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Ihm sind einige Inschriften gewidmet, die in Britannien, in der Steiermark und sogar in Rom gefunden wurden. Die ersteren setzen ihn mit dem römischen Kriegsgott Mars gleich, die letzteren mit Merkur, dem Gott der Händler, der Reisenden, der Diebe und der Journalisten. Weder das Eine noch das Andere verrät sonderlich viel über seinen Charakter, geschweige denn die Mythen und Riten seines Kultes. Esus ist noch schwieriger rückzuverfolgen. Sein Name (der etymologisch noch immer ein ungelöstes Rätsel ist) erscheint in einer einzigen Inschrift in Paris. Der Name steht unter dem Bild eines Mannes, der von einem reich beblätterten Baum Äste abschneidet. Mit dem üblichen Enthusiasmus haben Experten den Baum als Weide, als Eiche oder sogar als gigantische Mistel identifiziert. Ein ziemlich ähnliches Bild einer keltischen Gottheit (als Mercurius identifiziert) stammt aus Trier. Vielleicht stellt es Esus dar, vielleicht aber auch nicht. Taranis, ein Wort, das von „Donner” herstammt, erscheint auf überhaupt keinem Altar. Es gibt keine Beweise für einen Gott dieses Namens. Allerdings haben wir Ableitungen. „Donner” heißt auf irisch ’Torann’ und auf walisisch ’Taran’. Doch beides sind keine Götternamen. Wir haben Inschriften für Götter namens Taranucus, Taranucnus und Tanarus, die alle mit Iovis (Jupiter) gleichgesetzt werden, was zu Himmelsgöttern, Schleuderern von Blitz und Donner gut passen würde. All das ist ziemlich wenig konkretes Beweismaterial für die angeblich wichtigsten drei Götter Galliens. Es kam aber noch schlimmer, da Lukans Passage von späteren Schriftstellern noch weiter ausgeschmückt wurde. Unbekannte Schreiber des 4. bis 9. Jahrhunderts fügten hinzu, dass die drei Götter seltsame Menschenopfer zu empfangen pflegten: Die für Teutates wurden in einem Fass ertränkt, die für Esus an Bäumen aufgehängt (bis die Glieder abfielen) und die für Taranis in hölzernen Kisten verbrannt. Dass diese verschiedenen Formen von Menschenopfern von den prähistorischen Kulturen des transalpinen Europa praktiziert wurden, ist ziemlich sicher, aber ob sie tatsächlich auf diese Weise für diese drei speziellen Götter durchgeführt wurden, bleibt eine offene Frage. Wieviel wusste Lukan, der im 1. Jahrhundert unserer Zeit schrieb, über die Gallier, die hundert Jahre vor ihm gelebt hatten? Und wieviel konnten die anonymen Schreiber, die 300 und 800 Jahre später die blutrünstigen Details hinzufügten, über sie wissen? Aber anstatt diese Passage mit ein paar wohlverdienten Fragezeichen versehen zu veröffentlichen, publizierten viele Wissenschaftler und populäre Schriftsteller sie als Lukans Worte und fügten noch diverse Theorien hinzu, betreffend eine Zuordnung zu den Elementen, den sakralen dreifachen Tod und Trinitäten im Allgemeinen.
Göttin der Pferde
Tja, Lukans drei Kumpel sind nicht die einzigen Götter, die von modernen Forschern für pankeltische Gottheiten gehalten wurden. Da ist zum Beispiel noch Epona. Anders als bei den zuvor genannten Göttern ist der Kult der Pferdegöttin Epona (oder Equona) gut dokumentiert. Ihr Name stammt von dem gallischen Wort *epos oder *equos, Pferd, und demonstriert damit ihre Funktion als Göttin der Pferde, der Reiter, der berittenen Kämpfer und der Reisenden. Es existieren über 60 Inschriften mit ihrem Namen und etwa 250 Bilder von ihr. Diese stammen aus verschiedenen Teilen Europas: Eponas wurden von Spanien bis Schottland, vom Balkan bis nach Gallien gefunden, einige sogar in Italien und Rom selbst. Üblicherweise zeigen ihre Kultbilder eine Frau, die ein Pferd oder einen Maulesel reitet oder einen Streitwagen lenkt. Das umfangreiche Material hat einige frühe Forscher zu der Behauptung verleitet, Epona sei eine gemeinkeltische Göttin, bei allen keltischen Völkern Europas bekannt und von ihnen verehrt. Leider liegen die Dinge nicht so einfach, wie sie scheinen. Der Kult Eponas mag im Rheinland entstanden sein (das ist umstritten), er wurde aber von gallischen Söldnern, die Rom dienten, populär gemacht. Denk daran, dass es sich bei den Legionen nicht einfach um bewaffnete Italiener handelte, sondern um eine multinationale Streitmacht, die sich aus Angehörigen aller Teile des Imperiums rekrutierte. Cäsar legte großen Wert auf seine „germanische” Reiterei, als er Gallien eroberte. Gallische Legionäre und Kelten aus dem Rheinland wurden angestellt, um die Kelten Britanniens zu bekämpfen. Legionäre aus Gallien hinterliessen in Miltenberg Widmungen und Altäre für ihren Gott Mercurius Avernicus. Britannische Kelten scheinen mit beim Bau des Limes beschäftigt gewesen zu sein, des römischen Grenzwalls, der sich etwa 600 km durch Deutschland erstreckte. Die Leute, die sich den Legionen anschlossen, kamen in den 25 Jahren ihrer Dienstzeit gut herum. Wo immer sie hingingen, nahmen sie die Götter ihrer Heimat mit. In Zeiten der Gefahr gelobten sie, ihren Göttern einen neuen Altar zu weihen, und wenn die Götter ihnen halfen, wurde ein solcher Altar beim örtlichen Steinmetz in Auftrag gegeben.
Epona wurde zur speziellen Beschützerin der Kavallerie, und wo immer die Kavallerie eingesetzt wurde, findet man zahlreiche ihr geweihte Inschriften. So seltsam es klingt: Epona war eine keltische Göttin, die dank der römischen Armee Karriere machte. Sie hatte in den Legionen mehr Anhänger als in ihrem ursprünglichen Heimatland – wo auch immer das gewesen war.
Rhiannon und die Morrigain
Wer den ersten Zweig vom Mabinogi gelesen hat, kennt sicherlich die erstaunliche Anderswelt-Herrin Rhiannon. Nur um es zusammenzufassen: Nachdem Pwyll ein guter Freund des Herrn der Anderswelt wurde, setzte er sich eines Tages auf einen heiligen Hügel, um dort ein Wunder zu sehen. Schon bald erblickte er eine wunderschöne Frau, die in aller Ruhe unterhalb des Hügels entlang ritt. Pwyll schickte einen Reiter, die Dame anzuhalten, aber so sehr dieser sich mühte, er konnte die lässig trabende Lady nicht einholen. Am nächsten Tag wiederholte sich das Geschehen, obwohl Pwyll sein schnellstes Ross zur Verfügung stellte. Und am dritten Abend ritt Pwyll selbst, doch auch er konnte die Dame nicht einholen. In seiner Verzweiflung rief er: ‘Herrin, für das Wohl des Mannes, den Ihr am meisten liebt, haltet ein‘ ‘Gerne‘, sprach sie, ‘und es wäre besser für Euer Pferd gewesen, hättet Ihr früher darum gebeten‘. So kamen die beiden ins Gespräch, verliebten sich und später, nach diversen Schwierigkeiten, wurden sie ein Paar. Und was ist eine gute Geschichte ohne Schwierigkeiten? Die edle Dame aus der Anderswelt hieß Rhiannon, und wie Du eben sicher bemerkt hast, ist sie, bei aller Ruhe und Gelassenheit, die schnellste Reiterin der Welt. Und dass sie so sehr auf das Wohl von Pwylls Pferd bedacht war, zeigt deutlich, dass ihr Pferde am Herzen liegen. Später in der Geschichte bringt sie ein Kind zur Welt, welches mit einem zur selben Zeit geborenen Fohlen in magischer Verbindung steht. Und noch später wird sie, obwohl unschuldig, für ein Verbrechen bestraft. Wobei ihr als Strafe auferlegt wird, mit einem Sattel auf dem Rücken Gäste vom Hoftor zum Halleneingang zu tragen. Wobei sie ja selber als Pferd fungiert. Bitte lies die Geschichte in Ruhe nach. Als im neunzehnten Jahrhundert die Geschichtsforscher die Hintergründe des mittelalterlichen Mabinogi untersuchten, waren sie vor allem auf der Suche nach keltischen Gottheiten. Nun ist das Mabinogi ein Werk aus einer Zeit, in der das alte Heidentum bestenfalls eine vage Erinnerung war. Keltische Gottheiten, Druiden und dergleichen gab es nur noch, stark vermenschlicht, in Geschichten. Doch die Barden und Bardinnen erzählten weiterhin Geschichten, in denen Zerrbilder alter Wesenheiten erschienen. Diese verfügten oft über andersweltliche Eigenschaften und übernatürliche Kräfte, so dass die Idee nahelag, ihre Urform wäre einst als Gottheit verehrt worden. So lag die Idee nahe, Rhiannon könnte eine Version der guten alten und wohlbekannten Göttin Epona (oder Equona, je nachdem, ob wir sie britisch oder gälisch aussprechen) sein. Doch der Name Epona ist dem von Rhiannon nicht besonders ähnlich, und da keinerlei Mythen von Epona überliefert sind, ist die Verbindung zwischen den beiden schlicht und einfach die Nähe zu Pferden. Der Name Rhiannon hat allerdings, im Gegensatz zum Namen Epona, nichts mit Pferden zu tun. Dafür aber mit zwei anderen Göttinnen. Rhiannon kommt wahrscheinlich vom gallischen Rigani, was Königin bedeutet. Bei Ausgrabungen in Lezoux, Dép. Puy-de-Dome in Frankreich wurde eine Weihinschrift aus dem ersten Jahrhundert unserer Zeit für Rigani und Rosmerta, beides gallische Göttinnen, aufgefunden. Oder, genauso gut möglich, Rigani, also Königin, ist hier als Titel von Rosmerta zu verstehen. Rosmerta ist zumindest ein wenig besser bekannt als Rigani. Sie wurde oft mit Füllhorn und Opferschale dargestellt und war die Gattin eines Gottes, der mit Mercurius gleichgesetzt wurde. Merkur trägt in der antiken Ikonographie oft einen Heroldsstab, und diesen finden wir auch gelegentlich bei Rosmerta. Was nun wirklich nicht viel Information ist. Und dennoch mehr als von Rigani. Vielleicht gab es eine gallische Göttin namens ’Königin‘. Vielleicht war Königin auch einfach nur ein Titel, der beliebigen Göttinnen verliehen werden konnte. Jean-Jacques Hatt war zwar bemüht, Rigani in allerhand keltischen Kunstwerken nachzuweisen, und aus ihr eine Art große, all-keltische Muttergöttin zu machen, aber seine wilden Spekulationen sind nicht sonderlich ernst genommen worden. Denn nachweisbar ist hier praktisch gar nichts. Wir haben also in Rhiannon eine Gestalt, die möglicherweise Königin hieß. Und sie hat mit Pferden zu tun. Nun gibt es in der mittelalterlichen inselkeltischen Mythologie noch eine Göttin, die einen verwandten Namen trägt. Es handelt sich um die Morrigain, auch als Morrigu bekannt. Ihr Name leitet sich von Mo (groß, mächtig) und Rigain (Königin) ab. Oder vielleicht von Mor (Nachtmahr, Alptraum) und Rigain, dann hätten wir es mit der Königin der Alpträume zu tun. Passt beides. Vielleicht hat ’Mor‘ auch mit zermahlen, zermalmen, bzw. Wörtern wie Mörser zu tun. Und wieder stellt sich die Frage, ob es sich um einen Namen oder Titel handelt. Die Morrigain ist auch keine Pferdegöttin. Ihre tierischen Verwandlungen umfassen vor allem Raben, Krähen, Wolf und einen schlangenartigen Riesenaal. Allesamt Tiere, die mit dem Tod und der Anderswelt in Verbindung stehen. In den irischen Mythen erscheint sie nicht als Übermensch, sondern als Schlachtengöttin.
Es war so: Eines Tages ging der Dagda (gute Gott) der Tuatha de Danann in das Tal von Etin. Dort brauste der Fluss Unius. Es war Samhain, der gefährlichste Tag im irischen Kalender, wenn die Tore zwischen den Welten weit offen sind, die Gräber und Hügel sich öffnen, die Geister hervorkommen und so mancher König für seine Vergehen einen frühen Tod fand. Am Fluß traf der Dagda auf eine Frau, die sich wusch. Ihr einer Fuß war in Allod Echae südlich des Wassers, der andere in Loscuinn nördlich des Stroms. Neun aufgelöste Zöpfe hingen von ihrem Haupt. Der Dagda sprach mit ihr, und die beiden vereinigten sich. Danach prophezeite sie für den Dagda, dass die Fomorier schon bald zum Kampfe kämen. Sie trug ihm auf, alle kunstfertigen Menschen zu ihr zur Furt von Unius zu senden. Und sie versprach, nach Scetne zu gehen, um dort Indech, Sohn von Dea Domnann, den König der Formorier zu vernichten. Die Morrigu hielt Wort. Sie zog ihm den Mut aus den Nieren und das Blut aus dem Herz. Als sie zur Furt von Unius zurückkehrte, erwartete sie ein Heer von Kriegern. Sie verspritzte zwei Handvoll des Blutes über den versammelten Truppen, worauf der Ort den Namen Furt der Zerstörung erhielt. Viel später, als die Truppen der de Dananns bereit für die Schlacht waren, versetzte die Morrigain sie in wahnsinnige Kampfesraserei. Und als die Schlacht gewonnen war, zog sie durchs Land und verkündete den Sieg auf den königlichen Berghöhen, bei den Feenhügeln, den wichtigsten Strömen und den Flussmündungen. Erst sang sie ein Lied vom Sieg und dann ein weiteres, in dem sie das Ende der Welt verkündete.
Und ganz ähnlich ist ihr Auftreten in anderen Legenden. Im Rinderraub von Cuailnge (Tain bo Cuailnge) versucht sie, den halbgöttlichen Cuchullainn zu töten (er hatte sich ihren Zorn zugezogen, weil er nicht mit ihr schlafen wollte). Während er gerade in einem Fluß gegen einen Gegner kämpft, erscheint sie in verschiedenen Tiergestalten, um ihn abzulenken, zu verletzen oder unter Wasser zu ziehen. Vor Schlachten wurde sie angerufen, als panische Angst über die Feinde zu kommen, und wenn nach dem Gemetzel die Toten verstreut am Boden lagen, erschien sie als Erste, mit schwarzen Schwingen und rauhem Gekrächz, vom Himmel herab, um sich an Augen und Fleisch zu sättigen. Und im Rinderraub von Regamna fährt sie in einer Kutsche. Ihr Pferd hat nur ein Bein und die Deichsel geht ihm durch den Körper, mit der Halterung an seiner Stirn festgepflockt. Auf dem Wagen sitzt die Göttin, mit roten Augenbrauen und in einem flammend roten Mantel, der zwischen den Rädern zu Boden fällt. Begleitet wird sie hier von einem riesigen Mann in einem roten Umhang, der einen gegabelten Haselstab hält und eine Kuh vor sich hertreibt. So erscheinen die beiden Cuchulainn, wobei der Mann stets schweigt, während die Göttin den Helden verspottet. So behauptet sie, eine Satirikerin (also eine Dichterin) zu sein, die Kuh wäre der Lohn für ein gutes Gedicht, und sie nutzt die schöne Gelegenheit, eine bittere Prophezeiung zu verkünden. Cu, schwer verärgert, versucht sie anzugreifen, doch die Göttin verändert ihre Gestalt, wird zu einem schwarzen Vogel und lässt sich auf einem Ast außer Reichweite nieder. ’Was auch immer du getan hast, wird dir Unglück bringen‘, lacht sie. ’Ich beschütze dein Totenbett, von jetzt an werde ich es bereiten. Diese Kuh habe ich aus dem Feenhügel von Cruachan geholt, damit sie sich mit dem Bullen von Daire mac Fiachna paart, und wenn ihr Kalb noch ein Jährling ist, wird dein Leben sein Ende finden!‘
So. Da haben wir ein Pferd in Begleitung der Morrigain, aber besonders glücklich ist es nicht. Möglicherweise ist es nicht einmal gälisch. Eine derartige Anordnung von Pferd und Wagen wurde von Herodot betreffs des Begräbnisses eines skythischen Fürsten berichtet. Und möglicherweise hat der Autor dieser Story die Idee von Herodot übernommen. Zumal die mittelalterlichen Iren ja überzeugt waren, von den Skythen abzustammen.
Für eine Pferdegöttin reicht so ein Outfit allerdings nicht aus. Die Göttin der Schlachten ist da in eine ganz andere Richtung unterwegs.
Die Morrigain ist aber noch auf andere Weise interessant. Hier haben wir nämlich eine weitere der wenigen keltischen Göttinnen, die von den Dichtern gerne als Dreiergruppe dargestellt wurden. Allerdings nicht in der Jungfrau-Mutter-Greisin Konstellation, die im Wicca so beliebt ist. Statt dessen hat sie zwei (oder drei) Schwestern, Bodb und Macha (und manchmal Nemain), mit denen sie zusammen herumzieht. Manchmal wird der Name Morrigu als Plural für das Trio verwendet. Wobei Macha einen sehr unklaren Hintergrund hat. Sie ist manchmal eine Königstochter, in einer anderen Erzählung, Die Schwäche der Ulstermänner, aber die Frau eines wohlhabenden Bauern. Sie segnet ihn mit Reichtum und hat dann das Pech, gegen die schnellsten Pferde des Königs zum Wettlauf antreten zu müssen. Macha stammt aus einem Feenhügel und ist die schnellste Läuferin der Welt, doch ihr hochschwangerer Bauch behindert sie, so dass sie am Ende des Rennens (siegreich) zusammenbricht und Zwillingen das Leben schenkt. Doch die Anstrengung hat sie ihre Kraft gekostet. Sterbend verflucht sie die Ulstermänner, die sie zu diesem Rennen zwangen. Wann immer Not und Gefahr die Provinz Ulster bedrohen, sind alle Bewohner fünf Tage und Nächte so schwach wie eine Frau im Kindbett. Dass Macha gelegentlich mit der Morrigu in Verbindung steht, scheint eine ganz andere Geschichtstradition zu sein. Und obwohl Macha nun wirklich nicht Königin genannt wird, ist sie doch in dieser Legende mit Pferden verbunden. Was etwas Verwirrung bringt, ist die Tatsache, dass wir eigentlich drei verschiedene Machas in der mittelalterlichen irischen Mythologie haben: Sie sind die Gattinnen von Nemed, Crunnchu und Macha die Rote. Wurden hier drei verschiedenen Legenden vermischt? Hat Macha vom Wettlauf überhaupt etwas mit Macha der Kriegsherrin zu tun? Wie verwirrt waren die mittelalterlichen Dichter über die Gestalten ihrer älteren Mythologie?
Zuletzt noch zu Bodb bzw. Badb. Von ihr wissen wir leider noch weniger. Babd wird manchmal badb Catha, also Schlachtrabe genannt. Sie scheint ausschließlich eine Kriegsgöttin zu sein, die in Krähen- oder Rabengestalt über die Gefallenen herfällt. Vielleicht ist sie eine unerfreuliche Erscheinung, wenn man unversehrte Tote bevorzugt, die bei der Beerdigung noch einigermaßen gut aussehen. Aber wie war das mit den gefallenen Galliern, die den Aaskrähen überlassen wurden, und jenen Keltiberern, die fest glaubten, dass Geier die Leichen der Tapferen in den Himmel tragen? In so einem Weltbild ist eine Krähen- oder Rabengöttin eine segensbringende Gestalt, die eine gute Reise ins Jenseits ermöglicht. Wie die Iren ursprünglich hierüber dachten, ist leider nicht überliefert. Für Badb gibt es ein älteres gallisches Original. Es handelt sich um die Göttin, deren Name in einer Weihinschrift aus Haute-Savoie überliefert ist. Der erste Buchstabe der Inschrift fehlt, mit ziemlicher Sicherheit war es ein C, denn der Rest liest sich (C)athubodva, also Schlachtrabe. Doch auch Badb ist mythologisch keine einfache Gestalt. Manchmal wird sie mit der Schlachtengöttin Nemain identifiziert, der Gattin des Kriegsgottes Net. Und dieser ist in anderen Mythen mit Badb verheiratet. Nemain, Badb und Macha können auch, ganz unter sich, ein Trio der Schlachtengöttinen ausmachen. Ich vermute, dass es ursprünglich in Irland noch mehr kriegerische Göttinnen (und halbgöttliche Kriegerinnen, wie Cuchulainn’s Lehrerin Scathach) gab. Manche Dichter haben halt versucht, sie zu einer Dreiergruppe zusammenzufassen. Übrigens haben wir auch aus Gallien einen Hinweis auf eine Raben- oder Krähengöttin. Es handelt sich um Nantosuelta, deren Name wahrscheinlich Windender Fluss bedeutet. Sie erscheint als Gattin des Gottes Sucelus, dem Guten Schläger, der wiederum starke Ähnlichkeiten mit dem Dagda aufweist. Doch neben dem Aasvogel hat sie noch ein kleines Häuschen als Emblem. Es sieht aus wie ein Taubenhaus auf einer Stange. Ist es ein Haus für Vögel? Wer würde schon Krähen in einem Vogelhäuschen unterbringen. Oder ist die Stange die kosmische Achse? Vielleicht ist es das Heim der Toten, aber vielleicht auch ein ganz anderes Gebäude. Doch was sollen wir verallgemeinern, wenn wir praktisch nur ein paar schlechte Darstellungen im gallo-römischen Stil haben, und alle Mythen längst vergessen wurden.
Lugus
Dann gibt es da noch den gallischen Gott *Lugus-, dessen Kult in einer Vielzahl von Städtenamen nachgewiesen werden kann, darunter Luguvalium (Carlisle) und Lugudunum (die Wurzel von Lyon, Laon und vielleicht Leyden). Eine kelto-iberische Inschrift, in Fels eingeritzt in Penalba de Villastar, Teruel, Spanien, bietet einen rätselhaften Einblick in den Kult des Lugus. Hier ist die Übersetzung von Wolfgang Meid, 1994, der einige Unklarheiten ausgeräumt hat:
Dem Bergbewohner ebenso wie dem …, dem Lugus der Araianer, wir sind zu einer Prozession im Feld gegangen (oder, „wir sind in den Feldern zusammengekommen”). Für den Bergbewohner und den Pferdegott, für Lugus hat das Oberhaupt der Gemeinschaft einen Schutz bereitgestellt.

Frühe Rekonstruktion des Portals des Tempels von Roquepertuse
15 km entfernt von Aix-en-Provence, Frankreich.
Neuere Forschungen zeigen, daß der Abstand zwischen den Pfeilern weiter war, die Schädel nicht nach außen, sondern nach innen in eine Halle zeigten und die Vogelstatue (vollständig rekonstruiert unten auf der Seite) wahrscheinlich nicht oben auf dem Tor platziert war. Mittlere La Tène-Zeit, keltoligurisch.
Das deutet auf zeremonielle Prozessionen hin, einen verbreiteten religiösen Brauch in vielen heidnischen Kulturen, und passt zu Lugus als einem Gott, der mit der Erntezeit und dem Reiten in Verbindung gebracht wird. Der Schutz ist schon etwas rätselhafter – handelte es sich um eine Statue oder ein Idol, das bedeckt oder eingekleidet wurde, oder wurde das Tempeldach erneuert? Die Unklarheiten sind nur zu verständlich, wenn man bedenkt, dass es sich hier um die drittlängste Inschrift in gallo-iberischer Sprache handelt, eine Sprache, die derzeit noch rekonstruiert wird. Lugus war ein populärer Gott bei einer Anzahl von keltischen Völkern, und möglicherweise, so lautet die Hypothese einiger, die Gottheit, die Cäsar als Merkur bezeichnete. Leider wissen wir nichts über Kult, Religion, Riten und Mythologie des Lugus. Um diese peinliche Lücke zu füllen, kam es in Mode, die Mythen des mittelalterlichen Irland und Wales zu bemühen. In Irland finden wir den strahlenden Lug MacEthen, Sohn von Cian und Enkel des Heilgottes Dian Cecht. In der Schlacht zwischen den Tuatha de Danann und den monströsen Fomoriern, die von unter dem Meer stammen, ist es Lug, hell und leuchtend, der wie die strahlende Sonne erscheint und die Horde der Fomorier verzaubert, indem er auf einem Bein um sie herumtanzt, wobei er ein Auge geschlossen hält und schließlich zum Helden des Tages wird, indem er ein magisches Geschoss (einen Ball, der aus Kreide, Gift und den Hirnen erschlagener Feinde besteht) in das einzige Auge des Anführers der Fomorier schiesst (der übrigens zufällig sein anderer Großvater ist). Der irische Lug wird Samildanach (Meister aller Künste) und Lamhfada (mit dem langen Arm) genannt. In irischen Mythen ist er das Urbild des perfekten Regenten. Er ist auch ein geschickter Trickbetrüger, der Erfinder der Reitkunst, der Pferdepeitsche, des Lughnasad-Festes und des heiligen Brettspiels Fidchell, ganz zu schweigen davon, dass er der göttliche Vater von Irlands größtem Helden ist, Cuchulainn. Lugs Gegenstück in den mittelalterlichen britannischen Mythen ist ein weniger eindrucksvoller Charakter. Er tritt auf im 4. Zweig des Mabinogi und in den Liedern Taliesins, unter dem Namen Lleu Llaw Gyffes. Lleu kann man mit „Licht” oder „Löwe” übersetzen, Llaw Gyffes als „geschickte Hand” oder „sicherer Arm”. Trüge er nicht diesen Titel, wären wir uns der Beziehung zwischen ihm und Lug sicher nicht bewusst.
Anders als der irische Lug ist Lleu eine sehr menschliche Gestalt, die von ihrer Mutter Arianrhod verfrüht, unter bizarren rituellen Umständen und sehr gegen ihren Willen geboren wird. Er wird in einem Brutkasten (einer Holzkiste) von seinem Onkel Gwydion, dem berühmten Zauberer, aufgezogen. Sein einziger Anspruch auf Göttlichkeit besteht darin, dass er nach seiner Ermordung nicht stirbt, sondern sich in Gestalt eines Adlers in den Himmel erhebt. Dieser Adler flattert verletzt in die Anderswelt, wo er sich auf einer mächtigen Eiche niederlässt und zu verwesen beginnt. Schließlich wird er von seinem Onkel gefunden und erhält seine menschliche Gestalt zurück. In diesem Zustand konfrontiert er seinen Mörder Goronwy und tötet ihn mit einem Speerwurf, der den Felsen durchdringt, hinter dem sich Goronwy zu verstecken versuchte. Für einen Menschen ist das nicht schlecht, aber für einen Gott reicht es kaum. Wir wissen auch, dass Lleu einer der drei roten Schnitter Britanniens war (Triade 20) und dass sein Grab unter den Wellen des Meeres liegt, wo seine Schande ist: Er war ein Mann, der niemandem Recht gab (BBoC 66). Das ist ein guter Hinweis darauf, dass das Mabinogi nur einen kleinen Teil seiner ursprünglichen Mythologie festgehalten hat, die größtenteils verloren gegangen zu sein scheint. Während der irische Lug Hochkönige einsetzt, bleibt der britannische Lleu ein blasses Trugbild, eine künstliche Figur aus einer Geschichte. Im 19. Jahrhundert kam es in Mode, die mittelalterlichen irischen und walisischen Geschichten für entstelltes Beweismaterial für den Kult des früheren Gottes Lugus zu halten. Das Ärgerliche ist nur, dass die walisischen und die irischen Traditionen zahlreiche Unterschiede aufweisen, und dass beide fast tausend Jahre nach der Verehrung des ursprünglichen Gottes aufgezeichnet wurden. Und, was noch schlimmer ist, die indo-europäische Wurzel *leuk bedeutet „leuchten, scheinen” und kann in Worten wie Licht, Lux, Lumen, luzid und so weiter wiedergefunden werden. Licht ist aber kein Name, sondern ein Attribut, das mit vielen Göttern in Verbindung gebracht wird. Man könnte ebensogut versuchen, Lugus zu rekonstruieren, indem man die Mythen des nordischen Gottes Loki untersucht. Loki ist Blutsbruder Odins, und Odin seinerseits hat eine Menge gemein mit dem irischen Lug. Beide werden mit heiligen Speeren, Raben und Reiten in Verbindung gebracht, und von beiden weiß man, dass sie Könige eingesetzt haben. Was für ein Durcheinander!






