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Zeigen, wer man ist und was man zu bieten hat
Ob Sie wirklich wissen, was Ihre Kunden am meisten an Ihnen schätzen, zeigt Ihnen der legendäre »Elevator Pitch«, auch »Fahrstuhltest« genannt. Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten für einen mittelständischen Fensterhersteller. Schon lange jagen Sie einem potenziellen Kunden hinterher. Es ist ein großes Hochbau-Unternehmen, das jedes Jahr Zigtausende Fenster einkauft. Immer wieder haben Sie mit dem Unternehmen telefoniert. Jetzt endlich dürfen Sie einmal persönlich vorbeikommen. Der stellvertretende Einkaufsleiter will sich eine Viertelstunde Zeit für Sie nehmen.
Nun gut, denken Sie, besser als nichts, und fahren hin. Die Hochbau-Firma sitzt in einem Hochhaus – wo sonst? Sie melden sich am Empfang und man bittet Sie, in die 7. Etage zu fahren. Als Sie vor dem Aufzug warten, tritt ein Herr im dunklen Anzug mit korrektem Silberscheitel neben Sie, nickt Ihnen freundlich zu und sagt »Guten Morgen«. Sie kennen den Mann von Fotos. Es ist der Firmengründer und Chef höchstpersönlich, auf dem Weg in die oberste Etage.
Spontan zeigen können, wer man ist
Was machen Sie jetzt? Sie werden die nächsten ein bis zwei Minuten mit dem Chef verbringen. Er kann nicht weglaufen. Und weil er ein höflicher Mensch ist, wird er Ihnen zuhören, wenn Sie ihn ansprechen. Aber was sagen Sie? Fangen Sie das Verkaufsgespräch, das Sie mit dem stellvertretenden Einkaufsleiter führen wollten, jetzt mit dem Chef an? Keine gute Idee. Der Chef wird Sie an den Einkauf verweisen. Und wenn Sie dort damit prahlen, schon mit dem Chef gesprochen zu haben, werden die Mitarbeiter sich übergangen fühlen und Ihnen nie im Leben einen Auftrag geben.
Also, was machen Sie? Wenn Sie Ihre potenziellen Kunden wie Ihre potenziellen Freunde behandeln und deren Vertrauen gewinnen möchten, dann zeigen Sie jetzt einfach, wer Sie sind. Wenn der Chef Sie nach Ihrer Firma fragt, dann erzählen Sie nichts von einem x-beliebigen Fensterhersteller. Sondern Sie erzählen, was Ihre Kunden an Ihnen lieben. Was Sie besonders gut können. Ihre Kernkompetenzen. Ersparen Sie dem Chef die Frage »What’s in it for me?«. Denn das müssen Ihre Worte wiedergeben.
Ein solches Fahrstuhlgespräch können Sie nicht in Wochenendseminaren proben. Wenn Sie die typischen »Verkäufersprüche« aufsagen, wird Ihr Gesprächspartner das merken und seine Ohren auf Durchzug schalten. Wenn Sie aber authentisch sind und ganz selbstverständlich darüber sprechen, warum Sie glauben, mit Ihren Stärken diesem Kunden wirklich weiterhelfen zu können, dann werden Sie mit ziemlicher Sicherheit auf offene Ohren stoßen. Vorausgesetzt, Sie können die Dinge auf den Punkt bringen.
Der Kern ist immer einfach
Die Zehn Gebote haben nur 81 Wörter
Wenn Sie Ihre Kernkompetenz auf den Punkt bringen wollen, kommt Ihnen ein allgemeingültiges Prinzip zugute: Der Kern ist immer einfach. Wesentliches lässt sich kurz fassen. Um zu zeigen, wie unnötig schwer wir es uns da oft machen, verglich der Journalist Bodo H. Hauser einmal die Textmenge der Zehn Gebote mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und dem Umfang einer typischen EU-Verordnung. Tatsächlich haben die Zehn Gebote nur 81 Wörter. Damit war für das Volk Israel alles Wesentliche gesagt. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung hat immerhin schon 1320 Wörter. Und die Verordnung der Europäischen Union über die ökologische Landwirtschaft hat sage und schreibe 13 800 Wörter!
Der »Fahrstuhltest« zeigt Ihnen: Wenn Sie kurz machen können, was Sie ausmacht, dann liegen Sie richtig. Wenn auch ein Viertklässler versteht, was Ihre Firma für ihre Kunden leistet, haben Sie es auf den Punkt gebracht. Oft, wenn ich als Berater in mittelständische Unternehmen komme, trommele ich alle Mitarbeiter mit Verantwortung zusammen und stelle dann vor versammelter Mannschaft eine einfache Frage: Was, glauben Sie, sind Ihre größten Stärken? Sehr häufig kommt jetzt eine von zwei Reaktionen: Die erste ist an die Decke schauen und die zweite auf den Boden schauen. Meistens ist es der Vertriebsleiter, der sich schließlich ein Herz fasst und das Wort ergreift. Und typischerweise kommen jetzt erst einmal Plattitüden.
Für mich ist es immer wieder faszinierend, wie nur kurze Zeit später, nach intensivem gemeinsamem Nachdenken über die Stärken des Unternehmens, jeder einzelne Mitarbeiter ohne langes Nachdenken und mit einer Menge Stolz darstellen kann, worin die Kernkompetenz besteht. Und dann, noch mal kurze Zeit später, kommen die ersten Berichte, dass Kundenbesuche plötzlich anders verlaufen. Man muss ja gar nicht mehr so angestrengt »verkaufen«! Es hat sich etwas verändert.
Vom Kurzstreckenläufer zum Marathongewinner
Lernen, Geduld zu haben
Mittlerweile bin ich dankbar für die Rückschläge am Anfang meiner Karriere. Ich bin dankbar für die Chinesen, die uns mit ihrer Konkurrenz gezwungen haben, uns zu besinnen und unsere Stärken zu erkunden. Und ich bin dankbar für den stämmigen Amerikaner, der mir mit seiner Frage »What’s in it for me?« eine Art Mantra für mein restliches Berufsleben geliefert hat. Ich kenne viele Mittelständler, denen es ähnlich ergangen ist wie uns damals bei drilbox. Sie brauchten einen Weckruf, um richtig gut zu werden. Dann haben sie die Kurve gekriegt. Doch schließlich brauchten sie auch Geduld.
Herkömmliche Vertriebskonzepte und typische Verkaufstrainings setzen immer noch stark auf den schnellen Erfolg. Mit cleveren Tricks und viel Tschakka-Motivation soll die Absatzkurve einen Sprung nach oben machen. Doch so schnell, wie die Kurve nach oben schnellt, fällt sie auch wieder nach unten, sobald die ersten Kunden merken, dass man ihnen viel versprochen, aber wenig gehalten hat. Ich habe über die Jahre gelernt, Geduld zu haben. Die Dinge wachsen zu lassen schien lange nicht zur schnelllebigen Businesswelt zu passen. Doch nach der großen Finanzkrise mit ihren Spekulationsblasen und Scheingeschäften hat ein Umdenken eingesetzt. Viele Mittelständler wussten es schon immer besser und haben hartnäckig an ihren Stärken gearbeitet, statt an die wunderbare Geldvermehrung zu glauben. Sie haben jetzt immer deutlicher die Nase vorn.
Größenwahn scheitert
Zu den Verlierern gehören dagegen Unternehmen wie der Nudelriese Barilla. Die Italiener kauften die mittelständisch geprägte deutsche Bäckereikette Kamps im Jahr 2002 für sage und schreibe 1,8 Milliarden Euro. Das Motiv war ganz offensichtlich das Streben nach bloßer Größe und noch mehr Geld. Südlich der Alpen nahezu unbemerkt ging jedoch die Kernkompetenz von Kamps, Backwaren den ganzen Tag über in der Filiale frisch aufzubacken, über die Jahre verloren. Denn praktisch jede andere Bäckerkette kopierte dieses Konzept. Neue Stärken wurden unter Barilla jedoch nicht entwickelt. Die Folge: 2010 verkaufte Barilla Kamps für einen zweistelligen Millionenbetrag. Die Bäckereikette wurde zum Milliardengrab für den Konzern.
Methodenkoffer
Sind die Kernkompetenzen im Unternehmen einmal erkannt, sollten sie ausgebaut und zur Richtlinie des Handelns gemacht werden. Kernkompetenzen sind zukünftig der Maßstab für unternehmerische Entscheidungen.
To do:





Die Innenwirkung entwickelter Kernkompetenz
Arroganz ist nicht Selbstbewusstsein
In der gar nicht so »guten« alten Zeit der Quasi-Monopole saßen viele Unternehmen auf einem ziemlich hohen Ross. Heimliches Vorbild auch so mancher Westfirma war die DDR, wo die Produkte gnädig an die Konsumenten verteilt wurden. War man gar Weltmarktführer, so bildete man sich darauf mächtig was ein. Arroganz ist jedoch etwas komplett anderes als Selbstbewusstsein. Arrogantes Auftreten gegenüber dem Kunden trägt den eigenen Erfolg zur Schau und arbeitet mit Statussymbolen. Der Kunde kauft, solange er dieses Angebot unbedingt haben will.
So wollten in den Siebzigerjahren viele betuchte Kunden unbedingt einen »Daimler« fahren und nahmen dafür die Arroganz der Mercedes-Verkäufer und die jahrelangen Lieferfristen in Kauf. Arrogante Verkäufer haben jedoch ein Problem: Ihre Kunden schließen keine wirkliche Freundschaft mit dem Unternehmen. Sie sehen sich nach Alternativen um. Im Extremfall wächst bei ihnen sogar die heimliche Lust, der arroganten Firma irgendwann mal eins auszuwischen. Spätestens als Audi und BMW in Sachen Qualität, Komfort, Zuverlässigkeit und technischem Anspruch mit dem »Stern« gleichzogen, musste Mercedes vom hohen Ross absteigen und auf seine Kunden zugehen.
Erst Identität macht selbstbewusst
Warum nicht gleich so? Gesundes Selbstbewusstsein statt Arroganz ist eine Folge des Bewusstseins von Identität. Mitarbeiter, die wissen, wofür ihre Firma steht, was sie stark macht und womit sie dem Kunden nützt, sind selbstbewusst und strahlen das auch aus. Die Folge ist weniger Stress. Wer weiß, wie gut er ist, kann die Dinge ruhiger angehen. Der Erfolg wird sich einstellen. Wer sich konzentriert, braucht nicht ständig zu »rotieren«. Er weiß, dass seine entwickelten Stärken eine enorme Hebelwirkung haben. Deshalb muss er nicht alles machen, was er machen könnte, sondern nimmt sich auch Zeit für Familie und Freunde, soziale oder kirchliche Aktivitäten.
VON DEN BESTEN LERNEN: Tergon Swiss Ergochairs
Die Bürostühle des Schweizer Herstellers Tergon zählten schon lange zu den besten auf dem Markt. Doch das Produkt hatte ein Problem: Neben den filigranen Designerstücken der Marken USM oder Vitra sahen die Tergon-Stühle aus wie Opas Volvo aus den Achtzigern neben dem neuen Ferrari FF. In Zeiten steigender Ansprüche an das Design selbst bei Alltagsgegenständen wie Computermäusen oder Druckern verschärfte sich dieses Problem. Zudem überlegen sich viele Unternehmen, ob sie rund 800 Euro pro Mitarbeiter für einen Bürostuhl ausgeben sollen. Schließlich gibt es bei IKEA ansprechendes Design und passable Qualität für weniger als ein Viertel dieses Preises.
Bei Tergon besann man sich in dieser Situation ganz auf die Kernkompetenz. Die Bürostühle sind weder die schönsten noch die billigsten. Aber auf kaum einem anderen Stuhl sitzt ein Mitarbeiter gesünder. Und dieses Argument sollte Unternehmenskunden überzeugen. Gesund sitzende Mitarbeiter sind ausgeglichener, leistungsfähiger und seltener krank. Bei Tergon hat der Unternehmer das gute Gefühl, nicht am falschen Ende gespart zu haben.
Mit dem Claim »Der Stuhl, der sitzt« kommuniziert Tergon heute seine Kernkompetenz an die Kunden. Das gesunde Sitzen wurde zu einem technischen Gesamtkonzept weiterentwickelt. Die Stühle passen sich danach der Anatomie jedes Rückens automatisch an und sind optimiert, um die Bandscheiben in Bewegung zu halten. Anatomische Zeichnungen und erklärende Texte vermitteln dieses Konzept in Prospekten und im Internet. Gutachten von Ärzten sowie Testimonials von Kunden sollen die Rückenfreundlichkeit belegen.
Als Partner für gesundes Sitzen gruppierte der Hersteller schließlich passende Services rund um sein Angebot. Jeder Bürostuhl kann gratis vier Wochen zum Probesitzen geliefert und bei Nichtgefallen wieder abgeholt werden. Dem Kunden werden schnelle Lieferzeiten, versandkostenfreie Lieferung, langjährige Garantien und ein Reparaturservice durch eigene Techniker geboten. Der monatliche Newsletter »Fitback« gibt Kunden Tipps für einen gesunden Büroalltag. Gesundheit steht nun überall im Fokus und macht das Design zur Nebensache.
Tergon Swiss Ergochairs: Was lässt sich daraus lernen?



Die Außenwirkung entwickelter Kernkompetenz
Unternehmen und Kunde auf Augenhöhe
Wie nehmen Kunden ein Unternehmen wahr, das seine Identität kennt und seine Kernkompetenz entwickelt hat? Sie sehen einen Partner auf Augenhöhe, der es nicht nötig hat zu blenden und dem man vertrauen kann. Sie wissen auch, dass ein solches Unternehmen nicht allein über den Preis verkauft und nicht jedem Auftrag hinterherrennt. Vor allem aber fühlen sich Kunden zu einem solchen Unternehmen hingezogen. Stärke macht nun einmal attraktiv. Schließlich ziehen ja auch die erfolgreichen Fußballvereine die meisten Zuschauer ins Stadion und nicht die Absteiger. Noch einmal: Gemeint ist hier echte, innere Stärke und nicht Arroganz. Echte Stärke kommt aus dem Bewusstsein, das Richtige zu tun, es gut zu können und für andere damit einen Nutzen zu stiften.
Mitarbeiter eines Unternehmens mit entwickelter Kernkompetenz brauchen keine Angst vor dem »Verkaufen« zu haben. Denn sie spüren die Neugier und das echte Interesse ihrer Kunden, mit einem attraktiven Unternehmen ins Geschäft zu kommen. Fragen Sie doch einmal einen Verkäufer bei Porsche, ob ihm das »Verkaufen« jemals schwergefallen ist. Kaum vorstellbar, dass er dies bejahen wird. Wahrscheinlicher ist, dass er genauso begeistert von dem Produkt Porsche ist wie seine Kunden. Deshalb unterhält er sich mit seinen Kunden wie unter Freunden über die neueste Technik.
Die »Porsches« der Zukunft werden vielleicht Anbieter von Elektromobilität sein, die es schaffen, Spaß und Ökologie maximal miteinander zu verbinden. Oder es werden neuartige Banken im Bereich des »Corporate Microbanking« sein, die unserem bisherigen Finanzsystem eine sowohl sozialere als auch effektivere Alternative gegenüberstellen. Wir wissen es nicht. Fest steht aber, dass es für immer mehr Unternehmen rund läuft, wenn sie ihre Stärken entwickeln und sich ganz auf den Kunden ausrichten.
Immer auf der Suche nach Chancen
Auch die Chinesen konzentrieren sich jetzt
Am Anfang dieses Kapitels haben Sie von dem »China-Schock« gelesen, der uns als schwäbischen Mittelständler vor Jahren wachrüttelte. Das Unternehmen drilbox konzentrierte sich danach konsequent auf seine Kernkompetenzen. Da es keine Unternehmernachfolge gab, wurde es schließlich gewinnbringend verkauft und ist heute unter neuer Leitung weiter erfolgreich. Aber auch die chinesischen Unternehmen haben sich enorm weiterentwickelt. Heute begnügen sie sich längst nicht mehr damit, Europa mit billigen Produktkopien zu überschwemmen. Sondern auch sie entwickeln immer mehr ihre Kernkompetenzen.
Ein Beispiel dafür ist das chinesische Unternehmen Li & Fung. Ihr Organisationstalent und ihre atemberaubende Schnelligkeit haben viele chinesische Unternehmen in den letzten 15 Jahren bewiesen; Li & Fung wurde mit diesen Kernkompetenzen ein Vertriebsgigant und einer der weltweit größten Supply-Chain-Manager. Von Asien aus organisieren die rund 18 000 Mitarbeiter des börsennotierten Unternehmens die Beschaffungskette für so bekannte Marken wie Nike, Reebok, Zara und Esprit sowie für Handelsriesen wie Wal-Mart und Marks & Spencer. Für Walt Disney organisiert Li & Fung die Produktion sämtlicher Merchandising-Artikel. Auch Coca-Cola vertraut beim Merchandising dem Familienunternehmen der Brüder William und Victor Fung. Die beiden Milliardäre haben erkannt: Nicht die Produktion, sondern die Logistik ist das Rückgrat der Globalisierung.
Sogar die Billigflieger sind den ewigen Preiskampf langsam leid, mit dem sie sich ihren eigenen Markt ramponiert haben. Vor Kurzem beschloss Ryanair-Chef Michael O’Leary, neben dem Preis die Zuverlässigkeit der Airline als Argument für die Kundengewinnung herauszustreichen. Tatsächlich können Billigflieger wegen ihres Geschäftsmodells, das auf Punkt-zu-Punkt-Verbindungen statt Umsteigeverbindungen setzt, manchmal eine höhere Pünktlichkeitsquote erzielen als die großen Airlines mit ihren komplexen Flugplänen. Die Kernkompetenz Zuverlässigkeit wurde aber seitens der Billigfluggesellschaften jahrelang überhaupt nicht an den Kunden kommuniziert, der einzig und allein über den Preis gewonnen werden sollte.
Der Mittelstand hat den Bogen raus
Mit Hochdruck am Erfolg arbeiten
Viele Mittelständler arbeiten schon viel länger und konsequenter an ihren Kernkompetenzen als die Konzerne. Eines von zahllosen Beispielen ist die Firma Kärcher. Das traditionsreiche Unternehmen stellte unter anderem einmal Industrieöfen her. Seit der Entwicklung des ersten Hochdruckreinigers im Jahr 1950 konzentrierte sich der Mittelständler immer mehr auf dieses Geschäftsfeld. Heute ist Kärcher Weltmarktführer für Hochdruckreiniger. Viele sprechen längst von »kärchern« wenn sie »mit Hochdruck reinigen« meinen. Kärcher hat inzwischen so viele »Freunde« unter seinen Kunden, dass es Männer geben soll, die nach verschmutzen Außenmauern geradezu suchen, um wieder mit ihrem Kärcher »spielen« zu dürfen.
Doch niemand muss Weltmarktführer sein, um seine Produkte an Kunden zu verkaufen wie an Freunde. Meine Mitarbeiterin erlebte das kürzlich, als sie sich ein neues Fahrrad kaufen wollte. Von aggressiver Werbung neugierig gemacht, stattete sie zunächst einem der größten Fahrradhändler der Republik einen Besuch ab. In der riesigen Verkaufshalle traf sie auf einen Verkäufer, der in seinem Anzug mit korrekt gebundener Krawatte auch gut zu einem Mercedes-Händler oder in eine Bank gepasst hätte. Schnell war er bei seinen Lieblingsthemen: Preise, Finanzierungen, Lieferbarkeit. Lust auf Fahrradfahren machte der Kundin dagegen nichts in diesem Laden.
Ganz anders ein kleinerer Händler in Konstanz. Hier traf meine Mitarbeiterin auf junge Verkäufer in T-Shirts mit Schlüsselband. Es wurde viel gelacht und jeder Kunde wurde gleich angestrahlt. Beim Thema Fahrrad waren die Verkäufer in ihrem Element. Begeistert erzählten sie nicht nur von den Besonderheiten der einzelnen Modelle, sondern auch von ihren persönlichen Erfahrungen. In solchen Geschäften merkt der Kunde: Die Verkäufer verkaufen nicht irgendein Produkt. Sie verkaufen nicht heute Waschmaschinen und morgen in einem anderen Laden Schuhe. Sondern sie verkaufen das, was für sie selbst Teil des Lebensstils ist. Sie gewinnen Freunde für ein Produkt. Ihr Produkt.
Methodenkoffer
Wie werden die Märkte der Zukunft aussehen? Die besten Unternehmen beschäftigen sich regelmäßig mit dieser Frage. Sie bauen ergänzend zu ihren bestehenden Stärken neue Kernkompetenzen auf, um in den Märkten der Zukunft aktiv sein zu können.
To do:




Werte, Sinn und Erfüllung als Zukunftsthemen
Zukunftsforscher, Sozialwissenschaftler und internationale Businessgurus sagen voraus, dass es in der Wirtschaft der Zukunft stärker um Sinn und ein erfülltes Leben gehen wird. Kunden wollen nicht mehr bloß konsumieren, Unternehmen nicht allein wachsen und Mitarbeiter nicht länger um jeden Preis Geld verdienen. Die Frage, ob das, was wir tun, für uns erfüllend ist und einen sinnvollen und nachhaltigen Beitrag für die Gesellschaft leistet, ist in den letzten Jahren zunehmend in den Blickpunkt gerückt. Unternehmer wie Götz Werner oder Claus Hipp sind zu Symbolfiguren dieser Entwicklung geworden.
Ein neuer Trend bricht sich Bahn
Wer sich auf seine Kernkompetenzen konzentriert, braucht diese Entwicklung nicht zu fürchten, sondern kann sie begrüßen. Bei Unternehmen, in denen nur noch das getan wird, was man am besten kann, kommt automatisch eine Sinnkomponente ins Spiel. Wer sich täglich fragt, was seinen Kunden am meisten nützt, der wird auch Antworten finden, wenn sich die Prioritäten der Kunden hin zu mehr Sinn und Nachhaltigkeit entwickeln. Freunde können sich gemeinsam weiterentwickeln. Meine Frau, Ingrid Schilling-Frey, schreibt hierzu in ihrem Buch Ans Glück könnte ich mich gewöhnen, dass in der Philosophie der Freund das »andere Selbst« ist. Das bedeutet: Helfe ich meinem Freund – oder Kunden –, besser zu werden, verbessere ich mich automatisch mit. Es ist wie bei einem Trainer im Sport: Wenn er seinem Schützling zu einer Medaille verhilft, hat er sich damit selbst zum Gewinner katapultiert. Der Paketzusteller GLS wirbt bei seinen Kunden mit dem Slogan »Your success is our success!«. Das stimmt!
Manche Unternehmen nutzen ihren wirtschaftlichen Erfolg bereits, um Menschen für soziale und gemeinnützige Ziele zu gewinnen oder auf Missstände aufmerksam zu machen. Ein ungewöhnliches Beispiel hierfür ist der erfolgreiche ukrainische Computerspielhersteller GSC Game World. Mit »Stalker: Shadow of Chernobyl« schufen die Ukrainer ein Spiel, das die Spieler in die nuklear verseuchte »Geisterstadt« Tschernobyl führt. Die Programmierer wollten damit weltweit auf die anhaltenden Risiken der Kernkraft und die von der Öffentlichkeit vergessenen Folgen der Reaktorkatastrophe von 1986 aufmerksam machen. Idealismus und Streben nach wirtschaftlichem Gewinn gingen hier Hand in Hand. Das ist heute noch die Ausnahme, könnte aber irgendwann zur Regel werden.