- -
- 100%
- +
Swedenborgianer hatten das Einfließen von mehr Spiritualität in die amerikanische Gesellschaft, Ökonomie und Politik im Blick. Sie erhofften eine allmähliche Reform der irdischen Gesellschaft in Richtung einer himmlischen. Dies sollten ein kontinuierlicher, schrittweiser Prozess sowie mutige Reformen in Bereichen wie Bildung, Ehe und Medizin erreichen. Der Gruppe zufolge sollte sich dies nicht in Gestalt einer revolutionären oder radikalen Veränderung in einem isolierten Bereich vollziehen. Obgleich die Bewegung sich als ganze weniger Aktivitäten, sondern vielmehr dem mündlichen und schriftlichen Diskurs über Reformen verpflichtet sah, „[…] konnte man vor 1860 dennoch einige Swedenborgianer an allen Frontlinien der Reformbewegungen jener Zeit finden.”224
Die damaligen Swedenborgianer standen der Medizin des frühen 19. Jahrhunderts kritisch gegenüber und erkannten deren wichtigste theoretischen und therapeutischen Irrtümer. Die Mainstream-Medizin in jenen Tagen war die sogenannte allopathische Medizin. Sie verfügte über keine einheitliche Theorie der Gesundheit oder einen wirklich vernünftigen Behandlungsansatz. Tatsächlich galten ihre Behandlungsmethoden als nicht hilfreich und sogar gefährlich. Viele Mitglieder der Neuen Kirche waren Ärzte oder Angehörige vergleichbarer Berufe. Doch sie hatten kein schlechtes Gewissen, wenn sie den beklagenswerten Zustand der Medizin in Nordamerika kritisierten. Tatsächlich verließen viele die allopathische Medizin, um Alternativen auszuprobieren, insbesondere die Homöopathie, die bei ihrer Entwicklung in Nordamerika nachhaltig durch Swedenborgianer beeinflusst wurde.225
Eine weniger formelle Form des Swedenborgianismus verbreitete sich auch unter jenen Kirchenfernen, die sich nicht als Teil einer organisierten religiösen Denomination betrachteten, sich aber dennoch nach einer intellektuell ansprechenden Spiritualität sehnten. Swedenborgs Überlegungen, wie die der einander entsprechenden geistigen und natürlichen Wirklichkeitsebenen und die eines liebenden, nicht richtenden Schöpfers, der die Schöpfung nach ihr zugrunde liegenden und verständlichen Gesetzen geschaffen habe, sprach manche an, die auf der Suche nach einer Einheit von Wissenschaft und Geist waren. Swedenborgs Anschauungen durchdrangen die metaphysischen Bewegungen dieser Zeit. Der Historiker Robert C. Fuller schreibt:
„Swedenborgs Einfluss kann in nahezu jeder Philosophie oder Bewegung des 19. Jahrhunderts wahrgenommen worden.” Im selben Abschnitt schließt er: „Der Grund für Swedenborgs Einfluss auf eine derart uneinheitliche Gruppe von Individuen und Sachverhalten ist schlicht, dass seine Schriften eine Vision artikulierten, die unsere wissenschaftlichen und spirituellen Bestrebungen versöhnte.”226
Einige Historiker bemerkten, dass Swedenborg zu einem bedeutenden Symbol der alternativen religiösen Szene wurde. Dies ist ein Beispiel dafür, wie Swedenborg verschiedene Menschen mit sehr unterschiedlichen Interessen ansprach. Obgleich alle Gruppen, die in diesem Kapitel erwähnt wurden, swedenborgianisch geprägt waren, variierten sie von institutionell gebundenen bis hin zu freigeistigen und kirchenfernen Menschen. Die 1840 er und 1850 er wurden deshalb auch als ‚swedenborgianische Renaissance in den Vereinigten Staaten’ bezeichnet.227
Es ist allerdings wahrscheinlich, dass die Tiefe im Verständnis für Swedenborgs Gedanken stark variierte. Weil der genuine Swedenborgianismus eine komplexe Theorie darstellt, die viele Anschauungen in sich einschließt, wurde sie nicht immer vollständig rezipiert. Häufig sprachen bestimmte Aspekte einzelne Menschen mehr an als andere. Viele Gruppen gebrauchten Swedenborgs Anschauungen auf verschiedene Weise, obschon sie alle in seinen Werken eine gemeinsame Basis fanden.228
Die 1840 er waren eine Zeit neuer Ideen und philosophischer sowie metaphysischer Bewegungen. Drei der bedeutendsten waren der Mesmerismus, der Transzendentalismus und der Swedenborgianismus. Die swedenborgianischen Ideen wurden sehr populär und innerhalb wie außerhalb der institutionalisierten swedenborgianischen Kirchen verbreitet. Viele von Swedenborgs Gedanken wurden durch den Transzendentalismus einbezogen und popularisiert. Mehr noch aber wurden sie durch eine folgende, noch größere metaphysische Bewegung transportiert, die auf einer Mischung aus Magnetismus und Swedenborgianismus beruhte und die 1850ern dominieren sollte: den Spiritismus. Wie es Whitney Cross bereits formulierte:
„Der Mesmerismus führte zum Swedenborgianismus – und der Swedenborgianismus zum Spiritismus.” 229
9. DIE BEWEGUNG DER NEUEN ÄRA
Seit Jahrtausenden wurden Versuche unternommen, Kontakt mit den Geistern der Verstorbenen aufzunehmen. Die Neue Kirche war empfänglich für dieses Thema, denn eine Gruppe früher Swedenborgianer in Schweden hatte in den 1780ern bestimmte Anstrengungen in diese Richtung unternommen und stand im Kontakt zu den frühen Nachfolgern Mesmers in Kontinentaleuropa. Doch sie versiegte schnell, weil sie keine andauernden Wirkungen auf die swedenborgianischen Bewegungen ausüben konnte, wenn man von dem Rest an Empfänglichkeit absieht, der mit Blick auf die unerwünschten Praxis des Kontakts mit Geisterwesen in der Neuen Kirche zurückblieb. Dieser war unerwünscht, da Swedenborg in seinen theologischen Schriften sehr deutlich geäußert hatte, dass jeder Versuch von anderen, Kontakt mit der Geisterwelt aufzunehmen, nur zu Störung und Verwirrung führen werde. Er erklärte, dass er selbst vom Herrn besonders darauf vorbereitet worden sei, als Botschafter der Wahrheit zu dienen – eine singuläre Rolle. Er durfte gleichzeitig sowohl in der geistigen wie in der natürlichen Welt sein. Swedenborg stellte fest, dass er nur dasjenige berichtet habe, was der Herr abgesegnet habe, und dass er es vermeide, dasjenige zu schreiben, was von ihm selbst oder Geisterwesen komme. Er schrieb ferner, dass der Kontakt mit Geisterwesen möglich sei, doch ein gewollter Kontakt könne nur mit missgünstigen Geisterwesen stattfinden, welche die Individuen nur darin täuschen würden, sie seien vom Heiligen Geist erfüllt oder erführen große Wahrheiten – was dann aber gar nicht der Fall sei. Swedenborg untersagte es, in absichtsvoll geplanten Versuchen Kontakt mit den Geistern aufzunehmen.230
Bis in die1840 er hatten spiritistische Bestrebungen, Kontakt mit den Geistern Verstorbener aufzunehmen, innerhalb der Neuen Kirche keine Schwierigkeiten verursacht. Das änderte sich mit einer kleinen, aber bedeutenden Splittergruppe: der Bewegung des Neuen Ära. Sie nahm ihren Ausgang 1844 mit Samuel H. Worcester in New York City. Tatsächlich waren die Ereignisse, die hierzu führten, in den 1830ern von seinem Vater Samuel Worcester, der aus einer Bostoner Geistlichenfamilie stammte, innerhalb der Neuen Kirche in Bewegung gesetzt worden. Samuel Worcester der Ältere hatte Boston in den 1820ern verlassen und wurde Geistlicher in Brigdewater, Massachusetts. 1835 starb seine Tochter Anna mit 17 Jahren. Kurz darauf hatte seine Ehefrau eine Erfahrung, in der sie den Geist ihrer Tochter sah, wie er friedlich ruhte. Samuel Worcester erfuhr zudem zwischen 1835 und seinem Tod im Jahr 1844 eigene Offenbarungen mit Geisterkontakt. Er hielt diese bis wenige Monate vor seinem Tod geheim, als er einen Brief an die Neue Kirche schrieb, in welchem er verkündete, er habe nicht nur mit Geisterwesen kommuniziert, sondern auch Kontakt mit dem Geist Swedenborgs aufgenommen und ebenso zu anderen aus der Neuen Kirche. Und er werde als Swedenborgs Vertreter auf Erden dienen, um Offenbarungen zu übermitteln und das Kommen einer ‚Neuen Ära’ zu proklamieren. Sein Sohn Samuel H. Worcester veröffentlichte diese Texte seines Vaters bald nach dessen Tod 1844.231
Samuel H. Worcester behauptete, in die Fußspuren seines Vaters zu treten, und bildete umgehend eine Gruppe sympathisierender Swedenborgianer in New York City, die sich als ‚Bewegung der Neuen Ära’ bezeichnete. Er behauptete, Swedenborg selbst habe ihn zum Nachfolger seines Vaters als Priester ordiniert. Seine Aufzeichnungen über Geisterkommunikationen zeigen, dass er sich nur mit frühen Vertretern der Neuen Kirche und mit Swedenborg selbst unterhielt. In der kleinen Gruppe befanden sich seine Mutter, seine Schwester, Silas Jones sowie Mr. und Mrs. Douglas.232
Die Bewegung der Neuen Ära bestand also aus Swedenborgianern, die behaupteten, direkten Zugang zu Swedenborg, zum Herrn und zu spiritueller Wahrheit zu besitzen. Sie missbilligten die ‚bloße menschliche Ordination’, was konsequenterweise zum unmittelbaren Bruch mit der etablierten Neuen Kirche führte. John Douglas stritt heftig mit dem Pastor der New Yorker Gemeinschaft, Benjamin F. Barrett, und wurde schließlich aus dieser ausgeschlossen.233
Silas Jones hatte zuvor über Phrenologie und dann über Mesmerismus vorgetragen. Er war aktiver Swedenborgianer in der New Yorker Gemeinschaft geworden, und er repräsentierte einen derjenigen Neulinge in der Neuen Kirche mit mesmerischem Hintergrund, bei denen es wahrscheinlicher war, dass sie Kontakt mit Geistern pflegten. Er unterstützte Douglas während seiner Konfrontation mit Barrett und fuhr darin fort, dessen systematische Lehren über die Bewegung der Neuen Ära in den späten 1840ern fortzusetzen, wobei er öffentlich die Lehren der Neuen Ära verteidigte und die institutionelle Neue Kirche scharf angriff. 1850 wurde er durch einen Geistlichen seinerseits als Geistlicher der Neuen Kirche ordiniert, was aber von der New Yorker Gemeinschaft oder der Generalversammlung der Neuen Kirche nicht anerkannt wurde.
Jones suchte eindeutig die Herausforderung der Neuen Kirche durch die Bewegung der Neuen Ära. Dies sollte als ein Mittel zur Reform und zur Vitalisierung der Neuen Kirche dienen und ihren Geistlichen helfen, göttliche Inspiration und Ordination zu finden. Die Gruppe der Neuen Ära förderte aktiv Kommunikation mit Geisterwesen innerhalb des swedenborgianischen Kontextes als ein Mittel für geistiges Wachstum. Sie gaben zu, dass dabei ein Risiko bestehe, aber sie gingen auch davon aus, dass sie gute Geister an deren ordnungsgemäßem Verhalten und ihrer Übereinstimmung mit Swedenborgs Schriften erkennen könnten.234
Jones und die Anhänger der Neuen Ära erzürnten die etablierte Neue Kirche insbesondere mit ihren Behauptungen, diese neue Wahrheit exklusiv zu kennen. Sie erinnerten sie dabei an die Bibelchristen, die vor zwei Jahrzehnten in Manchester, England, entstanden und nach Philadelphia ausgewandert waren. Die Einstellung der institutionellen Neuen Kirche lautete: Obgleich der Geisterkontakt möglich ist, etwa während einer mesmerischen Trance in einem anormalen psychischen Zustand, so ist er dennoch nicht nützlich oder wünschenswert. Dies führe ausschließlich gefährliche oder irreführende Ergebnisse herbei.235
Es gab viele der Neuen Ära vergleichbare Aktivitäten innerhalb der Neuen Kirche, insbesondere in Michigan unter der Führung von Henry Weller. Er veröffentlichte die Zeitschrift The Crisis, welche die Sache der Neuen Ära ab 1852 unterstützte. Die Zeitschrift wurde von 1852 bis 1865 publiziert, anschließend in New Church Independent umbenannt und bis zu seinem Tod 1868 von Weller geleitet.
Mit den 1860ern dünnte sich die Bewegung der Neuen Ära aus. 1850 hatte Samuel H. Worcester die Bewegung verlassen und war zur Neuen Kirche zurückgekehrt, in der er ein anerkannter ordinierter Geistlicher werden sollte. Bald folgten weitere seinem Beispiel. Viele, die an dieser kleinen, aber bedeutenden Bewegung beteiligt waren, schlossen sich wieder dem Hauptstrom der Neuen Kirche an, wobei einige, die das nicht taten, ausgeschlossen wurden. Auch wenn sie Teil einer eklektischen Gruppe waren, teilten diese Individuen gemeinsame Eigenschaften, die in der Tradition der swedenborgianischen Neuen Kirche wurzelten. Sie betonten die innere Kommunikation mit der Welt der Geisterwesen und spielten die äußeren Probleme, welche die Nicht-Swedenborgianer aufregten, herunter. Ihre Wirkung auf die Neue Kirche als Ganze bestand darin, dass jede Veränderung oder Wiedereinführung im Sinne spiritistischer Tendenzen zurückgewiesen wurde.236
Die Bewegung der Neuen Ära war aber nicht nur wegen ihrer Wirkung auf die etablierte Neue Kirche von Bedeutung, sondern auch aufgrund der Interaktion ihrer Mitglieder mit der frühen spiritistischen Bewegung. Dies wird noch an einer späteren Stelle in diesem Buch untersucht.
10. DER MESMERISMUS, DIE NEUE KIRCHE, GEORGE BUSH UND DER JUNGE ANDREW JACKSON DAVIS
Der Mesmerismus hatte eine bedeutende Wirkung auf die Neue Kirche. Obgleich es bereits in den frühen 1830ern einiges Interesse am animalischen Magnetismus gab, so wuchs dieses gegen Ende der 1830 er noch erheblich an. Artikel in der Zeitschrift der Neuen Kirche, dem New Jerusalem Magazine, in den frühen 1830ern erörterten das magnetische Heilen und legten verschiedene Meinungen über das Thema in der Kirche dar. Einige betrachteten das System des magnetischen Heilens als das erste, welches mit Swedenborgs Lehren harmoniere, und verbanden damit den Gedanken der geistigen Verursachung von Krankheit. Andere Mitglieder der Neuen Kirche waren damit nicht einverstanden, da der Mesmerismus deutlich in der Gefahr gesehen wurde, den Kontakt zu bösen Geistern zu ermöglichen – und dies müsse vermieden werden. Unabhängig davon wuchs die Neue Kirche in den späten 1840ern mit der wachsenden Popularität des Mesmerismus im Land.237
Einige von jenen, die von reisenden magnetischen Heilern hypnotisiert worden waren, suchten nach einer Erklärung der erfahrenen Phänomene und glaubten, sie fänden sie in den Schriften Swedenborgs. Es war nirgends eine attraktivere und verständlichere christliche Darlegung dafür zu finden als eben in diesen Schriften. So trug der Mesmerismus beachtlich zur Ausbreitung der Neuen Kirche in den späten 1830ern und in den 1840ern bei. Die einflussreichste Person, die Verbindungen zwischen Swedenborgianern und Mesmerismus entfaltete, war der bereits mehrfach erwähnte Professor George Bush.238
Bush wurde im Juni 1796 in Norwich, Vermont geboren. Trotz des Todes seines Vaters, als Bush vier Jahre alt war, überstand er dies gut und erlangte sogar eine beachtliche Ausbildung. 1818 schloss er seine akademische Ausbildung an der Alma Mater seines Vaters, dem Dartmouth College, ab und studierte in Princeton, um presbyterianischer Geistlicher zu werden. Nach seiner Ordination wurde er 1824 als Missionar nach Indiana gesandt, wo er drei Jahre lang arbeitete, dazu heiratete und Vater eines Sohnes wurde. Unglücklicherweise starb 1827 seine Frau und er entschloss sich, nach New York zu ziehen, auch weil er dort seinen intellektuellen Neigungen besser nachgehen konnte. In New York heiratete er erneut, Mary Fisher, und bekam bald darauf zwei weitere Söhne und eine Tochter. Er wurde zudem an der heutigen New York University Professor für Hebräisch und orientalische Literatur. In intellektuellen presbyterianischen Kreisen kannte man ihn gut, denn er verfasste verschiedene Bücher und eine Kommentarreihe zum Alten Testament, die ihm einigen Respekt als Hebraist einbrachten. Darüber hinaus strebte er aber auch nach internationaler Anerkennung als Religionswissenschaftler. (George Bush war im Übrigen der Bruder von Timothy Bush, dem Urgroßvater des ehemaligen Präsidenten George H. W. Bush.)239
Während seiner Zeit in Indiana, befand Bush sich im Streit mit der presbyterianischen Orthodoxie über die Form der Kirchenleitung. Er war nicht der Meinung, dass jede Kirchenleitung beanspruchen könne, die einzige auf der Schrift beruhende Instanz zu sein, setzte seine unabhängigen intellektuellen Forschungen fort und tauchte in die Gedankenströme New York Citys jener Tage ein. In den frühen 1840ern schrieb er kritische Arbeiten über die presbyterianische Auffassung der Auferweckung Christi, 1845 erklärte er offen seine Wertschätzung für die Schriften Swedenborgs und verkündete seinen Austritt aus der presbyterianischen Kirche sowie seine Entscheidung, sich der Neuen Kirche anzuschließen.240
Bushs Entscheidung, sich der Neuen Kirche anzuschließen wirkte auf die intellektuelle Gemeinschaft New Yorks und andernorts wie ein Schock. Sie führte sogar zu einer Gegenbewegung seitens der protestantischen Gemeinschaft, welche sich gegen die Neue Kirche richtete. Wenn ein Wissenschaftler und Geistlicher von solcher Reputation sich dieser kleinen Gruppe anschloss, schien das eine Bedrohung für die anderen Kirchen der Gegend darzustellen.
Trotz finanzieller Probleme, die dadurch entstanden, dass die Verleger seiner früheren Bücher die Tantiemen nicht mehr zahlten, begann Bush ohne Zögern für das kleinere, aber sehr anspruchsvolle Publikum der Neuen Kirche zu schreiben. Er lehrte weiter an der Universität, bis er diese 1847 verließ, um erneut zu studieren, damit er Geistlicher der Neuen Kirche werden konnte. 1848 wurde er schließlich ordiniert und seine erste Pastorenstelle befand sich in einer New Yorker Gemeinschaft, wo es u. a. zur Begegnung mit der Bewegung der Neuen Ära kam. Seit 1845 war er weitreichend aktiv; er besuchte Boston und trug dort vor, wobei er dortige Mitglieder der Neuen Kirche wie Sampson Reed beeindruckte. Zudem übersetzte er Teile von Swedenborgs wissenschaftlichen und religiösen Werken.241
Diese Sympathien wurden jedoch belastet, als die Bostoner Swedenborgianer erkannten, dass Bush am Mesmerismus interessiert war und plante, ein Buch über Mesmerismus und Swedenborgianismus zu schreiben. Obgleich er ein brennender Swedenborgianer war und die Neue Kirche im Allgemeinen unterstützte, war Bush durch und durch ein Freigeist. Er behielt seine kritische Position gegenüber jeder Kirchenleitung und akzeptierte Ideen und Bewegungen außerhalb der Kirche wie den Magnetismus. Bush befürwortete mit dieser Haltung die Bewegung der Neuen Ära zwar nicht, doch er tolerierte sie und war bestrebt, sie nicht entschieden zu unterdrücken.242
Wie bereits erwähnt war er bereits vor seiner Ordination 1848 innerhalb der Neuen Kirche sehr aktiv gewesen. Als er die Pastorenstelle in New York antrat, war er tatsächlich eine der umstrittensten Figuren in der Geschichte der Neuen Kirche. Unglücklicherweise hatte er viele Anführer der Neuen Kirche sowie andere freie Geister dieser Zeit befremdet. Gleichzeitig jedoch gewann er zahlreiche Unterstützer in der Neuen Kirche, die auch Interesse am Mesmerismus hatten und brachte wieder andere über ihr Interesse am Magnetismus auf den Weg in die swedenborgianische Gemeinde. 1845 bildete er eine Gruppe interessierter Menschen aus dem Einzugsgebiet um und in New York City, die mit ihm sympathisierten, da er eine ‚amerikanische Formulierung’ und ein entsprechendes Verständnis des Swedenborgianismus darlegte. Bush führte wahrscheinlich mehr Menschen als jeder andere in die Neue Kirche.243
Obgleich die Namen der Beteiligten an George Bushs Gruppe nicht bekannt sind, geht man davon aus, dass er die Gruppe auch anführte. Man weiß, dass er in jener Zeit Vorträge von Davis besuchte, an denen auch Thomas Lake Harris und Woodbury Fernald teilnahmen.244
Im Januar 1847 veröffentlichte Bush sein Buch Mesmer and Swedenborg: or the Relation of the Developments of Mesmerism to the Doctrines and Disclosures of Swedenborg. Dabei handelte es sich um eine wissenschaftliche Verteidigung seiner Überzeugungen vor dem Hintergrund, dass sie durch jüngste wissenschaftliche Entdeckungen verifiziert worden seien. Bush erkannte die Autorität der Schriften Swedenborgs als fraglos an. Gleichwohl sah er viele Parallelen zwischen Swedenborgs Erfahrungen und den Phänomenen des Mesmerismus. Er erkannte darin „[…] ein neues Kapitel in der Philosophie der mentalen Phänomene und der Beziehung des Menschen zur höheren Sphäre.” Er betrachtete den Mesmerismus als Beleg, welcher Swedenborgs Paradigmen von Körper und Seele bzw. des natürlichen und des geistigen Aspekts unterstützten. Das Buch ermutigte viele Menschen, die am Mesmerismus interessiert waren, den Swedenborgianismus zu erforschen und einige wurden dadurch zu aktiven Mitgliedern der Neuen Kirche.245
Bush argumentierte, dass bei faktischer Richtigkeit der Behauptungen des Mesmerismus damit Swedenborgs Schriften bestätigt seien, das Gegenteil allerdings nicht zuträfe. Erwiese sich der Mesmerismus als falsch, sei die Validität der Schriften Swedenborgs davon nicht betroffen. Bush bemerkte, dass 10.000 konträre Berichte von Hellsichtigen nicht ein Jota seines Vertrauens in die Schriften Swedenborgs erschüttern würden. Er anerkannte auch Swedenborgs Warnungen vor dem Kontakt mit Geisterwesen, der zur Kommunikation mit missgünstigen, tückischen Geisterwesen führen könne, und war der Ansicht, dass Swedenborgs Rang weit über dem des Mesmerismus liege; daher könne nur er den geistlichen Sinn des Wortes enthüllen. Doch da Swedenborg ähnliche Phänomene wie diejenigen magnetisierter Hellsichtiger beschrieben habe, scheine der Mesmerismus Swedenborgs Anschauungen wieder zu erneuern. Bush erschien es daher möglich, dass im großen Entwurf aller Dinge eine der Vorsehung entsprechende Entwicklung des Mesmerismus dazu dienen werde, den Weg für eine universale Anerkennung der Behauptungen Swedenborgs zu bahnen.
Mesmer and Swedenborg provozierte unterschiedlichste Reaktionen in der Neuen Kirche, die zwischen Unterstützung und heftiger negativer Kritik schwankten. Das Buch erreichte auch ein breites Publikum jenseits der Neuen Kirche und diente so als Zugangspunkt für diejenigen, welche die Ideen Swedenborgs erforschen wollten.246
Bush fügte Mesmer and Swedenborg einen Anhang A bei. Dabei handelte sich um eine längere Schilderung eines Mesmeristen namens Andrew Jackson Davis, der Bush zuvor beeindruckt hatte. Bush glaubte aufrichtig an die Authentizität dieses jungen Manns. Durch die Erwähnung in seinem Buch führte Bush diesen jungen Magnetiseur beim intellektuellen Publikum ein. So verschaffte er ihm einiges an Reputation, Unterstützung und Präsenz, die dieser sonst nicht gehabt hätte. Es ergibt sich von selbst, dass Davis und ebenso seine Bekannten viel Zeit mit Professor Bush verbrachten.247
Andrew Jackson Davis wurde 1826 in Bloomington Groove, New York, als Sohn eines ungebildeten Farmers, Webers und Schuhmachers geboren. Er wuchs in gestörten Familienverhältnissen auf, der Vater war starker Trinker und bezahlte seine Rechnungen nicht. Als die unvermeidbaren Probleme unüberwindlich wurden, zog die Familie um und begann woanders von Neuem. Davis behauptete, dass er in der Familie wenig formale Bildung erhalten habe, weil sie, bis er sich mit 13 Jahren von ihr abwandte, fünfmal umgezogen wären. Dann ging er bei einem anderen Schuhmacher in die Lehre und besuchte presbyterianische und später methodistische Kirchen, die ihn aber nicht zufrieden stellten. Als er älter wurde, neigte er dem Universalismus zu, doch auch mit dessen Theologie war er nicht ganz einverstanden.248
1843 änderte sich sein Leben, als er im Alter von 17 Jahren dem bekannten reisenden Mesmeristen J. Stanley Grimes begegnete, der durch seine Heimatstadt Poughkeepsie kam, Vorträge hielt und animalischen Magnetismus demonstrierte. Davis war davon fasziniert. Als Grimes wieder weitergezogen war, verbrachte er über ein Jahr bei einem örtlichen Schneider, der ihn magnetisierte und in Trance versetzte. Als er sich im magnetischen Zustand befand, stellte Davis fest, dass er über Fähigkeiten zu Telepathie, Hellsichtigkeit und Geistreisen verfügte. Und er war der Überzeugung, ein fachkundiger Mesmerist zu sein. Davis experimentierte mit Levingstone, um seine Fähigkeiten zu verbessern, ehe er eine neue Berufslaufbahn als professioneller Magnetist einschlug. Er mietete sich bei anderen Mesmeristen ein, reiste durch Neuengland und stellte seine neu entdeckten mentalen Kräfte vor. Er gewann einige Reputation als magnetischer Heiler und diagnostizierte eine Reihe von Krankheiten und verschrieb passende Heilverfahren, womit er viele Menschen nach Poughkeepsie anzog.249
Nachdem er als professioneller Magnetist und magnetischer Heiler umher gereist war, behauptete Davis, er habe einen Wandel durchschritten und nun Zugang zu höheren Ebenen der geistigen Realität, welche größere Einsichten gewähre, um zu echter Wahrheit zu gelangen. Er behauptete zudem, er könne das alles unabhängig vom Mesmerismus erreichen. Er sei fähig, sich selbst in Trance zu versetzen und in diesem Zustand vorzutragen. Davis beschrieb dies mit Begriffen der ‚Korrespondenz’ und des ‚Einströmens’. Er sagte, dass er zwei Geistern begegnet sei, als er zum ersten Mal in diesen Zustand geraten sei. Diese hätten ihm Aufträge gegeben, wie er sein weiteres Leben gestalten solle. Der erste sei der Geist Galens gewesen, der ihm einen magischen Stab gereicht und ihn mit der Geistheilung beauftragt habe. Dies bezog Davis in sein magnetisches Heilen ein.