Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels

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Florentina Dietrich-Bader weist in ihrer Arbeit zur dramatischen Bauform vom 16. Jahrhundert bis zur Frühaufklärung an Sachs und Wickram die ‚nicht-aristotelische‘ Dramatik des 16. Jahrhunderts mit dem hohen Grad an Tendenzdichtung nach.31 Dafür bezieht sie sich auf Spieltexte und Brechts Schriften zum epischen Theater, dem der Begriff ‚nicht-aristotelische Dramatik‘ zuzuschreiben ist. Wenn Niklas Holzberg dazu bemerkt, „daß die Verfasserin mit ihrer vordergründigen Analogie zwischen Brecht und der Dramatik des 16. Jahrhunderts deutlich Gefahr läuft, unter umgekehrten Vorzeichen denselben Fehler zu begehen wie die ältere Forschung, nämlich die Dramen einer vergangenen Epoche am Theatergeschmack der eigenen Zeit zu messen“,32 so ist dem nur zuzustimmen. Die dramatische Technik von Sachs analysiert Dietrich-Bader anhand von punktuell ausgewählten Schauspielsequenzen. Ob sie dabei die Fastnachtspiele mit einbezieht, ist unklar, weil sie sie nicht explizit von anderen Formen abgrenzt.33 Vorherrschend für die Dramentechnik, so Dietrich-Bader, sei die „Nutzanwendung für das tägliche Leben“, an der sowohl die Ansprachen an die Rezipienten in Prolog und Epilog als auch die Auswahl des Stoffes und seiner Handlung ausgerichtet seien.34 Vor dem Hintergrund, dass der Stoff „nur Veranschaulichung für die Moraltheorie der Autoren“35 sei, müssen auch ihre Ausführungen zur Gliederung der Spielhandlung gesehen werden. Dietrich-Baders richtige Feststellungen, dass im Drama von Sachs und Wickram die Figuren es sind, die große Teile der Handlung erzählen, kulminieren jedoch in der Brechtschen Auslegung, dass „durch das Ausschalten visueller Hilfsmittel einer Lähmung der Ratio entgegengearbeitet wird, [was] die besten Voraussetzungen dafür [sind], dass sich der rationale Charakter auf die gesamte Ausgestaltung des stofflichen Vorwurfs ausdehnen kann.“36 Damit liegt Dietrich-Baders Arbeit ein Fehlschluss zugrunde, der es nahezu unmöglich macht, ihre durchaus richtigen Ansätze zur Gliederung der Handlung37 und zum lehrhaften Gehalt der Dichtung weiterführend zu verwenden.
Allein die Dramentechnik sich zum Untersuchungsgegenstand nehmend, bewerten die Arbeiten von Helmut Krause und Dorothea Klein den Zusammenhang von Lehre und Technik entgegengesetzt. Während nach Krause die Technik zum Verständnis der abschließenden Lehre beitrage, sieht Klein die Lehre losgelöst von der Dramenhandlung.
Nach Krause ist für Sachs das Theater ein Medium der Gesellschaftslehre. Der hierfür erforderlichen rationalen Bewusstseinshaltung entspreche eine rationale Dramaturgie.38 Im Zentrum aller dramaturgischen Überlegungen stehe der Zuschauer, auf den alle dramentechnischen Überlegungen verwiesen;39 so auch der Monolog, der eine „Zusammenfassung vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Geschehens“40 sei. Mit der Einfügung der Lehre in den Monolog und damit in die Handlung werde „der Zuschauer durch die Zusammenfassung des vorangegangenen Spielgeschehens zu einer kritischen Reflexion desselben angehalten“, soll aber auch „durch den so gewonnen Kausalzusammenhang und die Andeutung kommenden Handlungsgeschehens zu einer distanzierten Beurteilung der folgenden Darstellung veranlasst werden.“41
Klein zufolge orientiert sich die dramatische Technik von Sachs formal am Humanistendrama. „Prolog und Argument, Botenbericht und Monolog als Möglichkeit von Standortbestimmung, die Aufteilung des dramatischen Gesamtgeschehens auf dargestellte und szenisch ausgesparte Handlungsteile, das Nacheinander von Schauplätzen und Aktgrenzen“ seien jene dramaturgischen Mittel, die Sachs verwende und „mit denen die Humanisten bei ihren theatralischen Versuchen operierten.“42 Die formale Trennung von einem erzählenden und einem deutenden Teil sei, so Klein, die eigentliche Dramentechnik. Diese Zweiteilung finde sich sowohl in den Meisterliedern, Spruchgedichten und Fabeln als auch in den Fastnachtspielen, Comedis und Tragedis. Delectare und prodesse verteilten sich auf Hauptteil und Epilog, wobei die Freude dem Spielgeschehen und die Lehre dem Epilog zugerechnet werde.43
Anhand der von Klein vorgenommenen Analyse werden zwei Bearbeitungstechniken sichtbar:44 Handelt es sich um eine längere Prosavorlage, kürze Sachs die Handlung auf die wichtigsten Momente der Erzählung zusammen, so dass das Drama „eine versifizierte Paraphrase in groben und gröbsten Zügen“45 ist. Handelt es sich bei der Vorlage jedoch um eine kurze Passage, zum Beispiel aus der Bibel, dann diene diese als „Kern, um den sich ausschmückende, erläuternde oder verdeutlichende Passagen anlagern.“46 Dabei werden einfache Feststellungen oder Andeutungen aus der Vorlage zu langen Monologen, die Gefühle und Gedanken der Figuren zeigen. In beiden Vorlagen-Typen gehe es darum, die Vorlagen „genau nachzuerzählen und gleichzeitig den Gegebenheiten des Dramas, seiner Ökonomie, Rechnung zu tragen.“47
Gegen die Arbeiten von Krause und Klein hat Brigitte Stuplich eingewendet, dass nicht die Dramentechnik insgesamt, sondern nur ein Aspekt betrachtet werde.48 Dagegen sei es ihr Anspruch, für „das Drama konstituierende Merkmale zu untersuchen“ und „Sachsens eigenständige Dramentechnik herauszuarbeiten“.49 Stuplichs dreiteilige Arbeit ist die neueste und zugleich ausführlichste Untersuchung zur Dramentechnik der Tragedis und Comedis. Im ersten Teil ordnet sie diese u.a. im Verhältnis zum Humanistendrama und Fastnachtspiel ein. Anders als die hier vertretene These, wonach Sachs mit der produktiven Rezeption des Humanistendramas seine poetologische Kompetenz erlangte, kommt Stuplich dabei zu dem Ergebnis, dass Sachs trotz einiger Adaptationen die Struktur und Technik der Vorlagen nicht übernommen, sondern mit seinen eigenen dramentechnischen Mitteln umgesetzt habe.50 In ihren Ausführungen zum Fastnachtspiel bezieht sich Stuplich grundsätzlich auf Catholy, stellt im Gegensatz zu ihm aber fest, dass „Sachs in seinen Fastnachtspielen dramentechnische Mittel einsetzt, die wir auch in seinen Dramen finden“ und es somit eine gewisse „Durchlässigkeit der einzelnen Gattungen“51 gebe. Außerdem „sei ein Einfluß seitens der Dramen auf das Fastnachtspiel möglich“52, weil erst in den 1550er Jahren die rege Fastnachtspielproduktion eingesetzt habe und die meisten Fastnachtspiele somit in einer Zeit entstanden seien, in der Sachs bereits Erfahrungen als Dramenautor besessen habe.
Im zweiten Abschnitt behandelt Stuplich die Grundlagen der Dramentechnik. Neben der Strukturierung geht sie auf die Aufführungstechnik, die Figuren- und Handlungskonzeption und die Kommunikation, d.h. Monolog und Dialog, ein. Ihre Ausführungen zum Monolog bauen auf einer Auseinandersetzung mit der Arbeit Fernaus und dem Ansatz von Pfister, der Monologe in aktionale und nicht-aktionale unterteilt, auf. Hier, wie bei Stuplichs Unterscheidung des Monologs in die drei Ebenen szenische Struktur, Handlungsstruktur und Figurenkonzeption, folgt ihr die vorliegende Untersuchung.53 Stuplichs grundlegende These, dass Sachs schon früh seinen eigenen technischen Stil gefunden hat, untermauert sie im dritten Abschnitt mit sechs ausführlichen Einzelanalysen, wovon Lucretia, Monechmo und Concretus in dieser Arbeit ebenfalls, allerdings mit Fokus auf den Monolog, untersucht werden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Fastnachtspiele in den vergangenen Jahrzehnten aus dem Fokus der Forschung gerieten, weil sie sich auf die historisch innovativen Potentiale der Comedis und Tragedis konzentrierte. Die Literarisierung des Fastnachtspiels, die Catholy in groben Zügen charakterisierte, einschließlich ihrer historischen Voraussetzungen bedarf nach wie vor einer Beschreibung. Die jüngeren Untersuchungen zu den Comedis und Tragedis liefern dafür eine brauchbare Grundlage, weil sie die historischen Horizonte der dramentechnischen Kompetenzen von Hans Sachs in der teils durch Übersetzungen vermittelten Rezeption antiker und neulateinischer Dramen freigelegt haben.
Die untersuchungsleitende These, dass Sachs seine poetologische Kompetenz aus der humanistischen Gelehrtenkultur erlangt hat, setzt die Durchlässigkeit der Dramengattungen voraus. Weil Stuplichs Arbeit die Dramentechnik an ein Strukturierungsprinzip des Stoffes nach Handlungseinheiten bindet und so die Darstellung der Relation von Kommunikation und Figur für die Handlungsentwicklung aufzeigen kann,54 ist sie für dieses Unterfangen eine geeignete Grundlage.
2 Monolog
Die Dramenforschung gebraucht den Begriff Monolog in unterschiedlichen Bedeutungen,1 die sich aus der Abgrenzung zum Dialog erklären, weil sich bei unscharfer Definition dialogische Passagen als monologisch werten lassen. Obwohl von seinem griechischen Wortursprung her Monolog ‚Alleinrede‘ bedeutet,2 muss ein Monolog in gewissem Sinne immer dialogisch sein, damit er überhaupt gehört werden kann. Deshalb geht mit dem Monolog im Drama immer eine ausgesprochene Künstlichkeit einher. Die von Pfister erarbeiteten Kategorien des inneren und äußeren Kommunikationssystems ermöglichen eine genaue Zuordnung für den Grad der Dialogisierung, den Monologe aufweisen können.3 Dass ein Monolog im äußeren Kommunikationssystem einen Ansprechpartner – den Rezipienten – hat, bedeutet nicht zwingend, dass dieser direkt angesprochen wird.
Eine direkte Adressierung des Publikums findet sich im vorreformatorischen Fastnachtspiel. Die ad spectatores gerichteten Reden sind appellativ und konstituieren ein Gegenüber, bei dem das reale oder ein fiktives Publikum gemeint sein kann. Kennzeichnend ist die herbeigeführte Entwicklung semantischer Kontexte, eine zumindest potenzielle Eröffnung der Relation von Rede und Gegenrede. Mit der Wendung an ein Publikum verlässt die Figur die innere Spielebene, womit die Aufgabe der für den Monolog konstitutiven Selbst-Adressierung einhergeht.4 Dabei handelt es sich für die vorliegende Untersuchung um ein definitorisches Ausschlusskriterium, weshalb eine weitergehende Betrachtung der ad spectatores-gerichteten Reden hier unterbleibt.5 Das steht nicht im Widerspruch zu der Aussage, dass Monologe immer an ein Gegenüber gerichtet sind. Auch wenn Monologe nicht ohne Adressierung an ein äußeres Kommunikationssystem zu denken sind, so bleibt doch die monologisierende Figur mit ihrer Rede in der inneren Spielrealität.
Der Gegensatz zwischen Dialog und Monolog innerhalb der Spielrealität lässt sich mit dem situativen und strukturellen Differenzkriterium überwinden. Das situative Kriterium kennzeichnet eine Figurenrede, die, als ein „Sprechen im Zustand des Alleinseins“, an kein Gegenüber auf der Bühne gerichtet ist und somit die „Einsamkeit des Sprechers“6 voraussetzt. Das strukturelle Kriterium bezieht sich auf Umfang und Geschlossenheit einer Replik, wonach sich längere Solo-Reden auch als Monolog bezeichnen lassen.7 Die englische Terminologie bietet für diese unterschiedlichen Konzeptionen von Monolog die beiden Begriffe monologue und soliloquy8:
monologue is distinguished from one side of a dialogue by its length and relative completeness, and from the soliloquy […] by the fact that it is addressed to someone. […] A soliloquy is spoken by one person that is alone or acts as though he were alone. It is a kind of talking to oneself, not intended to affect others.9
Monolog als soliloquy ist das Konzept, welches der weiteren Darstellung zugrunde liegt. Ihm entspricht der Monologtyp self-addressed speech, den Hirsh wie folgt bestimmt: „The character is unaware of playgoers and speaks only to himself.“10 Voraussetzung für einen solchen Monolog im Drama ist die unausgesprochene Übereinkunft zwischen Rezipient und Autor, dass einerseits eine Dramenfigur laut denkt und dabei mit sich selbst spricht, andererseits solches Verhalten nicht pathologisch ist. Der Monolog ist folglich eine theatrale Konvention, deren Darstellungs- und Verständnisweisen bei Autor, Darsteller und Publikum vorausgesetzt werden müssen.11 Die Konvention erhält ihre Berechtigung aus den zu erfüllenden Funktionen, die in narrativen Texten das vermittelnde Kommunikationssystem des Erzählers übernimmt, während das Drama auf Figuren als sprechende Subjekte rekurriert: „Daher kann der Monolog als eine Konvention betrachtet werden, die die Abwesenheit dieses vermittelnden Kommunikationssystems im Drama kompensieren soll.“12
Als vorgängige Konvention des Dramas ist der Monolog Teil der Codes im äußeren, sekundären Kommunikationssystem, die die Kommunikation zwischen Autor und Rezipient bzw. zwischen Bühne und Publikum regeln. Das Selbstgespräch oder ‚laute Denken‘ der Figuren eines Dramas kann jedoch in Ausnahmefällen auch Teil der Informationsvergabe im inneren Kommunikationssystem, zwischen den dramatis personae, sein, etwa als Form des ‚belauschten‘ Monologs. Im Kern stellt jedoch auch diese Form ein Selbstgespräch dar, für das die Einsamkeit des Sprechers angenommen wird und das grundsätzlich nicht an andere gerichtet ist.13
Für alle Monologe gilt die Annahme: Je mehr die referentielle Funktion einer narrativen Rede im äußeren Kommunikationssystem angesiedelt ist und je weniger die Rede in der inneren Spielebene motiviert erscheint, desto stärker baut sich eine epische Vermittlungsebene auf und desto intensiver empfindet sich das Publikum als primärer Rezipient der Rede.14 So dienen bestimmte Monologtypen mehr noch als andere der Informationsvermittlung und können als ‚dramentechnische‘ Konventionen gelten, etwa zur Stückeröffnung oder der Präsentation einer ‚verdeckten Handlung‘. Grundsätzlich aber sind auch sie im inneren Kommunikationssystem verankert.
Daneben lassen sich alle Selbstgespräche mit Pfister in aktionale und nicht-aktionale Monologe differenzieren. Sein Vorschlag einer Dichotomisierung als Ansatz zur Klassifizierung erfolgt in Bezug auf Handlung und Situation. Das Differenzkriterium ist dabei die Relation von Rede und Handlung. „In einem aktionalen Monolog vollzieht sich im Sprechen Handlung als Situationsveränderung“,15 dies kann zum Beispiel das Entscheiden zwischen Handlungsalternativen oder auch die Aufhebung einer getroffenen Entscheidung sein.
Aktionale Monologe haben die jeweilige dramatische Situation als Ausgangspunkt der Rede und entwickeln eine Handlungsankündigung oder Handlungsvorwegnahme. Dem gegenüber stehen Monologe, die in der Rede die gerade erreichte dramatische Situation thematisieren. Nicht-aktionale Monologe vermitteln zwar Handlung, in ihnen vollzieht sich diese indes nicht unmittelbar.16 Untergliedert werden müssen die nicht-aktionalen Monologe in kommentierende und informierende:
Sie unterscheiden sich durch ihren unterschiedlichen Handlungsbezug, indem in informierenden Monologen dem Zuschauer Handlungen und Sachverhalte erst zur Kenntnis gebracht, während in kommentierenden Monologen eine dem Zuschauer bereits bekannte Handlung in figurenperspektivlicher Brechung gespiegelt wird.17
Diese grundlegende Unterscheidung betrifft die textuelle, vom Autor intendierte Anlage von Monologen und nicht nur die bisher in den Mittelpunkt gerückten adressatenspezifischen, sondern auch inhaltsbezogenen Typisierungen. Insbesondere der nicht-aktionale Charakter ermöglicht es, ein eigentlich im Drama nicht vorhandenes vermittelndes Kommunikationssystem entstehen zu lassen. Es baut sich auf, „sobald die Reflexion und der Kommentar von der gegebenen dramatischen Funktion weitgehend abstrahieren und zur allgemeingültigen Maxime oder Sentenz gerinnen, oder wenn Reflexion und Kommentar den Bewusstseinsstand der Figur überschreiten.“18 Nicht-aktionale Monologe bieten dem Autor die Möglichkeit, nicht im Drama situierte Inhalte zu kommunizieren, möglicherweise gerade mittels der dem Monolog per Konvention ‚erlaubten‘ und funktional begründbaren epischen Formen der Rede.
In der Auseinandersetzung mit den funktionalen Bezügen finden sich verschiedenste Formen der begrifflichen Klassifikation, wie sie in der folgenden Typologie vorgestellt werden. Alle diese Ansätze einer Klassifikation von Monologen betonen die inhaltstragende Seite der Rede. Jedoch überlagern sich Information, Kommentar und Handlungsvollzug in je eigener Weise. Die Spezifik der situativen Einbettung kann zudem von ‚technischen‘, d.h. strukturell-gliedernden Funktionen des Monologs bestimmt oder mitbestimmt sein und ist daher bei jedem Monolog mit zu bedenken.19
2.1 Typologie
Die Arbeiten von Fernau, Krause und Stuplich haben gezeigt, dass das Ordnen und Kategorisieren von Monologen dort seine Grenze findet, wo eine einzige Zuschreibung alle Merkmale eines Monologs enthalten soll.1 Pfisters Unterteilung in aktionale und nicht-aktionale Monologe ist dieser Unschärfe geschuldet und ist als Einordnung hilfreich. Sie umgeht das Problem insoweit, als hier die Einteilung der Monologe nicht mit Blick auf ihren Inhalt, sondern auf ihre Funktion hin erfolgt. Damit erfasst sie, vom Expositionsmonolog abgesehen, jede Monologform sowohl im szenischen Gefüge und als auch in Bezug auf die Handlung.
Um alle Bereiche der Funktionen abdecken zu können, muss die kategoriale Ordnung auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen. Eine erste Ebene betrifft die Position im szenischen Gefüge. Dem Monolog kommt hier eine strukturell-gliedernde Funktion zu. Sie ist nicht handlungsbezogen, sondern erfasst die Gesamtstruktur bzw. die Szenen und Akte der Schauspiele und Fastnachtspiele, weshalb für sie auch keine Beispiele angegeben werden können. Gleichwohl ermöglicht dieses Klassifizierungsschema einen ersten Überblick über die Verteilung und Positionierung.
Neben die strukturell-gliedernden treten handlungsbezogene Funktionen, die figurenspezifisch und auf der Ebene von Raum und Zeit zu klassifizieren sind. Auf der Ebene von Raum und Zeit sind es Funktionen, die nach dem Schema Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft den Stand der Handlung in Beziehung zu Zeit und Raum setzen.2
Tabellarischer Überblick:
strukturell-gliedernde Funktionen handlungsbezogene Funktionen Zeit und Ort Figur Auftritt-Abgangs-Monolog Zukunft/proleptisch zukunftsungewiss zukunftsgewiss Entschluss Auftrittsmonolog Zutrittsmonolog Expositionsmonolog Vergangenheit/ analeptisch Zeitsprung Enthüllung Abgangsmonolog Gegenwart Teichoskopie Reflexion Überbrückungsmonolog Simultanmonolog Ort Ortswechsel Selbstcharakterisierung Fremdcharakterisierung Affektdarstellung2.1.1 Strukturell-gliedernde Funktionen
Das Klassifizierungsschema für die funktionale Einordnung im szenischen Gefüge, nach dem eine vollständige Zuordnung aller Monologe stattfinden kann, geht grundlegend auf die Arbeit von Bruno Denzler Der Monolog bei Terenz zurück. Denzler benennt für die Differenzierung der Monologe im szenischen Gefüge fünf Monologtypen: Auftritt-Abgangs-Monolog, Auftritts-Monolog, Abgangs-Monolog, Übergangs-Monolog und Zutritts-Monolog.1 Stuplich wählt einen ähnlichen Ansatz und unterteilt die Monologe nach Eingangsmonolog bzw. einleitendem Monolog, abschließendem Monolog, Überleitungsmonolog, Überbrückungsmonolog und Monolog als eigene Szene.2 Diese Arbeit folgt den Klassifizierungsschemata von Denzler und Stuplich weitestgehend.
Betritt eine Figur allein die Bühne und verlässt diese wieder, nachdem sie ihren Monolog gesprochen hat, handelt es sich um einen Auftritt-Abgangs-Monolog. Durch die Abgrenzung nach beiden Seiten mit einer leeren Bühne bildet er eine eigenständige Szene und ist „für den Zuschauer deutlich als selbständige Handlungseinheit erkennbar“.3 Nachweisbar ist er in den Fastnachtspielen 66 und in den Schauspielen 113 Mal. Er dient häufig zur Darstellung eines Zeitsprungs oder eines für den Handlungsverlauf wichtigen, aber ohne Vollzug bleibenden Entschlusses. Wesentliches Merkmal des Auftritt-Abgangs-Monologs ist darum sein nicht-aktionaler Charakter.
Der Auftrittsmonolog stellt im szenischen Gefüge einen weniger starken Bruch dar als der Auftritt-Abgangs-Monolog, weil er nicht nach beiden Seiten abgetrennt ist, sondern in einen Dialog übergehen kann. Er dient bevorzugt der Präsentation eher „undramatisch“4 gehaltener Inhalte und eignet sich darum besonders gut für Berichte.5
Sachs lässt 30 Fastnachtspiele mit Monologen beginnen, die in der Regel expositorische Funktionen haben und in die Situation und Handlung einführen. Dieser Umstand rechtfertigt es, hier vom Expositionsmonolog zu sprechen. Zu beachten ist dabei jedoch, dass der Monolog „nie allein die Funktion der Exposition [erfüllt]. Das heißt umgekehrt, die Exposition besteht nie nur aus einem Monolog.“6
Daneben finden sich die Auftrittsmonologe zu Beginn eines Aktes oder einer Szene. Sie bieten die Möglichkeit, in Form einer Fremd- oder Selbstcharakterisierung neue Figuren einzuführen, in Form eines analeptischen Berichtes dramaturgisch relevante Informationen zu übermitteln, den Schauplatz zu etablieren oder einen Zeitsprung zu signalisieren.7 Im Fastnachtspiel bildet der Auftrittsmonolog die mit 146 Nachweisen am häufigsten zu findende Monologart. Gleiches gilt für die Tragedis und Comedis, in denen Sachs 401 Auftrittsmonologe integriert. Im Vergleich zu den Fastnachtspielen beginnen weniger Schauspiele mit Monologen: Von den insgesamt 128 sind es 35 mit Monolog am Beginn.8 Dies liegt möglicherweise am vorangehenden Prolog, dessen narrativer Gehalt eine Exposition mittels Monolog weniger notwendig macht als im Fastnachtspiel.
Eine Variante des Auftrittsmonologs ist der Zutrittsmonolog. Die monologisierende Figur betritt die Bühne, auf der sich bereits eine Figur befindet. Die monologisierende Figur sieht in den meisten Fällen die andere Figur, wird selbst jedoch nicht bemerkt. Sachs verwendet diesen Monologtyp relativ selten. Die Mehrzahl hat Sachs aufrund der antiken und neulateinischen Dramenvorlagen in seine Schauspiele integriert. Während die Tragedis und Comedis 32 Zutrittsmonologe aufweisen, sind im Fastnachtspielkorpus lediglich 9 zu finden. Davon sind drei im Fastnachtspiel G 57, das auf einer Fastnachtspielvorlage beruht und im Anschluss analysiert werden soll, eingesetzt.9
Der Abgangsmonolog bildet das Ende einer Szene oder das Ende des Fastnachtspiels, das, anders als die Schauspiele ohne Epilog endet. Der das Fastnachtspiel beschließende Monolog ist jedoch einem Epilog ähnlich, indem er in einigen Fällen das Publikum mit einbezieht, häufig mit Lehren aufwartet und in jedem Fall die Autorschaft von Sachs benennt. Anders als in den Schauspielen spricht den epiloghaften Abgangsmonolog immer ein Figur des Fastnachtspiels und nicht der Herold.





