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Dass es mir nicht gut ging, muss Jason aufgefallen sein, aber er sagte zunächst nichts und wir arbeiteten zwei Tage lang fast durchgehend hart an unseren Themen. Erst am zweiten Abend fragte er mich vor dem Abendessen, ob ich später ein paar Minuten Zeit für ihn hätte. So setzten wir uns gemeinsam in die Bar und er fragte geradeheraus, ob mit mir alles okay sei. Zunächst zögerte ich, aber dann erzählte ich ihm doch von meiner Angst und dem Zweifel, ob alles gut werden würde. An diesem Abend sah ich zum ersten Mal den »echten Jason«. Nicht nur, dass er mir sehr tröstende, mitfühlende und aufmunternde Worte und Verständnis entgegenbrachte, nein, er erzählte auch von sich. Und plötzlich bekam ich ein ganz anderes Bild von diesem so streng und resolut wirkenden Kollegen. Er erzählte mir von seiner Frau, seinen Kindern und den Enkeln und auch von dem, was er in seiner knappen Freizeit so machte. Er vertraute mir an, dass seine Frau vor Jahren Brustkrebs gehabt hatte, sie aber wieder ganz gesund geworden war. Sicher kannst du dir vorstellen, dass der Abend noch sehr lang wurde.
Am nächsten Tag sah ich zwar wieder den ernst wirkenden Kollegen, der im Meeting sehr konstruktiv und sachlich agierte, aber ich sah auch den Menschen dahinter, und nun fiel es mir viel leichter, mit ihm umzugehen. Er war ein Mensch genau wie ich. Er war zwar ehrgeizig, aber auch hilfsbereit und kooperativ. Fortan traute ich mich gleich, ihm zu sagen, wenn er mal wieder zu schnell sprach, oder fragte sofort nach, wenn ich etwas nicht verstanden hatte. Und ich sagte ihm direkt, wenn ich einmal anderer Meinung war. Er war nicht mehr oder weniger als ich. Ich sah ihn als einen Kollegen auf Augenhöhe. Und er tat das umgekehrt auch. Von dem Zeitpunkt an arbeitete ich sehr gut und sehr gerne mit ihm zusammen.
Leider ist Jason zwischenzeitlich verstorben, aber ich erinnere mich noch immer sehr gerne an unsere gute und kooperative Zusammenarbeit.
Wenn man irgendwo in eine neue Gruppe kommt, dann heißt es oft: »Bitte stellt euch einmal vor.« Dann nennt jeder seinen Namen, vielleicht sein Alter und seinen Beruf.
Aber woran erkennt man einen Menschen wirklich? Was sagt uns der Beruf über den Menschen? Verrät er tatsächlich etwas über die Person, die diesen Beruf ausübt?
Ich persönlich denke: nein! Viel lieber würde ich fragen: Was sind deine Hobbys? Was packt deine Leidenschaft? Wo oder bei was verlierst du jedes Gefühl für Zeit und Raum? Ich denke, so erfahre ich viel mehr über einen Menschen. Vielleicht ist der Beruf ja nur ein Job, und der- oder diejenige verbindet nichts damit.
Oder ich würde fragen: Was machst du in deiner Freizeit, also in deiner freien Zeit? Oder vielleicht: Was würdest du in dieser Zeit gerne tun?
Meinst du nicht auch, dass man damit einiges mehr über die Person erfährt, was sie ausmacht, was in ihrem Herzen tickt und wofür es wirklich schlägt?
»Welchen Tag haben wir?«, fragt der kleine Fritz.
»Es ist heute«, sagt die Mama.
»Das ist mein Lieblingstag!«, freut sich Fritz
und hüpft in die Höhe.

BIETET GELD SICHERHEIT?
Mit dem Wort »Sicherheit« verbinden viele Menschen Geld, Rentenversicherung, Vermögen oder Ähnliches.
Aber was gibt uns wirklich Sicherheit?
Im Jahr 2013 kam es zu einer Hochwasserkatastrophe, die besonders in Dresden schlimme Schäden verursachte. Tragische Bilder waren im Fernsehen zu sehen, aber es war auch von vielen Hilfsaktionen die Rede, und man sah Menschen wieder näher zusammenrücken.
Eine besondere Geschichte beeindruckte mich und ließ die oben genannte Frage noch mal aufkommen: Im Fernsehen war ein Mann zu sehen, der berichtete, dass er seine Ersparnisse bei den Banken nicht mehr in Sicherheit gesehen hatte. Deshalb hatte er sein ganzes Barvermögen in einer Kiste verstaut und diese zu Hause aufbewahrt. Während besagter Hochwasserkatastrophe waren viele Häuser und Autos unterspült worden. Dasselbe war auch ihm passiert. Und genau dabei war seine Kiste mit dem ganzen Geld davongeschwommen. Ja, die Fluten hatten sie einfach weggespült.
Diese Bilder im Fernsehen berührten mich sehr!
Bietet Geld also wirklich Sicherheit?
Sollen wir Geld horten, oder wäre es nicht vielleicht besser, es dorthin zu geben – es vielleicht auch einfach wegzugeben –, wo es gerade und in diesem Augenblick gebraucht wird?
Was wäre, wenn wir das alle so machen würden, alle Menschen auf der ganzen Welt?
Vielleicht ist das eine Frage, über die es sich lohnt nachzudenken.

HONEY
Gerne erinnere ich mich an unsere kleine Timmy. Timmy war eine weiße Katzendame mit grau-schwarzen Flecken. Sie war kein Kater, nein, eine Katzendame, auch wenn man dies dem Namen nach anders sehen könnte. Warum nennt man eine Katzendame »Timmy«?, magst du jetzt vielleicht denken. Berechtigte Frage. Auf einem Bauernhof in einem benachbarten Dorf hatten sich die Katzen damals ungewollt extrem vermehrt, sodass einige der Katzenbabys erschossen werden sollten. Als wir davon erfuhren, berührte uns das sehr, und mein Sohn suchte sich dort einen kleinen Kater aus, um ihm ein neues Zuhause zu geben und natürlich sein Leben zu retten. Er war, wie schon gesagt, weiß und hatte einige grau-schwarze Flecken. Weil die Katzenbabys noch zu jung waren, um von der Mutter getrennt zu werden, wurde dasjenige, das mein Sohn sich ausgesucht hatte, mit einem Kuhmarker gekennzeichnet und von meinem Sohn auf den Namen »Timmy« getauft.
Als ich nach ein paar Wochen auf den Hof kam, um Timmy abzuholen, kam er mir schon entgegen. Er schlich um meine Füße herum, ließ sich gleich von mir auf den Arm nehmen und streicheln. Was für eine nette Begrüßung! Weiße Katze mit grau-schwarzen Flecken, und der Kuhmarker war auch zu sehen. Das musste unser zukünftiger Mitbewohner Timmy sein. So verlief die Übergabe kurz, knapp und reibungslos und ich fuhr mit unserem neuen Familienmitglied nach Hause.
Als ich zu Hause angekommen war und mein Sohn gerade von der Schule zurückkam, verwirrte er mich damit, dass er geradeheraus sagte: »Das ist nicht die Katze, die ich mir ausgesucht habe. Die hat den einen Fleck viel höher am Kopf.« Hm, was sollte ich sagen? Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war sprachlos.
Als ich darauf bei dem Landwirt anrief, erklärte er mir mit etwas gedrückter Stimme, dass mein Sohn sich die Lieblingskatze seiner Tochter ausgesucht hätte. Und diese hatte dann, als sie hörte, dass wir Timmy abholen wollten, die Katze eingesperrt und stattdessen eine andere Katze gemarkert. Tja, so kamen wir zu unserer Katzendame namens Timmy. Diese lebte dann über siebzehn Jahre gesund und munter bei uns in der Kleinstadt und schien sich pudelwohl zu fühlen.
Sie vor einem Jahr gehen zu lassen, fiel uns nicht leicht. Aber irgendwann ist für jeden der Zeitpunkt gekommen, und so musste dann auch unsere Timmy gehen. Weinend begleiteten wir sie bis zur letzten Minute.
Danach wollte ich erst einmal kein Haustier mehr haben. Auch wenn ich unsere alte Katzendame vermisste, so war dennoch der Entschluss gefasst, und ich brachte alles, was noch brauchbar war, ins örtliche Tierheim.
Es verging fast ein Jahr, bis mich eine Freundin an einem schönen Sonntagnachmittag im Oktober anrief. Sie sagte: »Du, Ilona, du wolltest doch wieder eine Katze haben, oder?« Ich antwortete ihr sofort: »Nein, das möchte ich nicht.« Dann erzählte sie mir, dass sie, bedingt durch die Baustelle an der Bundesstraße, zwei Tage zuvor über eine Spurbahn in ein Nachbardorf gefahren war. Auf halber Strecke war ihr eine Katze vor das Auto gelaufen, war einfach mitten auf der Spurbahn stehen geblieben und hatte sich nicht mehr von der Stelle gerührt. Die Katze war völlig abgemagert, heruntergekommen und hatte pausenlos gemauzt. Ihr Fell war stumpf und verdreckt. Jedes Bemühen, die Katze von der Fahrbahn zu bekommen, scheiterte. In dem Moment, in dem meine Freundin, die kurz ausgestiegen war, die Beifahrertür aufmachte, um ihr Mobiltelefon herauszuholen, kletterte die Katze in Windeseile ins Auto und legte sich zitternd und bibbernd auf das Armaturenbrett, ohne mit dem wehleidigen Mauzen aufzuhören. Völlig verzweifelt, was sie nun tun sollte, rief meine Freundin das Tierheim an. Schon während des Gesprächs mit der dortigen Leiterin registrierte sie, dass sich die Katze zwar etwas beruhigt hatte, aber immer noch keinen Zentimeter vom Arma turenbrett weggerückt war.
Als sie mich anrief, war die kleine Katze seit zwei Tagen im Tierheim und man versuchte, die Eigentümer ausfindig zu machen – vergebens.
Ein paar Tage später überredete mich meine Freundin dann doch, mal wieder mit ins Tierheim zu kommen. Dort sah ich das Häufchen Elend zum ersten Mal. Es war eine rote Hauskatze mit einem weißen Latz. Verschreckt und ängstlich kauerte sie in einer Ecke, und als wir näher kamen, sah es so aus, als wollte sie auch noch rückwärts durch die Wand. Sie wirkte wie eine ganz junge Katze, weil sie so klein war. Aber man sagte mir, dass sie schon älter sei – das könne man an den Zähnen erkennen. Wie alt sie tatsächlich sei, ließe sich nicht feststellen. Irgendwie wuchs mir die Kleine gleich ans Herz und ich besuchte sie von da an regelmäßig als sogenannte »Kuschelpatin«. Eines Tages erzählte man mir, dass die Katze sehr krank sei und wohl sehr viel durchgemacht habe. Unter anderem litt sie an einer unheilbaren Nieren erkrankung, die irgendwann zum Nierenversagen führen würde. Ihr musste sogar die Gebärmutter entfernt werden. Das Fell der Katze war stumpf, ihr Blick völlig leer und bei jedem Piep schreckte und zuckte sie zusammen. Aufgrund der vielen Erkrankungen blieb sie lange Zeit in der Krankenstation, wo sie ihre eigene, relativ große Box hatte. Bei jedem meiner Besuche fauchte sie mich erst einmal böse an. Aber wenn ich ihr dann ganz langsam und unerschrocken meine Hand hinhielt, kam sie von Mal zu Mal einen Zentimeter näher. Ich gab einfach nicht auf, und irgendwann Ende November ließ sie sich das erste Mal von mir streicheln und leckte mir schließlich sogar die Hände ab.
Als Weihnachten vor der Tür stand, dachte ich, dass es für die Kleine nichts Besseres geben würde als ein ruhiges Zuhause. Und da kam mir zum ersten Mal der Gedanke: Wenn es irgendwo ein ruhiges Zuhause gibt, dann bei mir! Meine Kinder waren inzwischen aus dem Haus und standen auf eigenen Füßen, somit hätte die Katze die benötigte Ruhe.
Als ich mit der Leiterin des Tierheims sprach, betonte sie mehrfach, ich möge mir das gut überlegen, denn die Katze sei schwer krank und man wisse nicht, wie lange sie noch leben würde. Ja, klar, dachte ich, es könnten einige Arztrechnungen auf mich zukommen, aber was gibt es zu verlieren? Gemeinsam beschlossen wir, dass die kleine »Honey«, wie sie im Tierheim genannt wurde, am Weihnachtstag zu mir ziehen sollte. Und so kam es dann auch.
Bei mir zu Hause angekommen, suchte sie sich ein Plätzchen auf der offenen Treppe, wo sie einen guten Blick in alle Richtungen hatte. Dort blieb sie mehr als drei Wochen. Nur wenn ich nicht in der Nähe war, hörte ich sie ab und an zum Fressnapf oder zur Katzentoilette tapsen. Danach war sie aber jedes Mal in Windeseile wieder an ihrem Rückzugsort. Immer wenn jemand anderes vorbeikam, wurde er oder sie kurz angefaucht, schließlich aber bewegungslos beobachtet. Ich selbst hielt Honey bei jedem Vorbeigehen langsam und vorsichtig die Hand entgegen. Erst schnupperte sie nur kurz, und etwa vier Wochen nach ihrem Einzug leckte sie meine Hand zum ersten Mal. Ab diesem Tag wurde sie von Woche zu Woche ruhiger, und irgendwann kam sie auch vorsichtig ins Wohnzimmer getapst.
Ich selbst glaube ja an die Selbstheilungskräfte von uns Menschen, aber auch an die von Tieren. Jeden Abend betete ich für die Kleine, und von dem Tag an, als sie sich von mir anfassen ließ, legte ich ihr auch behutsam die Hände auf.
Heute, fast ein Jahr später, sind immer noch alle meine Freunde und meine Familie überrascht, wenn sie Honey sehen. Inzwischen ist sie eine kuschelige, anhängliche Schmusekatze. Und schon längst nicht mehr nur bei mir, sondern auch bei anderen Menschen. Es ist eine Wonne zu sehen, wie ihr Fell glänzt und sie sich in der Sonne räkelt.
Am beeindruckendsten war der letzte Besuch bei der Tierärztin, die ich sprachlos erlebte. Sie konnte nicht glauben, was sie sah. Die Tierärztin war diejenige gewesen, die die unheilbare Krankheit festgestellt hatte. Sie hatte auch vor einem Jahr die OP vorgenommen und erinnerte sich noch sehr gut an ihre Patientin. Sie meinte, die kleine Honey sei kerngesund und ihre Werte seien unerklärlich. Wir waren uns einig, dass es doch egal sei, ob wir das verstehen oder nicht.
Wir Menschen wissen nicht, wie derartige Wunder heilungen geschehen, aber bei Honey ist es passiert, und ich bin einfach dankbar dafür.
Auch wenn du jetzt vielleicht denkst, ich hätte der Kleinen etwas Gutes getan, so kann ich sagen, dass sie auch für mich eine Wonne ist. Mit ihrer Fröhlichkeit gibt sie mir ein Gefühl von Geborgenheit und Wohlbefinden. Zwei Seelen, die sich gefunden haben.
Und eine Kleinigkeit zum Schmunzeln hintenan:
Die Kleine ist inzwischen zur »Fußfetischistin« geworden. Sie hat sich etwas ganz Besonderes zum alltäglichen Ritual gemacht: Jeden Morgen werde ich an der Schlafzimmertür begrüßt, ins Bad verfolgt und dann schleckt Honey mir die nackten Füße ab. Es vergeht kein Tag mehr ohne dieses Ritual.
Kein einziges Anzeichen mehr von der kleinen verschreckten Katze, die meine Freundin damals ins Tierheim brachte.
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