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Drei Tage später kehrte Swedenborg zum Hof zurück und ersuchte um eine Audienz bei der Königin. Er wurde zur Königin geführt und bat darum, mit ihr alleine zu sein. Sie antwortete, was er auch zu sagen habe, könne vor allen gesagt werden. Swedenborg antwortete, dass diese Botschaft ausschließlich für ihre Ohren bestimmt sei. Sie stimmte zu und sie gingen in einen anderen Bereich, obgleich sie noch von einem Eingang aus von einigen Mitgliedern des Hofes, darunter Graf Scheffer, beobachtet wurden: Sie wurde blass, als sie die Botschaft hörte, und trat zurück, als ob sie ohnmächtig würde und sagte: „Das kann nur mein Bruder gesagt haben!” Swedenborg hielt die Botschaft geheim und erzählte auch den Adeligen nichts, die bei ihm in den nächsten Wochen nachfragten und den Inhalt jener Botschaft erfahren wollten, die eine derartige Wirkung auf die Königin entfalten konnte. Dieser Sachverhalt wurde sorgfältig durch den früheren Premierminister Carl Gustof Tessin dokumentiert, der sich vier Jahre zuvor von diesem Posten zurückgezogen hatte. Dieses Ereignis und die Berichte über das Stockholmer Feuer sowie den verlorenen Beleg wurden später von Immanuel Kant untersucht und verifiziert. Kant schilderte dies auch 1763 in einem Brief an Charlotte von Knobloch.106
In den frühen 1760ern war Swedenborg sehr mit theologischen Arbeiten beschäftigt. Obgleich er seine Bibelexegese fortsetzte, konzentrierte er sich stärker auf thematische und systematische theologische Studien, die jedoch stets seine spirituellen Erfahrungen mit einschlossen. Er schrieb auf der Bibel beruhende Arbeiten insbesondere über das Buch der Offenbarung des Johannes, ebenso aber thematische Schriften wie Die göttliche Liebe und Weisheit oder Die göttliche Vorhersehung. In beiden Werken arbeitete er die einzigartige Rolle der Menschheit in der Antwort auf Gottes Liebe weiter aus. Demnach bestehe der Zweck der Schöpfung darin, einen Himmel für den Menschen zu bieten. Hierin betrachtete Swedenborg die Menschheit als durch Seele, Mentales und Körper charakterisiert. Ebenso legte er Wert auf die Bedeutung des geistigen Wachsens, welches auf freiem Willen während der gesamten Lebenszeit beruhe. Er bezeichnete dieses geistige Wachsen auch als ‚Regeneration’. Swedenborg hatte bereits den Ort unserer Erde im Universum und das Verhältnis zwischen unserer natürlichen Existenz und der zugleich existierenden geistigen Wirklichkeit beschrieben. Interessanterweise blieb er trotz der Konzentration auf höchst unterschiedliche Themen in den Arcana Coelestia inhaltlich konsistent.107
Während dieser Zeit verbreitete sich auch das Wissen darum, wer diese Bücher schrieb und Swedenborg wurde mit seinen theologischen Schriften weithin bekannt. Die Rezensionen schwankten zwischen begeisterter Unterstützung und Erklärungen, er müsse verrückt sein. Swedenborg ignorierte die Rezensionen und betrieb seine Mission unbeirrt weiter, den inneren Sinn des Wortes zu offenbaren und zu veröffentlichten.108
Ebenfalls interessant ist, dass Swedenborg während dieser Jahre gesellschaftlich sehr engagiert blieb. Wie bereits erwähnt hatte er viele Besucher in seinem Haus und seinen Gärten. Er wurde oft von Freunden und Bekannten zum Essen eingeladen – sowohl in Stockholm als auch auf Reisen. Er mochte insbesondere die Interaktion mit intelligenten Männern und Frauen. Es finden sich viele Beschreibungen von ihm, die alle darin übereinstimmen, dass er sogar im fortgeschrittenen Alter rüstig, geschmeidig und energiegeladen, mit einem Blitzen in seinen blauen Augen aufgetreten sei. Gewöhnlich ordentlich bekleidet mit einem schwarzen, weiß gefütterten Samtanzug, trug er stets ein Schwert mit silbernem Griff und einen Gehstock bei sich. Er wurde oft als sanft sprechend und intellektuell beschrieben, doch sehr bemüht darin, seine Ideen zu entwickeln und mitzuteilen . Er war freundlich zu Kindern und brachte Süßigkeiten für die Kinder der Familien mit, die er besuchte. Er war sehr unabhängig und führte ein schlichtes Leben ohne viel Unterstützung, obgleich er einen Gärtner und eine Haushälterin beschäftigte. Er hatte Umgang mit allen Ebenen der Gesellschaft, mit Leichtigkeit gegenüber Grafen und Königen wie gegenüber einfachen Menschen und Handelsleuten. In einer Quelle wird er als
„[…] stets mit sich und seinen Lebensumständen zufrieden […]” beschrieben. „Er verbrachte ein Leben, das in jeder Hinsicht glücklich war, nein, glücklich im allerhöchsten Grad.”
Sogar die Kritiker seiner Anschauungen, sofern sie ihn trafen, sprachen vorteilhaft von seiner Person.109
Obgleich die große Mehrheit von Swedenborgs späteren Schriften theologischen Charakters war, schrieb er doch gelegentlich auch über säkulare Themen und zeigte so seine fortgesetzte Anteilnahme an den Angelegenheiten seines Landes. Tatsächlich verfasste er beispielsweise noch im Jahr 1771 einen 50-seitigen Essay über Fragen der schwedischen Währung und der Finanzen für die Adelskammer.110
Gegen Ende der 1760 er wandte sich Swedenborgs Aufmerksamkeit dem Thema des spirituellen Aspekts der Ehe zu und er schrieb ein Buch über Liebe in der Ehe. Es ging ihm dabei um die wahrhafte, ‚conjugale’ Liebe in der Ehe, die er von der physischen Liebe abzugrenzen suchte. Diese wahrhafte Liebe zwischen Ehemann und Ehefrau (die seines Erachtens zu seiner Zeit nicht üblich war) setze sich nach dem Tod im nächsten Leben in die Ewigkeit fort. Swedenborg lehrte, dass dies für jedermann erreichbar sei, wenn nicht in diesem Leben, sodann im nächsten. Er veröffentlichte das Buch 1768 in Amsterdam im Alter von 80 Jahren. Es handelte sich um das erste theologische Buch, das er unter seinem richtigen Namen veröffentlichte. Auf dessen Rückseite veröffentlichte Swedenborg außerdem eine Liste seiner früheren theologischen Bücher. Diese formelle Enthüllung sollte zu Hause in Schweden zu Ärger führen.111
Swedenborg publizierte zeit seines Lebens zahlreiche theologische Bücher. Er hatte Schüler und interessierte Leser innerhalb wie außerhalb Schwedens. Oft sandte er Exemplare seiner neu veröffentlichten Bücher an Bischöfe, Kirchenführer und Universitäten in ganz Europa. Mit der Zeit nahm auch das lutherische Establishment Schwedens Notiz von Swedenborg. Die Jahre 1768/1769 verbrachte er überwiegend in Europa, wo er an seinem nächsten großen Werk Die wahre christliche Religion arbeitete und außerdem die Liebe in der Ehe veröffentlichte.112
Obgleich nun nicht mehr anonym, waren seine Werke doch in Latein geschrieben und daher größtenteils nur in gebildeten, Lateinisch sprechenden Kreisen bekannt. Gleichwohl hatten zwei von Swedenborgs schwedischen Unterstützern, Dr. Gabriel Andersson Beyer und Dr. Johan Rosen, beide aus Göteborg, Bücher in schwedischer Sprache geschrieben, um seine Ansichten zu verbreiten. Swedenborgs Ideen wurden dadurch öffentlich rascher bekannt, insbesondere in Schweden.113
Im Anschluss an seine zehnte Europareise kam Swedenborg 1769 nach Stockholm zurück und musste feststellen, dass Dr. Beyer und Dr. Rosen der Häresie beschuldigt wurden, weil sie öffentlich seine Theologie förderten. Swedenborgs Schriften umfassten Kritik sowohl an der protestantischen wie an der katholischen Theologie, darunter zu Lehrfragen wie der Natur Gottes, der Erlösung und zu wesentlichen Fragen des Glaubens bei anderen Individuen. Der Angriff gegen Swedenborgs theologische Schriften und Anschauungen wurde vom lutherischen Bischof Erik Lamberg und von Dekan Olof Ekebom geführt, die an das Göteborger Konsistorium appellierten, Swedenborgs Werke als häretisch und Beyer und Rosen als Häretiker zu verdammen. Die Angreifer gingen sehr weit in ihren Forderungen. Swedenborg machte seinen beiden Unterstützern ruhige Versicherungen, dass alles gut werden würde.114
Mit zunehmender Hitzigkeit der Angelegenheit wurde deutlich, dass Bischof Lamberg und das Göteborger Konsistorium Dr. Beyer und Dr. Rosen zensieren, sie aus ihren Arbeitsstellen entfernen und alle Exemplare von Swedenborgs theologischen Schriften in Schweden konfiszieren lassen wollten. Es sah so aus, als sollten die beiden zu Märtyrern werden. Sogar Swedenborg fühlte sich durch die öffentlichen Schikanen und den Aufruhr bedroht, den der Bischof anfachte. Er schrieb eine Petition direkt an König Adolf Friedrich und erbat den Schutz seiner Majestät für sich sowie für Beyer und Rosen. In dieser Petition erinnerte Swedenborg daran, dass er immer offen und vollkommen ehrlich in Bezug auf seine Anschauungen gewesen sei sowie gemeinsam mit dem König und der Königin gespeist und mit ihnen seine theologischen Anschauungen detailliert erörtert habe. Swedenborg schrieb ebenso an die Universitäten von Uppsala, Lund und Abo. Der König beurteilte seinen Fall günstig. Im Dezember 1771 ordnete der Königliche Rat an, dass Swedenborg und seine Unterstützer gnädig und ohne Verwerfung behandelt werden sollten. Sie urteilten sogar: „Es gibt vieles, was in Swedenborgs Schriften gut und nützlich ist.” Der Fall wurde schließlich fallen gelassen und Dr. Beyer sowie Dr. Rosen konnten ihre Positionen behalten. Swedenborgs Ansichten verbreiteten sich daraufhin besonders im Umland Göteborgs, v.a. in Västergötland.115
Swedenborg schloss sein Werk Die wahre christliche Religion ab, das er teilweise als Antwort auf seine orthodoxen lutherischen Kritiker schrieb. In diesem Buch sprach er insbesondere Themen der lutherischen Theologie an und forderte ein Neudenken der orthodoxen Glaubensüberzeugungen, was diesen nicht notwendig widersprechen müsse, doch ein radikales Wahrnehmen von neuen Bedeutungen in vertrauten Worten erfordere.116
Im Juli 1770 bereitete sich der 82-jährige Swedenborg auf seine elfte und letzte Auslandsreise vor, wobei ihm offensichtlich klar war, dass es seine letzte sein würde. Er schrieb sorgfältig Abschiedsbriefe an seine Freunde, hinterließ seinem Agenten eine Liste seiner gesamten Besitztümer, stattete seinen Kollegen vom Bergwerksdirektorium einen letzten Besuch ab und richtete Pensionsfonds für seine Haushälterin und seinen Gärtner ein. Es gibt einen Bericht von seinem Besuch bei einem treuen Freund und Nachbarn, Carl Robsahm. Robsahm fragte, ob sie sich jemals wiedersehen würden. Swedenborg antwortete, dass er nicht wisse, ob er zurückkehren werde. Aber er wisse (der Herr habe es ihm versprochen), dass er nicht sterben werde, bevor er ein Exemplar von Die wahre christliche Religion vom Verleger in seinen Händen halten würde. Er versicherte Robsahm, dass sie sich in der nächsten Welt wiedersehen würden, wenn es in dieser nicht mehr sein sollte. Robsahm notierte, dass Swedenborg fröhlich und beschwingt gewesen sei, als er ging – als ob er auf dem Höhepunkt seines Lebens stehe.117
Swedenborg reiste zunächst nach Amsterdam und blieb dort acht Monate, während er Die wahre christliche Religion veröffentlichte. Dann ging er weiter nach London und wohnte bei seinem Freund Richard Shearsmith. Er setzte seine Schriftstellerei fort und arbeitete an einem Index für Die wahre christliche Religion. Kurz vor Weihnachten 1771 erlitt er einen Schlaganfall. Innerhalb eines Monats war er in der Lage, seine Schriftstellerei wieder aufzunehmen, obgleich sein Sprechen noch betroffen war. Es wurde ihm und den Freunden um ihn klar, dass Swedenborg sich dem Ende seines Lebens näherte. Tatsächlich teilte er Elizabeth Reynolds, der Magd Shearsmiths (sie wurde später dessen Ehefrau) mit, dass er am 29. März um fünf Uhr in die geistige Welt eintreten werde. Sie notierte, dass ihm diese Idee ganz angenehm erschiene, „[…] als ob er Urlaub machen würde.”118
Reynolds beschrieb, wie sie am Sonntag, 29. März 1772, am Bett Swedenborgs saß, als er die Glocke schlagen hörte und fragte, wie viel Uhr es sei. Als sie ihm sagte, es sei fünf Uhr, sagte er, das sei gut. Er dankte ihr, segnete sie und nach zehn Minuten verstarb er friedlich, nachdem er einen sanften Seufzer hatte hören lassen.119
Swedenborg Begräbnis fand in der schwedischen Kirche in London am Sonntag, 5. April 1772, statt. Der Gottesdienst war gut besucht, er füllte die kleine Kirche. In Schweden hielt der Konsistorialrat der Minen eine Lobrede in der Adelskammer. Emanuel Swedenborg hatte diese Welt verlassen, um gewiss selbst herauszufinden, was nach diesem irdischen Leben folgt.120
3. DARLEGUNG VON SWEDENBORGS SCHLÜSSELANSCHAUUNGEN
ÜBERBLICK
Swedenborg schrieb ausführlich über viele Themen. Seine theologischen Arbeiten umfassen über 40 Bände. Es ist eine Herausforderung, seine Überlegungen kurz zusammenzufassen. Sie werden tiefgehend, sehr verfeinert dargelegt und gelegentlich werden gewöhnliche Begriffe verwendet, um Besonderheiten zu bezeichnen, die von ihrer normalen Verwendung abweichen. Es gibt viele Versuche, seine Schlüsselanschauungen zusammenzufassen und jeder ist von anderer Struktur. Glücklicherweise war Swedenborg in seinen Betrachtungen, insbesondere seinen theologischen, außerordentlich konsistent. Mithin findet man, gleichgültig wo man beginnt, eine Gemeinsamkeit jeder seiner Überlegungen mit den übrigen vor. Swedenborg ist vorrangig für seine theologischen Anschauungen bekannt, obgleich seine wissenschaftlichen Ideen für diese Studie ebenfalls von Interesse sind.
Moderne Forscher neigen dazu, zwischen Swedenborgs früheren Werken und seinen späteren theologischen Schriften scharf zu unterscheiden. Im Stil besteht zwischen beiden Gruppen ein deutlicher Unterschied. Die wissenschaftlichen Werke Swedenborgs, insbesondere seine anatomischen Schriften, referieren gewöhnlich das bekannte Material zu einem Thema, aus dem Swedenborg dann seine ‚Induktionen’ entwickelt, die häufig ziemlich originell sind. Seine theologischen Bücher wiederum zitieren als Autoritäten bestimmte Bücher aus dem Alten und Neuen Testament, dazu seine eigenen spirituellen Einsichten und Erfahrungen. Gewöhnlich dienen spirituelle Erfahrungen und Einsichten dazu, seine Exegese der Bibel zu erklären und Konzepte daraus zu entwickeln.
Gleichwohl ließen sich viele seiner Konzepte und Paradigmen, die er in seinen wissenschaftlichen Werken entwickelt hatte, vollständig dem neuen Inhalt seiner theologischen Schriften anpassen. Die Erörterung der Konzepte in diesem Abschnitt erfolgt lediglich in Überblicken. Eine detaillierte Analyse folgt später, wenn sie mit den Anschauungen anderer Personen wie etwa A. T. Still oder W. G. Sutherland verglichen werden. Die Darlegung beginnt mit den theologischen Überlegungen und schließt mit einigen auf Anatomie beruhenden Konzepten.
THEOLOGISCHE ÜBERLEGUNGEN
Swedenborg beschreibt Gott als singuläre Wesenheit eines göttlichen Menschlichen, dem universellen Menschen, der nicht als liebender und weiser charakterisiert sei, sondern zugleich die Quelle aller Liebe und Weisheit selbst bilde, welche die Schöpfung durchdringe und erhalte. Swedenborg betrachtet den Schöpfer sowohl als intelligent als auch als liebend. Er habe das Universum geschaffen, damit es nach Gesetzen existiere, sowohl geistig wie natürlich. Gott transzendiere den gesamten Raum und die gesamte Zeit, doch funktioniere er auf der Ebene natürlicher Existenz entsprechend einer innewohnenden Ordnung, welche die Schöpfung durchdringe. Swedenborg beschreibt eher eine Drei-Einigkeit Gottes, seine Einheit in dreifacher Differenziertheit, denn eine Dreifaltigkeit. Die Einheit in dreifacher Differenziertheit zeige sich in der einen Person des Herrn. Entsprechend finde sie sich in jeder Person wieder, in dessen Seele, seinem Mentalen und seinem Körper, die zusammen ein einheitliches Ganzes bildeten. Sofern man dies angemessen betrachte, offenbare die gesamte Schöpfung die zugrunde liegende Liebe und Weisheit des Schöpfers. Swedenborg beschreibt weiter, dass aus Gott als einer Quelle göttliche Liebe und Weisheit ausfließe, um die gesamte Schöpfung zu erhalten. Diese göttliche Weisheit und Liebe erscheine in der geistigen Welt als eine geistige Sonne, aus der geistige Wärme und entsprechendes Licht strömten, welche der Wahrheit und der Liebe entsprächen. Dieses geistige Licht und die entsprechende Wärme erhielten die geistige Welt, die wiederum die natürliche Ebene der Existenz erhalte.121
Swedenborg betont, dass die gesamte Schöpfung universalen Gesetzen folgen müsse, wobei die natürliche Ebene der Existenz die höhere geistige Realität reflektiere und diese wiederum die Liebe und Weisheit des Schöpfers abbilde. Gott habe das physische Universum geschaffen, damit es als Matrix und Fundament der geistigen Ebene der Wirklichkeit diene. Daher vermöge das Studium der natürlichen Welt die höhere Wahrheit zu erschließen, sofern der eigene Verstand und die Aufmerksamkeit angemessen ausgerichtet würden. Jedoch ersetze die durch göttliche Offenbarung erschlossene Wahrheit nicht einfach jene, wie sie angemessen durch Swedenborgs biblische Exegese verstanden werde. Sowohl Gott als auch die Erfahrung stellten bedeutende Quellen des Lernens dar.122
Swedenborg stellte fest, dass Gott den Menschen nach seinem Bild vollständig mit Körper, Mentalem und Geist geschaffen habe. Der Herr habe uns mit einem Sinn zur Selbstwahrnehmung geschaffen und erhalte uns in der Freiheit, so zu leben, wie wir wollen, mit dem Ziel, dass wir seine Liebe freigiebig zurückgeben. Liebe und Weisheit seien in unserem Mentalen beheimatet bzw. im Willen (in der Intention) und im Verstehen (der Urteilskraft), woraus unser hauptsächliches Leben bestehe. Gott habe die Menschen als deutlich von ihm unterschiedene Wesen geschaffen, die aber empfänglich seien für seine Weisheit und Liebe in einer von den anderen Geschöpfen abweichenden Weise. Diese Freiheit und Selbstwahrnehmung ermöglichten es uns, eigene Entscheidungen zu treffen und geistig so zu wachsen, wie wir es wünschten. Swedenborg betrachtete die Liebe als die grundlegende Energie und Substanz aller menschlichen Lebewesen, wobei die Weisheit als Mittel dazu diene, die Liebe in ihrem Gebrauch auszudrücken. Die Menschen entwickelten sich folglich geistig durch ihre Lieben und durch deren Manifestationen im Gebrauch angewandter Weisheit. Das geistige Wachsen umfasse auch das tägliche Leben, welches das wahre Wissen in der Praxis umsetze. Das Leben werde als ein Leben im Gebrauch guter Intentionen gelebt, als Leben der Liebe. Swedenborg gibt diesem schrittweisen Wachstumsprozess einen Namen: Regeneration. Er proklamierte, dass die gesamte Religion lebendig sei und das religiöse Leben darin bestehe, Gutes in liebender Intention zu tun. Das dauere auch nach dem Tod an. Das Ziel des Herrn bei der Schaffung des Universums habe darin bestanden, einen Himmel aus der menschlichen Rasse zu errichten.123
Swedenborg schildert eine Hierarchie der Lieben, beginnend bei der Liebe zum Herrn, über die Nächstenliebe und die Liebe zur Welt bis hinunter zur Selbstliebe. Alle diese Formen seien notwendig und, sofern sie in angemessener Ordnung gehalten würden, gut. Sie führten zu einem Leben in Gesundheit und Glück, sowohl hier auf der Erde als auch im nächsten Leben in der Ewigkeit. Swedenborg erkannte, dass die echte Ehe der Liebe die größte Möglichkeit für geistiges Wachsen zwischen den Eheleuten bilde, sofern die Ehe geistig enger werde und die Partner ihre Identitäten aufrechterhielten. Sofern diese Liebe wahrhaftig sei und ihre Verpflichtung ernst, dauere die Liebe fort. Und das verheiratete Paar bleibe auch in der nächsten Welt auf seiner Reise immer zusammen.124
Swedenborg zufolge ist die menschliche Rasse zum Zweck eines ewigen himmlischen Lebens geschaffen, das universelle Erlösung für jedermann einschließt. Diejenigen, die an etwas Größeres als an ihr eigenes Selbst glaubten und eine Art Liebe gegenüber ihrem Nächsten übten, seien dem Himmel verpflichtet. Je besser sie die menschliche Natur, die Natur Gottes jedoch verstünden und entsprechend geistig wüchsen, desto stärker arbeiteten sie daran, dies tatsächlich auf ihr eigenes geistiges Wachstum anzuwenden. Je mehr sie Übel als Sünden gegen den Herrn vermieden, umso wirksamer werde der Prozess, der zur persönlichen Regeneration mit einer Verbesserung der Individuen im Besonderen und der Gesellschaft im Allgemeinen führe. Da alle ihre Freiheit erhalten hätten, bestehe die Möglichkeit, die Selbstbezogenheit über alles zu setzen und sich vom Herrn abzuwenden hin zu einem Leben in der Hölle, sowohl in diesem als auch im kommenden Leben. Swedenborg stellte fest, dass, obgleich jeder zu einem Leben im Himmel bestimmt sei, jedes Individuum dennoch die Wahl habe, sich der Hölle zuzuwenden. Es handele sich dabei um eine Wahl, die alle durch die Entwicklung ihrer Liebe im gesamten Leben träfen, keineswegs komme es auf den Glauben alleine an.125
Swedenborg spricht von einer sehr aktiven spirituellen Realität. Obgleich eine direkte (unmittelbare) Verbindung zwischen jedem Menschen und dem Herrn existiere, gebe es auch eine indirekte (vermittelte) Verbindung durch die geistige Welt. Swedenborg versteht den Tod als Übergang von der Menschheit des irdischen Lebens zu der des geistigen. Die Seele sei im irdischen Leben gegenwärtig, sie stelle die belebende Kraft des Körpers dar, welcher sie bekleide. Der Tod bestehe im Sterben des Körpers und im Fortbestehen der Seele in der geistigen Welt. Swedenborg beschreibt in diesem Zusammenhang die Nahtoderfahrung sehr detailliert. Darin stimmt er in bemerkenswerter Weise mit den relativ jungen Beschreibungen von Nahtoderfahrungen durch Menschen, die von der modernen Medizin wiederbelebt wurden, überein. Er stellt zudem fest, dass nicht jeder von uns nur eine Seele besitze, die den Körper belebe, sondern sie sich zudem in Gestalt eines geistigen Körpers zeige, welcher der natürlichen Gestalt entspreche. Dieser geistige Aspekt lebe nach dem Tod vollständig weiter mit einer menschlichen Gestalt in der Form eines geistigen Körpers.126
Swedenborg beschreibt eine geistige Wirklichkeitsebene, die von Geisterwesen bevölkert werde, den Verstorbenen. Er stellt fest, dass die geistige Realität aus den Himmeln (mit drei Ebenen), den Höllen (ebenfalls mit drei Ebenen) und einer vermittelnden Ebene dazwischen bestehe, welche er als ‚die Welt der Geister’ bezeichnete. Beim Tod verlasse die Seele den Körper und betrete die Welt der Geister, wobei der betroffene Geist einen Reinigungsprozess durchlaufe, eine Selbstprüfung und ein Selbstverstehen der eigenen, alles außer Kraft setzenden, lenkenden Liebe. Swedenborg beschreibt ein Prinzip geistiger Assoziation, demzufolge jedes Individuum von anderen mit ähnlichen geistigen Qualitäten und Zuständen in diesem und im nächsten Leben angezogen werde. Alle Geisterwesen verfügten im nächsten Leben über eine sie umgebende Sphäre, die ihrem Charakter und der Liebe entspreche, die von jedem Individuum ausgehe, einem Geruch vergleichbar, der von den Geisterwesen wahrgenommen werden könne. Wie es eine endlose Variation von Affektionen und Charakteren gebe, so gebe es auch eine analoge Verschiedenheit der Sphären, welche die Einzigartigkeit des Einzelnen zum Ausdruck bringe. Diejenigen mit ähnlichen Charakteren und Sphären seien miteinander kompatibel und zögen einander an, während diejenigen mit entgegen gesetzten Sphären voneinander abgestoßen würden. Swedenborg erklärt, dass eine Person nach dem Tod allmählich zu dem Ort ziehe, welcher mit ihrer herrschenden Liebe zusammenpasse, zu einer Gesellschaft ähnlicher Menschen im Himmel oder in der Hölle. Swedenborg schildert den Himmel als angefüllt mit Gruppen von Engeln, die ähnliche Sphären teilen. Sie fänden es gut, für andere nützlich zu sein, und genössen das Leben mehr als irgendetwas anderes in ihrer früheren natürlichen Existenz. Die Hölle bestehe dagegen in einer inversen Spiegelung des Himmels. Sie sei durch die zerstörerische Kraft der negativen Lieben derjenigen verformt, die sich entschlossen hätten, dort zu leben. Gleichwohl gebe es eine Art Ordnung, um die Einwohner davon abzuhalten, einander zu verletzen. Und sie müssten etwas Nützliches tun. Swedenborg stellt zudem deutlich fest, dass, obgleich die geistige Existenzebene in die natürliche einfließe, die Interaktion beider Ebenen unbewusst erfolge.127
Swedenborg betrachtete sich selbst aufgrund göttlicher Vorhersehung bzw. sowohl durch seine Studien als auch durch sein geistiges Wachsen und seine spirituellen Erfahrungen in seinem gesamten Leben als vorbereitet, als ein besonderes Werkzeug zu dienen, der Welt neue Wahrheiten zu lehren und mitzuteilen. Er erklärte, dass es ihm ermöglicht worden sei, als Forschender nach Wahrheit bewusst in die geistige Welt einzutreten, um Einsichten zu bestätigen, die ihm vom Herrn eröffnet worden wären und die sich aus der Exegese des biblischen Buchstabens im Hinblick auf dessen innere Bedeutung ergeben hätten. Er stellte zudem fest, dass ihm mitgeteilt worden sei, dass kein anderer versuchen solle, Geisterwesen zu kontaktieren und die gleichen spirituellen Reisen zu unternehmen wie er, weil dies nicht der Ordnung entspreche. Er erläuterte, dass es durch ein Leben im Lichte der Selbstprüfung, der Reue und des geistigen Wachsens, welches auf der Anwendung der Wahrheiten auf das eigene Leben beruhe, von selbst zur Aufklärung käme. Dies beruhe auf der Beziehung jedes Individuums zum Herrn, insofern es in der geistigen Regeneration wachse. Swedenborg sah seine Mission darin, spirituellen Glauben zu vermitteln, indem er die verborgene Bedeutung im Alten und Neuen Testament erläuterte und so das Fundament für eine neue Kirche legte, der alle Menschen aller Zeiten angehören könnten. Entschieden riet er anderen davon ab, mit den Geisterwesen Kontakt aufzunehmen. Er erklärte, dass es zu unbewussten Verbindungen mit Geisterwesen kommen könne, sich diese jedoch nicht der Menschen dieses Lebens bewusst seien. Er stellte fest, dass der Versuch eines Kontakts mit den Geisterwesen einen unordentlichen Sachverhalt darstelle, denn dies fördere lediglich Kontakt mit bösartigen Geisterwesen, welche das Individuum täuschen und irreführen würden. Er erklärte, dass nichts Gutes aus bewusstem Kontakt mit Geisterwesen entstehen könne, wenn man davon absehe, dass großartige Sachverhalte offenbart und erfahren würden. Nur Verwirrung und Täuschung würden daraus resultieren.128