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Robert fand die Nummer und ging zurück zur Tür. »So ich habe...« Gardé war nicht mehr da. Ein schrecklicher Gedanke ließ Robert auf dem Absatz kehrt machen und zum Badezimmer stürmen. Dessen Tür war nicht mehr geschlossen, sondern stand einen Spalt weit auf. Er stieß die Tür auf und sah Gardé ins Gesicht. Er hatte direkt dahinter gestanden und verzog keine Miene. Für ein, zwei Sekunden standen sie sich wie zwei Duellanten gegenüber und warteten darauf, wer von beiden als Erster zucken würde.
»Ich hatte vergessen, kurz ins Badezimmer zu sehen. Der Raum fehlte noch, verzeihen Sie«, durchbrach Marc die Stille und schob sich dann am erstarrten Robert vorbei durch die Tür in den Flur. »Ah danke.« Er nahm das Tablet und schrieb die Nummer des Anwalts ab. Dann gab er es ihm zurück und verabschiedete sich.
Als die Wohnungstür hinter ihm ins Schloss fiel, war Robert immer noch vor Schock wie gelähmt. Er kehrte ins Bad zurück und suchte seinen Klon. Der Raum war aber leer.
»Ich hatte eine Eingebung, dass er das Bad auch durchsuchen will«, flüsterte Robert2 hinter ihm. Er hatte sich just in dem Moment, in welchem Gardé mit Stobeck die Wohnung verlassen wollte, aus dem Bad geschlichen und sich unter dem Bett im Schlafzimmer versteckt.
»Gut gemacht.« Robert war dankbar, aber der Stress hatte ihn an seine Grenzen gebracht. Dabei stand ihm das Schlimmste erst noch bevor.
Unten auf der Straße am Dienstwagen besprachen die beiden Agenten die Situation.
»Und? Was meinst du, Marc? War das eine Ente?«
»Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube dem Typen nicht.«
»Warum? Seine Werte waren vollkommen in Ordnung. Sein Chip auch. Er ist genau der Loser, für den wir ihn gehalten haben.«
»Trotzdem hat er uns angelogen.«
»Und wobei?«
»Sein Bett. Es war noch etwas warm. Genauso wie seine Couch. Hat er also gleichzeitig im Bett und auf der Couch geschlafen?
»Dafür kann es tausend Gründe geben. Vielleicht hatte er Besuch, von dem wir nichts wissen sollen. Dem dürfen wir jetzt ohnehin nicht nachgehen. Rechtlich sind uns hier die Hände gebunden.«
»Wir hätten einen Personenscanner mitnehmen sollen, um die Zahl der Menschen im ganzen Gebäude zählen zu können.«
»Das würde leider unseren aktuellen Verantwortungsbereich übersteigen. Dafür würden wir auch keine Genehmigung mehr bekommen, nicht nach den Werten, die wir gemessen haben. Wir haben keine Grundlage für weitere Untersuchungen, ohne dabei geltendes Recht zu brechen. Wir haben unsere Kompetenzen ohnehin schon weiter ausgedehnt als uns zusteht, da wir entgegen dem Polizeibeschluss, der Sache nicht weiter nachzugehen, Mester untersucht haben. Wenn die das rauskriegen, bekommen wir ohnehin Ärger mit denen.«
»Was wollen die denn machen? Die werden höchstens meckern und zetern. Mehr können die nicht tun. Zu sagen haben die Luschen doch eh nichts.«
»Und was willst du jetzt tun?«
»Ich werde nochmal Mesters Spuren der letzten Wochen zurückverfolgen. Und wir sollten mal mit seiner Freundin reden.«
»Dafür haben wir aber keine Genehmigung.«
»Ach was. Für ein kurzes Gespräch werde ich schon eine bekommen. Es muss etwas geben, das weitere Untersuchungen rechtfertigt. Der Mann verbirgt etwas. Und ich werde herausfinden, was es ist.«
Kapitel 13: HK-17 - Dein Freund und Helfer
»Frau Ehrhardt, kommen Sie doch bitte mal in mein Büro.«
Das letzte Mal, als Saskia von ihrem Vorgensetzen ins Büro gerufen wurde, war schon eine Weile her. Er tat dies immer nur dann, wenn etwas wirklich Wichtiges anstand. Vielleicht war es auch dieses Mal so.
»Machen Sie bitte die Tür zu«, wies ihr Chef sie an, als sie sein Büro betrat. Er saß hinter einem kleinen Schreibtisch und schaute finster drein.
»Worum geht es?«
»Ich hätte da einen kleinen Sonderauftrag für Sie. Mir wurde zugetragen, dass sich zwei Agenten von der AKE unerlaubt in unsere Angelegenheiten eingemischt haben.«
»Das wäre ja nicht das erste Mal. Sie versuchen doch ständig, systematisch unsere Autorität zu untergraben.«
»Stimmt. Aber ich werde dem nicht länger tatenlos zusehen.«
»Und was haben die AKE-Leute jetzt angestellt?« Saskia ahnte, worauf ihr Auftrag hinauslaufen würde, und ihre Ahnung gefiel ihr ganz und gar nicht.
»Sie haben ohne unsere Zustimmung einen Verdächtigen verhört, ihn zu Blut- und Urinproben genötigt, und nun wollen sie auch noch sein Umfeld aushorchen.«
»Weswegen?«
»Sie gehen angeblich einem Verdacht nach, wonach der Mann sich geklont haben könnte. Die Hinweise sind allerdings vage, und ihre genommenen Proben sind unauffällig.«
»Gab es denn schon polizeiliche Ermittlungen unsererseits?«
»Nein, das ist es ja, was mich so ärgert. Die zuständige Dienststelle bei uns wollte der Sache nicht weiter nachgehen, aus Mangel an hinreichenden Indizien. Aber die AKE weiß es ja angeblich besser.«
»Und wieso wollen sie jetzt noch sein Umfeld aushorchen, wo doch die Proben in Ordnung waren?«
»Das weiß ich auch nicht. Und es interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht. Sie haben in dieser Sache keinerlei Befugnisse. Das habe ich eben per Videotelefon ihrem stellvertretenden Vorgesetzten klargemacht. Der hat mir versprochen, dass die Sache erledigt sei. Aber mir wurde gerade eben gemeldet, dass zwei von den AKE-Leuten die Freundin von dem Verdächtigen verhören wollen. Und Sie, Frau Ehrhardt, werden das verhindern. Ich will, dass Sie zu der Wohnadresse von dieser Frau fahren und die AKE-Typen abfangen. Machen Sie ihnen klar, dass sie wieder verschwinden sollen, sonst werden wir andere Saiten aufziehen.«
»Und wenn die AKE einen begründeten Verdacht hat?«
Ihr Chef stand von seinem Stuhl auf und sah Saskia eindringlich an. Mit erhobener Stimme und einer Spur von Zornesröte im Gesicht antwortete er: »Jetzt hören Sie mir zu, Frau Ehrhardt. Erstens haben sie keinen begründeten Verdacht und zweitens: Selbst wenn sie einen hätten, ist mir das scheißegal. Sie sollen uns nicht unsere Arbeit wegnehmen. Die AKE gehört abgeschafft. Nur durch ihre ultrarechten Unterstützer im Ministerium und dem wachsenden Einfluss der Sprung-Evolutionären wird die AKE-Abteilung noch künstlich am Leben erhalten. Und ich werde denen nicht noch einen Grund geben, an ihrer Existenz festzuhalten, indem ich mich zurücklehne und sie machen lasse. Ich will denen und deren Praktiken einen Riegel vorschieben. Und ich habe Sie ausgewählt, das zu tun. Schaffen Sie das?«
»Ja, das schaffe ich. Danke, dass Ihre Entscheidung auf mich fiel.«
Ihr Chef nickte nur kurz. Er wusste, dass niemand von seinen unterstellten Polizisten gerne mit der AKE zu tun hatte, weil deren Mitarbeiter als äußerst arrogant galten. Nicht jeder von seinen Leuten, für die er alle die Hand ins Feuer legen würde, hätte sich für diese Aufgabe bedankt. »Sie werden aber nicht alleine gehen. Ich stelle Ihnen eine HK-Einheit zur Seite.«
Saskia sackte innerlich zusammen. Sie hatte geahnt, dass die Sache einen Haken hatte. »Ich soll mit einem Polizeidienst-Roboter zusammenarbeiten?«
»Ja. Ich habe Sie mehr als einmal davor bewahrt, einen Roboter als Partner zur Seite gestellt zu bekommen. Dieses Mal kann ich das nicht tun. Ich stelle Ihnen unsere modernste und zuverlässigste Einheit zur Verfügung: HK-17. Er wurde bereits eingewiesen und erwartet Sie in seinem Wartungsraum.«
»Gut, wenn es denn nicht anders geht.«
»Er ist der Beste, den wir haben. Er ist zwar noch in der Erprobungsphase, aber voll einsatzbereit. Außerdem können wir dann etwas Eindruck schinden. Denn die AKE hat nicht genug Mittel für einen solchen Dienst-Roboter.«
»Den wollen sie auch gar nicht. Das sind alles genetisch aufgewertete Egomanen, die sich für etwas Besseres halten«, sagte Saskia bevor ihr einfiel, dass sie ihre persönliche Meinung besser für sich behalten sollte. Aber bei ihrem Vorgesetzten rannte sie mit ihren Worten offene Türen ein.
Saskias Chef nickte wieder. »Dann brauche ich Ihnen ja nicht zu erklären, mit wem wir es zu tun haben. Beeilen Sie sich. Damit Sie noch vor der AKE bei der Frau sind. Ich habe Ihnen alle relevanten Informationen zu diesem Fall auf Ihren Dienst-Account überspielt.«
»Danke nochmals, dass Sie mir diesen Auftrag zugewiesen haben.«
»Ich kenne keinen hier, der sich für diese Aufgabe bedanken würde. Ich habe Sie ausgewählt, weil Sie in meinen Augen die Fähigste sind. Also enttäuschen Sie mich nicht und lesen Sie den AKE-Narzissten die Leviten, verstanden?«
»Das werde ich.« Saskia machte sich auf den Weg zum Wartungsraum des Polizeiroboters. Sie überflog auf dem Weg dorthin rasch die wichtigsten Daten zu dem Fall und glaubte auch nicht, dass es sich bei Robert Mester um einen illegalen Klon-Fall handeln könnte.
Im Wartungsraum angekommen, fand sie HK-17 stehend in einem Wartungsalkoven vor. Er war nur einer von mehr als zwei dutzend Modellen, die hier stationiert waren. Einige von ihnen standen regungslos herum, andere wurden gerade repariert - ebenfalls von Robotern.
Saskia fühlte sich hier unwohl. Die laufenden und sprechenden Maschinen würden ihr immer suspekt bleiben. Sie könnte sich nie an sie gewöhnen. Wann immer es ging, hatte sie diesen Raum gemieden.
»Sie sind mir zugeteilt worden«, sprach Saskia HK-17 förmlich an. Das war nicht unbedingt vorgeschrieben. Aber sie hielt es für angemessen. »Sind Sie betriebsbereit?«
»Das bin ich, Kollegin Ehrhardt. Sämtliche Informationen zu diesem Fall wurden bereits in meine Datenbank übertragen.«
Jedes Mal, wenn Saskia einem dieser Roboter gegenüberstand, musste sie ein aufkeimendes Gefühl der Furcht abschütteln. HK-17 sah anders aus als ein kommerziell genutzter Roboter, nicht wie ein Mensch, sondern er machte durch sein äußeres Erscheinungsbild unmissverständlich klar, dass er eine hochmoderne Maschine mit übermenschlichen Fähigkeiten war. Er besaß einen röhrenartigen grauen Kopf, in welchem sich unzählige Sensoren befanden. Ein richtiges Gesicht und Mimik gab es nicht. Nur ein waagerechter violetter Leuchtbalken ließ Assoziationen zu Augen zu. Arme und Beine waren ebenfalls schmal und grau. Abdeckungen gab es nur an den Stellen, an denen wichtige Funktionsteile geschützt werden mussten. Sein aus den neuesten Verbundstoffen bestehendes Skelett ermöglichte es ihm, schneller zu laufen als ein Gepard und höher zu springen als ein Stabhochspringer.
Das Militär nutzte ganz ähnliche Einheiten, HK-17 war nur eine abgewandelte Form davon, spezialisiert auf den Polizeidienst. Vermutlich fühlte sich Saskia aufgrund jener Herkunft in Gegenwart des Roboters unwohl. Niemand arbeitete gerne mit den HK-Einheiten zusammen, obwohl diese Maschinen einem menschlichen Kollegen im Ernstfall beim Außendienst das Leben retten konnten und dies auch schon getan hatten.
Saskia konzentrierte sich wieder auf ihre Aufgabe. Ihr Chef hatte ihr womöglich eine einmalige Chance eröffnet, die Karriereleiter hochzusteigen. Diese Chance würde sie nicht ungenutzt liegen lassen.
»Also gut. Gehen wir«, sagte sie.
HK-17 löste seine mechanische Kopplung im Alkoven und folgte ihr pflichtbewusst.
Kapitel 14: Mit dem Rücken zur Wand
»Herr Mester, können Sie mich hören? Antworten Sie!«, schrie eine Stimme in Roberts Ohr. Es war Hendrik, der über den Minisender in seinem Ohr Kontakt mit ihm aufnahm.
»Was ist los?«, fragte Robert.
»Ich habe die Information bekommen, dass zwei AKE-Leute Sie aufsuchen wollen und...«
»Sparen Sie sich weitere Einzelheiten. Die waren schon hier. Gerade eben. Ihre Warnung kommt eine wenig zu spät«, sprach Robert und sah, wie sein Klon neben ihm grimmig nickte.
»O mein Gott! Und was ist passiert?«
»Sie haben den Chip von Robert2 gescannt und von mir eine Urin- und eine Blutprobe genommen.«
»Wie? Sie waren mit Robert2 gleichzeitig in einem Raum mit der AKE?«
»Sagen wir, dass wir in unserer Not ein kleines Versteckspiel organisiert haben. Anscheinend haben wir sie getäuscht. Sie haben wohl nicht nach weiteren Ortungschips in der Wohnung gescannt.«
Hendriks darauffolgendes Schweigen interpretierte Robert als gegenteilige Auffassung. Doch dann fand er die Sprache wieder. »Sie haben Proben von Ihnen genommen?«
»Ja, sollte doch kein Problem sein, oder?«
»Falsch! Wir sind aufgeflogen.«
»Wieso? Sie haben die Proben gleich analysiert und nichts gefunden.«
»Das haben die Sie nur glauben machen wollen. Die eigentliche Analyse muss in einem Labor gemacht werden. Und dort werden sie anhand der Blutwerte feststellen, dass bei Ihnen eine Chiptransplantation gemacht wurde.«
Robert raufte sich verzweifelt die Haare. »Scheiße! Wie viel Zeit haben wir noch, bis die AKE es herausfindet?«
»Stunden. Höchstens. Aber noch haben wir keinen Grund, in Panik zu geraten, wenn wir jetzt überlegt handeln. Wir werden zusammen aus dem Land fliehen. Heute Abend noch.«
»Ist denn für die Flucht schon alles fertig?«
»Im Grunde genommen, ja. Im Notfall werden wir improvisieren müssen. Kommen Sie um neun Uhr abends zur Südseite am alten Bahnhof, der stillgelegt wurde, zwei Straßen von Ihrer Wohnung entfernt.«
»Gut. Was ist mit Robert2?«
»Er kommt mit uns.«
»Was? Ich habe mich wohl gerade verhört? Sind Sie von allen guten Geistern verlassen? Er sollte doch hier bleiben.«
»Es gibt keine andere Möglichkeit, Herr Mester. Falls Sie es noch nicht mitbekommen haben: Wir sind in ein paar Stunden enttarnt! Robert2 kann nicht mehr Ihre Rolle einnehmen. Er würde für den Rest seines Lebens in ein Gefängnis kommen oder für medizinische Forschungszwecke missbraucht werden. Wollen Sie das?«
»Nein, aber...«
»Außerdem würden sie Ihren Klon einem Neurohacking unterziehen. Er würde alles ausplaudern, was Sie wissen. Geradezu eine Einladung, uns zu schnappen.«
Robert dachte daran, die Terminierungseinrichtung von Robert2 zu benutzen. Einen Mord zu begehen. Hätte er die Kraft, das zu tun? Nein, dazu wäre er nicht fähig.
»Im Übrigen«, fuhr Hendrik fort, »werden wir uns die Möglichkeiten des Steuerungschips von Robert2 zunutze machen können. So können wir einige Sicherheitsbarrieren umgehen. Wir brauchen Ihren Klon also unbedingt für unsere Flucht.«
Robert wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Er wollte das alles nicht.
»Herr Mester, haben Sie mich verstanden?«
»Wäre es nicht besser, ich würde mich stellen? Ich weiß nicht, ob...«
»Hören Sie auf, so einen Unsinn zu reden! Wir können immer noch nach Kamtschatka entkommen. Unsere Chancen stehen gar nicht mal so schlecht. Reißen Sie sich jetzt zusammen und tun Sie, was ich Ihnen sage, dann wird alles gut werden.«
Blödsinn, dachte Robert, stimmte aber mangels einer besseren Idee zu. »Ich werde mit Robert2 zum vereinbarten Treffpunkt kommen.«
»Gut. Bis nachher dann.«
Die Verbindung wurde beendet. Robert sah seinem Ebenbild in die Augen und erkannte darin dieselbe Furcht, die auch ihn innerlich zerriss. Und wieder einmal hasste er, was er an ihm – oder an sich - sah. Er hasste es so sehr, dass er am liebsten sich und ihn auf einmal umgebracht hätte.
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