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Bastian bog, krümmte sich, beschrieb einen Halbkreis, er strengte sich so sehr an, dass der Kopf das Übergewicht erhielt und Bastian mit dem Kopfe voraus ins Wasser fiel. Die Folgen dieses Falles sah er sofort ein und ermaß sie. Es war zehn gegen eine zu wetten, dass er da ertrinke. Deshalb stieß er denn, so kurz auch die Zeit dazu ihm zugemessen war, einen Not- und Hilfeschrei aus, den die Lage, in welcher er sich befand, allerdings sehr kläglich machte.
Zum Glück ging aber Ehrlich, der von Vauriennes kam, mit seinem treuen Bernhard auf dem Teichdamme hin; er hörte den Schrei und eilte fort nach der Stelle bin, von welcher derselbe gekommen zu sein schien.
Es war ihm in dem Geröhricht bereits ein Weg gebahnt und so gelangte er bald an das Ende des Vorgebirges, von dem aus der Husar ins Wasser gefallen war.
Er sah eine große Bewegung in dem durch Schlamm getrübten Wasser. Dann streckten sich an derselben Stelle ein Paar Hände heraus, die krampfhaft in der Luft umhergriffen.
Mehr bedurfte es nicht; er erkannte, dass Jemand dem Ertrinken nahe sei und ohne zu wissen, wer der Gefährdete sei, winkte er Bernhard, der in den Teich sprang und in dem Wasser verschwand.
Fünf Sekunden darauf erschien er wieder, hielt Bastian am Kragen gepackt und schwamm mit ihm nach dem Ufer, wo Ehrlich ihn empfing und halbtot herauszog.
Da erst erkannten die Beiden einander, Ehrlich mit geheuchelter Freude, dass er Bastian aus so großer Gefahr befreit, Bastian mit einiger Scham, von Ehrlich einen so wichtigen Dienst erhalten zu haben.
Da indes Bastian am Ende doch ein braver Bursch war und er an der Furcht das Leben zu verlieren die Größe des Wunsches ermessen hatte dasselbe zu behalten, so dankte er vor Allem Ehrlich aus Herzensgrunde; da aber auch Bernhard sehr viel zu seiner Rettung beigetragen hatte und er noch lieber einem Hunde Dank schuldig war als einem Menschen, suchte er es so einzurichten, dass das größte Verdienst dem Bernhard zufalle.
So oft Bastian den Hund traf, streichelte er ihn mit übertriebener oder doch erheuchelter Dankbarkeit, in welcher etwas von Undank gegen Ehrlich lag.
Ehrlich aber bemerkte dies nicht, was für jedes andere minder christliche Herz tief schmerzlich gewesen sein würde, und so oft das Gespräch auf jenen für Bastian höchst unangenehmen Vorfall kam, sagte derselbe mit gemachter Heiterkeit:
»Ja, wahrhaftig, ich war schon weit hinunter und ohne den Bernhard hätten mich jetzt wahrscheinlich die Hechte des Vaters Charpentier bereits verzehrt, nicht wahr, Ehrlich?«
Und Ehrlich antwortete einfach:
»Ja, Bernhard ist ein guter Hund.«
Die Lage, die Monate, die Jahre vergingen unter diesen einfachen Vorfällen, die mit Ausnahme des eben Erzählten einander so ähnlich sahen, dass ein Tag das Spiegelbild des andern war,
Die letzten Lage des Monats Oktober 1813 waren herangekommen und um die Mitte eines dieser Lage hatte Vater Kleine, als er von einem Besuche von seinem Felde zurückkam, Frau Marie, Mariechen, den kleinen Peter, Madelaine, Ehrlich und Bernhard in der Tür des Häuschens rechts beisammen gefunden und in der bereits früher angegebenen Ordnung Mutter, Kind und Hund in das Häuschen links mit sich genommen.
An diesem Abend begannen die Spinnstubenzusammenkünfte. Früh hatte Ehrlich auf dem Rückwege von dem Milchverkaufe in der Stadt mit Mariechen aus dem Walde einen ganzen Sack voll Kastanien mitgebracht. Diese Maronen sollten nebst einigen Flaschen Apfelweines bei dem Dorf-Raout die Stelle des Abendessens und der Erfrischungen vertreten.
Die Zusammenkunft fand in einem großen Keller statt, in welchen jedes Mädchen ihr Spinnzeug mitbrachte. Eine an der Decke hängende Lampe beleuchtete alle diese frischen Gesichter mit flackerndem Lichte; man konnte allerdings nicht wohl dabei sehen, aber zum Spinnen braucht man auch kein Gas; in dem Halbdunkel ging der Arbeit nichts ab, aber die Liebelei gewann viel.
Wie man sich wohl denken kann, machte Bastian von dem Augenblicke an, in welchem die jungen Burschen eintreten durften, den Hauptschmuck der Gesellschaft aus. Er ersann für die Sonntagabende eine Menge Spiele, die freilich nicht alle das Glück hatten angenommen zu werden. Einige derselben erschienen dem Prüfungsrate der Mütter oder selbst den verständigsten Mädchen etwas zu husarenhaft.
Wie alle Mädchen des Dorfes besuchte auch Mariechen diese Spinnstube; das Mädchen, welches in dem Alter Mariechens aus dem Kreise der Andern hätte wegbleiben wollen, würde sich in unangenehmer Weise bemerklich gemacht, würde Verachtung gegen die Andern ausgedrückt haben.
Aber Mariechen sang selten Lieder, tanzte selten mit und spielte ebenso selten die Spiele mit. Sie blieb gewöhnlich in einer Ecke sitzen, in der sie so wenig Raum als möglich einzunehmen suchte und in der Ecke gegenüber lag ober stand dann immer Ehrlich mit Bernhard und sah das liebliche Gesichtchen des Mädchens nicht bloß mit den Augen, sondern mit dem ganzen Herzen an.
Gewöhnlich machte man den Platz streitig, nicht dem Ehrlich, denn wenn Jemand diesen hätte kränken wollen, welchen das ganze Dorf lieb hatte, würden sich alle wie ein Mann gegen den Beleidiger erhoben haben, nicht dem Ehrlich, also, wohl aber dem Hunde Bernhard, der als solcher an dem Gesange, dem Tanz und den Spielen nur sehr geringes Interesse nahm, dagegen auf viel Platz Anspruch machte und somit der Gesellschaft hinderlich war.
Der Abend ließ sich gut an. Das Weiter draußen war kalt, düster, stürmisch und so hörten die jungen Leute in dem warmgebeizten Keller mit allem Behagen den Wind in den Bäumen rauschen und pfeifen, von denen er die vergilbten Blätter abriss und in der Luft umherstreute, so dass sie aussahen wie ein Flug von Nachtvögeln.
Ein jedes hatte seinen vorjährigen Platz wieder eingenommen. Diejenigen Mädchen, welche wie Mariechen nur zusehen wollten — es waren deren aber nur noch zwei oder drei — hatten glücklicher Weise das Spinnrad mitgebracht und spannen.
Diese Abendgesellschaften begannen stets mit Liedern, die nicht selten in ihrer naiven Weise ziemlich leichtfertig waren, aber man weiß, es ja, die Züchtigkeit der Mädchen auf dem Lande ist nicht so schreckhaft als die der Stadtmädchen und das, was den letzteren die Schamröte ins Gesicht treiben würde, erregt bei den ersteren meist nur ein helles Herzliches Lacher.
Es wurde gelost, welche das erste Lied singen sollte; da man aber wusste, dass Marie nie tätigen Anteil an der Unterhaltung nahm, ließ man sie natürlich auch nicht mit das Loos ziehen.
Alle Namen wurden in einen Hut getan und diesen Hut hielt man Ehrlich hin, dem Blödsinnigen, der hineingriff und den Namen der Katharina herausholte.
Alle hörten die Katherina sehr gern singen, denn sie kannte nicht nur die schönsten Lieder, sondern sang dieselben auch mit einem Ausdrucke, den sie im Theater in Paris gelernt haben sollte, wohin sie ihre Herrin begleitet hatte, die ja so gütig gegen sie gewesen war.
Katharina ließ sich denn auch nicht lange bitten. Sie rief neun ihrer Freundinnen zu sich; die zehn Mädchen fassten einander an der Hand; jede erhielt den Namen, welcher ihr in dem Reigen zukam; sie wiegten die Arme auf und ab, drehten sich langsam im Kreise und die wohlklingende Stimme Katharinens begann das nachstehende Liebchen mit reizender Melodie, die wir leider nicht auch mitteilen können:
Wir waren zehn Mädchen auf einem Plan
Und jede konnt nehmen wohl einen Mann.
Es war Christine
und die Carline,
Es waren Susanne und Martha,
Ah! Ah!
Kathrinchen auch und Katharine,
Es war dabei die Lison,
Die Gräfin von Montbazon,
Es war da Madelaine,
Wie auch noch die du Maine.
Der Königssohn zu uns gekommen ist,
Der hat uns gar freundlich gewinkt, gegrüßt,
Gegrüßt Christine,
Gegrüßt Carline,
Gegrüßt auch Susanne und Martha,
Ah! Ah!'
Kathrinchen auch und Katharine,
Gegrüßt hat er die Lison,
Die Gräfin von Montbazon,
Gegrüßt die Madelaine,
Geküßt nur die du Maine.
Und wie er so freundlich den Hut geschwenkt,
Da hat er auch jeder 'n Ring geschenkt,
Einen Christinen,
Einen Carlinen,
'n Ring der Susanne und Martha,
Ah! Ah!
Kathrinchen auch und Katharinen,
’n Ring gab er der Lison,
Der Gräfin von Montbazon,
Einen der Madelaine,
Demanten der du Maine.
Er schenkte die Ringe und lud dann fein
Zum Essen uns Alle im Schlosse ein.
Birn' für Christine,
Birn' für Carline,
Wie auch für Susanne und Martha,
Ah! Ah!
Kathrinchen auch und Katharine,
Nur Birnen für die Lison,
Die Gräfin von Montbazon.
Und für die Madelaine,
Pfirsich für die du Maine.
Und als wir gegessen, wie sich's gebührt,
Da hat er uns alle zum Schlafen geführt,
Auf Stroh Christine,
Auf Stroh Carline,
Auf Stroh die Susanne und Martha,
Ah! Ah!
Kathrinchen auch und Katharine,
Auf Stroh führt er die Lison,
Die Gräfin von Montbazon,
Auf Stroh die Madelaine,
Ins Bettchen die du Maine.
Zum Schlafen? Hat jede von uns gedacht,
Er hat aber alle davon gejagt,
Fort mit Christine,
Fort mit Carline,
Fort mit der Susanne und Martha,
Ah! Ah!
Kathrinchen auch und Katharine,
Fort jagt er auch die Lison,
Die Gräfin von Montbazon,
Fort, fort die Madelaine,
Behielt nur die du Maine.
Der Rundgesang gefiel den jungen Burschen und Mädchen ganz außerordentlich, viel weniger dem Bernhard, der, gleichsam als wolle er gegen die Leichtfertigkeit der beiden legten Strophen protestieren, den Kopf empor richtete, besorgt nach der Tür hinsah und ein lang gedehnte Geheul ausstieß.
Wie sich von selbst versteht, wurde diese Art Protestation von der heitern Gesellschaft sehr übel aufgenommen, die dem Hunde Schweigen gebot und einmütig ein zweites Lied verlangt.
Man legte also zum zweiten Male die Namen aller Anwesenden in einen Hut, in welchen Ehrlich griff, auf den das Geheul Bernharde einen ganz besonderen Eindruck gemacht zu haben schien.
Er zog diesmal den Namen Bastian heraus.
Bastian scheute sich nun nicht im mindesten ein Lied zu singen; er kannte sehr viele aufwendig, freilich ganz eigentümliche und selbst die Mädchen, welche nicht so leicht durch ein Lied zu erschrecken waren, sahen mit einiger Ängstlichkeit dem entgegen, welches der Husar singen werde.
»Ich soll also ein Lied singen?« sagte dieser, indem er sich den Schnurrbart strich.
»Ja,« fielen die Mädchen ein, »aber ein schönes, nicht wahr?«
»Wie so ein schönes?« fragte Bastian. »Ich kenne nur schöne.«
Es lief ein ungläubiges Lächeln durch die Gesellschaft und gleich darauf stimmte Bastian, um die Anwesenden zu beruhigen, laut das Lied an:
Im Felde die Husaren stehn,
Schnetterdeng!
Im Felde die Husaren stehn,
Schnetterdeng!
Husar, Husar, Du armer Mann,
Hast ja nur einen Stiefel an!
Schnetterdeng!
Aber in diesem Augenblicke brach die Opposition aus, die sich gleich nach den ersten Versen kundgegeben hatte.
»Ach, Herr Bastian,« baten die Mädchen mit gefalteten Händen. »ein anderes!«
»Warum ein anderes?«
»Ach ja, ein anderes. Wir bitten schön.«
»Warum denn aber ein anderes?« fragte Bastian.
»Weil wir das schon kennen,« sagten die jungen Bursche; »Du hast es uns schon zehnmal vorgesungen.«
Bastian drehte sich stirnrunzelnd zu ihnen um und antwortete:
»Wenn es mir nun aber beliebt, Euch das Lied nochmals zu singen?«
»Das steht Dir frei, Bastian, uns steht es aber auch frei fortzugehen, um es nicht zu hören.«
Einige stellten sich als wollten sie wirklich gehen.
Bernhard schien der Ansicht derer zu sein, welche protestierten, denn er hob zum zweitenmale den Kopf empor und er heulte nochmals, aber noch länger und schauerlicher als das erste mal.
Alle überlief es eiskalt.
»Mein Gott,« sagte Mariechen, »stirbt denn jemand in der Nähe?«
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