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Dawer holte ihre Aufmerksamkeit zurück, indem er sie kitzelte. „Hier spielt die Musik, junge Dame.“
Sie lachte und wehrte ihn ab. „Die Musik spielt, wo ich will, werter Herr Vollidiot.“
„Für deine Frechheit sollte ich dir den Hintern versohlen, weißt du das? Mich vor meinen Männern bloßzustellen.“ Er schüttelte missbilligend den Kopf, doch seine Mundwinkel zuckten.
„Was habe ich denn getan?“, empörte sie sich gespielt und tat entsetzt.
„Mein Name ist Dawer.“
„Und manchmal Arsch und manchmal Vollidiot“, wiederholte sie seine Worte von ihrer gemeinsamen Nacht.
Er kniff die Lippen zusammen, meinte dann aber. „Na ja. Besser Idiot als Arsch, was?“
Sie grinste. „Du hast dich so vorgestellt. Selbst schuld.“
Er reckte sich ein Stück und küsste ihr Ohr. „Sei froh, dass du so bist, wie du bist. Sonst hätte deine Frechheit Konsequenzen“, raunte er und sein Atem strich sanft über ihren Nacken.
„Kommt auf die Konsequenzen an“, gab sie ihm kokett zurück. Jemand am Feuer erhob sich und verschwand in der Dunkelheit. Jamie schaute auf und ihm nach, dann seufzte Dawer.
„Ich werde mal manierlich sein und meine Leute vorstellen. Ich will ja nicht, dass man mir noch nachsagt, ich wäre wirklich ein Arsch.“ Er grinste wieder. „Also der Welpe, der gerade weggelaufen ist, heißt Lysján.“ Er hob eine Hand und deutete dann einzeln auf die verbliebenen Männer um das Feuer herum. „Der gute Mann dort ist Raekwon, meine rechte Hand. Neben ihm sitzt Deaglán, unser hinterhalterprobter, dienstältester Elf. Der Kleine neben ihm, der meint, mein Blick wäre verräterisch, ist sein Schützling Océan und der Trampel da drüben ist Thrace. Ihn kennst du vielleicht, auch wenn er das letzte Mal mehr Dreck im Gesicht hatte.“ Dawer machte eine Geste vor seinem Gesicht, als verschmiere er etwas. „Er hat sich gewaschen, heute mal.“
Ein Brummen war von dem dritten, ebenfalls dunkelhaarigen Elf zu hören, doch die anderen schienen freundlicher zu sein. Sie lächelten und nickten Jamie zu oder hoben kurz eine Hand zum Gruß.
„Und diese hinreißende junge Dame, meine Freunde, ist ganz allein für mich bestimmt“, fügte Dawer an und beanspruchte sie, statt ihren Namen zu verraten.
Sie schlug ihm auf die Brust und stieß ein tztztz aus. „Wie war das, werter Herr Arsch? Wirst du mich wohl deinen überaus attraktiven Freunden richtig vorstellen?“ Sie waren es tatsächlich und Jamie hatte sofort ein besseres Gefühl, was ihre Einnahmen anging. Ausnahmslos alle waren gut gebaut und entsprachen auch optisch ihrem Männergeschmack. Bis auf den blonden Lysján, der sehr jung aussah und leider auch so wirkte.
„Überaus attraktiv? Sind deine Augen durch die Dunkelheit geschwächt?“, fragte Dawer ein klein wenig empört.
„Ich habe Adleraugen. In meinem Beruf von Vorteil.“
Er verdrehte seine. „Also werde ich dich nicht nur für mich haben, was?“
„Kommt ganz drauf an.“ Sie ließ den Blick durch die Runde gehen und warf den Männern ein eindeutiges Lächeln zu. Dawer stöhnte und Jamie lachte. An seinem Ohr hauchte sie dann: „Das klang letztens aber besser.“
„Mmm“, kam es in einem von hoch nach tief abfallendem Ton von ihm, dann lagen seine Lippen wieder an ihrem Hals. „Bist du frei?“
„Bin ich“, antwortete sie und stieß gleich darauf einen kleinen Schreckensschrei aus.
Dawer hatte sich mit ihr auf den Armen erhoben und nickte der Runde zu. „Männer, ich empfehle mich“, sagte er, verließ mit ihr in den Armen das Feuer und trug sie in eines der Zelte.
6
Was du nicht haben kannst
Die Kleine war hier. Und sie war freiwillig zu Dawer gegangen, obwohl er ihr von Helven erzählt hatte. Er und das Mädchen waren im Zelt verschwunden und nur ihr Lachen drang an Thrace’ Ohren. Es störte ihn sehr viel mehr, als er zugeben mochte, dass sie doch keine Abneigung gegen Dawer hegte. Allerdings erleichterte es ihn auch, weil sie Thrace selbst, dann ebenfalls nicht mit Ablehnung strafen würde.
Für den Fall, die Kleine ließe es zu, hatte er sich zwar irgendwie darauf eingestellt, dass Dawer sie beanspruchen könnte, doch es grämte ihn trotzdem. Sicher, sie war eine Hure und damit für jeden zu haben, aber sie hatte wieder Dawer gewählt und nicht Thrace.
Beide Männer hatten schon im Bordell vor ihr gestanden und sie hatte sich gegen ihn und für den Anführer entschieden. Keine Frau vorher hatte sich ihm verweigert. Sie waren alle bereitwillig erst zu ihm gekommen, nur nicht dieses Mädchen.
Warum?, fragte er sich im Stillen und warf frustriert Stöckchen ins Feuer, die unnatürlich hell aufflammten, weil er Magie mitschickte, während ihr Lachen immer mehr zu stöhnen und anderen Lauten der Lust wurde.
„Thrace?“
Er schaute auf und sah Océans Blick auf sich gerichtet.
„Ist alles gut bei dir?“, wollte sein Freund wissen und sah ihn nachdenklich an.
Thrace nickte nur, doch Raek lachte auf. „Er ist stinkig, weil das Mädchen schon wieder bei Dawer ist. Er hat sie in Nordbrand schon nicht bekommen und heute kam sie wieder nicht zu ihm.“
Océan hatte Raek den Blick zugewandt, drehte den Kopf nun jedoch zu Thrace zurück. „Echt? Deshalb ziehst du so ein Gesicht?“
„Und wenn?“
Der andere Elf lachte. „Du bist ja drauf. Warum denn? Nimm dir doch eine andere. Hier laufen genug Huren rum.“
„Ich wollte zu ihr.“
„Sie aber nicht zu dir.“ Noch während Océan das sagte, schien ihm ein Licht aufzugehen. „Ach. Daher weht der Wind? Sie wollte dich nicht. Tja. Ich habe ja immer schon gesagt, das musste mal so kommen.“
„Ach ja?“
„Na hör mal. Das hatten wir doch schon. Du hast sie gesehen. Sie ist keine Metze wie alle anderen. Dawer hat 30 Drachen für sie gezahlt. Denkst du echt immer noch, die nimmt so einen verdreckten Tunichtgut wie dich?“, warf Océan ihm an den Kopf.
„Ich bin nicht verdreckt!“, fuhr Thrace seinen Elfenfreund an und warf ihm einen bösen Blick zu.
„Warst du aber in Nordbrand. Wir sagen dir und Dea immer wieder, dass die Masche vom Ich ach so schwer arbeitender Söldner nicht bei jeder zieht. Jetzt hast du den Beweis und musst damit leben.“
„Bis jetzt hat’s aber gezogen. Und du musst deine Schnauze nicht aufreißen. Wann durftest du denn das letzte Mal deinen Schwanz in was anderes stecken, als deine Hand?“, konterte Thrace.
Dea und Raek lachten schallend, doch Océan funkelte ihn böse an. „Immerhin hätte ich bei ihr jede Chance.“ Er nickte zum Zelt, aus dem nun ihr immer erregter werdendes Stöhnen drang.
Thrace spürte den Zorn, als pure Hitze in seinem Gesicht, sagte aber nichts mehr. Im Stillen überlegte er schon, was er anders machen konnte, um Océan das Gegenteil zu beweisen.
Abermals lag die Kleine in Dawers Armen, doch diesmal war sie nicht eingeschlafen. Ihre Finger fuhren durch sein Brusthaar und ab und zu zog sie verführerisch daran.
Nach einer Weile der Stille schaute sie zu ihm auf und grinste frech. „Sag mal“, begann sie und wandte den Blick wieder auf seine Brust. „Bist du eigentlich einer derjenigen, die auch mehr verlangen dürfen?“
Dawer runzelte die Stirn. „Was meinst du genau?“
„Jáne hat Perlen vergeben, für besondere Dienste.“
Er drehte den Oberkörper und griff hinter sich in die Tasche seiner Weste. „Meinst du das hier?“ Er zog ein Säckchen hervor und reichte es ihr. Die Kleine stützte sich seitlich auf einen Arm und leerte das Säckchen in die Hand.
„15!“, stieß sie erstaunt aus und sah ihn dann mit großen Augen an.
„Ist das viel?“, fragte er und wusste dabei, dass jede Perle für einen Dienst war.
„Soweit ich weiß, haben nur die wenigsten mehr als zehn bekommen“, ließ sie ihn wissen und die Perlen wieder in den Beutel rollen. „Der Kommandant und sein erster Offizier sind wohl die Einzigen, die ebenso viele haben wie du.“
Dawer grinste. „So was. Dann bin ich wohl was Besseres. Allerdings muss ich gestehen, dass ich diese Annehmlichkeit sicher auch meinem Namen zu verdanken habe.“
„Vollidiot?“, fragte sie spitz und bekam als Strafe eine Kitzelattacke.
Als sie sich beruhigt hatte, erklärte er: „Nein. Ich meine meinen Familiennamen, Thraut.“
„Thraut, wie der General des Hauptheeres?“
„Oh. Da kennt sich jemand aus. Aber ja, genau wie der. Er ist mein großer Bruder.“
„Aha aha. Sehr interessant. Und warum bist du kein General?“
„Bin ich doch. Meine Truppe ist nur etwas kleiner.“
Sie lachte amüsiert. „Ja, aber wirklich nur etwas.“ Mit Daumen und Zeigefinger zeigte sie das Etwas an. „Du hast fünf Leute unter dir, der General, ehm keine Ahnung, 5000? Das nimmt sich wirklich nicht viel.“ Sie zog eine Schnute und schüttelte den Kopf.
„Weib. Du hast ja keine Ahnung“, tadelte er sie neckend.
„Habe ich auch nie behauptet. Aber erkläre es mir doch, Herr General Vollidiot mit ganzen fünf Mann im Rücken.“ Ihr Grinsen wurde diebisch.
Er schüttelte gespielt missbilligend den Kopf. „Dein freches Mundwerk wird dir noch zum Verhängnis.“
„Niemals. Ich weiß mich durchaus zu benehmen, wenn ich muss.“
„Ich warte gespannt auf den Tag“, grinste er.
„Jetzt erkläre mir, wovon ich keine Ahnung habe“, forderte sie, drehte sich auf den Bauch und stützte den Kopf in die Hände. „Wenn ich eines nicht will, dann unwissend sterben.“ Sie grinste.
„Also gut. Aufgepasst.“
Sie nickte und lauschte.
„Mein werter Herr Bruder hat keine 5000, sondern nur knapp 3000 Mann unter sich. Das wäre der erste Punkt. Von diesen 3000 sind die meisten ungebildete Grobiane, die nichts weiter können, als hauen und stechen.“
„Aber kommt es nicht darauf an?“, unterbrach sie ihn. „Was tut ihr denn noch außer hauen und stechen?“
„Planen. Taktisch denken. Eventuell intrigieren oder unterwandern. Von dem Rest der Männer meines Bruders können das nur eine Hand voll. Und die sind zu feige den Mund aufzumachen. Sie könnten viel erreichen, doch sie folgen lieber nur, als auch mal die Initiative zu ergreifen.“
„Dafür gibt es doch aber Befehlshaber? Die sagen, was zu tun ist und die Truppe folgt.“
Dawer nickte. „Stimmt. Aber meine Männer haben alle eine Meinung. Ich mag ihr Befehlshaber sein, doch ihre Meinung ist genauso entscheidend. Das macht uns effektiver. Wir fünf, den Welpen mal ausgenommen, sind sehr viel effizienter im Kampf, als die 3000 meines Bruders zusammen.“
Neyla zog die Brauen zusammen. „Willst du sagen, ihr allein könntet eine Streitmacht niedermachen? Das klingt ein bisschen überheblich, findest du nicht?“
„Etwas, ja. Aber das will ich auch gar nicht sagen. Wir könnten niemals zu fünft 3000 Mann in einer Schlacht schlagen. Aber wir könnten sie trotzdem besiegen. Denn am Ende braucht man nur zwei, vielleicht drei Männer zu töten oder gefangen zu nehmen, um die ganze Armee lahmzulegen.“
Ihr Blick hellte sich auf. „Den Befehlshaber und seine Offiziere.“
Dawer lächelte, weil sie es sofort verstanden hatte. „Genau die.“
„Schlau. Die 3000 Mann entscheiden ja nicht jeder für sich. Sie befolgen nur Befehle.“
„Wieder richtig.“
„Und wenn keiner mehr Befehle gibt, habt ihr gewonnen.“ Sie lächelte anerkennend. „Ich sehe, was du meinst.“
„Und ich sehe, du bist schlauer als so manche vor dir.“ Er war wirklich angetan von der kleinen Neyla. Viele Frauen nickten nur und lächelten, weil sie zwar zuhörten, es aber nicht verstanden, wenn er solcherlei Dinge erklärte.
„Ich kann nur denken. Schlau würde ich mich nicht schimpfen. Dann wäre ich eine Gelehrte oder so was.“
Nun wurde sein Blick nachdenklich. „Darf ich dich was fragen?“
Resigniert ließ sie die Arme fallen und legte den Kopf darauf, das Gesicht verborgen. „Ich weiß schon was“, kam es gedämpft von ihr.
„Warum?“, fragte er und wollte damit wissen, warum sie diesen Beruf gewählt hatte.
Sie verstand es, drehte den Kopf, ließ ihn aber auf ihren Armen liegen, nur ihre Augen richteten sich auf seine. „Ich dachte, das kann ich sicher gut, hab’s ausprobiert und es war so. Nicht gleich so wie heute“, lächelte sie frech, „Aber ich hab viel gelernt. Ich denke, ich beherrsche mein Handwerk jetzt ganz gut.“
„Ohoho. Das ganz sicher“, ließ er sie wissen und hatte die Erinnerung an ihre letzte handwerkliche Arbeit im Kopf. „Aber mal ehrlich. Hast du nie daran gedacht, was anderes zu machen? Warum gerade das hier? Du bist hübsch. Sehr viel hübscher als die meisten deiner Zunft. Der Hof würde dir sicher offenstehen. Vielleicht als Kurtisane fürs Theater oder Ähnliches? Oder was ganz anderes. Warum Hure?“
Erneut erhob sie sich leicht und stützte den Kopf wieder in die Hände. „Verurteilst du mich, wenn ich dir die Wahrheit sage?“, fragte sie und klang ernst.
„Ich habe mir abgewöhnt, Leute sofort zu verurteilen“, erklärte er. „Jeder hat seine Gründe, die Dinge so zu tun, wie er sie tut. Auch wenn ich es nicht immer verstehe, ist es nicht mein Leben, sondern das des anderen.“
Ihre Augen hielten seinen Blick einen langen Moment fest, dann wandte sie ihren auf ihre Hände. „Mein Vater war ein Edelmann“, erklärte sie und Dawer zog die Brauen verwirrt zusammen. Ein Edelmann? Warum war sie dann eine Hure?
Neyla erklärte weiter: „In Helven war er der Stadtherr.“
Nun wurden seine Augen groß und das Erstaunen war ihm sicher anzusehen, denn als sie ihn erneut ansah, fuhr ihr ein Grinsen in die Züge.
„Das sind Neuigkeiten, was?“, fragte sie neckisch und schnippte ihm vor die Brust. „Deine Hure ist ein Mädchen von edlem Geblüt.“
Er stieß die Luft in einem kurzen Lachen aus. „Es ist ... überraschend“, gab er zu. „Dein Vater war der Stadtherr von Helven? Du bist eine Daémuth?“, hakte er trotzdem noch mal nach. Zwar glaubte er ihr, weil seine Menschenkenntnis ihn selten betrog und die Kleine log seiner Meinung nach nicht. Aber es war so unwahrscheinlich, dass sie dieser alten Familie angehörte, dass er einfach noch mal fragen musste.
Neyla nickte vollkommen ernst. „Ich war meines Vaters einzige Tochter und hätte seine Nachfolge angetreten, wenn nicht geschehen wäre, was geschehen ist.“ Sie klang traurig.
„Es tut mir wirklich leid, was passiert ist. Aber daran konnten selbst wir nichts ändern“, sagte Dawer und wies auf die Zeltwand, vor der seine Männer noch sitzen mussten. „Wenn es etwas gegeben hätte, das wir hätten tun können. Es war niederschmetternd, zu sehen, was da passiert ist. Aber was hätten wir ausrichten können?“
„Ich weiß schon. Um ehrlich zu sein, ist es in gewissen Punkten auch ganz gut, dass die Stadt niedergebrannt ist.“
Nun war er verwirrt. „Aber in Nordbrand ...“
„Helven war meine Heimat, Dawer. Wenn ich die Möglichkeit hätte, alle meine Freunde und die Einwohner Helvens zu rächen, ich würde es tun. Aber was kann eine Frau schon ausrichten?“ Für einen kleinen Moment schwieg sie und atmete dann tief durch. „Ich bin dort geboren und aufgewachsen. Ich kannte fast alle Bewohner beim Namen und viele waren meine Freunde, meine Familie. Wenn ich weine, dann größtenteils um sie. Um meine Heimat. Weniger um die Zukunft, die ich dort gehabt hätte.“
Ihm ging ein Licht auf. „Du wolltest die Regentschaft nicht?“
„Nein. Es wären Dinge, Verpflichtungen, auf mich zugekommen, derer ich mich nicht gewachsen gefühlt habe. Weißt du, was mein Vater war?“
Kurz musste Dawer überlegen, dann fiel es ihm ein. „Man nannte ihn Erzmagier.“
Sie nickte „Genau. Ich hätte auch diesen Posten begleiten müssen. Sogar noch vor der Regentschaft über die Stadt.“ Jetzt überraschte die Kleine ihn, indem sie eine Hand hob und die Fingerspitzen aneinander rieb. Kleine, glitzernde Funken sprühten und regneten auf die Lagerstätte nieder, ohne sie zu versengen. Die Kleine lächelte, doch es erreichte ihre Augen nicht. „Mehr als das, habe ich nie geschafft. Ich hatte nie Talent dafür und die Magier haben mich deshalb verachtet. Sie wollten keine Frau an ihrer Spitze, die nicht mal ein Feuer ohne Zündstein entfachen kann. Doch die Magier wären, ebenso wie die Stadt, das Vermächtnis meines Vaters gewesen und da ich die einzige Erbin war ...“
„Aber deshalb bist du nicht zur Hurerei gegangen, oder?“
Sie lachte. „Doch. Genau deshalb.“
„Warum?“, fragte er noch immer ernst. Ihr hatten sicher alle Türen offengestanden.
„Weil ich rebelliert habe. Ich wollte denen einfach zeigen, dass ich tun konnte, was immer ich wollte. Ich war ein halbes Jahr lang Straßenhure vor Helvens Toren, bevor es niederbrannte.“
„Und dein Vater? Sag mir nicht, er hieß es gut.“
„Er hat mich verstoßen, nachdem mein ersten Freier zu ihm gegangen war und ihm gesagt hatte, was ich getan habe und wo ich zu finden war. Ich habe nie wieder mit ihm gesprochen.“
„Aber du bist dortgeblieben. Du hättest gehen können.“
„Wohin denn? Ich war noch 17 und nicht die, die ich heute bin. Ich war mal artig und lieb und zurückhaltend und so was“, kicherte die Kleine.
„Das kann ich mir gar nicht vorstellen“, meinte Dawer und spitzte die Lippen.
„Ist aber so“, gab sie ihm zurück und schnippte ihm abermals vor die Brust. „Und jetzt du. Warum bist du Söldner und kein General oder so was?“
Er zuckte mit den Schultern. „Mein Bruder hatte immer Vorrang in allem und ich nicht die Ambitionen, mit ihm zu wetteifern. Außerdem bin ich so mein eigener Herr und kann das machen, was ich will. Und es wird besser bezahlt, wenn man denn Aufträge hat.“
„Also im Grunde wie bei mir.“
Er kicherte. „Im Grunde ja. Wir sind beide Huren des Systems.“
„Aber ich seh besser aus“, sagte sie vollkommen trocken, wofür er sie überfiel und sie eine Extrarunde einlegen musste.
7
Siege
Zwei Tage dauerten die Vorbereitungen auf den ersten Angriff. Es ging um die Belagerung einer Stadt, dessen neuer Stadtherr sich dem König nicht beugen wollte. Sie sollten Maidenwind ein- und den Stadtherren gefangen nehmen.
Da die Häuseransammlung selbst keine Stadtmauer hatte, würde es leicht werden, die gewöhnliche Bevölkerung zu unterwerfen. Die Burg des Stadtherren verfügte jedoch über starke Wälle und die würden die größte Hürde werden.
Bereit für den ersten Aufmarsch, saß Thrace schon im Sattel und ging die Zauber durch, die seine Leute schützen würden. Zwar trug auch er Schwert und Bogen, doch er würde nur zu den Waffen greifen, wenn es nicht anders ging oder er sich selbst verteidigen musste.
„Hat jemand den Welpen gesehen?“, rief Dea und reckte sich im Sattel, während sein Blick die Umgebung absuchte.
„Den können wir vergessen“, brummte Dawer und stieg ebenfalls auf. „Wenn ich ihn in die Finger kriege ist er so oder so fällig.“
„Wenn du ihn die Finger kriegst“, meinte Raek. „Ich bin sicher, der ist schon wieder zu Hause in den Armen seiner Liebsten.“
Nun grinste Dawer. „Ja, da wäre ich jetzt auch lieber.“
Raek verdrehte die Augen Richtung Thrace und auch er wusste natürlich, wen der große Mann meinte. Neyla. Dawer verbrachte ungewöhnlich viel Zeit mit ihr, dafür, dass sie nur eine Hure war.
„Wie viele von diesen Perlen, hat sie denn schon von dir?“, fragte Dea und grinste wissend. „Sicher bist du bald pleite, was das angeht. Dann wird sie sich einen neuen Goldesel suchen und ich habe noch alle“, ließ er ihn wissen und lachte bei Dawers mürrischer Miene.
Thrace hatte auch solche Perlen bekommen. Fünf Stück davon. Sie lagen in einem kleinen Beutel bei seinen Sachen im Zelt. Er wusste von Dawer, dass der mehr hatte, aber wie viele, wollte der Anführer nicht preisgegeben.
„Ich denke, ich werde heute Abend mal eine davon ausgeben, oder vielleicht auch zwei?“, warf Océan in die Runde und Thrace bekam einen eindeutigen Blick dazu. Sein Elfenfreund wollte ihm zeigen, dass das Mädchen auch ihn nehmen und Thrace selbst erneut ignorieren würde.
Thrace allerdings war zu dem Schluss gekommen, dass es an seiner Elfennatur lag, dass sie ihn nicht an sich heranließ. Zwar hatte er noch keine gehabt, die ihn abgelehnt hatte, doch einige Menschenfrauen kamen mit der Art der Elfen nicht klar. Vor allem im Bett. Er erlebte es ja immer wieder.
Elfen waren nun mal stärker und vor allem robuster. Auch die Frauen aus seinem Volk. Dementsprechend verhielt es sich auch beim Sex. Es gab durchaus Menschenfrauen, die auf die härtere Tour aus waren, doch selbst unter den leichten Damen waren es weit weniger, als man vermuten würde. Meist eben die ältere Generation. Und die kleine Neyla, mit ihrem zierlichen Selbst, war ganz sicher keine davon. Noch dazu konnte sie wählen, war also zu nichts verpflichtet.
Auch wenn Thrace noch immer nicht wirklich wusste, welche Ambitionen ihn in Nordbrand zu ihr gezogen hatten, stellte er es sich doch das ein oder andere Mal mit ihr vor. Nicht auf Elfenart, denn er war sich eben sicher, dass sie keine Anhängerin davon war.
Sie ist so zart, sie würde glatt zerbrechen, dachte er und einen Moment später flog ein Lächeln der Genugtuung über seine Lippen. Aus diesem Grund wird sie auch Océan nicht wollen.
Dawer gab das Zeichen zum Aufbruch und auch Thrace trieb sein Pferd an. Er würde den Sieg über die Stadt und die Niederlage seines Freundes heute Abend genießen.
Jetzt wo die Männer alle auf dem Schlachtfeld waren, lag das Lager wie ausgestorben da. Die Zeit für alle Frauen, ihre Kleider zu nähen, ihre Einnahmen zu kontrollieren und sich auf einen Abend vorzubereiten, der sicher einiges an Arbeit für sie bereithalten würde.
„Jamie?“ Jáne kam zu ihr und übergab ihr einen kleinen Beutel. „Hier. Ich muss sagen, ich bin überrascht, wie gut du auch hier bist.“
Jamie lächelte und nahm das Säckchen, das für ihre Perlen bestimmt war, entgegen. „Es ist nicht viel anders als in der Stadt.“
Ihre Wirtin setzte sich neben sie auf den Boden. „Ich habe gehört, du hast einen treuen Anhänger?“, fragte sie und lächelte leicht. „Er hat dir allein schon acht seiner Perlen gegeben. Ich hoffe, du lässt dich nicht ausnutzen.“
„Tue ich nicht. Er zahlt für jeden Dienst“, antwortete Jamie ebenso lächelnd, während sie an dem Oberteil nähte, wofür sie die Seide in Nordbrand gekauft hatte.
„Wer ist er? Vielleicht macht er dir Avancen. Er muss einflussreich sein.“
„Er ist einer der Söldnerführer und ich denke, einen gewissen Einfluss hat er schon. Sein Bruder ist General Thraut.“
Jánes Augen begannen zu leuchten. „Jamie! Das ist deine Chance! Nutze sie, Mädchen!“
„Ich weiß nicht. Er ist Söldner. Die sind doch immer in Gefahr. Ich weiß nicht, ob ich das will. In einem Zimmer hocken und warten, dass er unverletzt wiederkommt? Und das immer und immer wieder?“
„Aber er hat Geld.“
Jamie schaute von ihrer Näharbeit auf. „Denkst du, das interessiert mich?“
„Du müsstest sicher nicht mehr arbeiten.“
„Vielleicht will ich das aber? Ich würde vor Langeweile sterben, wenn ich es nicht könnte. Außerdem habe ich gern Sex. Was soll ich denn tun, wenn er unterwegs ist?“
„Etwas anderes als das hier jedenfalls. Willst du ewig Hure sein?“
„Wieso nicht? Es macht Spaß und ich verdiene jetzt schon genug, um es nicht bis zum Tod machen zu müssen. Ich spare ja schon für mein Alter.“
Jáne schürzte die Lippen. „Du solltest deine Perspektiven ausmachen. Es mag ein lohnender Beruf sein, doch sieh dich an. Du bist mehr wert.“
Jamie hatte wieder auf ihre Arbeit geschaut und warf Jáne nun einen schelmischen Blick von der Seite zu. „Vielleicht werde ich eines Tages Wirtin. Du könntest mir zeigen, wie es geht.“
Nun lächelte die Frau an ihrer Seite strahlend. „Das klingt schon nach was. Es ist sicher kein Traumberuf, aber es ist besser, als auf die Männer angewiesen zu sein.“
„Das wäre ich dann auch noch. Ohne sie hättest auch du kein Geld.“
„Aber meine Arbeit ist nicht mehr direkt von ihnen abhängig.“
Jamie nickte. Jáne meinte, dass sie nur noch ab und an Männer zu sich ließ, wenn sie eben wollte und Lust auf sie hatte. Ihre Hauptaufgabe war es, das Wohlbefinden der Mädchen sicherzustellen. Ihnen eine Unterkunft und Essen zu geben und sie zu schützen, wenn die Männer zu aufdringlich wurden. Sie gab den Mädchen ein Zuhause. Doch auch die Wirtin hatte mal da angefangen, wo Jamie angefangen hatte. Auf der Straße, als Frau für alle.