Zeit durchaus gehorsam und demütig zu machen.
Eines Tages hatte man Bastian ersucht ein Pferd zu reiten, das ein Pächter in der Gegend, Herr Destournelles; gekauft hatte. Es war Sonntag und Bastian, der aus Stolz seine überlegene Reitkunst allgemein zeigen wollte, wählte zur Reitbahn den großen Platz im Dorfe und zwar zu der Zeit als die Leute aus der Kirche kamen.
In dem Augenblicke, als die ersten Mädchen, die welche sich am eifrigsten nach dem Sonnenlichte der Freiheit und dem Plaudern sehnen, in der Kirchentür erschienen, stellte sich seinerseits Bastian mit dem wilden Pferde ein.
Das Pferd hatte von dem Pächter bis zum Platze vor der Kirche, eine halbe Stunde Weges, eine ganze Stunde zugebracht, weil es der Reiter zurückgehalten hatte, der weder zu früh, noch zu spät, sondern eben zur rechten Zeit kommen wollte.
Das Pferd war in Folge davon von Schaum bedeckt, hatte mit Blut unterlaufene Augen und blies glühend heißen Atem aus den Nüstern.
Auf dem Platze begannen dann die Übungen.
Der Sieg schien sich anfänglich für den Reiter zu erklären; als aber das Pferd die Türstufen vor der Kirche und die Fenster derselben wie die Logen eines Theaters von Zuschauern besetzt sah, fing es an, entweder weil es instinktmäßig die Würde fühlte, von welcher Buffon spricht, oder weil es alle Schmach, die ihm Bastian seit einer Stunde angetan, nur ertragen hatte, um sich um so glänzender zu rächen, kurz es fing an allerlei Seitensprünge zu machen, auszuschlagen und sich zu bäumen, dass Bastian, ein so guter Reiter er auch war, aus dem Sattel gehoben und zehn Schritte weit hin auf den Boden geschleudert wurde.
Sobald das Pferd seinen Reiters sich entledigt hatte, drehte es sich um und schlug im Galopp den Rückweg nach seinem Stalle ein.
Dieser Sturz des Reiters gab allen jungen Burschen gar viel zu lachen, da sie den Husaren nicht leiden konnten, der sie in allem ausstach, verdrängte und verhöhnte; als sie indes sahen, dass Bastian, statt schnell aufzuspringen, wie man es bei einer solchen Gelegenheit meist thut, unbeweglich da liegen blieb, wo er aufgefallen war, meinten sie, er sei wohl mit dem Kopfe aufgeschlagen und habe das Bewusstsein verloren, und eilten ihn zu Hilfe.
Sie irrten sich auch nicht. Bastian war zwar nicht ohnmächtig, aber betäubt.
Man hob ihn auf, goss ihm ein Glas Branntwein ein und blies ihm in das Gesicht, so dass Bastian die Augen und den Mund gleichzeitig aufriss; die Augen, um sie wild umher zu rollen und das Pferd zu suchen, den Mund, um zu fluchen und zu schwören, bei welcher Gelegenheit denn die Bauern von Haramont erfuhren, um wie viel reicher die Lagersprache als die Dorfsprache ist.
Mit einem Male standen seine Augen still und sein Mund schloss sich, als hätte er den Kopf der Meduse vor sich gesehen. Es war etwas noch Schlimmeres.
Ehrlich nämlich brachte das Pferd zurück. Er saß auf dem Tiere, das so sanft und fromm geworden war wie der friedliche Esel, auf welchem unser Herr seinen königlichen Einzug in Jerusalem hielt. Da er nun auch einen grünen Zweig in der Hand hielt, welcher an den Palmenzweig erinnerte, da seine Füße neben den Steigbügeln herabhingen, da sein Blick wohlwollend, sein Lächeln sanft war und Alle bei Seite traten, um ihm Platz zu machen, so glich er dem göttlichen Muster so weit als ein armer Sterblicher einem Gott gleichen kann.
Bastian seinerseits glaubte einen Augenblick zu träumen; er rieb sich die Augen, sprach einige unverständliche Worte und sah diese ruhige lebende Wirklichkeit an sich herankommen als wäre sie eine entsetzliche gespenstige Erscheinung.
»Herr Husar,« sagte Ehrlich ganz gelassen, »ich war auf dem Wege nach Longpré, sah Ihr Pferd davon laufen und glaubte, Sie würden besorgt sein. Deswegen habe ich es mitgebracht.«
Alle lachten, nur Bastian nicht. Ehrlich aber sah die Leute verwundert an und begriff nicht, warum sie lachten.
Er wurde rot, stieg von dem Pferde herunter, übers gab den Zügel dem Husaren und stellte sich, die Hand auf den Kopf seines großen Hundes gestützt, einige Schritte hinter Mariechen, die mit ihrer Mutter zuletzt aus der Kirche gekommen war und von dem, was geschehen, nichts wusste.
Bastian vergaß dem Ehrlich zu danken, denn er wollte so schnell als möglich die Scharte wieder auswetzen und schwang sich von neuem auf das Pferd. Der Teufel, den das Pferd eine Viertelstunde vorher im Leibe gehabt hatte, schien durch Ehrlich vollständig ausgetrieben worden zu sein. Es gehorchte seinem Reiter, ohne sich auch nur einen falschen Tritt zu erlauben und Bastian brachte es dem Herrn Degtournelles ganz gezähmt zurück. Wie sich von selbst versteht, erzählte er nicht alle Einzelheiten, wie er es dahin gebracht hatte. Aber er selbst konnte sich auch nicht erklären, was Ehrlich wohl getan habe, um ein Pferd zu bändigen, das ihn, Bastian, aus dem Sattel gebracht und da er zu stolz war, um Ehrlich nach dem Geheimnisse zu fragen, da Ehrlich, wenn er gefragt worden wäre, nicht gewusst haben würde was er antworten sollte, so blieb die Ursache der offen daliegenden Folge im Dunkel.
Es trat noch etwas ein, zum großen Nachteile Bastians, der dem blöden Ehrlich fluchte.
Außer mit Tanzen, Fechten und Reiten beschäftigte sich Bastian auch mit der Jagd. Ehe er Soldat geworden, war er einer der geschicktesten Wilddiebe gewesen; nach seiner Rückkehr jagte er wegen seines Ehrenkreuzes, das damals sehr hoch geachtet war, so ziemlich überall wo es ihm beliebte, auf den Feldern von Haramont, von Longpré und Largny.
Im Anfange zeigte sich eine Schwierigkeit; da er den Daumen und den Mittelfinger der rechten Hand verloren hatte, so konnte er das Gewehr nicht handhaben; aber Bastian lernte bald links schießen. Erst fehlte er Alles, nach dem er schoss, dann fehlte er mit drei Vierteilen, darauf mit der Hälfte seiner Schüsse und endlich schoss er links so gut wie früher rechts, d. h. er wurde wieder einer der besten Schützen in der ganzen Umgegend.
Am liebsten jagte er im Sumpf, weil es da am meisten zu schießen gab. Dieser Sumpf war der von Wuala, eine viertel Stunde von Haramont und von Longpré.
Da wohnte ein zweiter berühmter Schütze, der Müller mit der bösen Zunge, welcher sich den Witz von dem Gänseei über die schöne Katharina erlaubt hatte. Bastian kannte diesen Witz, statt darüber sich aber zu ärgern, hatte er mehr als einmal darüber gelacht und zwar mit dem, von welchem er ausgegangen war, woraus sich abnehmen ließ, dass er für seine Person der schönen Katharina die Feder nicht reichen werde, auf welche sie so ungeduldig zu warten schien.
Der Müller und Bastian waren also die besten Freunde von der Welt und sobald die Jagd anging, jagten sie wöchentlich an drei oder vier Tagen, bald miteinander, bald allein.
Eines Tages als Bastian allein in dem Rohr eines sehr großen Teiches jagte, der sich von Norden nach Süden in dem Thale hinzieht und an dem ein Damm hinläuft, an welchem eine Mühle angelegt worden ist, flog eine Becassine vor ihm auf, die er mit seiner gewöhnlichen Geschicklichkeit schoss.
Die Becassine fiel, aber sie fiel in den Teich.
Nun kennt man die Abneigung eines jeden Jägers, etwas, das er geschossen hat, im Stiche zu lassen. Diese Abneigung war bei dem eitlen Bastian vielleicht noch größer als bei irgendeinem andern und so nahm er sich denn vor seine Becassine zu bekommen, es möge kosten was es wolle.
Er legte darum sein Gewehr hin, um seine beiden Hände brauchen zu können und fing an, auf dem weichen nachgebenden Boden am Teiche vorsichtig vorzugehen.
Als er nicht weiter konnte, war er noch immer acht bis zehn Fuß von der Becassine entfernt.
Bastian, der ein so guter Jäger, so guter Reiter, so guter Fechter und Tänzer war, hatte eine schwache Seite, — er konnte nicht schwimmen. Mit dem Schwimmen war es also nichts, was er unbedingt versucht haben würde, wenn er es nur einiger Maßen verstanden hätte, um seine Beute zu erlangen.
In diesem Augenblicke hätte er gewiss irgendeine andere seiner Fertigkeiten für die Schwimmfertigkeit hingegeben.
Die Becassine musste trotz dem herbeigeschafft werden.
Zum Glück hat der Teich von Wuala keine Strömung, so dass der Vogel an Ort und. Stelle liegen blieb.
Bastian sah sich um und erblickte eine Weide; zu dieser ging er, brach von ihr den längsten Zweig ab und kehrte damit an das äußerste Ende seines beweglichen Vorgebirges zurück.
Hier setzte er der Länge seines Armes die Länge der Weidenrute hinzu und erreichte so beinahe die Becassine. Er erreichte sie sogar wirklich. Nur war das Ende der Rute so biegsam, dass er den Vogel damit nicht an sich ziehen konnte.
Er musste durch ein Wunder von Balancieren, durch Sich-Vorbeugen noch sechs oder acht Zoll weiter zu reichen suchen.