Die Reise in die Rocky Mountains

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Wir machten am anderen Morgen eine Cache (Kasch) – ein in dieser ganzen Gegend gebräuchlicher Ausdruck für alles, was man in der Erde verbirgt – von einem Fässchen mit Schweinefleisch für den Rückweg. Wir ließen dabei die uns begleitenden Cheyenne-Indianer zusehen, da diese das Schweinefleisch verschmähen und ihren scharfen Augen, doch nicht verborgen geblieben wäre, was vorging. Abends mussten wir das Feuer in Ermangelung von Holz zum Teil mit »Kuhholz« unterhalten, wie man hier den trocknen Büffelmist nennt, der, wie in der Arabischen Wüste der des Kamels und der des Rentiers im Norden Sibiriens, dem Reisenden ein gutes Ersatzmittel für das Holz gewährt.
Am 4. Juli schien die Sonne matt und rot durch dichten Nebel. Es wurde etwas von unserem kleinen Vorrat an »rotem Feuerwasser«, wie unsere indianischen Freunde den Branntwein nannten, unter die Mannschaft verteilt. Als wir frühstückten, brach ein Büffelkalb, von zwei Wölfen verfolgt, durch unser Lager. Es gewann dadurch einen kleinen Vorsprung und strengte alle Kräfte an, um eine große Herde, die etwa 2 Meilen von uns am Fuß der Hügel weidete, zu erreichen. Doch ein und noch ein Wolf gesellten sich hinzu und so fort, bis deren gegen 30 es verfolgten. Einige alte Bullen in der Nähe wollten es schützen, aber vergeblich. Das schwache Tier unterlag, schon halb aufgefressen, noch ehe es tot war, der Übermacht seiner Feinde. Wir näherten uns bald den Hügeln, die aus Mergelschichten bestanden, und setzten über zahlreiche von ihnen herabkommende Bäche, deren durch Sand und Kies 4 bis 10 Fuß über die Prärie erhobenen Betten sich durch dieselbe wie aufgeworfene Wege schlängelten. – Nachmittags erblickten wir plötzlich Staubwolken in den Hügelschluchten, und in wenigen Minuten bewegten sich von ihnen Büffelherden, wie große Heeressäulen, zum Fluss hernieder. Bald füllten sie den ganzen wenigstens 2 Meilen breiten Präriegrund, und immer neue Massen kamen von der Höhe herab, während die Ersten schon wieder jenseits der gegenüberliegenden Hügelreihe verschwanden. In kurzer Zeit waren wir völlig von ihnen umringt, indem sie nur einen Raum von etwa 200 Ellen um uns frei ließen, und so weit unser Auge vor und rückwärts reichte, war alles schwarz von ihren dichten Massen. Diese Bewegung der Büffel zeigte uns die Nähe von Indianern am Nordarm des Nebraska an.
Obwohl ich vornehmlich diesen zu untersuchen beabsichtigte, so beschloss ich, doch mit vier meiner Leute den Südarm bis zum St. Vrain’s Fort – einem befestigten Platz nicht weit von Long’s Peak (Longs Spitze), etwa 200 Meilen weiter aufwärts – zu verfolgen, um dort einige Maultiere zu erhalten und diesen Landstrich in mehrerer Hinsicht zu untersuchen. Die übrige Mannschaft sollte indessen den Nordarm hinauf bis zum Fort Laramie ziehen, wo wir spätestens am 16. wieder zusammentreffen wollten.
Am 5. Juli trennten wir uns. Ohne besondere Erlebnisse erreichten wir unser Abendlager, wo wir zu unserem großen Verdruss bemerkten, dass wir unseren Reisebedarf an Kaffee, Zucker und Mehl vergessen hatten. Wir verzehrten unsere elende Mahlzeit, bestehend aus einem Stück ungesalzenem, zähem Bullenfleisch und einem Restchen bitterem Kaffee, und legten uns schweigend nieder. Das Übelste bei solchem Missgeschick ist die schlechte Laune, die mit ihm einkehrt. – Am anderen Morgen entließ ich Herrn Preuß mit einem Begleiter, um ihn den auf meinem Weg drohenden Beschwerden zu entheben, und hoffte, dass er die andere Abteilung bis abends an dem Nordarm erreichen würde. Unser Weg ging stromaufwärts in vorherrschend südwestlicher Richtung. Das Tal war sandig und von niedrigen Hügelreihen begrenzt. In einem Weidengehölz nahe der Mündung eines jetzt ganz ausgetrockneten Flusses lagen die Überreste eines ansehnlichen, aus großen Baumstämmen erbauten Forts. Es war anscheinend sehr alt und wahrscheinlich der Schauplatz manches feindlichen Zusammentreffens der räuberischen Stämme gewesen. Die tiefe Stille stand in schroffem Gegensatz zu den Bildern, welche die Phantasie hier hervorrief. – Die Amorpha fand sich auch hier häufig, und vorherrschend war die Sonnenblume (Helianthus). Unser Weg führte meist durch dürre und unfruchtbare Sandstrecken. Abends lagerten wir auf einer Insel des Platte-Flusses und mussten uns wieder mit einem alten Bullen begnügen. – Am 7. gewahrten wir eine kleine Herde wilder Pferde. Einer der Indianer bestieg einen Renner und näherte sich ihnen auf 100 Schritte, ohne bemerkt zu werden. Leicht überholte er die letzten, ohne jedoch von dem Lasso, einem ledernen Riemen, dessen man sich zum Einfangen der Pferde bedient, Gebrauch zu machen. Er strengte alle Kräfte an, sich des Leitpferdes zu bemächtigen, aber sein Ross begann zu ermatten, und die ganze Herde entkam. – Einer Staubwolke folgend trafen wir nachmittags in den Hügeln auf einen Trupp von etwa 20 Büffeln, die in einem verzweifelten Gefecht begriffen waren. Die Stöße der meisten waren gegen einen alten, äußerst mageren Bullen gerichtet, der, schon sehr schwach und verwundet, im Begriff war, seinen Gegnern zu unterliegen. Wir nahmen uns des Schwächeren an, aber die Tiere waren so blind vor Wut, dass sie den Kampf fortsetzten, obwohl wir zu Fuß und Ross ganz aus der Nähe auf sie feuerten. Doch bald taten einige, die unsere Kugeln gestreift hatten, einen Satz und rannten davon. Auch die Übrigen zogen sich langsam, aber noch immer wütend kämpfend zurück, und der alte Bulle hinkte allein weiter. – Der Boden blieb fortwährend dürr und sandig und zeigte nur wenige Pflanzen und zerstreute Gehölze. Die Nebenflüsse, von denen manche ein tiefes und breites Bett hatten, waren meist ganz ohne Wasser.
Am 8. fanden wir früh ganz frische Pferdespuren, die andeuteten, dass kurz zuvor Indianer hier gewesen sein mussten; auch das Verschwinden der gestern noch so zahlreichen Büffel deutete darauf hin. Auf dem ganzen Weg erblickten wir Überreste von erst kürzlich erlegten Büffeln. Wir schritten vorsichtig längs des Flusses, die Hügel sorgfältig vermeidend, weiter. Doch auch mit dem Fernrohr konnten wir keinen lebenden Gegenstand erkennen. Nach einigen Meilen gewahrten wir an den Hügeln einige dunkle Gegenstände, die wir anfangs für Büffel hielten, doch ein zweiter Blick belehrte uns, dass es Indianer waren, die in schnellem Lauf auf uns zukamen. Wir waren nur zu sieben und schlecht beritten. Anfangs schienen es nicht mehr als 15 oder 20 Wilde zu sein, doch schon nach wenigen Minuten gewahrten wir deren 200 bis 300, die nur mit einem Schurz umgürtet schnell über die Prärie eilten. Ehe wir mit unserem Gepäck ein nahes Gehölz erreichen konnten, von dem wir uns zu unserem Schrecken noch durch einen Fluss getrennt sahen, kamen die Indianer auf uns hernieder. In wenigen Augenblicken würden der Führer und auch wohl einige seiner Genossen gestürzt sein, denn wir empfingen sie schussfertig. In Lagen wie die gegenwärtige pflegt man aber mehr aus Instinkt als mit kalter Besonnenheit zu handeln. Eben wollten wir feuern, als Maxwell dem Anführer in der Indianersprache zurief: »Narr, erkennst du mich nicht?« Der Klang seiner eigenen Sprache schien ihn stutzig zu machen. Er wandte sein Pferd etwas seitwärts und flog wie ein Pfeil an uns vorüber. Als ich auf ihn zuritt, lenkte er um, reichte mir seine Hand und rief, sich auf die Brust schlagend: »Arapaho!« Bei diesem Indianerstamm hatte Maxwell sich früher eine Zeit lang aufgehalten und wurde von ihnen gleichfalls wiedererkannt. Bald befanden wir uns mitten unter ihnen und antworteten, so gut wir konnten, auf ihre vielen Fragen, von denen eine der ersten war, zu welchem Stamm unsere indianischen Begleiter gehörten. Der Anführer zeigte uns sein Dorf, das 6 Meilen vor uns dicht bei dem Fluss an einem Gehölz lag, und deutete auf eine Büffelherde auf der anderen Seite des Platte, die zu umzingeln sie ausgezogen waren. Nach wenigen Minuten kamen ihre Frauen, ebenfalls zu Pferde, herangesprengt, um ihren Männern bei dem Verteilen und Fortschaffen der Beute Beistand zu leisten. Sie baten uns, eine Weile zu halten, um die Herde nicht zu verscheuchen. Wir sattelten daher ab und setzten uns am Flussufer nieder, während unsere neuen Bekannten etwas weiter unten über den Fluss setzten. Eine Meute wild aussehender Hunde, die weit mehr einer Herde von Wölfen glichen, folgten ihnen. – Unsere Indianer hatten erfahren, dass sich in dem Arapaho-Dorf etwa 20 Hütten ihrer Landsleute befanden, und sie begannen sogleich, sich zu deren Besuch vorzubereiten. Sie badeten sich im Fluss, banden sich bunte Schurze von Baumwollstoff um, den sie, wie ich später erfuhr, von unseren Leuten gestohlen hatten, ordneten ihr Haar und knüpften es mit roten Bändern in die Höhe. Während sie selbstgefällig damit beschäftigt waren, machte sich das Packpferd der armen Cheyennes, das ihren ganzen irdischen Reichtum auf dem Rücken trug, aus dem Staub. Am meisten beklagten sie den Verlust ihrer Speere und Schilde und eines kleinen Vorrats an Tabak. Indes ertrugen sie es mit der ganzen philosophischen Ruhe eines Indianers. »Unser Volk«, sagte einer von ihnen, »wird uns auslachen, wenn wir zu Fuß zurückkehren, anstatt eine Herde Pawnee-Pferde vor uns herzutreiben.« – Indessen begann die Jagd auf dem anderen Ufer. Die Indianer griffen in zwei Abteilungen an und trieben die zu den Hügeln fliehenden Büffel gegen den Fluss zurück. Zerstreut rannten diese nach allen Seiten. Wir waren zu entfernt, um den Knall der Flinten oder irgendeinen Laut zu hören. In stetem Wechsel kamen durch die von der Sonne erhellten Staubwolken einige flüchtige Büffel zum Vorschein und dicht hinter ihnen ein Indianer mit seinem langen Speer und verschwanden wieder in einer neu aufwirbelnden Wolke. Die anscheinende Stille und die eilend dahinjagenden Schattengestalten gaben dem ganzen Schauspiel etwas Traumhaftes und mehr das Aussehen eines Gemäldes als eines wirklichen Erlebnisses. Es war eine Herde von wohl 300 bis 400 Büffeln, doch, obwohl ich genau achtgab, sah ich nicht einen einzigen aus der unheilvollen Wolke hervorkommen, in der das Werk der Zerstörung vor sich ging.
Nach einer Stunde schlugen wir den Weg nach dem Indianerdorf ein. Allmählich kam einer derselben nach dem anderen, mit seiner Jagdbeute beladen, dahergeritten, und als wir uns den Hütten näherten, war der ganze Weg von den heimkehrenden Reitern bedeckt. Das Dorf bestand aus etwa 120 Hütten, die auf beiden Seiten einer gegen 150 Fuß breiten Straße, die längs des Flusses hinlief, zerstreut lagen. Als wir an ihm entlangritten, bemerkte ich neben einigen Wohnungen eine Art Gestell, das von drei dünnen und reinlichen Birkenstangen gebildet wurde, an dem der Schild und Speer und einige andere Waffen eines Häuptlings befestigt waren. Alle waren auf das Sorgfältigste geputzt, die Lanzenspitzen glänzend und die Schilde weiß und fleckenlos. Einer der Häuptlinge lud uns zu sich ein. Er breitete, als wir eintraten, für mich ein Gewand zum Sitzen aus, und die Frauen stellten eine große hölzerne Schüssel mit Büffelfleisch vor uns. Der Wirt hatte indessen seine Pfeife angezündet, und nachdem sie bei uns die Runde gemacht hatte, begannen wir die Mahlzeit. Nach und nach kamen gegen sechs andere Häuptlinge und setzten sich schweigend nieder. Nach der Mahlzeit richtete der Wirt eine Anzahl Fragen an uns in Betreff des Zweckes unserer Reise, den ich ihm nicht verhehlte. Obwohl meine Erklärung, dass es sich um die dereinstige Anlegung von Militärposten auf dem Weg zum Gebirge handele, ihnen ebenso wichtig als unerfreulich sein musste, so verrieten doch ihre Mienen nicht das geringste Erstaunen, und sie blieben sich völlig gleich in ihrer gemessenen Höflichkeit. Die anderen hörten zu und rauchten. Ich bemerkte, dass ein jeder, bevor er die Pfeife in den Mund nahm, das Rohr mit einem raschen Blick in die Höhe hielt, als ob er sie dem großen Geist darbringen wollte. – Regentropfen schlugen an die Hütte und mahnten uns zum Aufbruch. Mit einem Vorrat an getrocknetem Fleisch beschenkt, ritten wir in der Abenddämmerung davon, bis wir unsere Leute 8 Meilen weiter aufwärts unter einem alten, dichtbelaubten Baum gelagert fanden. Gerade gegenüber mündete einer der beträchtlichsten Nebenflüsse des Südarms, der Biberfluss.
Am Morgen des 9. Juli gewahrten wir den ersten schwachen Schimmer des Felsengebirges in einer Entfernung von etwa 60 Meilen. Wie eine kleine Wolke schimmerte durch den leichten Nebel der schneeige Gipfel von Long’s Peak. Wir begegneten zwei Weißen und einem Mulatten zu Pferde. Der Letztere hatte sich schon als Knabe den Krähenindianern zugesellt und in der Folge durch Tapferkeit unter ihnen zum Rang eines Häuptlings emporgeschwungen. Sie suchten eine Anzahl Pferde, die ihnen davongelaufen waren. Später, nachdem wir über einen ziemlich breiten Nebenfluss des Platte, Bijou’s Fork2, gesetzt waren, trafen wir auf vier bis fünf Weiße, die vom Columbia-Fluss kommend auf eigene Faust Handel trieben. Alle hatten ihre Frauen mit sich und eine große Anzahl kleiner dicker Knaben, die sich fröhlich um das Lager tummelten. Abends erreichten wir eine Insel im Platte, wo ein gewisser Chabonard mit seinen Leuten für diesen Sommer sich aufhielt. Er hatte mit mehreren mit Pelzwerk beladenen Booten nicht weiter flussabwärts gelangen können. Der Strom war sehr seicht, das Wasser klar, die Ufer sandig und noch fortwährend bewaldet. Auf der gegenüberliegenden Prärie weidete eine ansehnliche Herde von Pferden, und Rauch stieg von zerstreuten Feuern auf, um welche die Leute unseres gastfreundlichen Wirts, sämtlich Spanier, sich gelagert hatten. Das Ganze hatte ein wahrhaft patriarchalisches Aussehen. Julep (mit Zucker oder Sirup versetzter Kräutersaft), einige gekochte Rindszungen und Kaffee mit Zucker wurden uns bald vorgesetzt.
1 Eine engl. Elle = 1 Yard = 3 engl. Fuß
2 Fork = Gabel, Flussarm
ZWEITES KAPITEL
Reiseabenteuer auf dem Marsch zum South Pass
Am 10. erreichten wir nach einem Marsch von 45 Meilen spät am Abend St. Vrain’s Fort. Dieser Posten ist am rechten Ufer des Südarms unmittelbar am Fuße des Gebirges und 17 Meilen östlich von Long’s Peak, in 40° 22' nördl. Breite und 87° 31' westl. Länge von Ferro gelegen. Der Strom, dessen Bett ganz aus Sand und Kies besteht, ist durch kleine Inseln, zwischen denen er schnell dahineilt, in verschiedene Arme geteilt. Zwischen ihm und dem Gebirge, dessen schneeige Spitzen in geringer Entfernung schimmern, liegen die Schwarzen Berge. Die nächsten Gebirge schienen sich nicht weit über die Linie des ewigen Schnees zu erheben, der sich zunächst auf die Nordseite der Gipfel beschränkte und gegen Süden nur einige 100 Fuß herabreichte. Die Fichtenwaldungen, welche tiefer unten das Gebirge umgürten, waren in Rauch gehüllt; in ihnen soll schon seit Monaten das Feuer wüten. Pike’s Peak, ein 100 Meilen weiter südlich gelegener Berggipfel, war wegen der durch Rauch verdüsterten Luft nicht sichtbar. Die Höhe des Platte über dem Meer beträgt hier 5400 Fuß. Herr St. Vrain nahm uns gastfreundlich auf, und durch seine Güte erhielt ich einige Pferde und Maultiere; an Vorräten konnte er uns aber nichts überlassen.
Am 12. brachen wir nach Fort Laramie, unserem nächsten Bestimmungsort, auf, das gegen 125 Meilen von da fast streng nördlich liegt. Noch begleiteten uns drei Spanier, von denen der eine in meinen Dienst getreten war. Bald verließen wir das in dem Schmuck seiner Blumen einem Garten gleichende Flusstal und zogen längs der Schwarzen Berge, die sich auf dem ganzen Weg zwischen uns und dem westlichen Gebirge hinstreckten. Wir ritten durch zahlreiche Nebenflüsse der beiden Hauptarme des Platte, unter denen der Krähen- und der Pferdefluss die ansehnlichsten waren, und hatten mehrere Höhenzüge zu überschreiten. Das Land zeigte meist ein durchaus ödes und wüstes Aussehen, doch trägt mehr die Trockenheit des Klimas als die Beschaffenheit des Bodens die Schuld daran. Nur an einigen Flüssen zeigte sich wieder frischer Rasen, auf dem Büffelherden weideten; Holz aber wurde so selten, dass wir uns meist des früher erwähnten »Kuhholzes« beim Kochen bedienen mussten. Am Abend des 14. kamen wir durch eine weite Schlucht, die von zwei jäh abfallenden Hügelreihen, durch die ein Fluss strömt, gebildet wird. Der Fels besteht aus Mergel und Kalkstein und zeigt, von Wind und Regen zerklüftet und ausgewaschen, ein seltsames Naturspiel. Er sieht nämlich täuschend einer Festung ähnlich, die einen Halbkreis bildend an beiden Enden in ungeheure Bastionen ausläuft. Längs der ganzen gegen 300 Ellen sich ausdehnenden Linie ragen Kuppeln und schlanke Minarette von 40 bis 50 Fuß Höhe über die Wälle und geben diesen Felsenbildungen das Aussehen einer alten, befestigten Stadt. Noch häufiger finden sich diese am Weißen Fluss. Dort gleichen sie zuweilen in überraschender Weise einer großen Stadt mit zahlreichen Straßen und prächtigen Gebäuden, und andere Male nehmen sie die Gestalt eines leer stehenden Hauses an mit großen Zimmern, in welche die Reisenden über Nacht ihre Pferde treiben und innerhalb dieser natürlichen Schutzwehr vollkommen sicher vor den Angriffen der räuberischen Wilden schlafen.
Am 15. erreichten wir den Nordarm des Platte, 13 Meilen unterhalb Fort Laramie. Nach einem drückend heißen Tag gelangten wir gegen Abend zur Vereinigung des Laramie- und Platte-Flusses, an der sich eine von Pelzhändlern gegründete Niederlassung befindet. Die Gebäude bestehen aus Erde, sind von drei Seiten mit Wällen umgeben und nach dem Fluss hin offen. Bald darauf erblickten wir Fort Laramie, auch Fort John genannt, einen Hauptposten der amerikanischen Pelzkompanie. Es ist auf einer Anhöhe am linken Ufer des gleichnamigen Flusses erbaut. Seine hohen weiß schimmernden Wälle mit den großen Bastionen an den Ecken gaben ihm in dem ungewissen Abendlicht ein Achtung gebietendes, kriegerisches Aussehen. Unter den Wällen hatten die Sioux-Indianer eine Anzahl Hütten aufgeschlagen, und mit dem anmutigen Hintergrund der Schwarzen Berge, überragt vom Gipfel des Laramie-Gebirges, das in scharfen Umrissen in den lichten Abendhimmel emporstieg, bildete das Ganze ein überraschend schönes Gewölbe. Der Befehlshaber dieses Platzes, Herr Boudeau, nahm mich mit großer Gastfreundschaft auf. Die andere Abteilung, welche den Nordarm hinaufgezogen war, hatte schon vor uns das Fort erreicht und in dessen Nähe sich gelagert. – Ich teile über ihre Reiseabenteuer einiges aus dem Tagebuch des Herrn Preuß mit, welchen ich, wie früher erzählt, der anderen Mannschaft am Tag nach meiner Trennung von ihr nachgeschickt hatte.
»Ich ritt«, berichtet er, »am 6. Juli, nachdem ich mich von Captain Frémont verabschiedet hatte, mit meinem Begleiter über das Hochland, das sich zwischen den beiden Armen des Platte ausstreckt, und erreichte den nördlichen nach etwa sechs Stunden. Man sah keine Spur, dass unsere Leute schon hier vorübergekommen waren, und wir ritten daher auf einige Fichten zu, unter deren Schatten wir unsere Gefährten erwarteten. Ungeduldig über ihr Ausbleiben, ritt mein Begleiter den Fluss abwärts, um sie auszusuchen. Die Sonne ging unter, und er kam noch nicht zurück. Ich zündete ein großes Feuer an und legte mich rauchend und hungrig daneben. Endlich kam der Ersehnte zurück. Er hatte sie 7 Meilen weiter abwärts getroffen und brachte eine gute Abendmahlzeit mit, bei der wir uns in Ermangelung des Salzes nach Soldatenbrauch des Schießpulvers bedienen mussten. – Anderentags reisten wir mit ihnen gemeinschaftlich den Fluss entlang. Der Boden war weit sandiger; üppiges Gras fand sich nur an einigen zerstreuten Stellen nahe dem Fluss, und nur einzelne Bäume waren sichtbar. Eine lange Dürre, verbunden mit der größten Hitze, hatte hier die höher liegenden Prärien so versengt, dass sie gar kein oder nur vergilbtes Gras zeigten. Der bis zu den Schwarzen Bergen sich erstreckende Sand- und Kalkboden ist den Einwirkungen der Witterung sehr unterworfen. So kam es, dass auf unserem Rückweg im September dasselbe Tal des Platte einem grünenden und blühenden Garten glich.
Auf unserem einsamen Weg am 8. Juli erblickten wir nicht einmal einen Büffel oder eine flüchtige Antilope, bis unsere Karawane gegen Abend plötzlich anhielt. Alles ritt und lief durcheinander in lärmender Verwirrung, die Flinten wurden hervorgeholt, die Kugeltaschen untersucht, kurz, das Geschrei »Indianer!« wurde wiederum gehört. Doch bald zeigte es sich, dass es Weiße waren unter der Leitung eines Herrn Bridger. Sie lagerten mit uns, und nach der Mahlzeit setzte uns der Letztere von dem gefährlichen Zustand des Landes in Kenntnis. Die Abneigung der Sioux-Indianer sei in offene Feindschaft ausgebrochen. Vergangenen Herbst hätten sie mit ihnen mehrere Gefechte bestanden, in denen auf beiden Seiten viele gefallen seien. Vereinigt mit den Cheyenne- und den Dickbauchindianern, durchzögen sie das Hochland in starken Kriegsscharen, und seien gegenwärtig in der Nähe der Roten Kuppen (Red Buttes), an denen wir vorüber mussten. Sie hätten jedem lebenden Wesen, das sie von da westlich fänden, den Krieg erklärt. Seine genaue Kenntnis des Landes hätte ihm gestattet, ihnen zu entgehen und auf einem ungewöhnlichen Weg durch die Schwarzen Berge Laramie zu erreichen. Obwohl unsere Leute ihr Leben unter den Gefahren dieses Landes zugebracht hatten, fand ich doch zu meiner Verwunderung, dass sie alle durch diese Nachricht in die äußerste Bestürzung geraten waren, und von allen Seiten hörte ich Äußerungen der tiefsten Entmutigung. Die ganze Nacht waren zerstreute Gruppen um die Feuer versammelt und lauschten mit der größten Begierde auf die übertriebenen Schilderungen der Gefechte mit den Indianern. Am Morgen war die Mehrzahl unserer Leute ernstlich geneigt umzukehren, aber Clement Lambert, ihr Führer, erklärte mit sechs anderen seinen festen Entschluss, Frémont bis zum äußersten Punkt seiner Reise zu folgen. Die anderen fingen nun an, sich ein wenig ihrer Feigheit zu schämen und entschlossen sich, wenigstens bis zum Laramie-Fluss mitzugehen. – Wir erblickten manche seltsame Felsenbildung, so in der Entfernung von 30 Meilen den berühmten »Schlotfelsen«, Chimney Rock, der von hier aus ganz dem Schlot von Dampfmaschinen glich. In seiner Nähe schlugen wir am folgenden Tag unser Lager auf. Wind und Wetter haben seine Höhe auf 200 Fuß verringert, während die Reisenden vor mehreren Jahren dieselbe noch auf mehr als 500 Fuß schätzten. – Am 13. erreichten wir ohne sonderliche Vorfälle das Fort Laramie.«
Dasselbe ist nach mexikanischer Weise im Viereck und aus Lehm erbaut. Die Mauern sind gegen 15 Fuß hoch und von hölzernen Palisaden überragt. Sie bilden nach innen Häuserreihen, welche einen Hof von etwa 130 Fuß im Geviert völlig umgeben und deren Türen und Fenster auf diesen geben. Zwei einander gegenüberliegende Eingänge führen dahin; über dem Haupttor befindet sich ein viereckiger Turm mit Schießscharten, während der andere eine Art Nebenpforte bildet. An zwei schräg einander gegenüberliegenden Ecken sind große Bastionen erbaut, welche alle vier Wallseiten bestreichen. Außer Herrn Boudeau und zwei Gehilfen lebten in dem Fort 16 Mann, die sich wie üblich ihre Frauen unter den Indianern gewählt haben und mit ihren Kindern dem Platz ein belebtes Aussehen gaben. Der Zweck dieser Niederlassung ist der Handel mit den benachbarten Stämmen, die gewöhnlich zwei oder drei Mal des Jahres dieselbe besuchen. Die Indianer bringen fast nur Büffelhäute und empfangen dagegen Decken, bunte Baumwollstoffe, Flinten, Pulver und Blei, ferner allerlei Tand wie Glasperlen, Spiegel, Ringe, rote Farbe zum Bemalen, sodann Tabak und namentlich, ungeachtet gesetzlicher Verbote, Branntwein, der als Alkohol (wasserfreier Weingeist) eingeführt und dann mit Wasser verdünnt wird. Zwar sucht die amerikanische Pelzkompanie die Einfuhr geistiger Getränke, die wie ein verheerendes Gift unter den Wilden wüten, möglichst zu beschränken, kann aber – wenn sie durch andere sich ihren Handel nicht ganz zerstören lassen will – unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf diesen Handelsgegenstand nicht ganz verzichten. Denn jeder Landstreicher aus den Vereinigten Staaten oder Mexiko kann zu ihrem großen Nachteil, wenn er nur so viel Geld hat, um sich ein Maultier und ein paar Fässchen Branntwein zu kaufen, dafür von einem Indianer alles, was er besitzt, sein Pelzwerk, sein Zelt, seine Pferde, ja selbst Weib und Kinder erhandeln, so leidenschaftlich lieben sie das »Feuerwasser«. Mit ungeheurem Gewinn wird dieser gewissenlose Handel betrieben, denn diese Leute lassen sich für ein Gallone (4 berl. Quart) 36 Dollar bezahlen. Auch hierin tut sich der große Unterschied zwischen einem Handelsmann im Dienst der Gesellschaft und einem Coureur des bois, »Holzstreicher«, wie die Franzosen diesen auf eigene Faust wandernden Krämer nennen, kund. Jene denken auch an die Fortsetzung des Handels für die Zukunft und lassen daher den Indianern ihre Waffen, Pferde und was sie sonst zur Jagd benötigen, während diese von jedem Indianer nehmen, was sie können und wie sie können, auch wenn sie ihm damit die Möglichkeit, noch ferner zu jagen, nehmen.