Rückkehr zu Gott

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„ ‚Gottes nicht mehr bedarf‘; den höchsten Grad religiöser Vollkommenheit erreicht der Mensch erst dann, wenn er ‚Gott um Gottes willen lässt‘, wenn er über Gott hinaufsteigt auf den ‚Gipfel der Gottheit‘.“288
Aus diesem Grund hätten moralische und ethische Normen für Freigeistige keine Geltung mehr.289 Weil der Mensch „gottgleich“ sei, könne dieser nun tun, was immer er wolle.290 Gerade diese Überzeugungen öffneten wilden Spekulationen Tür und Tor, wie z.B. dem Verdacht einer schrankenlosen Amoralität.291
Zusammenfassend kann man sagen: Der Lebensmittelpunkt der „freien Geister“ war zuallerst ein beschauliches Dasein, die Meditation. Ein tätiges Berufsleben, Werke der Nächstenliebe oder der Tugenden konnten dabei als störend empfunden werden.292 Erstrebenswert war einzig und allein die „beschauliche Ruhe“ in der Einheit mit Gott.293 Weil das freigeistige Denken die vollkommene Vereinigung mit Gott versprach, in welcher der Mensch mit Gott sogar identisch ist, wirkte es anziehend auf viele, die ein intensives religiöses Leben führen wollten.294
Bei Tauler – und das gilt ebenso für Eckhart und Seuse – richtet sich die Kritik gegen Freigeistige vornehmlich gegen die Sucht nach außergewöhnlichen religiösen Erfahrungen. Er sieht die Gefahr einer wahnhaften religiösen Übersteigerung, die dazu führt, dass sich jemand all jenen gegenüber überlegen fühlt, die keinerlei „Erfahrungen“ machen, und diese deshalb verachtet. Vor allem aber kritisiert er die Tendenz, sich von Werken der Nächstenliebe befreit zu glauben. Bei den Freigeistigen, wie sie Tauler kritisiert, steht an erster Stelle immer die religöse „Erfahrung“.295
Die Aufgabe der Bettelorden (Dominikaner und Franziskaner) war es zunächst, die religiösen Bewegungen „in kirchliche Bahnen zu lenken und in geordnete Formen zu fassen.“296 In einem weiteren Stadium mussten die Bettelorden dann das erwachte mystische Leben „in die Gleise der kirchlichen Rechtgläubigkeit“297 leiten und von dem Einfluss freigeistigen Denkens befreien. Die Mittel dazu konnten entgegengesetzter nicht sein: Auf der einen Seite beteiligten sich Dominikaner und Franziskaner an der menschenverachtenden Verfolgung von Häresieverdächtigen durch die Inquisition. Als Inquisitoren waren sie verantwortlich für unzähliges, unbeschreibliches Leid.298 Doch auf der anderen Seite gab es auch Prediger wie Meister Eckhart, Heinrich Seuse oder Johannes Tauler, die durch ihre Verkündigung und Seelsorge das geistliche Leben der Menschen vor Übersteigerungen und antikirchlichen Häresien bewahren wollten. Dabei gerieten sie jedoch selbst in eine gefährliche Nähe zu der von ihnen abgelehnten freigeistigen Lehre, ja sie wurden sogar von ihren eigenen Mitbrüdern, wie Meister Eckhart und Heinrich Seuse, der freigeistigen Häresie bezichtigt299, denn „was die freien Geister predigten, glich aber auch – und das ist nachdrücklich festzuhalten – in zentralen Punkten der gleichzeitigen deutschen Mystik, ja war in mancher Hinsicht schlichtweg identisch.“300 In der päpstlichen Bulle „In agro dominico“ (vom 27. März 1329) werden deshalb 28 Sätze aus dem Werk Meister Eckharts verurteilt, davon 17 als häretisch, 11 als häresieverdächtig.301
181 Die Fragen, die wir hier nicht beantworten, sind, was eigentlich eine Sekte ist, und in wiefern sich hinter manchem als häretisch verurteiltem Gedankengut tatsächlich eine Sekte verbirgt. Deshalb haben wir in der Überschrift den Begriff Sektenbildung in Anführungszeichen gesetzt. Siehe hierzu auch: Utz Tremp 2008. Die Autorin zeigt sehr eindrücklich, dass man zwischen tatsächlichen und imaginären Sekten unterscheiden muss. Besonders wichtig ist diese Feststellung für die sog. Freien Geister. Siehe den ersten Teil, viertes Kapitel, III. Vgl. weiterhin Grundmann 1977, 18-38. 355-438. 476-524; Ders., 1976, 38-92. 313-327. 364-416; Utz Tremp 2008; Borst 2007, 199 – 286; Ders. 2004, 618ff. 596 – 673; Hauschild I 1995, 311 – 314. 445 – 450. Zum Begriff Sekte vgl. v. Brockhusen 1998, 445 – 448.
182 Grundmann 1977, 483.
183 Vgl. Grundmann 1977, 495.
184 Grundmann 1977, 482f.
185 Vgl. Grundmann 1977, 28.
186 Vgl. Grundmann 1977, 50 – 69.
187 Vgl. Grundmann 1977, 5188.
188 Grundmann 1977, 56.
189 Vgl. Grundmann 1977, 57.
190 Vgl. Utz Tremp 2008, 119 – 310; Angenendt 2005, 59; Borst 2004, 106 – 113; de Lange 2004, 53 – 67; Wolter 1999, 127ff.; Grundmann 1977, 57-72. Zu den Waldensern: Siehe Audisio 1996; Lambert 1977; Selge 1967.
191 Grundmann 1977, 63f.
192 Vgl. Grundmann 1977, 91-127.
193 Zu den Katharern: Siehe Utz Tremp 2008, 48 – 92; Lambert 2001a, 2001b; Borst 2000, Ders. 2007, 203 – 239.
194 Grundmann 1977, 21.
195 Die Lehre der Bogomilen, deren Begründer der Priester Bogomil gewesen sein soll, geht auf die dualistische Lehre der Manichäer und der Paulizianer zurück, die im 8. Jahrhundert von syrischen und armenischen Einwanderern nach Bulgarien gebracht wurde. Zu den Bogomilen: Siehe Borst 2007, 203 – 220; Hauschild I 1995, 446.
196 Borst 2004, 620.
197 Wolter 1999, 127f. Vgl. Grundmann 1977, 493 – 497.
198 Grundmann 1977, 22f.: „Ihre echte und leidenschaftliche Überzeugung, das wahre evangelische und apostolische Christentum in ihrem Leben erneuert und verwirklicht zu haben, lässt sich bei unbefangener Betrachtung gar nicht bezweifeln; sie haben zu oft bewiesen, dass ihre Bereitschaft, für diese Überzeugung das Martyrium zu erleiden, keine bloße Redensart war.“
199 Vgl. Grundmann 1977, 21f.
200 Grundmann 1977, 23f.
201 Vgl. Grundmann 1977, 24. 27. 476f.
202 Vgl. Grundmann 1977, 29 – 38.157 – 169. 519 – 524. Angehörige dieser Gruppen kamen nicht aus den unteren Schichten. Vielfach waren es gebildete Kleriker, Adlige und reiche Bürger. D.h. weder soziale Missstände noch der Verfall der Kirche haben den Erfolg derariger Strömungen begünstigt, sondern das Streben nach religiösem Leben. Die „unteren Schichten“ reagierten dagegen oftmals in ordnungswidriger Weise gegen sog. Ketzer. Es kam nicht selten zu Lynchjustiz, auch gegen den Willen der bischöflichen Gerichte.
203 Grundmann 1977, 26f.; 27: „Das katholische Weltbild, wesentlich bestimmt durch Augustinus geistige Entscheidung einerseits gegen den manichäischen Dualismus, ist weder ein monistisches noch ein dualistisches System, erkennt weder die Einheit und Identität mit Gott noch die Getrenntheit alles Seienden in die zwei Prinzipien des Lichts und der Finsternis, des Guten und des Bösen an, leugnet daher zwar nicht das Dasein des Bösen, lässt es aber auch nicht als wirklich-seiend gelten, sondern deutet es als eine Negation des Guten.“
204 Zu den „Brüdern und Schwestern des Freien Geistes“: Siehe Utz Tremp 2008, 354 – 382; McGinn 2008, 94 – 145; Hofmann 1966, 9 – 32; Grundmann 1977, 355 – 438. 524 – 538; Seuse, BdW VII, Sturlese (Hg.) 1993, 57 – 66; Schweitzer 1981, 103 – 156.
205 Vgl. Hofmann 1966, 12.
206 Vgl. Utz Tremp 2008, 355.
207 Vgl. McGinn 2008, 106; Seite 96f. in dieser Arbeit.
208 Utz Tremp 2008, 375.
209 Utz Tremp 2008, 375. Vgl. McGinn 2008, 107f.; Grundmann 1977, 423; Hofmann 1966, 32.
210 Utz Tremp 2008, 375. Vgl. McGinn 2008, 10424: In der Literatur über die Bewegung des Freien Geistes tut sich eine Kluft auf zwischen den älteren Publikationen, die eher den Quellen der Inquisition vertrauen und die Freien Geister als häretische Bewegung ansehen, und neueren Untersuchungen, die den Häresieverdacht als künstlich konstruiert ansehen und von dorther in Frage stellen, ob es überhaupt eine Häresie vom Freien Geist im Sinn einer tatsächlich existierenden Gruppe gegeben habe (so z.B. Robert E. Lerner, The Heresy of the Free Spirit in the Later Middle Age, Berkeley u. Los Angeles 1972, der allerdings seine Untersuchungen nur auf Nordeuropa beschränkt hat).
211 Vgl. Grundmann 1977, 423; Hofmann 1966, 32.
212 Vgl. McGinn 2008, 101f. „Der kulturelle Topos, nach dem man religiöse Geheimgruppen mit ausschweifender Sexualität gleichsetzte, war älter als das Christentum und sollte in der Auseinandersetzung über die Mystik immer wieder auftauchen“ (102). Zu den einzelnen Vorwürfen vgl. u.a. Schweitzer 1981, 113 – 129; Grundmann 1977, 427f.; Hofmann 1966, 20 – 29.
213 Zu Geständnissen von Teufelsorgien, die auf der der Folterbank zustande kamen vgl. Borst 2007, 238f. Vgl. Utz Tremp 2008.
214 Vgl. Grundmann 1977, 355 – 373.
215 Vgl. Grundmann 1977, 356 – 359.
216 Zit. n. Grundmann 1977, 361.
217 Grundmann 1977, 363f.; Vgl. Ebd. 36419: „Die These Amalrichs von der Gliedschaft Christi stützt sich auf Ephes. 5,30; vgl. 1 Kor 6,15 und 12,27. Seine Schüler beriefen sich für die Lehren von der Identität Gottes mit dem All, von der Ubiquität und der All-Wirksamkeit Gottes auf Röm. 11,36; ... . Es finden sich auch Berufungen auf alttestamentliche Stellen, s. Tract. C.2 S. 12.“
218 Vgl. Grundmann 1977, 364: „Die spekulativen Gedanken des Meisters wurden ... in religiöse Kreise ohne philosophische Schulung hineingetragen und als Verheißung der Erneuerung und Erhöhung des religiösen Lebens verkündigt.“ Vgl. ebd. 373f.: „Die Vermutung, dass sich die aus pantheistischer Philosophie, paulinischer Theologie und joachimschem Geschichtsglauben erwachsenen Anschauungen der Amalrich-Schüler erst in ihrer Berührung mit der religiösen Bewegung vor allem in Frauenkreisen zu einer bedenkenerregenden häretischen Gefährdung ausgewirkt hatten, wird vollauf bestätigt durch die Nachwirkung der Ereignisse von 1210.“
219 Grundmann 1977, 364.
220 Grundmann 1977, 365. Ebd: „Wenn sich auch der literarische Einfluss seiner Schriften auf die Pariser Ketzer um 1210 nicht über allen Zweifel sicherstellen lässt, so bleibt es jedenfalls höchst wahrscheinlich, dass die Kenntnis seiner Ideen den amalrikanischen Überzeugungen vom dritten Zeitalter des Heiligen Geistes zu Grunde liegt.“
221 Vgl. Grundmann 1977, 366.
222 Grundmann 1977, 369.
223 Vgl. Grundmann 1977, 368.
224 Vgl. Grundmann 1977, 369.
225 Vgl. Grundmann 1977, 371.
226 Vgl. Grundmann 1977, 370f.
227 Grundmann 1977, 367.
228 Vgl. Grundmann 1977, 367.
229 Grundmann 1977, 368.
230 Vgl. Seuse, BdW VII, Sturlese (Hg) 1993, 56,20.
231 Vgl. Grundmann 1977, 373 – 394.
232 Vgl. Grundmann 1977, 395: „Martin Crusius, ein Tübinger Historiker des 16. Jahrhunderts, erzählt in seinen schwäbischen Annalen zum Jahr 1261, in einigen schwäbischen Nonnenklöstern seien Leute aufgetreten – angeblich Fraticellen, Begarden und Beginen genannt – die gegen die klösterliche Regulierung der Gemeinschaften agitiert hätten, mit der Begründung, man könne Gott besser ´in der Freiheit des Geistes´ dienen, ohne eine feste Regel zu befolgen.“
233 Grundmann 1977, 395; Vgl. auch Ebd. 401: „In dem Gutachten des Bischofs von Olmütz für das Lyoner Konzil, wird religiösen Schwärmern ... vorgeworfen, ... man könne Gott besser in der `Freiheit´ dienen, ohne zum Gehorsam einer Regel und zur Zucht eines Ordens verbunden zu sein.“
234 Es finden sich tatsächlich – allerdings bereits vor 1261 – Klöster, die ohne irgendeine Regel, also in der „Freiheit des Geistes“, zu leben gedachten: z.B. das Kloster Kirchheim unter Teck und Gnadenzell (Bistum Konstanz). Allerdings bat das Kloster Kirchheim den Bischof zuvor vergeblich, nach der Regel des hl. Augustinus leben zu können (Vgl. Grundmann 1977, 295). Zu den Klöstern Kirchheim und Gnadenzell: Vgl. Grundmann 1977, 396 – 400).
235 Z.B. David von Augsburg (um 1200 – 1272), Franziskaner, päpstlicher Visitator und geistlicher Schriftsteller, welcher ein Bewunderer der religiösen Frauenbewegung war (Vgl. Grundmann 1977, 401).
236 Vgl. Grundmann 1977, 401f. . Auch Taulers Kritik am religiösen Leben wird in die gleiche Richtung gehen: Siehe den dritten Teil, sechstes Kapitel, I,2.
237 Vgl. Grundmann 1977, 402.
238 Vgl. Grundmann 402108: „Handschrift I, 331 der Stadt-Bibl. Mainz; geschrieben Ende 13. oder Anfang 14. Jahrhundert, mit der Überschrift (fol. 62 a): „Haec est determinatio magistri Alberti quondam Ratisponensis episcopi ordinis fratrum predicatorum super articulis invente heresis in Recia dyocesis Augustensis.“ Zur Entstehung und Quellen dieses Gutachtens: Siehe Grundmann 1977, 403 – 413); Quellen: auch in Wattenbach 1887, 517-544. Vgl. McGinn 2008, 110ff.
239 Grundmann 1977, 414128: „Dicere quod aliqua lactet puerum Jesum cum matre usque ad lassitudinem et defectum, fatuitas est verberibus potius quam verbis corrigenda.“
240 Grundmann 1977, 415.
241 Grundmann 1977, 415131: „I 14: homo potest fieri deus, I 56: homo potest fieri deus cum deo et ipsum penetrare; I 36: homo secundum voluntatem fit deus; I 25: anima unita dei deificatur; I 27: homo potest fieri equalis deo vel anima fieri divina; I 13: mulier facta est deus; I 30: aliquis prefertur (Cristo?) et deo equatur.“
242 Zur Gottesgeburt im Menschen Siehe u.a. zweiter Teil, drittes Kapitel, I, mit weiteren Literaturangaben.
243 Vgl. Grundmann 1977, 416f.: Unter den religiösen Frauen der süddeutschen Dominikanerklöster ist das Erlebnis der Vergottung nicht selten gewesen, und die Nonnenbücher des 14. Jahrhunderts haben diese Erlebnisse aufgezeichnet, ohne je wegen ihrer Rechtgläubigkeit beanstandet zu werden.“ Und auch Tauler hat von der Vergottung bzw. Gottesgeburt des Menschen gepredigt, allerdings immer wieder betont, dass diese Geburt ein Gnadengeschehen ist und der Unterschied zwischen Gott und Mensch gewahrt bleibt. Siehe u.a. dritter Teil, viertes Kapitel, 11,2.
Die Quellen zeigen, dass die der Ketzerei Verdächtigten selbst gefragt wordensind, „ob sie glauben durch göttliche Gnade ‚vergottet‘ werden zu können oder aus eigener menschlicher Kraft. Aber die Antworten darauf sind weder einheitlich noch eindeutig. Eine Aussage heißt zwar, der Mensch könne seinem Willen gemäß Gott werden; eine andere dagegen weicht der Frage nach der Rolle der Gnade in dem Vergottungserlebnis mit der paradoxen Äußerung aus: bonos homos dicere vere potest gratiam se habere et non habere, erkennt also die dogmatische Scheidung von ‚Natur‘ und ‚Gnade‘ nicht als wesentlich an, versteht diese Alternative offenbar gar nicht als anwendbar auf das Erlebnis der Vergottung. Tatsächlich sind die Ketzeraussagen unklar und nicht eindeutig in der Stellung zum Gnadenproblem“ (Grundmann 1977, 417).
244 Vgl. Grundmann 1977, 417.
245 Vgl. Grundmann 1977, 417ff.
246 Mechthild VI., Kap. 1, 216,4, Schmidt (Hg) 1995.
247 Mechthild VI., Kap. 1, 215,24f., Schmidt (Hg) 1995.
248 Mechthild VI., Kap. 1, 215,31f., Schmidt (Hg) 1995.
249 Mechthild VI., Kap. 1, 215,35f., Schmidt (Hg) 1995.
250 Mechthild I., Kap. 44, 33,17f., Schmidt (Hg) 1995.
251 Mechthild I., Kap. 44, 33,36 – 34,1, Schmidt (Hg) 1995.
252 Mechthild VI., Kap. 31, 249,17-31, Schmidt (Hg) 1995.
253 Mechthild I., Kap. I, 216,4f., Schmidt (Hg) 1995.
254 Mechthild, Vorrede der mitteldeutsch-lateinischen Handschrift, Schmidt (Hg) 1995, 5f.: „Sie (Mechthild) war eine heilige Jungfrau an Leib und an Geist. Sie diente Gott hingebend in demütiger Einfalt und in verlassener Armut in himmlischer Schau, unter dem Druck der Verachtung von mehr als vierzig Jahren und folgte beharrlich und vollkommen dem Licht und der Lehre des Predigerordens. ... Dieses Buch (Das Fließende Licht der Gottheit) stellte ein Bruder desselben Ordens zusammen und schrieb es.“ Mechthild weiß von einer frommen Begine zu berichten, die u.a. deswegen ins Fegefeuer kam, weil sie „auf Erden keines Menschen Rat nach christlicher Ordnung folgen“ (V., 5. Kap., 169,14f.) wollte. Mechthild war dem hl. Dominikus und dem Predigerorden immer in dankbarer Liebe zugetan: Vgl. u.a. IV, Kap. 20 (Von sechs Tugenden des heiligen Dominikus), Kap. 21 (Sechzehn Dinge liebt Gott am Predigerorden); V, Kap. 24 (Von den Tugenden des heiligen Dominikus, und wie Gott seinen Orden an vier Dingen geehrt hat).
255 Vgl. McGinn 1999, 56. 67: „Wollte man jedoch als ‚echte‘ Mystik vorrangig die ‚erfahrungsmäßige‘ und visionäre Mystik bezeichnen, ... würde man den Reichtum der abendländischen Mystik-Tradition auf ein zu armseliges Maß reduzieren und die Aufgabe, die neue Mystik richtig zu verstehen, eher behindern als erleichtern. Schon der Charakter ihrer Neuheit ergibt sich nur aus ihrem Dialog mit der älteren Tradition. ... Da gab es das Zwiegespräch zwischen Männern und Frauen, zwischen dem Latein und den aufsprossenden Volkssprachen, zwischen Spiritualität und Theologie und schließlich zwischen überkommener Weisheit der alten kontemplativen Tradition und den kreativen Energien einer neuen Ära. Hans Georg Gadamer hat es einmal so ausgedrückt: ‚In Überlieferungen zu stehen ... schränkt nicht die Freiheit des Erkennens ein, sondern macht sie möglich‘ (Gadamer, Wahrheit und Methode, 366f.).“ Wie sehr beide Dialogpartner davon profitieren können, zeigt z.B. der Briefwechsel zwischen Heinrich von Nördlingen und Margaretha Ebner, beide mit Tauler befreundet und Angehörige der „Gottesfreundebewegung“ am Oberrhein, zu der Geistliche und Laien gehörten. Siehe hierzu dritter Teil, siebtes Kapitel.
256 Vgl. Grundmann 1977, 421.
257 Grundmann 1977, 420f.
258 Vgl. Grundmann 1977, 421f.
259 Vgl. Schweitzer 1981, 127.
260 Siehe auch McGinn 2008, 94 – 145; Utz Tremp 2008, 354 – 382; Schweitzer 1981, 113-129.
261 Grundmann 1977, 423.
262 Vgl. Bonifatius VIII., Bulle „Saepe sanctam Ecclesiam“, 1. August 1296, DH 1991, Nr. 866 Konstitution „Ad nostrum qui“, Konzil von Vienne 1312, DH 1991, Nr. 891 – 899.
263 Vgl. Schweitzer 1981, 125.
264 Vgl. McGinn 2008, 122ff.; Schweitzer 1981, 123.
265 Bei allen folgenden Aussagen dürfenwir nicht vergessen, dass die Aussagen aus Protkollen der Inquisition stammen.
266 Vgl. Wattenbach 1887, 517-544 (Zit. n. Schweitzer 1981, 123 – 129).
267 Johann von Brünn, in Wattenbach 1887, 529ff. (Zit. n. Schweitzer 1981, 123).
268 Johann von Brünn, in Wattenbach 1887, 529ff. (Zit. n. Schweitzer 1981, 124).
269 Hofmann 1966, 16.
270 Hofmann 1966, 16.
271 Hofmann 1966, 17f.
272 Mehr zu Seuses „Buch der Wahrheit“ und der freigeistigen Lehre: Siehe den zweiten Teil, viertes Kapitel, besonders VI.
273 Seuse BdW, Sturlese (Hg) 1993, 58,48f.: „In sime ewigen nihte ze nihte ist worden.“
274 Johann von Brünn, in Wattenbach 1887, 534f. (Zit. n. Schweitzer 1981, 128).
275 Johann von Brünn, in Wattenbach 1887, 531 (Zit. n. Schweitzer 1981, 126).
276 Johann von Brünn, in Wattenbach 1887, 532 (Zit. n. Schweitzer 1981, 126).
277 Johann von Brünn, in Wattenbach 1887, 535 (Zit. n. Schweitzer 1981, 126).
278 Johann von Brünn, in Wattenbach 1887, 533 (Zit. n. Schweitzer 1981, 127).
279 Vgl. Seuse, BdW, Sturlese (Hg) 1993, 58,42f.f.: „Ein ledigú friheit sol dem allem sament undergan und es alles verahten“ („Eine ungebundene Freiheit soll über all das hinwegsehen und es verachten“).
280 Vgl. Seuse, BdW, Sturlese (Hg) 1993, 56,20: „ In lediger friheit.“
281 Seuse, BdW, Sturlese (Hg) 1993, 56,23f.: „Da der mensch nach allem sinen mûtwillen lebet sunder anderheit, ane allen ablik in vor und in nach.“
282 Vgl. Grundmann 1977, 424.
283 Grundmann 1977, 424153: Im Gutachten Alberts heißt es: „I 59: homo equatur patri et transcendit filium. – I 58: homo potest fieri altior filio dei.“
284 Seuse, BdW, Sturlese (Hg) 1993, 62,106f.: „Ein in soelicher mensche wúrke alles, daz Cristus wurkte.“
285 Seuse, BdW, Sturlese (Hg) 1993, 64,123f.: „Daz alles, daz Cristo si gegeben, daz si och mir gegeben.“
286 Vgl. Lea Bd. 2, 1997, 404; Grundmann 1977, 424 – 428; Hofmann 1966, 27ff.
287 Vgl. Grundmann 1977, 428167: Alberts Gutachten: „I 94: Homo in vita sic proficere potest, ut impeccabilis fiat; I 21: aliquis pervenit ad hoc, quod non possit peccare; I 24: Homo unitus deo peccare non potest; II 4: Quod homo possit ita uniri deo, quod quidquid de cetero faciat, non peccat.“
288 Grundmann 1977, 430174: Alberts Gutachten: „I 74: Homo potest fieri deus et deo non indigere; I 11: aliquis venit ad hoc, quod deo non indigeat; I 19: Homo non est bonus nisi dimittat deum propter deum; I 70: Quod homo super deum possit ascendere; II 30: Quod sunt in apice divinitatis.“
289 Vgl. Grundmann 1977, 428.
290 Vgl. Hofmann 1966, 19; Vgl. Grundmann 1977, 430174: Alberts Gutachten: „I 72: Ei, qui admittitur ad amplexus divinitatis, datur potestas faciendi quod vult.“
291 Vgl. Hofmann 1966, 20 – 29.
292 Vgl. Schweitzer 1981, 113 – 129; Grundmann 1977, 429; Hofmann 1966, 20.
293 Vgl. Hofmann 1966, 21.
294 Vgl. Lea Bd. 2, 1997, 404.
295 Vgl. u.a. dritter Teil, sechstes Kapitel, I,2.
296 Grundmann 1977, 437.
297 Grundmann 1977, 437.
298 Zur Inquisition: Siehe Angenendt 2007, 232 – 371; Ders. 2005, 196 – 201. Im Jahr 2000 veröffentlichte das deutsche Provinzkapitel der Dominikaner folgende Erklärung zur Beteiligung des Ordens an den Inquisitionsverfahren: „Deutsche Dominikaner waren nicht nur in die Inquisition verstrickt, sondern haben sich aktiv und umfangreich an ihr beteiligt. ... Wir empfinden dies als ein dunkles und bedrückendes Kapitel unserer Geschichte ... Folter, Verstümmelung und Tötung haben unendliches Leid über zahllose Menschen gebracht; deutsche Dominikaner haben dazu, neben anderen, die Voraussetzung geschaffen. Die Geschichte dieser Opfer ... können wir nicht ungeschehen machen. Wiedergutmachung ist unmöglich. Uns bleibt die Verpflichtung zur Erinnerung. Wir wissen, dass der Geist von Inquisition und Hexenverfolgung – Diskriminierung, Ausgrenzung und Vernichtung Andersdenkender – auch heute latent oder offen in Kirche und Gesellschaft, unter Christen und Nicht-Christen lebendig ist. Dem entgegenzutreten und sich für eine umfassende Respektierung der Rechte aller Menschen einzusetzen, ist unsere Verpflichtung, die wir Dominikaner den Opfern von Inquisition und Hexenverfolgung schulden.“
299 Vgl. Ruh 1989, 192f.
300 Dinzelbacher 1994, 293. Vgl. Ruh 1989, 192f.
301 Vgl. Meister Eckhart, LW V, 2007; DH 1991, Nr. 950 – 980; Ruh 1989, 184. Zum Prozess gegen Meister Eckhart: Siehe auch Trusen 1988; Ruh 1989, 168 – 187; Ders. 1996, 243 – 257.
Fünftes Kapitel
Laienbruderschaften und die Wende in der Einstellung zu den religiösen Bewegungen unter Innozenz III. (1198-1216)
Zu den religiösen Bewegungen gehörten – neben neuen Orden – auch zahlreiche religiöse Laienbruderschaften, kleine Genossenschaften z.B. für Krankenpflege (Spitalorden) und verwandte Zwecke.302 Am Beispiel der Humiliaten zeigt sich der Wandel in der Einstellung der Kirche zu den religiösen Laienbewegungen.303
I. Die Humiliaten – Verketzerung und Versöhnung
Die Humiliaten in der Lombardei (Mailand) waren eine Bruderschaft von Handwerkern (Wollwebern und Tuchmachern), die im Gegensatz zu vielen Gemeinschaften von Wanderpredigern innerhalb eines bürgerlichen Daseins ein Leben nach dem Evangelium führen wollte. Konkret sah deren Leben so aus:
„Vermeidung des Kleiderluxus, Erwerb des Lebensunterhalts durch Handarbeit, Enthaltung von Wucher und Rückgabe von unrecht erworbenem Gut, Abgabe überschüssiger Einkünfte als Almosen an die Armen, Einhaltung der Ehepflichten, und ein friedfertiges sittenreines Leben in Demut, Geduld und Liebe.“304
Wie Waldenser und Katharer lehnten auch die Humiliaten den Eid ab und wollten ihren Mitgliedern das Schwören ganz verbieten.305 Mit ihrem Lebensstil nach dem Evangelium wollten sie den ketzerischen Sekten entgegenwirken und den katholischen Glauben verteidigen. Diese Zielrichtung „tritt bei den Humiliaten zuerst deutlich hervor.“306 Dennoch wurden sie – wegen ihrer evangelischen Lebensform – selbst der Ketzerei bezichtigt. Deshalb begab sich – gleichzeitig wie die Waldenser – eine Abordnung der Humiliaten nach Rom, um die Erlaubnis für ihre Lebensweise zu bekommen und von den Verdächtigungen freigesprochen zu werden. Zugleich baten sie um Genehmigung, gegen die Irrlehren predigen und öffentliche Versammlungen abhalten zu dürfen. Papst Alexander III. (1159 – 1181) genehmigte 1179 zwar deren Lebensform, verbot allerdings – wie auch den Waldensern – die Predigt und öffentliche Versammlungen.307 Die Humiliaten waren jedoch nicht dazu bereit, das Predigen zu unterlassen bzw. das Versammlungsverbot zu befolgen. Ein Teil der Humiliaten ging daraufhin zu den Waldensern über und wurde von Papst Lucius III. (1181 – 1185) 1184 als Ketzer exkommuniziert.