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BERND FISCHER
SO WAR DAS
DAMALS
BEI UNS
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2017
Bibliografische Information durch die Deutsche
Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek
verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Copyright (2017) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte bei Bernd Fischer
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
www.engelsdorfer-verlag.de
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Nein, Nicht Zurück!
Einst unter Linden
Im Februar
Mein Geburtstag 1943
Jedes Körnchen Möchte ich Finden
Wie war er?
Vaters Feldpostbriefe
Wärme und Geborgenheit
Kurz vor Ratzeburg
Zuhause
Kurzer Aufenthalt
Anhang: Flucht aus Buschow
Mittwoch, den 25.4.45
Donnerstag, der 26.4.45
Freitag, den 27.4.45
Sonntag, den 29.4.45
Montag, den 30.4.45
Dienstagabend, den 1.5.45
Mittwoch, den 2.5.45
Donnerstag, den 3.5.45
Freitag, den 4.5.45
Sonnabend, den 5.5.45
(Sonntag, den) 6.5.45
Montag, den 7.5.45
(Montag, den) 14.5.45
Pfingsten (20.-21.5.)
(Dienstag,den) 22.5.(45)
(Dienstag, den) 29.5.(45)
Mittwoch, den 30.5.45
Donnerstag, den 31.5.45
(Freitag, den) 1.6.45
Sonntag, (den 3.6.45)
Montag (,den 4.6.45),
Dienstag Mittag, den 5.6.(45)
(Mittwoch, den 6.6.45)
Donnerstag, den 7.6.(45)
Freitag, den 8.6.(45)
Erinnerungen allein werden zu keiner Biographie, sondern sie sind einzelne Momente, bzw. Einzelgeschichten, die nur durch die Phantasie zu einem Roman verknüpft werden. Dabei besteht aber die Gefahr, dass alles Biografische zur spekulativen Wahrhaftigkeit wird.
Als ich eines Tages alt, Großvater, ja sogar Urgroßvater war und anfing, von »früher« zu erzählen, sagten meine Kinder und Enkel, ich solle meine Geschichten doch einfach mal aufschreiben. Einfach!? Ha, wenn das so einfach wäre …! Sie sollten eigentlich aus ihrer Schulzeit wissen, welche Mühe schriftliches Formulieren macht. Das Schreiben kann richtig in Arbeit ausarten. Ich habe zwar Phantasie, dachte ich, da könnte ich doch aus meinen Erinnerungen zumindest eine zusammenhängende Erzählung machen. Pustekuchen! Diese Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit habe ich nicht mehr. Leider! So soll es bei einzelnen Geschichtchen und Gedichtchen bleiben.
Ich weiß nicht, ob die Kinder keine Zeit hatten, meine Erlebnisse zu hören (so oft hatte ich doch gar nicht Gelegenheit, darüber zu berichten). Oder hatten sie mehr Interesse, ihre eigenen, augenblicklichen Probleme vorzutragen? – Wenn ich es mir richtig überlege, habe auch ich erst seit Erreichen des Rentenalters tieferes Interesse, Begebenheiten weiterzuerzählen, die aus meinem Leben und der Familie stammen. Deshalb in den Bücherschrank mit dem Geschriebenen und hervorgeholt nur, wenn entsprechendes Interesse zum Lesen oder Vorlesen da ist.
Und nun ich gebe mir natürlich Mühe, wahrheitsgemäß zu berichten.
Ich habe ein weitgehend optisches Gedächtnis. Deshalb sei es mir erlaubt, Bilder intensiver zu schildern, die ich tatsächlich mit den Ereignissen vor meinen inneren Augen habe. Diese Momentaufnahmen sind teilweise erstaunlich klar. Klarer zuweilen als Dinge aus der nahen Vergangenheit. Ergreift mich schon altersgemäße Demenz?! – Ehe das fortschreitet und das Erinnern total verschüttet wird, habe ich mich getraut, diese kleinen Aufsätze über Begebenheiten aus meinen ersten Lebensjahren zu schreiben und zu veröffentlichen.
Beucha, im April 2017
NEIN, NICHT ZURÜCK!
Das Holz war warm. Es fasste sich gut an. Man fühlte sich auch sicher, denn auf dem unteren Balken fanden meine fünfjährigen Füße gut Platz. Und wenn ich die Arme über den Kopf ausstreckte, konnte ich bequem das mittlere Kantholz umfassen, um mich festzuhalten. Hinten unter mir an der Stütze stand Jochen und sah mir skeptisch nach, als ich über die aufgestapelten Strohballen und dann an der Säule bis kurz unter das Dach der riesigen Scheune geklettert war.
»Jochen, komm mit auf die andere Seite!«, hatte ich ihm zugerufen. »Es ist ganz einfach.«
Aber der hatte nur mit dem Kopf geschüttelt, nichts gesagt und war auf der halben Höhe, auf dem Stroh geblieben. Hatte er Angst oder durfte er nicht? Manchmal war er wirklich etwas komisch. So wie kürzlich, als wir wieder vor dem Kirchentor spielten. Seine Schwester und ich hatten unsere unterschiedlich ausgebildeten Körperregionen unterhalb des Bauchnabels begutachtet, da lief er zum Loch im Zaun und rief: »Das sag’ ich aber!« und verschwand im Gutspark … Dabei war er mein bester Freund; mit ihm konnte man richtig spielen, anders als mit dem großen Kurti. Der bohrte zwar in der Schmiede seines Vaters für uns Jungen aus Kupferpfennigen tolle Ringe, die man dann überall herumzeigen konnte, aber spielen…?
Hier auf dem Balken wurde mir klar, dass ich nun allein dorthin auf die andere Seite der Tenne balancieren musste. Ich war zügig, allerdings auch vorsichtig, etwa zwei Meter vorangekommen, als ich mit leichtem Erschrecken merkte, dass der Mittelbalken, an den ich mich klammerte, immer weiter nach unten verlief. Zuerst war es mir gar nicht aufgefallen, dass ich mich nicht mehr über dem Kopf festhielt, sondern dass sich dieses Schrägholz seitlich am Oberkörper befand. Ratlos setzte ich mich erst einmal auf den unteren Balken. Dort hinten stand Jochen und beobachtete mich. Ich fühlte deutlich dessen Blicke im Rücken. Ich konnte doch jetzt nicht aufgeben!
Wir waren vom Park her gekommen, wo Jochen durch das Loch im Zaun den Kirchenvorplatz erreichen konnte, der zwischen unseren Wohnungen lag, und ich musste mich auf der anderen Seite durch das Geäst der Holundersträucher an der Turnwiese zwängen, um zu diesem Treffpunkt zu gelangen. Mit dem Kiessand vor der Kirchentür spielten wir oft. Heute waren wir beide durch den Parkzaun gekrochen, von Baum zu Baum, ständig uns versteckend, gelaufen, danach an den weißen Außenwänden des lang gestreckten Kükenaufzuchtsgebäudes vorbeigeschlichen, hatten uns gebückt wie angreifende Soldaten dem halb offenen Tor der Scheune genähert und waren dann mit schnellen Schritten hinein auf die linke Seite gerannt, die Sprossenleiter hinauf und fröhlich in das Stroh gekugelt. Aber das Gängebauen zwischen den Strohballen hatte nicht lange gedauert, denn hier machte das Herumtollen nicht so großen Spaß wie in der Feldscheune. Dahin konnten wir heute nicht, dort wurde gearbeitet. Ja, in der Feldscheune, da lag das frische Stroh. Das roch ganz anders. Das war noch biegsam. Die Gebinde hielten dort fest zusammen. Nichts fiel auseinander. Da konnte man tolle Gänge bauen. Hier in der Hofscheune war das Stroh alt, die Halme brachen leicht und die kleinen Bruchstücke krabbelten in den Kragen, rutschten den Rücken hinunter und kitzelten und kratzten fürchterlich. In den dunklen Gängen atmete man dicken Staub durch Nase und Mund ein, so arg, dass wir noch im Freien husten und spucken mussten. Das war höchst unangenehm. Kein Wunder also die Suche nach einer anderen Herausforderung.

Ich guckte nach unten. Zwischen mir und dem grauen Beton der freien Durchfahrt der Tenne lagen nur Höhe und »Nichts«. Das Beklemmende hier oben waren weniger die Höhe und meine eigene Unschlüssigkeit, mich ängstigte mehr das Gefühl, dieses »Nichts« unter mir zu haben. Ich wusste, welche Schmerzen Stoßen, Fallen, Schrammen zur Folge haben konnten; aber Grund hierfür waren immer unglückliche Berührungen mit Gegenständen gewesen. Hier aber war »nichts«. Für mich hatte meine Situation eigentlich kaum Bedrohliches an sich. Abgesehen davon, dass ich mich nicht zurück bewegen wollte und noch nicht wusste, wie es vorwärts gehen würde, saß ich ja sicher und nicht unbequem. Dieses »Nichts« jedoch war ungewohnt, nicht recht fassbar, und signalisierte unbekannte Gefahr.
Schräg unter mir auf der rechten Tennenseite streckten sich die stählernen Krakenarme verschiedenster Feldbearbeitungsmaschinen, die dort standen, spitz und angriffsbereit empor. Es war fürwahr ein grausiges Gewimmel! Und wie dicht sie beieinander standen! Ihre Härte und Gefährlichkeit kannte ich. Dort durfte man auf keinen Fall hinunterstürzen. Nur nicht hingucken! Aber hier unter mir war ja nur der freie Betonboden. Konnte man da nicht einfach hinabspringen? ... Irgendetwas in mir hielt mich davon zurück.
Langsam bewegte ich mich sitzend nach vorn, indem in kleinen Intervallen meine paarweise nach vorn vorgesetzten Hände meinen ganzen Körper voran hoben. Schwierig wurde es in der Tennenmitte, wo der mittlere Schrägbalken auf das untere Kantholz traf. Oh Schreck! Hier stellte sich außerdem eine senkrechte Strebe in den Weg. Nach kurzer Gedankenpause bog ich den Oberkörper weit nach vorn, die ausgestreckten Hände konnten gerade jene Strebe umfassen. Vorsichtig zog ich das linke Bein auf den Unterbalken, gleichzeitig zwängte ich das rechte Knie in den Winkel zwischen Schrägbalken und Strebe. Das tat weh! Als ich das linke Knie nachgezogen hatte, gelang es mir, mit dem rechten Fuß auf den Unterbalken zu gelangen und den übrigen Körper in eine aufrechte Position nachzuziehen. Auf die andere Seite hinter die Strebe zu gelangen, war keine Schwierigkeit. Doch ich musste mich setzen. Ich zitterte. Mein Herz pochte schnell und heftig. Das senkrechte Kantholz umklammernd saß ich abwartend in der Hocke auf dem unteren Balken, bis ich wieder ruhiger geworden war. Ich öffnete die Augen, die ich kurzzeitig geschlossen hatte.
Ja, die Pause hatte mir gut getan. Aber ich musste nun weiter! Jochen sah mir sicher immer noch nach. Ich stellte fest, dass auf dieser Seite wieder ein mittleres Kantholz spiegelbildlich zum vorigen schräg nach oben anstieg. Auf dem neuen Schrägbalken rutschte ich jetzt sitzend in geübter Manier – diesmal ständig ein wenig höher gleitend – weiter vor bis meine Fußsohlen die Oberfläche des unteren Balkens fest unter sich spürten. Ängstlich schielte ich immer wieder nach den nun unmittelbar unter mir hinaufdrohenden Mordarmen der Maschinen. Bäuchlings auf der Schräge liegend schwenkte ich das linke Bein neben mein rechtes und setzte dann - zunächst gebückt – Fuß vor Füßchen auf den Unterbalken, indem ich mich wieder an dem immer höher ansteigenden Diagonalbalken festkrallte. Endlich erreichte ich die senkrechte Stütze auf der rechten Tennenseite.
Aber – und das war nach all der Mühe wirklich zu dumm – hier auf dieser Seite war kaum noch Stroh vorhanden, in das man springen oder zu dem man ohne Schwierigkeiten klettern konnte. Kein Aufatmen! Meine Kräfte waren verbraucht. Der erste Meter abwärts wurde noch mit vorsichtiger Umklammerung der Stütze durch Arme und Beine nach Klettererart bezwungen, doch dann ließ die Spannung plötzlich nach und ich rutschte mit immer größer werdender Geschwindigkeit nach unten auf meinen Hosenboden. »Aua, aua!« Aber die Erleichterung, das Abenteuer überstanden zu haben, verdrängte jeden Schmerz. Hauptsache ich hatte mich vor Jochen nicht blamiert, denn wer wollte schon als Maulheld dastehen!
»Junge«, sagte später meine Mutter, »wo hast du denn wieder die ganzen Schrammen her?«
»Bin hingefallen.«
… und irgendwie stimmte das ja auch.

EINST UNTER LINDEN
Hier unter dem Blätterdach
standen früher die Leiterwagen;
denn es wurden gegenüber
den Pferden die Hufe beschlagen.
Fröhlich kletterten wir
über Deichsel und Speichen;
und vom Kutschbock wollten wir
auch am Abend nicht weichen.
Das Rufen, Lachen und laute Geschrei
wollte kein Ende finden.
Eure Kronen wiegten nur leise dabei,
ihr alten, ihr duftenden Linden.
Das Pflaster der Straße ist heute Asphalt,
nirgends Sand wie in Kindertagen.
Die Schule verlassen, das Kriegsdenkmal alt,
vor dem mich Vater getragen.
Er sieht mich glücklich vom Foto an
und Mutter zeigt Angst, dass ich falle.
Die Kirche verschlossen, gleich nebenan.
Sie träumen vom Gestern wohl alle.
Der Turm hat einen gewaltigen Riss,
er geht auch durch mein Empfinden.
Nur ihr besänftigt die Bitternis,
ihr alten, ihr duftenden Linden.
IM FEBRUAR
Der Ofen war weiß. Eigentlich nicht richtig weiß, zwei Seiten waren schattengrau in der Tiefe des Zimmers; nur die Fläche gegenüber dem Fenster war mattweiß. Durch die angelaufenen Scheiben drang ein fröstelndes Licht des verhangenen Februarmorgens herein, eher den Tag erstarrend als belebend. Die Helligkeit kam nicht wie sonst mit der Sonne von oben, nein, sie reflektierte vom nassen Schnee des Weges vor dem Haus von unten. Die kahle Mauer der Backstube gegenüber hatte dunkle Feuchtigkeitsflecken und der wie ein Finger in die graue Wolkendecke weisende Schornstein der benachbarten Bäckerei drückte waagerecht schmutzige Rauchwölkchen über die niedrigen Dächer. Der Morgen war fremd und unwirklich wie ein Traum, den man vergessen möchte.
Links vom Ofen im Dunkel befand sich die Tür zur Küche; rechts führten drei Stufen – oder waren es vier? – in die so genannte Mägdekammer. Dort hatte Mutter geschlafen, weil die Großeltern zu Besuch waren und oben im Elternschlafzimmer übernachteten. Sie waren gekommen, um zu helfen; denn Vater war an der Ostfront und Mutter, die sonst nie krank war, hatte sich nicht wohl gefühlt. Die beiden kleinen Kinder, das große Haus, der strenge Winter … jetzt war Mutter die Arbeit zu viel geworden. Und dann vom Vater so lange kein Lebenszeichen!
Großmutter hatte das Feuer im Ofen schon früh angezündet. Die Kacheln waren fast heiß. An der hellen Seite des Ofens stand Mutter, die Arme hinter dem Rücken an den Kacheln; in einer Hand ein zerknülltes Taschentuch. Ihr weiches Nachthemd reichte bis über die Knie. Eine grünschwarz-braune Strickjacke, grob gemustert, bis zur Hüfte eng zugeknöpft. Sie weinte … Ich hatte sie noch nie weinen sehen! Sie weinte … Ihre Nase war rot. Die Augen glänzten voller Tränen, die ununterbrochen über die Wangen nach unten tropften. Nur selten wischte sie mit dem Taschentuch das Gesicht trocken. Sie weinte … Ich drängte mich mit scheuer Behutsamkeit an sie. Es war so ungewohnt: Das Weinen … Wie konnte ich mit meinen knapp fünf Jahren hier trösten? Hatte es Vater zum Abschied bei seinem letzten Urlaub gesagt oder war es in einem Feldpostbrief von ihm gewesen, den Mutter vorgelesen hatte, dass ich auf Mutter an seiner Stelle aufpassen solle …? Tatsache ist, dass ich in meinem ganzen Leben darauf bedacht war, irgendwelche, mutmaßliche Beunruhigungen von ihr fernzuhalten. Wahrscheinlich wäre es wohl eher ein Vertrauensbeweis gewesen, sie um Rat zu fragen, ihr meine Sorgen oder Zweifel mitzuteilen, Schwierigkeiten mit dem Realen einzugestehen. Ich tat es nicht: Sie sollte ja denken, mit mir sei alles in Ordnung. Bis heute fällt es mir schwer, meine inneren Bewegungen mitzuteilen, kam doch inzwischen auch der Zweifel an der Redlichkeit anderer hinzu. Immer war da dieses Bild: Mutter weinte. Was sollte ich tun? Hier erfasste mich zum ersten Mal das Gefühl tiefer, grenzenloser Ratlosigkeit. Ihre heiße Hand strich mir über den Kopf. Ja, sie war heiß und feucht und rot.
Heute weiß ich, es war der Tag, an dem die Nachricht kam: »… für Volk und Vaterland gefallen!«
Dieses frühe Bild kann ich nicht vergessen. Je älter ich werde, umso öfter sehe ich es deutlich vor mir. Dann beschleichen mich eine grenzenlose Verlassenheit und ein unbestimmtes Bangen. Gleichzeitig frage ich mich, ob ich nun Mutters Wunsch nachkommen müsste, die Grabstelle auf dem Soldatenfriedhof Idriza, nördlich von Minsk, östlich von Riga, aufzusuchen, damit Vaters Seele Ruhe findet. Aber gibt es jenen Soldatenfriedhof überhaupt noch? Sie glaubte wohl fest daran, dass dieses unbestimmbare, dem Körper entfliehende »Wesen« am Ort seiner Bestattung auf das Gedenken liebender Angehöriger wartet, um erlöst in das Danach eintauchen zu können. Eine Vorstellung, mit der auch ich mich zuweilen anfreunden kann.
In meinem ganzen Leben konnte ich heiße, trockene Frauenhände nicht ertragen; eine weiche Stoffart wie die jenes Nachthemdes meiner Mutter zieht mich heute noch an und macht mich gleichzeitig ratlos; rote Nasen und Tränen sehen mich hilflos, zwingen mich Abstand zu halten. Aber eine Sehnsucht ist da, dieses Unvermögen abzustreifen und fliegend in die Weichheit des Vertrauens zu fallen, zu fallen, zu fliegen und immer wieder zu fliegen …
Kein Bangen, kein Weinen, niemals Tränen!
Meine Mutter habe ich danach niemals so sehr weinen gesehen.

MEIN GEBURTSTAG 1943
Im Hemdchen stand ich im großen Zimmer;
es sollte mein 4. Geburtstag sein.
Des Dämmerlichts kalter Morgenschimmer
drang durch die Fensterritzen herein.
Mein Erinnern ist heute nur noch verschwommen:
Vater stand vor mir, strich mir übers Haar.
Vom Kindertraume wohl ganz benommen
fühlte ich kaum, was so fremdartig war.
Ich sah nicht Mutters verstohlene Tränen
und Vaters schmerzlich verschlossenen Mund.
Ich sah bestimmt nur die schönen
Geschenke, so neu, verlockend und bunt.
Noch heute höre ich manchmal das Tappen,
so zögernd Schritte im Hausflur geh’n,
auf stiller Straße das einsame Klappen ...
... und habe Vater nie wiedergeseh’n.
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