- -
- 100%
- +
„Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden. Die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht Bankrott gehen will.“ Auf unzähligen Webseiten finden Sie dieses oder ein ähnliches Pseudo-„Zitat“ dem römischen Staatsmann Cicero zugeschrieben – gerne garniert mit dem Verweis, dass schon die alten Römer eine Diskussion zur Staatsschuldenproblematik geführt hätten. Sie werden jedoch nirgends eine konkrete Stellenangabe zu diesem Zitat finden, aus gutem Grund: Es ist nämlich eine Fälschung! Sie wird dank zügellosem Copy-and-Paste wohl für alle Zeiten durch das Netz geistern; Sie als quellenkritischer Historiker werden dieser Fälschung aber nicht auf den Leim gehen.
Selbstverständlich gibt es zahlreiche seriöse, wissenschaftliche Angebote im Netz, die Ihnen den Zugang zu Quellen und Literatur erleichtern. Man kann dabei grob zwei Sorten unterscheiden: einerseits digitalisierte Versionen analoger Angebote, andererseits neu erstellte digitale Quelleneditionen. Zur ersten Gruppe gehören etwa die Digitalisate der Monumenta Germaniae Historica, aber auch Ebook-Ausgaben diverser Quellenautoren. Zur zweiten Gruppe zählen explizite Online-Publikationen (wie die antiken Inschriften von Aphrodisias: http://insaph.kcl.ac.uk), Digitalisate von Bildmedien (Postkarten, Handschriften, wie sie etwa die Bayerische Staatsbibliothek anbietet: https://www.digitale-sammlungen.de, zum Ersten Weltkrieg auch die Württembergische Landesbibliothek: http://www.wlb-stuttgart.de/sammlungen/bibliothek-fuer-zeitgeschichte/themenportal-erster-weltkrieg) und manches mehr.

Abb. 3: Screenshot: Themenportal Erster Weltkrieg, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart
Angesichts der Bandbreite und Volatilität digitaler Angebote wäre eine heutige Auflistung morgen schon überholt. Statt einer repräsentativen Darstellung finden Sie im Folgenden daher Anhaltspunkte, mit denen Sie wissenschaftlich brauchbare Angebote auch künftig selbst identifizieren können:





Kurzum
Entscheidend ist: Die Grundregeln wissenschaftlicher Recherche gelten auch und gerade im Digitalen!
2.4 Quellenrecherche konkret
Die Formen der Recherche sind vielfältig. Unterscheiden lassen sich unter anderem eine unsystematische und eine systematische Suche. Unsystematisch bedeutet dabei keineswegs unüberlegt, sondern bezeichnet eine mit einem Zufallsfund ansetzende Recherche, die in sich systematisch verläuft – während die systematische Suche einen gezielten Ansatzpunkt wählt, abhängig von den Vorkenntnissen des Suchenden. Wer sich bereits gut auskennt, kann anders einsteigen als jemand, der erst am Anfang seiner Studien beziehungsweise seines Studiums steht!
Die unsystematische Suche
Der Einstieg in die unsystematische Suche kann vielfältig sein. Meist verweisen Handbücher und Gesamtdarstellungen Sie auf vielversprechende Quellen (Einführungswerke weniger, da in der Regel ohne Anmerkungsapparat). Häufig lohnt es sich auch, direkt in Textausgaben von Quellen zu stöbern, die Sie im Seminar auszugsweise gelesen haben. Schauen Sie getrost nach, was Sie vor und nach den behandelten Stellen noch finden – wenn etwas nicht im Seminar behandelt worden ist, heißt das noch lange nicht, dass es nicht aufschlussreich wäre. Hochschullehrer und Lehrer müssen bei der Quellenauswahl immer auch pädagogisch-praktische Erwägungen wie den Zeitrahmen einer Sitzung im Blick behalten. Quellensammlungen thematischer oder chronologischer Art eignen sich ebenfalls für eine erste Suche.21 Achten Sie allerdings darauf, dass viele solcher Sammlungen vor allem auf bequeme Zugänglichkeit ausgelegt sind und daher den Anforderungen an eine wissenschaftliche Quellenedition mitunter nicht genügen. Schließlich können Sie selbstverständlich auch auf das Internet zurückgreifen: vorausgesetzt, Sie nutzen einschlägige Fachportale und etablierte Datenbanken als Ausgangspunkt.
Die unsystematische Suche ist vor allem zur ersten Orientierung und zur Inspiration bei der thematischen Eingrenzung hilfreich. Verlassen Sie sich aber niemals auf die unsystematische Recherche, sondern ergänzen Sie sie unbedingt mit einer systematischen Recherche über die einschlägige Literatur. Sonst laufen Sie womöglich Gefahr, wichtige Quellen für Ihr Thema zu übersehen.
Die systematische Suche
Wenn Sie sich bereits für ein hinreichend konkretes Thema entschieden haben, wissen Sie unter Umständen schon, dass Sie bestimmte Quellen benötigen. In diesem Fall durchforsten Sie gezielt die entsprechenden Editionen oder suchen in den Beständen eines bestimmten Archives.
Für eine Untersuchung des Kriegsausbruches im Juli 1914 können Sie etwa gezielt die Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes nach interessanten Funden durchsehen – oder die Presseberichte jener Tage, die Sie zum Teil gedruckt, zum Teil digitalisiert vorfinden. Oder Sie nutzen die Motive von Feldpostkarten als Quellen für die Untersuchung der vermeintlich allgemeinen Kriegsbegeisterung. Vielleicht zieht es Sie aber auch in ein Archiv, wo der Nachlass eines Zeitzeugen auf Sie wartet. Fündig werden könnten Sie jeweils etwa in:






Abb. 4: Screenshot: Zentrale Datenbank Nachlässe, Bundesarchiv
Mutatis mutandis gilt dies auch für andere Zeiten und andere Themen: Für eine Studie zur Münzprägung des Kaisers Augustus wird man gezielt einschlägige Münzcorpora zur Hand nehmen, zur Politik Kaiser Heinrichs IV. die Regesten seiner Urkunden und für das Ende des Dreißigjährigen Krieges die Acta Pacis Westphalicae. In diesen Beispielen würden Sie etwa hier fündig:



Ein solches Vorgehen braucht Vorwissen und Vertrautheit mit den verfügbaren Editionen und Archiven. Wo dieses fehlt, führt bei der systematischen Quellensuche der Umweg über die Literatur am schnellsten zum Ziel: Das bedeutet, Sie suchen – wie im folgenden Kapitel beschrieben – nach einschlägiger Literatur zu Ihrem Thema und werten deren Quellengrundlage über Anmerkungsapparate sowie gegebenenfalls die Indices aus.
3. Formen der Literatur-Recherche
Grundsätzlich kann man bei der Suche nach Fachliteratur zwei Vorgehensweisen unterscheiden: die unsystematische Literaturrecherche (auch „Schneeballsystem“ genannt) und die systematische Literaturrecherche (über Kataloge, Datenbanken und einschlägige Bibliographien). In der Praxis ergänzen sich beide gegenseitig – bei der Erstellung Ihrer Materialgrundlage wie auch bei späteren Nachrecherchen.

Abb. 5: Formen der Literatur-Recherche
3.1 Die unsystematische Recherche
Bei der unsystematischen Recherche oder „Schneeballsuche“ wertet man den bibliographischen Apparat von einem oder mehreren, möglichst aktuellen und einschlägigen Werken aus: Handbücher, allgemeine Darstellungen, spezialisierte Aufsätze und andere Literatur verweisen ihrerseits auf weitere einschlägige Titel (und in Quellenverzeichnis sowie Anmerkungsapparat auch auf Quellen). Mit den daraus gewonnenen Angaben verfährt man wiederum ebenso und überprüft die jeweiligen Literaturverzeichnisse der nun eingesehenen Werke auf all’ jene Titel, die für das eigene Thema von Interesse sein könnten – von dort aus geht das Verfahren potentiell in immer weitere Runden. Die Qualität der erhaltenen Literatur hängt sowohl von der Aktualität der Ausgangswerke ab als auch von deren Einschlägigkeit. Beginnen Sie Ihre Suche also mit möglichst aktuellen Handbüchern und Einführungswerken. Aber nutzen Sie auch – sofern existent – jüngere Spezialstudien zu dem Thema, über das Sie recherchieren.

Abb. 6: Die Schneeballsuche
3.2 Die systematische Recherche
Waren früher gedruckte Bibliographien und Zettelkataloge die wichtigsten Hilfsmittel bei der systematischen Recherche, so sind es heute digitale Angebote – schon der hohen Frequenz an Neuerscheinungen wegen. Für manche Themen erscheinen zwar immer noch gedruckte Bibliographien,24 doch bestätigen solche Ausnahmen mittlerweile eher die digitale Regel – wiewohl Bibliographien von Quellen25 ihre Aktualität nicht verlieren. Zur Verfügung stehen Ihnen online jedenfalls:




Auch bei der systematischen Recherche gilt: Verlassen Sie sich niemals auf eine einzige Ressource, sondern verbinden Sie verschiedene Ressourcen miteinander. Ein flüchtiger Blick in den Seminarapparat der Veranstaltung mag zwar zur spontanen Ideenfindung geeignet sein, zählt aber keinesfalls als systematische Recherche!
Machen Sie sich zunächst klar, wonach Sie suchen. Benötigen Sie aktuelle Monographien zu Ihrem Oberthema? Suchen Sie schon nach spezifischer Forschungsliteratur wie Aufsätzen (also unselbständig erschienene Literatur)? Sind Sie auf der Suche nach Quellen zu Ihrem Thema? Oder brauchen Sie zunächst noch Hilfsmittel zur Bearbeitung der Quellen (wie Fachlexika, Kommentare et cetera)?
Je nach Stadium und Zweck Ihrer Recherche werden Sie zu unterschiedlichen Ressourcen und Suchstrategien greifen beziehungsweise diese miteinander kombinieren; verfeinern können Sie Ihre Recherchekünste natürlich mithilfe einschlägiger Literatur.26 Verschiedene Typen von Katalogen, Datenbanken und Fachressourcen stellen wir Ihnen auf den nächsten Seiten vor. Achten Sie auf Änderungen, die sich in der weiteren Digitalisierung generell und speziell der Geschichtswissenschaft ergeben werden!
3.3 Lokale Kataloge der Universitätsbibliotheken
Der naheliegendste Weg ist zumeist die Recherche über den lokalen OPAC der jeweiligen UB: schon deshalb, weil die dort verzeichneten Werke auch vor Ort vorhanden sind. Dieses insbesondere bei eiligen Recherchen sinnvolle Vorgehen hat aber einen gravierenden Nachteil. Je nach Angebot beschneiden Sie dadurch unnötig Ihre Recherche-Ergebnisse: Erstens beschränken Sie Ihre Recherche a priori auf die Bestände der örtlichen UB. In sehr großen Bibliotheken mag das ausreichen, in den meisten indes nicht: weil Kassenlage und Einkaufspolitik darüber bestimmen, welche Titel angeschafft werden. Darunter befinden sich keineswegs alle für Ihre Studien relevanten.27 Zweitens erscheinen in den lokalen OPACs häufig nur Monographien und sonstige selbständig erschienene Literatur – also keine Zeitschriftenaufsätze oder anderweitig unselbständig erschienene Literatur.
Der bessere und zugleich effektivere Weg ist daher eine kombinierte Suche mit lokalen OPACs, Verbundkatalogen und Datenbanken. Machen Sie sich mit den Recherchefunktionen und -möglichkeiten Ihres lokalen UB-Katalogs vertraut. Nutzen Sie Angebote wie Einführungen und Tutorien; Universitätsbibliotheken bieten häufig Kurse zur Recherche an. Informieren Sie sich über den Fach-Bestand Ihrer UB und über den Datenpool, in dem Sie über den lokalen OPAC suchen: Ist er auf den Bestand der UB beschränkt? Werden zusätzliche Kataloge, Datenbanken oder bibliographische Dienste eingebunden?

Abb. 7: Screenshot: Erweiterte Suche, Universitäts- und Stadtbibliothek Köln. Nutzen Sie vor allem die Möglichkeiten, die eine „Erweiterte Suche“ jeweils bietet. Hier können Sie (abhängig davon, welche der Kataloge Sie einbinden) auswählen, ob Sie nur in den Kölner Beständen oder darüberhinaus recherchieren wollen!
3.4 Verbundkataloge
Aufgrund dieser Einschränkungen mancher lokaler OPACs ist eine Recherche in den Verbundkatalogen sinnvoll. Bibliotheksverbünde sind regionale, zumeist nach Bundesländern gegliederte Zusammenschlüsse wissenschaftlicher Bibliotheken (sowie mitunter weiterer öffentlicher Bibliotheken), die ihre jeweiligen Bestände in gemeinsamen Katalogen zur Recherche zur Verfügung stellen – und unter anderem den Fernleihverkehr koordinieren. Der Vorzug einer solchen Recherche liegt auf der Hand: Mit Ihrer Suchanfrage recherchieren Sie in einem wesentlich größeren Bestand (müssen die recherchierten Werke allerdings oft per Fernleihe bestellen). Zudem unterscheiden sich die Angebote. Beachten Sie, dass die Suche auch in den Verbundkatalogen häufig auf selbständig erschienene Literatur beschränkt ist! So listet das Hochschulbibliothekszentrum (hbz) nur selbständig erschienene Literatur auf, wohingegen der Gemeinsame Bibliotheksverbund (GBV) auch eine Suche nach unselbständig erschienener Literatur ermöglicht.

Abb. 8: Deutsche Bibliotheksverbünde. Dazu gehören:






3.5 Nationale und internationale Kataloge
Über eine noch breitere Datenbasis verfügen diverse nationale und internationale Kataloge. Der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek verzeichnet seit dem Jahre 1913 jedes in Deutschland erschienene Buch, einsehbar in Frankfurt am Main respektive Leipzig. Der Karlsruher Virtuelle Katalog (KVK) schaltet die Kataloge der Bibliotheksverbünde zu einer gemeinsamen, deutschlandweiten Suchanfrage zusammen und bietet überdies auch noch eine Suche in verschiedenen ausländischen Nationalbibliotheken an: Er ist rein virtuell, präsentiert also „nur“ die gesammelten Bestände anderer Bibliotheken. Sie können die Bücher nicht in Karlsruhe einsehen!
Weitere Einschränkungen gibt es auch hier: Vollständigkeit ist ein Ideal, doch zugleich eine Illusion. Selbstredend verzeichnet die Deutsche Nationalbibliothek nur in Deutschland erschienene Literatur. Beim KVK hängt der Datenbestand von Ihrer Auswahl (und der Qualität der ausgewählten Kataloge, bisweilen sind etwa Altbestände nur unzureichend erfasst) ab. Die meisten zuschaltbaren Kataloge stellen Ihnen ebenfalls nur selbständig erschienene Literatur zur Verfügung. Eine Ausnahme bildet beispielsweise der GBV. Mit der Zeitschriftendatenbank (ZDB) wiederum ermitteln Sie deutschlandweit in den Beständen wissenschaftlicher Bibliotheken nach Fachzeitschriften (also die Verfügbarkeit einzelner Zeitschriftenbände, Sie finden hier keine einzelnen Aufsätze!).

Abb. 9: Screenshot: Karlsruher Virtueller Katalog. Im unteren Feld können Sie auswählen, in welchen Katalogen Sie recherchieren wollen.
3.6 Fachportale
Fachinformationsdienste (FID) sind disziplinär ausgerichtete, DFG-finanzierte Angebote zur Recherche und Bereitstellung digitaler Ressourcen. Sie bieten einerseits wissenschaftlich betreute Rubriken, die in Literatur und Quellen zu einzelnen Themen (etwa Hexenforschung oder Reformation) einführen. Andererseits stellen sie Recherchefunktionen zur wissenschaftlichen Literatur zur Verfügung.
Die Mediävistik und die Neuere Geschichte betreut der FID Geschichte (via https://www.historicum.net); die Alte Geschichte deckt der FID Altertumswissenschaften (https://www.propylaeum.de) ab. Beide Angebote befinden sich derzeit noch im Aufbau, ein Blick lohnt sich dennoch. Sie ersetzen die ehemaligen Sondersammelgebiete (SSG), deren Bestände bis 2015 gepflegt wurden.

Abb. 10: Screenshot: Portale wie historicum.net helfen bei der Orientierung in den aktuellen digitalen Angeboten. Wie rasch sich die digitalen Angebote ändern, zeigt diese Momentaufnahme (Stand: 24. Juni 2018) nebenbei auch.
Für die Recherche nach Literatur wie nach Quellen eignen sich auch Fachportale wie clio-online (https://www.clio-online.de). Dieses Portal verweist zudem auf weitere digitale Angebote aus dem Bereich der Geisteswissenschaften, unter anderem auf h-soz-u-kult (https://www.hsozkult.de): als Kommunikations-Plattform konzipiert, aber gerade für Rezensionen eine wichtige Fundgrube bei der Suche und Einordnung von Literatur.
3.7 Bibliographische Datenbanken
Für manche Epochen beziehungsweise Teilfächer bestehen umfangreiche bibliographische Datenbanken. Auch hier gilt: Behalten Sie Veränderungen, die sich innerhalb oder außerhalb dieser Datenbanken ergeben, im Blick. Bislang kann man grob zwischen zwei Formaten unterscheiden – einerseits fächer- und teilfächerübergreifende Datenbanken, andererseits epochenspezifische.
Zu den wichtigsten übergreifenden Datenbanken gehören:








