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I.Begriff und geschichtliche Entwicklung1 – 3
II.Wirtschaftliche Ziele der Parteien4 – 12
III.Typische Spannungslagen13 – 16
IV.Compliance im Joint Venture17 – 19
1 › I. Begriff und geschichtliche Entwicklung
I. Begriff und geschichtliche Entwicklung
1
Der Begriff „Joint Venture“ entstammt der amerikanischen Rechtssprache. Er ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene Formen der projektbezogenen Unternehmenskooperation.[1] Der Begriff lässt sich nur schwer präzise abgrenzen und wird für viele unterschiedliche Spielarten unternehmerischer Kooperation verwendet. Dabei geht es bei einem Joint Venture zumeist um zwei oder mehrere rechtlich und wirtschaftlich unabhängige Unternehmer oder Unternehmen (Joint Venture Partner), die auf der Basis vertraglicher Vereinbarungen gemeinschaftlich und gleichgerichtet für eine gewisse Dauer zusammenwirken, um ein bestimmtes unternehmerisches Ziel zu erreichen.[2]
2
Die Ursprünge des Joint Venture gehen zurück in das 17. Jahrhundert, als zur See fahrende Kaufleute sich zusammenschlossen, um gemeinschaftliche Aktivitäten zur Entdeckung und Nutzung neuer Märkte im Orient zu entfalten und ihre Zusammenarbeit als Joint Venture bezeichneten.[3] Nach dem Zweiten Weltkrieg verhalf der Aufstieg der Vereinigten Staaten von Amerika zur führenden Exportnation dem Joint Venture zu erheblicher praktischer Bedeutung: Der Eintritt amerikanischer Unternehmen in die Auslandsmärkte zur Beschaffung oder Absatzsicherung erfolgte zunehmend durch Kooperationen mit lokal verankerten Partnerunternehmen. Ferner entstanden durch die Dekolonialisierung in den sechziger Jahren weitere Impulse, als Joint Venture zunehmend verwendet wurden, weil das Investitionsrecht zahlreicher Entwicklungsländer Direktinvestitionen nur bei Beteiligung lokaler Partnerunternehmen zuließ.[4]
3
Seither hat sich die wirtschaftliche Zusammenarbeit von Unternehmen, die wir heute mit dem Begriff des Joint Venture in Verbindung bringen, zunehmend und stetig im Wirtschaftsleben der Industriegesellschaften etabliert und auch in Deutschland durchgesetzt. Mit der fortschreitenden Internationalisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten im Zuge der Globalisierung und insbesondere der Öffnung der Märkte in Asien und Osteuropa hat die Nutzung von Joint Venture Gesellschaften zur gemeinschaftlichen Erreichung wirtschaftlicher Ziele erst ihre heutige Bedeutung erlangt.[5]
Anmerkungen
[1]
Wächtershäuser Gesellschaftsrecht des internationalen Joint Ventures, S. 29.
[2]
Schulte/Pohl Joint Venture Gesellschaften, Rn. 2; s. zu den Erscheinungsformen von Joint Venture unten 2. Kap.
[3]
Hewitt Joint Ventures, S. 5 in Fn. 2: „joint adventures“.
[4]
Ausf. zur historischen Entwicklung Martinek Moderne Vertragstypen III, S. 211 ff.
[5]
Schaumburg/Probst/Rüling Joint Ventures, S. 8.
1 › II. Wirtschaftliche Ziele der Parteien
II. Wirtschaftliche Ziele der Parteien
4
Die unternehmerischen Motive zur Gründung eines Joint Venture können vielfältig sein, ebenso wie die konkreten rechtlichen und steuerlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten,[1] die sodann zur Umsetzung des von den Joint Venture Partnern jeweils gewählten wirtschaftlichen Ziels in Frage kommen.[2] Regelmäßig ermöglichen Joint Venture Strukturen Projekte oder Vorhaben, die ein Unternehmen aufgrund limitierter wirtschaftlicher oder technischer Kapazitäten nicht allein umsetzen kann.
5
Erwägt ein Unternehmen eine Kooperation mit einem oder mehreren Partnern, um gemeinsam ein kommerzielles Vorhaben zu realisieren, so wird dem häufig das Ziel zugrunde liegen, Kosten und Risiken des Vorhabens nicht alleine tragen zu müssen. Dieses Bedürfnis wird insbesondere bei kapitalintensiven Tätigkeiten in den Vordergrund treten, etwa bei notwendigen Investitionen durch aufwändige Forschung, Entwicklung und Planung eines Vorhabens. Selbst große Unternehmen verfügen nicht immer über sämtliche erforderlichen Ressourcen, um betriebswirtschaftlich sinnvolle Vorhaben allein realisieren zu können.[3] In diesen Fällen kann die Kombination der Finanz- und Eigenkapitalkraft zweier Joint Venture Partner zum Ziel führen.
6
Eine weitere wichtige Motivation kann es sein, jeweils vorhandenes Know-how zweier Unternehmen ähnlicher Branchen zum Zwecke der Produktentwicklung zu bündeln und in einem neuen Unternehmen zusammenzuführen, um damit Wettbewerbsvorteile gegenüber der weiteren Konkurrenz zu erreichen, etwa durch schnellere Vermarktung eines neuen Produkts oder durch den Aufbau und die Belieferung eines breiteren Kundenstammes. Im Falle von Branchenidentität werden in diesen Fällen regelmäßig höhere Synergieeffekte zu erzielen sein als bei verschiedenen Tätigkeitsschwerpunkten der beteiligten Unternehmen.[4]
7
Auch kann es dem Unternehmen darum gehen, sein eigenes Angebot an Waren und Dienstleistungen dadurch zu ergänzen oder zu diversifizieren, dass Produkte des Partnerunternehmens, welche dieses in das Joint Venture einbringt und der gemeinsamen Bewerbung unterstellt, mit angeboten werden können. Möglicher Antrieb kann auch sein, sich über das Joint Venture Zugang zu neuen Technologien zu verschaffen, über die der Partner verfügt.
8
Häufig geht es den Joint Venture Partnern um die Sicherung von Ressourcen, etwa durch Bündelung von Kapazitäten in einem Joint Venture mit dem Ziel, die dadurch erreichten Größenvorteile (sog. Skaleneffekte) auszunutzen und damit z.B. Lieferanten oder Kunden durch langfristige Verträge an sich zu binden.
9
Auch können Management- und Nachfolgeprobleme in Gesellschaften oder Betriebsteilen durch geschickte Joint Venture Gestaltungen abgefangen werden, indem vom Partnerunternehmen gestellte Geschäftsführungskompetenz für bestimmte Zeiträume eine angemessene Unternehmensführung sicherstellt.[5]
10
Gelegentlich ist die Errichtung der Joint Venture Gesellschaft lediglich als Zwischenschritt auf dem Weg zu einem später geplanten Kauf bzw. Verkauf des Joint Venture gedacht, dem derzeit noch – wie auch immer geartete – Hindernisse oder Unstimmigkeiten entgegenstehen.
11
Der Rückgriff auf grenzüberschreitende Kooperationen bzw. Joint Venture ist oftmals auch eine effiziente Markterschließungsstrategie für den Zutritt zu neuen Wachstumsmärkten, um den Chancen, aber auch Risiken der Globalisierung zu begegnen. Gerade bei der Gründung international operierender Joint Venture ist dies häufig das im Vordergrund stehende Motiv. Insbesondere in den sich entwickelnden Märkten in Osteuropa und Asien kann es für ein westeuropäisches Unternehmen, das seinen Markteintritt plant und in einem dieser Märkte investieren will, sinnvoll sein, einen angesehenen und mit den Gegebenheiten im Zielmarkt vertrauten Joint Venture Partner in sein Investitionsvorhaben einzubinden. In manchen Branchen ist wegen eines möglichen Verbots ausländischer Direktinvestitionen ein Marktzugang oft überhaupt nur mit einem inländischen Partner rechtlich möglich.[6] Die Kooperation mit einem örtlich verankerten Joint Venture Partner kann den Vorteil haben, dass der Umgang des Investors mit örtlichen Behörden durch Zwischenschaltung des lokal geprägten Gemeinschaftsunternehmens erleichtert wird. Ferner können die vorhandenen Netzwerke des Joint Venture Partners dem Investor den Zugang zu Kunden, Lieferanten, qualifizierten Mitarbeitern und sonstigen betriebswirtschaftlich wichtigen Ressourcen ebnen. Schließlich fällt der Partner als Konkurrent im Zielmarkt weg. Nach erfolgreichem Markteintritt entspricht es häufig dem Interesse des Investors, die Anteile des örtlichen Joint Venture Partners zu erwerben.
12
Im Hinblick auf den Druck zur Produktionsverlagerung oder zur Expansion, den die Globalisierung in Deutschland gerade auch auf kleine und mittlere Unternehmen (sog. „KMU“) ausübt, kann die Errichtung einer Joint Venture Gesellschaft als passende Internationalisierungsstrategie in Betracht kommen.[7] Regelmäßig gibt es mehr als nur ein Motiv zur Gründung eines Joint Venture. Die nebeneinander existierenden Motive können dabei völlig unterschiedlichen Kategorien entspringen.[8]
Anmerkungen
[1]
Zu den steuerlichen Aspekten vgl. im Einzelnen 3. Kap. Rn. 16 ff.
[2]
Zu typischen Fallkonstellationen s. 2. Kap. Rn. 49 ff.
[3]
Schäfer/Kahlenberg WiB 1994, 4.
[4]
Vgl. Lauer S. 18.
[5]
Schulte/Pohl Joint Venture Gesellschaften, Rn. 8.
[6]
Vgl. Martinek Moderne Vertragstypen, S. 214; Müller/Hoffmann/Stengel Beck'sches Hdb. PersGes., 2002, § 21 Rn. 6.
[7]
Vgl. Beschorner/Stehr BB 2007, 315, 320.
[8]
Schaumburg/Probst/Rüling Joint Ventures, S. 8, differenzieren etwa nach internen, wettbewerbsbezogenen und strategischen Zielsetzungen; Langefeld-Wirth Praxis der internationalen Joint Ventures, S. 36 ff. unterscheidet strategische Ansätze als Kooperations-, Ausweich-, Finanzierungsmodell und als Instrument der Partnereinbindung; zu den verschiedenen Funktionen auch Lauer S. 110 ff.
1 › III. Typische Spannungslagen
III. Typische Spannungslagen
13
Bei Beginn einer projektbezogenen Kooperation werden nicht immer beide Partner zwangsläufig dieselben Motive haben. Oft werden sie sogar gegenläufige Interessen verfolgen. So kann das Hauptaugenmerk des einen Partners darauf liegen, für einen eingebrachten Geschäftsbereich besondere Synergien zu realisieren, während sich der andere vornehmlich den Zugang zu besonderem Know-how erhofft. Entsprechend werden sie in einem Joint Venture ihre Pläne verfolgen, die gelegentlich auch kollidieren können. Derlei Konstellationen müssen bei der Gestaltung des Joint Venture einem geeigneten Interessenausgleich zugeführt werden.[1]
14
Entscheidende Bedeutung kommt daher der Unternehmensführung zu. Die Führung eines Joint Venture ist typischerweise komplexer als die Führung eines herkömmlichen Unternehmens mit nur einem (Mehrheits-)Gesellschafter oder einer Publikumsgesellschaft. Der stetige Prozess der Abstimmung mit dem Partner über Einzelheiten des Geschäfts, die gemeinsame Entscheidungsfindung und die Auflösung von Meinungsverschiedenheiten vor dem Hintergrund gegenläufiger Interessen sind dem Joint Venture immanent.[2] Diese Notwendigkeit des permanenten Interessenausgleichs besteht sowohl auf der Geschäftsführungs- als auch auf der Gesellschafterebene des Gemeinschaftsunternehmens. Gelingt dieser Interessenausgleich nicht, kann dies eine wesentliche Ursache für das mögliche Scheitern oder die vorzeitige Auflösung eines Joint Venture sein.[3]
15
Es ist unverzichtbar, dass die Partner sich vor Beginn ihrer Zusammenarbeit über Strategie und Konzeption des Joint Venture klare Vorstellungen machen und hierzu ein gemeinsames Verständnis entwickeln.[4] Sämtliche für die wirtschaftliche Umsetzung des geplanten Vorhabens relevanten Punkte sollten in der Planungsphase einvernehmlich besprochen werden. Wichtige Punkte, über die vor Beginn keine Einigung getroffen wurde, können bei ihrem späteren Auftreten zu gravierenden Unstimmigkeiten führen, die im schlimmsten Fall die Handlungsfähigkeit des Joint Venture beeinträchtigen oder gar – mit entsprechenden wirtschaftlichen Nachteilen für die beteiligten Partner – zum Stillstand bringen können.
16
Die Weichenstellung für einen Erfolg oder Misserfolg des Joint Venture beginnt schon lange vor der Errichtung, nämlich in der Beziehung der Partner zueinander. Jedes Joint Venture bedarf eines Mindestmaßes an gegenseitigem Vertrauen der Partnerunternehmen, damit es funktionieren kann. Das gilt insbesondere für paritätische Joint Venture, an denen die Partner in gleicher Höhe beteiligt sind oder in das die Partner jeweils gleichwertige Wirtschaftsgüter eingebracht haben. Es entspricht der Lebenswirklichkeit, dass unternehmerische Entscheidungen, die im Rahmen des operativen Betriebs des Joint Venture zu treffen sind, mal den einen Partner und mal den anderen – vermeintlich oder tatsächlich – bevor- oder benachteiligen werden. Dies ist nicht vermeidbar. Die beteiligten Partner sollten dies im Vertrauen darauf hinnehmen können, dass bei einer Gesamtbetrachtung für sie die wirtschaftlichen Vorteile des Gemeinschaftsunternehmens überwiegen. Fühlen sie sich hierzu nicht in der Lage, werden sie von der Beteiligung an einem Joint Venture absehen und sich auf die Entfaltung unternehmerischer Aktivität aus eigener Kraft konzentrieren.
Anmerkungen
[1]
Vgl. im Einzelnen dazu unten 7. Kap., etwa durch eine entsprechende Festlegung der Beteiligungsquoten Rn. 377 ff. oder durch Mechanismen zur Auflösung von Pattsituationen, Rn. 524 ff.
[2]
Schulte/Pohl Joint Venture Gesellschaften, Rn. 9.
[3]
Jansen S. 106.
[4]
Schaubild der Planungsphase bei Langefeld-Wirth Praxis der internationalen Joint Ventures, S. 58; zur Strategieentwicklung auch Büchel/Prange/Probst/Rüling S. 63 ff.
1 › IV. Compliance im Joint Venture
IV. Compliance im Joint Venture
17
Die zunehmende Regelungsdichte der letzten Jahre sowie das – nicht zuletzt aufgrund drakonischer Strafen und realisierter Haftungsansprüche – gewachsene Bewusstsein für regelkonformes Verhalten hat das Thema Compliance stetig weiter in das Blickfeld der Unternehmen gerückt. Hinzu kommen die Folgen der Globalisierung, die ihren Anteil daran haben, dass die von den international operierenden Unternehmen zu beachtenden Regelungen und Standards auch in sich entwickelnden jeweiligen Märkten stetig komplexer werden. Entsprechend ist die Notwendigkeit gestiegen, geeignete unternehmensinterne Präventionsmaßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und unternehmensinterner Richtlinien, also die „Compliance“ des Unternehmens, sicherzustellen. Dies gilt uneingeschränkt auch für Joint Venture.
18
Planen zwei oder mehrere Unternehmen die Errichtung eines Gemeinschaftsunternehmens, so stellt sich die Frage der Compliance bereits auf Gesellschafterebene. Die potentiellen Joint Venture Partner werden sich nur mit Unternehmen zusammentun wollen, die aus Compliance-Gesichtspunkten keinen Anlass zu Bedenken geben, um von vornherein Reputationsschäden und Haftungsrisiken auszuschließen. Kommt es schließlich zur Errichtung des Gemeinschaftsunternehmens, werden die Partner ein Interesse daran haben, dass auch ihre Joint Venture Gesellschaft marktüblichen Compliance-Standards genügt, wobei diese nicht zwingend 1:1 denen der Joint Venture Partner entsprechen müssen.
19
In der Beratungspraxis haben sich sowohl für die Gründungsphase, als auch für die operative Phase des Gemeinschaftsunternehmens Marktstandards herausgebildet. Vor der Errichtung empfiehlt es sich für die beteiligten Unternehmen, eine detaillierte Risikoanalyse durchzuführen, die sowohl die intendierten Kooperationspartner und ihre Märkte, als auch das Marktumfeld der geplanten Joint Venture Gesellschaft selbst umfasst. Sind potentielle Compliance-Risiken identifiziert, gilt es im nächsten Schritt, diese in der Gründungsdokumentation möglichst zu minimieren. Wird die Joint Venture Gesellschaft sodann operativ in Gang gesetzt, sollte ein geeignetes Compliance-Management-System eingerichtet werden, dessen Ausgestaltung und Regelungsdichte sich nach Größe und Geschäftstätigkeit des relevanten Gemeinschaftsunternehmen richtet (siehe zu Compliance im Joint Venture im Einzelnen die Ausführungen im 10. Kapitel).
2. Kapitel Erscheinungsformen des Joint Venture
Literatur:
Hebgen Checkliste des konkreten Handlungsbedarfs bei Joint Ventures, 2002; Na Das Gemeinschaftsunternehmen im deutschen Aktienkonzernrecht, Diss. Göttingen, 1998; Vogt/Fleischer/Kalss (Hrsg.) Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2014, 2014, S. 107 ff.; Wächtershäuser Das Gesellschaftsrecht des internationalen Joint Ventures, Diss. Frankfurt am Main, 1991; Wilde Joint Ventures: Rechtliche Erwägungen für und wider die Errichtung eines Gemeinschaftsunternehmens, DB 2007, 269.
I.Contractual Joint Venture2 – 4
II.Equity Joint Venture5 – 70
1.Binnenstruktur des Equity Joint Venture9 – 16
2.Alternativen zum Equity Joint Venture17 – 48
3.Ausgestaltung der Zusammenarbeit49 – 70
III.Operative Joint Venture, Holdinggesellschaften und Mischformen71, 72
IV.Mehrheits-Joint Venture oder paritätisches Joint Venture73 – 76
V.Horizontale und vertikale Joint Venture77
VI.Vollfunktions- und Teilfunktions-Joint Venture78 – 81
VII.Konzentrative und kooperative Joint Venture82 – 84
1
Die tatsächlichen Erscheinungsformen von Joint Venture im Wirtschaftsleben sind vielgestaltig. Sie können nach unterschiedlichsten Gesichtspunkten definiert und differenziert werden. Als Kriterien kommen etwa der Grad der rechtlichen Selbstständigkeit, die Dauer des geplanten Vorhabens, seine operative Ausrichtung, die Ausgestaltung der Beiträge der Joint Venture Partner und die Organisationsform, die Art und das Maß der Zusammenarbeit der Joint Venture Partner und das gemeinsame Auftreten nach außen in Frage.[1]
Anmerkungen
[1]
Vgl. etwa Wächtershäuser Gesellschaftsrecht des internationalen Joint Ventures, S. 50 ff.
2 › I. Contractual Joint Venture
I. Contractual Joint Venture
2
Die tatsächlichen Erscheinungsformen von Unternehmenskooperationen sind sehr vielfältig, weswegen eine sinnvolle Unterteilung schwer fällt. Auch bei der Einordnung von Unternehmenskooperationen als Contractual Joint Venture besteht keine begriffliche Klarheit. Viel eher als von einem Begriff lässt sich darum – die hohe Anzahl von verschiedenen unter diesem Schlagwort verstandenen Kooperationen betrachtend (ARGE, Kreditkonsortien, PPP-Verträge, Vertriebsverträge, F&E Verträge) – von einem Typus „Contractual Joint Venture“ sprechen.
3
Einerseits wird in der Literatur darauf verwiesen, dass von reinen Contractual Joint Venture nur gesprochen werden kann, wenn der Kooperationsvertrag keine Außenwirkung entfaltet, d.h. in den meisten Fällen keine BGB-Außengesellschaft entsteht.[1] Folgt man dieser Abgrenzung, so würden für die Einordnung als Contractual Joint Venture lediglich Lieferantenbeziehungen sowie vertragliche Beziehungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer übrig bleiben. Andererseits wird zur Abgrenzung des Contractual Joint Venture vom Equity Joint Venture darauf abgestellt, ob über den Joint Venture Vertrag hinaus – sei dieser auch schon an sich eine BGB-Innen- oder Außengesellschaft (vgl. dazu im Einzelnen 8. Kap. Rn. 4) – eine gesonderte gesellschaftsrechtliche Einheit geschaffen wird.[2] Die Unterscheidung hat weder einen praktischen Nutzen noch führt sie zu wissenschaftlicher Erkenntnis. Sie wird letztlich nur über die inhaltliche Reichweite von Publikationen über Contractual Joint Venture auf der einen und über Equity Joint Venture auf der anderen Seite entscheiden.
4
Der Begriff „Contractual Joint Venture“ legt das Verständnis nahe, dass gerade keine separate Joint Venture Gesellschaft als Trägerin gemeinsamen Vermögens der Partner gegründet wird. Deswegen wird der Begriff des Contractual Joint Venture nachfolgend weit gefasst und werden alle Formen vertraglicher Zusammenarbeit, bei denen keine Gründung einer über den Joint Venture Vertrag hinausgehenden Gesellschaft vereinbart wird, hierunter subsumiert.
Anmerkungen
[1]
Schulte/Schwindt/Kuhn/Schulte Joint Ventures, § 1 Rn. 4 ff.
[2]
Schulte/Pohl Joint Venture Gesellschaften, Rn. 3.
2 › II. Equity Joint Venture
II. Equity Joint Venture
5
Die Parteien können ihre gemeinschaftlichen Interessen auch in einer gesonderten Gesellschaft zusammenführen, was den in der Praxis häufigsten Fall darstellt. Diese Vorgehensweise wird regelmäßig als sog. Equity Joint Venture bezeichnet. Auch wird der Begriff des „inkorporierten Joint Venture“[1] verwandt, um zu verdeutlichen, dass die Ziele des Joint Venture in einer eigenständigen Gesellschaft („Joint Venture Gesellschaft“) verwirklicht werden sollen. Die Joint Venture Gesellschaft ist eine selbständige, auf den Absatz von Leistungen, die Erbringung von Dienstleistungen oder auf sonstige wirtschaftliche Ziele ausgerichtete Wirtschaftseinheit mit eigener Willensbildung. Die Joint Venture Partner werden Gesellschafter der Joint Venture Gesellschaft, geben hierdurch ihre rechtliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit voneinander aber nicht auf. Sie sind darüber hinaus an der Leitung und Steuerung der Joint Venture Gesellschaft beteiligt.
6
Ein Equity Joint Venture ist regelmäßig dann vorteilhaft und sinnvoll, wenn die Zusammenarbeit auf eine gewisse Dauer angelegt ist, die Joint Venture Gesellschaft einen eigenständigen Marktauftritt erhalten, selbständig am Rechtsverkehr teilnehmen sowie eine Haftung der Partner möglichst auf die im Joint Venture Vertrag geregelten Pflichten und insbesondere das Haftkapital der Joint Venture Gesellschaft begrenzt werden soll.
7
Die Gestaltung eines Equity Joint Venture ist regelmäßig aufwändiger als die eines Contractual Joint Venture. Das gilt für die Gründung ebenso wie für das operative Management und die Beendigung des Vorhabens. Je nach Gestaltungsvariante ist entsprechender Mehraufwand für die Erstellung eigener Steuererklärungen und die Aufstellung sowie ggf. die Prüfung der Jahresabschlüsse der Joint Venture Gesellschaft sowie für das jeweilige Beteiligungsmanagement der Joint Venture Beteiligung auf Ebene der Joint Venture Partner zu betreiben.
8
Üblicherweise schließen die Partner zunächst eine schuldrechtliche Grundlagenvereinbarung, die die Einzelheiten der Durchführung des Equity Joint Venture regelt (sog. Joint Venture Vertrag). Darin verpflichten sie sich regelmäßig zur Gründung der rechtlich selbstständigen Joint Venture Gesellschaft, die sie gemeinsam beherrschen.[2] Ferner enthält der Joint Venture Vertrag Regelungen zur Leitung, Steuerung und Beendigung der Joint Venture Gesellschaft. In der deutschen Wirtschaftspraxis werden Joint Venture Gesellschaften zumeist in der Rechtsform der GmbH oder der GmbH & Co. KG errichtet.[3] Vgl. zur Rechtsformwahl unten 7. Kap. Rn. 158 ff.