- -
- 100%
- +
»Es hängt offenbar alles zusammen. Die Melchior, die Sertem Explorer und das, was Holtha gehört hat, und vielleicht auch der Mann, der tot im Hafen lag, und der Alte, der verschwunden ist.«
»Das ist eine Theorie.«
»Ja, aber ist es eine einleuchtende Theorie?«
»Ich beginne fast, es zu glauben.«
»In diesem Falle tut sich ja hier in Norrtälje einiges, oder?«
»Ja, in diesem Fall ist das wohl so.«
»Und du und Malin, ihr wurdet beschattet und seid mit ein paar krummen Typen aneinandergeraten, ausgerechnet auf der Eckerö-Fähre. Ich weiß, dass eine neue Art Schmuggelware auf diesem Wege kommt, jedenfalls glauben meine Quellen beim Zoll das.«
»Ja, Interpol nimmt es auch an.«
»Herrgott, Fatima, was passiert denn eigentlich?«
»Was soll ich sagen? Aber es ist doch nur eine Theorie, die du dir zusammenreimst. Ich weiß davon nichts.«
»Nein, du weißt ja wie immer überhaupt nichts, Fatima.«
Sie lachte, Olle ebenfalls. Sie blieben stehen, er berührte sie kurz an der Schulter. Sie lächelte, er versuchte zu lächeln. Dann drehte sie sich um und begann zu laufen, er lief hinterher.
Wonner fuhr an diesem Tag einen kleineren silbergrauen Mercedes. Er trug einen Leinenanzug, einen hellen Hut und eine Sonnenbrille, und hörte Mozarts 23. Klavierkonzert. Es war eines seiner Lieblingsstücke, besonders gefiel ihm der Übergang vom zweiten in den dritten Satz, von gedämpftem Moll zu einem auffordernden Lebensgefühl. Das machte ihm Hoffnung.
Er parkte vor dem Busbahnhof, um die Norrtelje Tidning zu kaufen. Die schwarze Überschrift auf der ersten Seite sprang ihm sofort ins Auge:
Ausländische Liga fasst Fuß in Roslagen
Er kaufte alle Tageszeitungen, setzte sich wieder ins Auto und begann mit dem Text, der auf der ersten Seite der Norrtelje Tidning stand. Der Text fasste Dinge zusammen, die eigentlich nur Wonner wissen konnte. Seine Mitarbeiter hatten immer nur begrenzten Einblick. Er selbst hatte den Überblick, und nur er, denn er leitete die Organisation vor Ort. Jetzt jedoch hatte sich sogar die Lokalzeitung auf irgendeine Weise einen Überblick verschafft.
Wonner schlug die zweite Seite auf und las den Artikel, den Olle Kärv geschrieben hatte. Wonner hatte schon gemerkt, dass dieser Mann zu viel wusste. Fast alles stand da: die Melchior, die Sertem Explorer, der Überfall auf einen Polizisten, die ungeschickte Attacke auf der Fähre. Und das Schlimmste war, dass der Reporter einige der Transportwege herausgefunden hatte.
Wonner blätterte schnell die übrigen Zeitungen durch. Die brachten jedoch nichts über seine Geschäfte. Offenbar hatten sie die Neuigkeiten noch nicht aufnehmen können. Aber das würde schon noch kommen.
Er fuhr vom Parkplatz und hörte auf dem Weg zurück in seine Wohnung wieder Mozart. Er überlegte und fasste einen Entschluss, der schon längere Zeit in ihm gereift war.
Als er nach Hause kam, verfasste er eine Mail. Er schrieb auf Englisch, erzählte ein wenig von der netten Stadt Norrtälje, vom Wetter, vom Straßenleben, den Parks und den Häusern. Es waren einfache Beobachtungen, die sich für den Uneingeweihten alltäglich und normal lasen. Für den Eingeweihten bedeutete Wonners Text jedoch etwas ganz anderes.
Er stellte die Probleme dar, die entstanden waren. Und er teilte mit, dass er die Mitarbeiter auf die übliche Weise von ihren Aufgaben trennen wolle. Er empfahl seinen Auftraggebern gleichzeitig, die Lieferungen einzustellen, und ab sofort andere Wege zu nutzen.
Zwei Stunden später bekam er Antwort. Der Absender bestätigte den Vorschlag, teilte jedoch mit, dass die letzte Lieferung schon unterwegs sei.
Wonner bestätigte es, indem er über das schöne Mittsommerwetter in Roslagen berichtete. Er benutzte einfache Wörter, die für denjenigen, der sich mit dem abgesprochenen Vokabular auskannte, eine Doppelbedeutung hatten.
Jetzt wartete er nur noch auf die letzte Lieferung und auf den Techniker, der kommen sollte, um die notwendigen Sicherheitsarbeiten auszuführen.
18
Fatima saß an einem Tisch auf der Terrasse des Restaurants Havspiren. Sie nippte an einem Bier, während sie ein Schwanenpaar beobachtete, das langsam quer über die Bucht flog. Sie sah aus wie eine normale Touristin. Entspannt. Leicht zurückgelehnt. Niemand konnte ahnen, was für ein Wirrwarr an Gedanken durch ihren Kopf raste. Gerade als sie ihre Schicht beenden wollte, hatte Harry Lindgren sie in sein Dienstzimmer gebeten. Er sagte kein einziges vernünftiges Wort, war jedoch trotzdem außerordentlich deutlich.
»Gleichgültig ob du arbeitest oder frei hast: du musst äußerst vorsichtig sein. Von jetzt an kannst du das als deine Hauptaufgabe betrachten.«
Fatima versuchte, etwas aus ihm herauszubekommen, erfuhr jedoch nur, dass bei Keith Holtha Komplikationen aufgetreten waren. Als er aus dem Krankenhaus entlassen worden war, war er immer noch sehr verwirrt gewesen, und man konnte kaum irgendeine Information von ihm erhalten. Jetzt hatte er eine Hirnblutung bekommen und lag auf der Intensivstation. Was am Anfang wie eine normale Gehirnerschütterung ausgesehen hatte, hatte sich zu einer schlimmen Angelegenheit entwickelt.
»Ich habe eben mit dem Krankenhaus gesprochen, und man glaubt dort, dass er wieder gesund wird. Aber wir wissen nicht, ob er zufällig überfallen worden ist oder ob das Ganze geplant war. Es war ja auf jeden Fall Holtha, der die Durchsuchung der Sertem Explorer vorgenommen hat, als das Feuerzeug mit den Initialen RS auftauchte. Und wenn du daran denkst, was dir auf der Fähre zugestoßen ist, kann es sein, dass jetzt du an der Reihe bist.«
»Weißt du etwas? Hast du inzwischen erfahren, mit wem wir es eigentlich zu tun haben?«, hatte Fatima gefragt, aber Harrys Telefon hatte geläutet, und er hatte sie mit den Worten »Sei vorsichtig. Nimm dich in Acht!« aus dem Zimmer gewinkt.
Sie konnte noch hören, dass er Englisch sprach, als er antwortete.
Fatima sah auf. Und lächelte. Olle Kärv setzte sich ihr gegenüber. Auch er lächelte.
»Hast du schon bestellt?«
»Nein, ich habe auf dich gewartet. Habe hier nur gesessen und nachgedacht.«
Sie lächelten einander weiter an und unterhielten sich ein wenig verlegen. Wenn das Gefühl zu stark wurde, sahen sie hinaus aufs Wasser, so als ob sie sagen wollten, es sei ihnen gleichgültig, die Wasseroberfläche sei interessanter und schöner als der Mensch, den sie vor sich hatten.
Dass es so schwer ist, den ersten Schritt zu machen, dachte Olle und ärgerte sich über seine Feigheit. Er betrachtete Fatima, die eine Pommes frites etwas zerstreut in ihre Sauce béarnaise tauchte. Sie blickte auf. Eine ganze Weile wagten sie, einander in die Augen zu sehen. Es war nicht nur die Abendsonne, die wärmte. Trotz Harrys Worten fühlte sich Fatima so sicher und froh, wie lange nicht mehr. Sie erzählte Olle von Harrys Warnung. Olle meinte, sie müsse sie ernst nehmen.
»Da ist noch etwas«, sagte er. »Ich habe einen Tipp bekommen, einen anonymen Tipp, den ich nicht nachgeprüft habe, und von dem ich auch nicht weiß, wie ich ihn nachprüfen könnte.«
»Was denn?«, wollte Fatima wissen.
»Sollen wir noch ein Bier trinken?«, fragte Olle.
Ehe Fatima antworten konnte, war er aufgestanden, um das Bier zu holen. Sie sah ihm nach, während sie zustimmend nickte. Sie mochte ihn, sie mochte das Gefühl, dass sie ihn gewissermaßen auf ihrer Seite hatte.
»Was für einen Tipp?«, fragte sie, als er zurückkam.
»Ein Mann hat angerufen. Er meinte, ich solle mich einmal auf Robert Skoghs Arbeitsstelle umsehen. Das Lager, in dem er arbeitet, untersuchen.«
»Ist das üblich, dass jemand anonym bei der Zeitung anruft und Tipps gibt?«
»Das kommt vor. Aber wenn sie zu undurchsichtig sind, haben wir selten die Möglichkeit, dem nachzugehen. Der Chef will erst einmal wissen, ob es sich lohnt, ob ein Artikel in der Zeitung dabei herauskommt. Meist machen wir nichts, wenn wir nicht mindestens einen Namen und etwas mehr Substanz bekommen. Was allerdings das mit der Leiche im Hafen betrifft, so habe ich die ganze Zeit über das Gefühl gehabt, dass eine richtig große Geschichte dahintersteckt, und deshalb habe ich rund um die Uhr versucht herauszufinden, um was es sich handelt.«
Fatima betrachtete ihn eine Weile, ehe sie sich entschloss, die Frage zu stellen, obwohl sie es eigentlich nicht wollte.
»Und deshalb sitzen wir jetzt hier? Bin ich ein möglicher Zugang zu einem Scoop?«
Olle hatte ehrlich antworten wollen, dass es wohl so angefangen habe. Aber dass sich jetzt noch etwas anderes daraus entwickelt habe. Dass die Rangfolge vertauscht war. Dass Fatima an erster Stelle kam und dann erst der Artikel. Aber er war zu feige und antwortete nur mit einem spöttischen Lächeln:
»Das kann man nie wissen.«
Fatima ließ das Thema fallen.
»Und wie willst du jetzt weiter vorgehen? Was willst du mit dem Tipp machen?«
»Weiß ich noch nicht, aber du bist doch hier aufgewachsen und kennst alle Leute. Kennst du nicht jemanden, der im selben Lager wie Robert Skogh arbeitet, jemand, der mich vielleicht dort hineinlassen könnte?«
»Nein«, antwortete Fatima.
Die Antwort kam schnell. Schneller als sie vielleicht gekommen wäre, wenn sie nicht diesen Stich im Magen gefühlt hätte, die neu entstandene Unruhe, dass er vielleicht doch nicht auf ihrer Seite stand, sondern ein ganz eigenes Spiel spielte, dass sie vor einem gerissenen Journalisten saß, der sie nur als Mittel zum Zweck benutzte. Olle merkte die Veränderung in ihrem Tonfall, stellte auch fest, dass sie sich etwas aufrichtete, die Schultern etwas anspannte. Nein war ein kurzes Wort, aber es vermochte ihre Haltung zu ändern: nicht mehr einladend und freundlich, sondern abwartend und distanziert.
»Dein Chef hat dich nicht vor mir gewarnt«, sagte er leichthin, um die Situation zu retten.
»Wie soll ich das wissen, er hat nicht gesagt, vor wem«, antwortete Fatima und spürte, wie gut und entwaffnend es sich anfühlte, dass er gemerkt hatte, wie sie auf Abstand ging. Ja, er wollte es sogar mit einem Scherz überbrücken.
Olle lächelte und streckte die Hand über den Tisch. Fatima hatte das Gefühl, dass die Stimmung auf dem Weg war, wieder besser zu werden. Das Gefühl, mit Olle zusammen zu sein, war gut, sie konnte sich nicht irren, dachte sie, aber sie verriet den Gedanken trotzdem nicht, der gerade in ihrem Kopf auftauchte. Sie würde Harry vorschlagen, dass sie versuchen sollten, die Genehmigung zu einer Hausdurchsuchung auf Roberts Arbeitsstelle zu bekommen. Warum haben wir das nicht schon früher getan, dachte sie. Wir haben nur seine kleine Wohnung durchsucht, und dort haben wir nichts gefunden außer der blutverschmierten Jacke und einigen Fahrkarten von der Paldiskifähre.
Sie blieben noch eine Weile sitzen und genossen den Abend. Olle nahm seinen Mut zusammen und versuchte, Fatima näher zu kommen, aber es gelang ihm nicht so richtig. Stattdessen fragte er sie nach Norrtälje und ihren Erfahrungen in ihrer Heimatstadt und hörte aufrichtig interessiert zu, als sie davon erzählte. Dann erzählte er von seiner wenig spannenden Jugend in Hägersten, ein wenig über die Hochschule für Journalistik in Stockholm, und dass er eigentlich am liebsten eine Arbeit an einer Stockholmer Zeitung hätte. Und dann kam es wie von selbst:
»Aber das war, ehe ich dich kennen gelernt habe. Jetzt finde ich, dass sowohl die Norrtelje Tidning als auch Norrtälje ganz in Ordnung sind.«
Als sie das Restaurant verließen, war es trotz des hellen Sommerabends dunkler geworden. Sobald Mittsommer vorbei ist, schleicht sich die Dunkelheit wieder ein, dachte Fatima.
»Ich habe den Wagen mit«, sagte Olle und bog nach links auf den Parkplatz ein. »Ich fahre dich. Wir sollten daran denken, was dein Chef gesagt hat.«
Fatimas Blick war an zwei Rücken hängen geblieben, die in die andere Richtung unterwegs waren. Sie gingen auf dem Weg am Wasser entlang in Richtung Societetspark. Sie war sicher, dass der eine Malin gehörte. Malin erkenne ich immer, dachte sie. Wem der andere gehörte, wusste sie nicht. Einem Mann, mit breiten Schultern, dunkler Hose, hellem Hemd.
Hat Malin jemanden kennengelernt? Er legte gerade seinen Arm schützend um Malins Schulter.
Fatima fand, dass sie sich für ihre Freundin freuen sollte, aber als sie die beiden in dem dunklen Park verschwinden sah, überkam sie ein ungutes Gefühl. Kam ihr nicht doch etwas an dem Mann bekannt vor? Aus irgendeinem Grund fiel ihr das Wort »korrekt« ein.
»Weißt du, ich finde, es ist am allersichersten für dich, wenn du mit mir nach Hause kommst und dir meine Briefmarkensammlung anschaust«, sagte Olle.
»Hast du eine Briefmarkensammlung?«
»Natürlich habe ich keine, aber ich möchte, dass du mit zu mir nach Hause kommst.«
19
Die erste Juliwoche begann so, wie die letzte Juniwoche geendet hatte. Laue Abende folgten auf heiße Tage. Es drängte die Einwohner und die Touristen, sich vom frühen Vormittag bis zum späten Abend in den Straßencafés der Stadt abzukühlen, und sowohl das Lundabad, das Lommarbad und Kärleksudden füllten sich schon vormittags mit Sonnenanbetern.
Auch das Wasser war warm geworden. Das Thermometer des Lundabades zeigte 20 Grad, am Kärleksudden waren es 21 Grad, und das Lommarbad war mit 24 Grad das wärmste der Gemeinde.
Eine Notiz in der Zeitung Aftonbladet hatte vermeldet, dass der Eisverkauf in der letzten Juniwoche um drei Prozent gestiegen sei, und der Experte, mit dem die Zeitung gesprochen hatte, der Direktor einer bekannten Eismarke, hatte natürlich gesagt, dass das der Wärme zu verdanken sei.
Als ob die Leute das nicht selbst wüssten, dachte Wonner.
Er saß an seinem Küchentisch und blätterte in der Zeitung. Es war abends um halb elf, und es war immer noch hell. Er legte die Zeitung zur Seite, öffnete stattdessen seinen Laptop und loggte sich in seine Hotmail-Adresse ein. Er ging massenweise Spam-Post durch und klickte dann eine Mail unter der Rubrik »Shelley« an. Er las sie, löschte sie und beseitigte dann auch den Rest. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Er schloss die Augen, und für einen Außenstehenden sah es sicher so aus, als ob er zurückgelehnt in dem Küchenstuhl schliefe.
Aber Wonner schlief nicht. Er dachte nach.
In den letzten Monaten hatten diejenigen, die ihm unterstellt waren, bei mehreren Gelegenheiten Fehler gemacht. Der Mann im Hafen war gestorben, im Grunde genommen unnötig. Dann der Mann an dem See. Ganz klar ein unnötiger Tod. Zähl noch ein paar Zeugen dazu. Konfrontationen. Ein zusammengeschlagener Mann auf einem Parkplatz, wobei sich außerdem noch herausgestellt hatte, dass er Polizist war. Ärger auf der Eckerö-Fähre. Und war es nicht nahe daran gewesen, dass alles entdeckt und verdorben worden wäre, als die Polizei im Hafen von Norrtälje auf die Sertem Explorer gewartet hatte?
Für Wonner war es ein Glück gewesen, dass er schnell und aus reinem Bauchgefühl heraus den Umschlagplatz gewechselt hatte.
Er richtete sich in seinem Küchenstuhl etwas auf.
Ich befinde mich immer noch einen Schritt voraus, und das muss auch weiterhin so bleiben, dachte er. Ich muss die Spuren, die es gibt, verwischen, und dann irgendwo anders etwas Neues aufbauen. Ich muss mich selbst abwickeln und alle Hinweise auf Verbindungen zwischen mir und meinen Untergebenen beseitigen. Es ist Zeit zu handeln. Es ist alles schon zu weit gegangen.
Wonner sah auf die Uhr. Es war halb ein Uhr nachts. Es war Samstag.
Zuallererst die letzte Lieferung, dachte er. Dann die Abwicklung.
Um halb vier in derselben Nacht, in der Wonner inzwischen seit einer Stunde fest schlief, glitt ein älteres Modell einer Örnvik 540 in den Södersund bei Riddarsholm auf Rådmansö. Zwei Männer legten an der Brücke an, die gewöhnlich von Sommertouristen genutzt wurde, die weiter hinaus auf Inseln wie Sundskär, Marö und Gräskö fahren wollten.
Jetzt war niemand außer den beiden Männern zu sehen.
Einer der Männer hob eine Tasche aus dem Boot, die der andere Mann auf der Brücke entgegennahm. Dann standen sie eine Weile auf der Brücke und rauchten, ehe sie die Kippen ins Wasser warfen und hinauf zum Parkplatz gingen, wo ein Volvo auf sie wartete. Die beiden Männer übergaben dem Mann im Auto die Tasche, der sie mit der rechten Hand entgegennahm.
»Ihr seid spät«, sagte er.
»Eine Vorsichtsmaßnahme«, sagte der eine.
Dann trennten sie sich wieder.
Der Mann im Volvo fuhr am Campingplatz Ridersholm, an der Jugendherberge und an der alten Windmühle vorbei. Er hielt kurz an und holte sein Handy heraus. Er schrieb »Shelley ist angekommen« und schickte die SMS los.
Der Mann bog dann nach links auf die E18 ein und verließ die Gemeinde Norrtälje ungefähr um fünf Uhr morgens, als Elsa Sjöholm, die auf dem Campingplatz Urlaub machte, ihren Morgenspaziergang hinunter zur Anlegebrücke am Södersund machte, um dort ihr morgendliches Bad zu nehmen.
Sie ärgerte sich über zwei Zigarettenkippen in dem ansonsten spiegelglatten Wasser.
Am Montagmorgen erschien Kriminalkommissar Harry Lindgren in einer weißen Leinenhose und einem hellblauen Freizeithemd, das schon dunkle Flecken unter den Armen aufwies, zum Arbeitsbeginn auf der Polizeiwache.
Es war erst acht Uhr morgens.
Lindgren begann seinen Arbeitstag mit einem tiefen Seufzer und einer Tasse Kaffee. Er setzte sich in sein Büro. Es war schon Juli, und Lindgren wusste, dass er bald Ergebnisse vorweisen musste – ansonsten würde der anstehende Urlaub mit Sicherheit verschoben. Und Harry Lindgren hasste Ferien, die ins Ungewisse verschoben wurden, ungefähr genauso sehr wie Ermittlungen, die sich nicht von der Stelle bewegten.
Das hier war wirklich eine selten schwierige Ermittlung, dachte er. Es ist eine Menge passiert, aber offenbar scheint nichts zusammenzuhängen.
Lindgren seufzte zum zweiten Mal an diesem Morgen.
Trotzdem muss es eine Art roten Faden geben, dachte er. Den müssen wir finden. Es ist zu viel passiert, als dass wir alles als unabhängig voneinander betrachten können. Damit machen wir es uns allzu einfach.
Allzu einfach, wiederholte Lindgren. Ich mache es mir allzu einfach.
Er startete seinen Computer, loggte sich mit seinem Kennwort »Barsch 122« ein und nahm sich vor, sich noch einmal die Untersuchungsunterlagen anzusehen. Er ging die Verhöre und Berichte noch einmal durch, las genau, wenn er meinte, etwas Interessantes entdeckt zu haben, scrollte schneller, wenn es sich um ein Routineverhör mit irgendeinem Nachbarn handelte, der behauptete, dass er am Flygfyren etwas Verdächtiges bemerkt habe.
Lindgren seufzte noch einmal, stand auf und holte sich noch eine Tasse Kaffee.
Robert Skogh, dachte er. Er hat nichts mit dem großen Ganzen zu tun. Allenfalls ist er nur einer in einem Netzwerk von Halunken, die irgendwie versuchen, an Geld zu kommen, und das auf nicht ganz astreinen Wegen.
Wenn es überhaupt ein Netzwerk ist, dachte Lindgren. Aber wenn es nun eine Schmuggelangelegenheit ist, die von Norrtälje ausgeht, dann gibt es bestimmt einen Boss. Wer ist das Gehirn? Robert Skogh kann ja bisweilen ganz clever sein, aber der Anführer einer größeren Organisation ist er bestimmt nicht. Aber das schließt natürlich nicht aus, dass er irgendetwas mit dem Mord an Lars Gustavsson zu tun hat. Er könnte ihn umgebracht haben. Die Frage ist nur, aus welchem Grund. Eine Tat in betrunkenem Zustand? Ein von Robert Skogh geplanter Mord? Oder wollte jemand, dass Robert Skogh Lars Gustavsson umbringen sollte?
Oder ist er ganz einfach unschuldig?
Das kann nicht zusammengehen, dachte Lindgren. Es muss sich um etwas anderes handeln.
Es ist nicht nur ein Mord, es ist etwas Größeres. Der Mord ist irgendetwas, was schiefgegangen ist, etwas, das nicht geplant war.
Lindgren schrieb einen Satz in den dafür vorgesehenen Platz in der Ermittlungsakte: Wer ist der Drahtzieher?
»Wenn wir ihn finden«, sagte Lindgren leise vor sich hin, »dann lösen wir diese Angelegenheit.«
Lindgrens Handy klingelte und unterbrach seinen Gedankengang. Er antwortete:
»Lindgren.«
»Hallo, hier ist Olsson. Ich habe heute hier unten Dienst.«
»Hallo, Lennart«, sagte Lindgren. »Was gibt es?«
»Du, hier ist eine Frau, die völlig verzweifelt ist. Sie fragt nach dir. Hast du Zeit, uns zu helfen?«
»Eigentlich nicht«, antwortete Lindgren. »Um was geht es denn?«
»Ihr Sohn ist verschwunden. Elias heißt er.«
Harry Lindgren merkte, wie sich die Haare auf seinen Armen aufrichteten. Es lief ihm kalt den Rücken hinunter.
»Ich komme.«
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.