Rückkehr zu Gott

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Die ersten Wanderprediger traten Anfang des 12. Jahrhunderts auf, gleichzeitig mit antikirchlich manichäischen Predigern. Die Verkündigung der kirchlich gesinnten Prediger war sehr erfolgreich. Vor allem die Laien, die in der Welt lebten und arbeiteten, fühlten sich mehr zu dieser missionarisch-evangelikalen Lebensweise hingezogen. Nicht nur in der auf Innerlichkeit konzentrierten monastischen Klostergemeinschaft außerhalb der Welt, sondern auch durch missionarischen Dienst in der Welt wird die vita apostolica verwirklicht. Deshalb schlossen sich den Wanderpredigern, aber ebenso den sog. Ketzerpredigern, zahlreiche Frauen und Männer an und zogen mit ihnen durch Stadt und Land. Besonders hoch war der Frauenanteil. Das erregte jedoch öffentliches Ärgernis beim Klerus und auch bei manchen einfachen Gläubigen: „Vor allem die Beteiligung von Frauen an diesem neuartigen apostolischen Leben hat hier … das Einschreiten der Kirche herausgefordert.“146 Aus diesem Grund wurden manche Wanderprediger schließlich zu Ordensgründern. Denn
„nur solche apostolische Wanderprediger haben im Gefüge der kirchlichen Ordnungen Anerkennung ihres Wirkens gefunden, die – sei es auf Weisung der Kirche, sei es aus eigenem Entschluss – durch die Begründung von Klöstern, Kongregationen, Orden für ihre Anhängerschaft eine neue stabile Lebensform schufen.“147
Wanderprediger, die sich nicht der kirchlichen Ordnung anpassten und sich weigerten, den Frauen und Männern, die mit ihnen zogen, in Klöstern ein geregeltes Leben zu schaffen, hat die Kirche dagegen mit aller Schärfe als Ketzer verfolgt.148 So forderte Bernhard von Clairvaux beispielsweise, dass man Ketzer, die weder geständig noch überführt werden könnten, nach Geschlechtern getrennt zu Gemeinschaften zusammenschließen solle, in denen sie ihre Keuschheitsgelübde gemeinsam und unter Aufsicht erfüllen könnten, ohne wie bisher Anstoß zu erregen.149 Wer sich jedoch diesem Vorgehen widersetze, „der dürfe mit vollem Recht als Ketzer aus der Kirche ausgestoßen werden.“150
Als Ketzer wurde also zunächst einmal nicht der verurteilt, der eine wirkliche Irrlehre verbreitete, sondern der einen Lebensstil führte, der der kirchlichen Ordnung widersprach. Wer sich nicht in das Gefüge der kirchlichen Ordnung einzuordnen schien, der galt als Ketzer.151
II. Robert von Arbrissels Doppelklöster und Norbert von Xantens Prämonstratenser
Zwei der kirchlich gesinnten Wanderprediger sollen an dieser Stelle hervorgehoben werden: Robert von Arbrissel (+ 1177), der „durch das Land, barfuss, mit wallendem Bart und Haar und in ärmlicher Kleidung“152 zog, und Norbert von Xanten (1082 – 1134)153. Sie sammelten durch ihre Predigten die „Armen Christi“ um sich, Frauen und Männer, die auf ihre Güter verzichteten und mit ihren Meistern, alle Entbehrungen auf sich nehmend, unstet umherzogen.154
Robert von Arbrissel war zunächst Ratgeber des Bischofs von Rennes, schließlich Leiter einer Eremiten-Gemeinschaft im Walde von Craon. Im Februar 1096 erhielt er vom Papst die Erlaubnis zur Wanderpredigt: „Vier Jahre lang war Robert als Wanderprediger mit der Schar seiner Anhänger im Lande herumgezogen; überall erregte dieses Auftreten Anstoß bei der hohen Geistlichkeit. Zu Ende des Jahres 1100 war er auf einer Synode in Poitiers, die von zwei Kardinälen geleitet wurde. Unmittelbar darauf gründete er das Kloster Fontevrault, bringt seine weiblichen Anhänger dort in strenger Klausur unter und legt damit den Grundstein zu einer neuen Kongregation. Die Vermutung liegt nahe, dass über diese Frage auf jener Synode verhandelt worden war, dass Robert die gegen ihn erhobenen Vorwürfe durch die Zusicherung hatte beschwichtigen müssen, künftig nicht mehr seine Anhänger beiderlei Geschlechts mit sich herumziehen zu lassen, sondern getrennt voneinander, vor allem aber die Frauen in Klöstern unterzubringen.
Norbert von Xanten wurde aus ähnlichen Gründen zum Ordensstifter. Nachdem er ein Jahr lang als Wanderprediger durch Frankreich gezogen war, suchte er im November 1119 auf einer Synode in Reims von dem neuen Papst Calixt II. eine erneute Bestätigung seiner Befugnis zur Wanderpredigt zu erhalten. Ob ihm diese seine Bitte erfüllt wurde, ist nicht ganz sicher. Allem Anschein nach war aber weder der Papst noch der Bischof von Laon dazu bereit, Norbert weiterhin wie bisher mit seinen Anhängern als freien Wanderprediger herumziehen zu lassen. Anschließend an die Synode von Reims versuchten sie für Norbert einen neuen Wirkungskreis zu finden, der seinen unsteten Wanderpredigten ein Ende machen und ihn und seine Anhänger in feste kirchliche Ordnungen einfügen sollte. Norbert hat in diese Pläne nur unter der Bedingung eingewilligt, dass er dabei seinen Vorsatz treu bleiben könnte: ein evangeliengemäßes, apostolisches Leben zu führen. Nachdem der Versuch, ihm die Leitung einer Gemeinschaft von Augustiner-Chorherren in Laon zu übertragen, an deren Widerstand gegen Norberts religiöse Forderungen gescheitert war, verhalf ihm der Bischof von Laon zur Gründung eines eigenen Klosters, das er nach seinen Ideen einrichten konnte. So ist Prémontré entstanden.“155
Die durch das Wirken dieser und anderer Wanderprediger156 gegründeten Orden waren wirkliche Neugründungen im herkömmlichen Sinn. Bisherige Neugründungen – wie z.B. der Zisterzienserorden – gingen aus dem bestehenden Mönchtum hervor. Solche Neugründungen, wie die der Prämonstratenser, sind Versuche, „eine sich außerhalb der Klöster abspielende religiöse Bewegung in neue Formen klösterlichen Lebens zu fassen.“157 Da die neuen religiösen Bewegungen nicht ausschließlich Männer erfassten, sondern besonders stark die Frauen158, erwies es sich als eine dringende Aufgabe, die weiblichen Anhänger der Wanderprediger in Klöstern unterzubringen.159 Norbert wie auch Robert gründeten aus diesem Grund sog. Doppelklöster für Männer und Frauen, in denen beide Geschlechter jedoch getrennt lebten:
„Die Frauenklöster oder Doppelklöster, die auf diese Weise aus der Wanderprediger-Bewegung entstanden, waren die ersten und für lange Zeit die einzigen Stätten, in denen die von der religiösen Bewegung ergriffenen Frauen ein Gemeinschaftsleben in strenger Askese und Ordenszucht führen konnten.“160
In diesen neuartigen Klöstern – vor allem in denen Roberts von Arbrissel – dominierte durchaus das weibliche Element. So lag
„die Leitung ... in den Händen einer Frau, und die männlichen Mitglieder waren hauptsächlich dazu bestimmt, den gottesdienstlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen der Frauengemeinschaften zu dienen.“161
Allerdings sieht Grundmann darin auch den Grund für den schnellen Niedergang der Klöster Roberts, denn ohne den Anschluss an einen Männerorden hatten die Frauenklöster keine Chance zu einer weiteren Entwicklung gehabt.162
Von größerer Bedeutung war die Gründung Norberts:
„Der wichtigste und zuverlässigste Zeuge für das Wirken Norberts in den Anfängen von Prémontré, Hermann von Laon, weiß besonders zu rühmen, dass Norbert ebenso die Frauen wie die Männer der strengen Zucht seines Ordens unterstellt hat, und sieht sein überragendes Verdienst gerade darin, dass er nicht wie die Zisterzienser nur Männer, sondern auch Frauen aufgenommen hat und ihnen sogar eine noch härtere Lebensweise vorschrieb als den Mönchen, ohne dadurch den weiblichen Zudrang in seine Klöster zu hemmen.“163
Im Prämonstratenserorden war es religiösen Frauen aller Schichten zum ersten Mal möglich, „in strenger Klausur, in unbedingter Verpflichtung zu enthaltsamen, armen, beschaulichen Leben eine Daseinsform im Sinne der die Zeit bewegenden religiösen Ideen zu verwirklichen.“164 In Norberts Klöstern dominierten die Frauen nicht, sondern sie lebten in Prémontré unter der Leitung des Abtes als „Inklusen“ oder „Conversen“. Am Chorgebet waren sie anfangs nicht beteiligt, übernahmen jedoch häusliche Arbeiten. Aber dennoch:
„Der Zustrom von Frauen aller Stände, besonders auch des Adels, muss auffallend groß gewesen sein, so dass Herrmann von Laon schon in der Jahrhundertmitte von 1000 Frauen in den Prämonstratenserklöstern des Bistums Laon, 10000 im ganzen Orden reden kann.“165
Die immer größer werdende Zahl von Nonnen mag dann auch der Grund gewesen sein, warum sich der neue Orden (vor 1200) von seiner ursprünglichen Bestimmung wieder entfernte und sich mehr den monastisch-eremitischen Strukturen der älteren Mönchsorden anglich, so dass die Seelsorge und die Verpflichtungen gegenüber den neugegründeten Frauenklöstern nach und nach aufgegeben wurden. Frauen wurden zudem durch Ausschluss aus dem Ordensverband sowie durch das Verbot, neue Doppelklöster zu gründen oder neue Frauenklöster im Ordensverband aufzunehmen (Inkorporation), gänzlich ausgeschlossen.166 Die Lücke, die nun entstand, füllten zunächst die Zisterzienser, denn es zeigte sich,
„dass diese prämonstratensischen Frauenklöster keineswegs nur ein Ergebnis der Ordenspropaganda gewesen waren, sondern der Niederschlag einer starken religiösen Frauenbewegung, die nicht erlosch, als der Orden von Prémontré sich ihr verschloss, sondern immer stärker anschwoll und sich neue Formen suchte.“167
III. Frauenklöster im Zisterzienserorden
Die religiösen Frauengemeinschaften suchten Anschluss an den Zisterzienserorden. Um 1200 beschloss dieser deshalb, Frauenklöster im Ordensverband aufzunehmen.168 Doch bereits auf dem Generalkapitel 1212 wurde darüber geklagt, die Frauenklöster lägen zu nahe bei den Männerklöstern.169 Zudem werde die strenge Klausur – Bedingung, um zum Zisterzienserorden gehören zu dürfen – nicht eingehalten.170 Problematisch war auch die Überfüllung der Klöster, so dass sich der Orden genötigt sah, nach Inspektion von Besitz und Einkünften der neuen Klöster jeweils die Höchstzahl von Nonnen festzulegen.171 1220 wurde schließlich beschlossen, künftig keine Frauenklöster mehr zu inkorporieren. Dieses Verbot betraf jedoch nur bereits bestehende Klöster; Neugründungen dagegen waren immer noch möglich, sofern die Nonnen in strenger Klausur lebten und das Kloster wirtschaftlich eigenständig bestehen konnte. Allerdings sollten sich keine Ordensbrüder mehr ständig in den Klöstern aufhalten, weder in den bestehenden noch in den neugegründeten, zwecks seelsorglicher Betreuung oder Verwaltung des Klosters.172 Auf dem Generalkapitel von 1228 wurde endgültig festgelegt, überhaupt keine Frauenklöster mehr in den Orden aufzunehmen. Zudem weigerte sich der Orden, die seelsorgliche Betreuung und die Visitationspflichten weiter wahrzunehmen. Ordensangehörigen wurde es strengstens verboten, diesen Beschluss nicht zu befolgen.173 Nur der Papst konnte veranlassen, ein neues Frauenkloster zu gründen bzw. im Ordensverband aufzunehmen. „Grundsätzlich konnte der Orden solche päpstliche Anweisungen zur Inkorporation nicht ablehnen.“174 Aus diesem Grund fanden immer noch Frauenklöster die Möglichkeit, in den Orden inkorporiert zu werden. Deshalb beschloss das Generalkapitel von 1230, den Papst über den Willen des Ordens zu unterrichten und um Zusicherung zu bitten, dass „künftig päpstliche Verfügungen über die Inkorporation von Frauenklöstern nur dann wirksam werden sollten, wenn darin der entgegenstehende Ordensbeschluss ausdrücklich außer Kraft gesetzt wird.“175 Eine Inkorporation sollte also nur verbindlich sein, wenn diese „Abrogationsklausel“, die ausdrückliche Außerkraftsetzung des Ordensbeschlusses, der päpstlichen Verfügung beigefügt sei. Die Kurie gewährte diesen Wunsch, unterließ es jedoch auch, den Orden zu neuen Inkorporationen bzw. Neugründungen zu zwingen.176
Neben der großen Anzahl von Laien, vor allem von Frauen, die sich für ein religiöses Leben nach dem Evangelium interessierten, hatte also auch der monastisch-eremitische Rückzug der Zisterzienser wie der Prämonstratenser zur Folge, dass sich das religiöse Leben der Laien weitgehend ohne genügend kompetente geistliche Begleitung entfalten musste.177 Die Laien mussten nun neue Wege und Formen finden. Und die neuen Bettelorden – Dominikaner und Franziskaner – waren noch in ihrer Entstehungsphase. So entstanden, meist in der Nähe von Hospitälern und Leproserien, neue Gemeinschaften von Jungfrauen und Witwen, die ein geistliches Leben führen wollten, aber zugleich praktische Werke der Nächstenliebe verrichteten. Aus diesen Bewegungen ging das Beginentum (um 1170) hervor.178 Das entstehende Beginenwesen – über das wir im Zusammenhang mit der religiösen Frauenbewegung noch sprechen werden – war jedoch nur die eine Seite der Medaille; auf der anderen Seite suchten viele die Nähe zu den als ketzerisch verurteilten Bewegungen, die seit dem 12. Jahrhundert immer mehr zunahmen.179
Sicherlich war der Rückzug der Zisterzienser und Prämonstratenser durchaus folgenreich. Man darf bei aller Kritik180 jedoch nicht vergessen, dass die Zisterzienser nicht aus der Wanderprediger-Bewegung hervorgegangen sind, sondern aus einer Erneuerungsbewegung des benediktinischen Mönchtums. Das eigentliche Ziel war also nicht die Sorge um Frauenklöster, sondern ein monastisch-eremitisches Leben. Und ganz außer Acht lassen darf man auch nicht, dass Norbert von Xanten zunächst einmal ein eremitisches Leben führen wollte. Allerdings ist sein Orden – im Gegensatz zu den Zisterziensern – aus der Wanderprediger-Bewegung hervorgegangen.
138 Vgl. u.a. Grundmann 1977, 38-50. 442-452. 487-524; Ders. 1978, 38-92.
139 Vgl. Angenendt 2005, 54. 224f.; Kempf 1999, 519.
140 Kempf 1999, 519.
141 Kempf 1999, 518. Vgl. Mt. 8,20: Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ Oder Lk 10,1-12: Christus schickt seine Jünger zu zweit, aber ohne Geldbeutel und Vorratstasche zum Predigen: „Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! ... Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist euch nahe“ (Lk 10,4.9). Vgl. McGinn 1999, Bd. 3, 25: „Kein Ideal stand höher im Mittelpunkt des Spätmittelalters als dasjenige der vita apostolica, d.h. der Wunsch, so zu leben, wie Christus und seine Apostel gelebt hatten.“
142 Vgl. Grundmann 1977, 41f.: „Robert von Arbrissel … erhielt im Februar 1096 von Urban II. die Erlaubnis zur Wanderpredigt; Bernhard von Thiron, der sich um 1101 an Robert anschloss, soll in Rom von Paschalis II. mit dem Amt eines predicator publicus betraut worden sein; ein Mann namens Heinrich (von Lausanne), der vorher Mönch gewesen war, erwirkte 1101 von Bischof Hildebert von Le Mans die Erlaubnis zur Predigt in dessen Diözese; Norbert von Gernepp (Norbert von Xanten), aus freiherrlichem Geschlecht, Kanoniker von Xanten, auf einer Fritzlarer Synode wegen unberechtigter Predigttätigkeit angeklagt, wurde im November 1118 durch Papst Gelasius II. zur Wanderpredigt ermächtigt.“
143 Vgl. Morrison 1993, 208: „Radikale Nonkonformisten wie Heinrich von Le Mans (um 1116-1145), Arnold von Brescia (1155 hingerichtet) und wohl auch Tanchelm vom Antwerpen (1115 erschlagen) begannen ihre Predigt innerhalb der Gregorianischen Reform und endeten mit einer Verurteilung der hierarchischen Kirche, weil diese das Evangelium durch weltlichen Pomp und Habsucht verraten hatte.“
144 Vgl. McGinn 1999, Bd. 3, 27: „Die neue Etappe im Verständnis der vita apostolica ist untrennbar mit dem Aufsprießen volkstümlicher Häresien im 12. und 13. Jahrhundert verbunden.“ Vgl. Borst 2007, 199 – 286; Morrison 1993, 208.
145 Vgl. v. Brockhusen 1998, 456f.
146 Grundmann 1977, 43.
147 Grundmann 1977, 45.
148 Vgl. Grundmann 1977, 46. Heinrich von Lausanne bspw. „hat sich zwar auf einer Synode in Pisa 1134 verpflichtet“, so Grundmann (45), „seine Tätigkeit als Wanderprediger aufzugeben und Mönch in Citeaux zu werden, er hat aber diese Verpflichtung nicht eingehalten; seine Anhänger in klösterliche Gemeinschaften zusammenzuschließen und einen Orden zu gründen, das hat er, so viel wir wissen, nie versucht. Eben deshalb ist er immer von neuem als Ketzer verfolgt, von Bernhard von Clairvaux heftig bekämpft, schließlich gefangen gesetzt worden.“ (vgl. hierzu auch Grundmann 1977, 38f.).
149 Vgl. Grundmann 1977, 38f.
150 Grundmann 1977, 39. Vgl. Bernhard, Cant 66, Winkler VI, 371 – 391.
151 Vgl. Grundmann 1977, 39.
152 Grundmann 1977, 17. Zu Robert: Siehe Dalarun 1985.
153 Zu Norbert: Siehe Elm 1984.
154 Vgl. Grundmann 1977, 17.
155 Grundmann 1977, 41 – 45. Vgl Angenendt 2005, 224 (zu Robert von Arbrissel), 58f. (zu Norbert).
156 Zu nennen sind: Girald von Salles (1120), ein Gefährte Robert von Arbrissels, Vitalis von Mortain (1122), der die Kongregation von Savigny gründete. Savigny mit seinen 28 Klöstern schlossen sich 1147 den Zisterziensern an. Die Wanderpredigt griff auch nach England über. Dort gründete Gilbert von Sempringham 1135 den vornehmlich weiblichen Gilbertiner-Orden (vgl. Grundmann 1977, 489f.).
157 Grundmann 1977, 46.
158 Zur religiösen Frauenbewegung: Siehe dieser Teil, sechstes Kapitel.
159 Vgl. Grundmann 46f.
160 Grundmann 1977, 47.
161 Grundmann 1977, 47.
162 Vgl. Grundmann 1977, 47, 490. Fontevrault bestand allerdings bis zur Französischen Revolution.
163 Grundmann 1977, 48. Vgl. Miracula S. Mariae Laudunensis III c.6f. (geschr. 1149/50), MG. Scr. XII, 657ff.
164 Grundmann 1977, 176.
165 Grundmann 1977, 49.
166 Vgl. Grundmann 1977, 49f.
167 Grundmann 1977, 176.
168 Vgl. Grundmann 1977, 2035. Vgl. Cistercienser-Chronik XXXVII, hg. Müller 1925, 233.
169 Vgl. Grundmann 1977, 2047: 1218 wurde beschlossen, dass Frauenklöster 6 Meilen von Männerklöstern und 10 Meilen untereinander entfernt liegen müssten.
170 Vgl. Grundmann 1977, 2048: Das Klausurgebot wird immer wieder erneut aufs Schärfste gefordert. 1225 wird beschlossen, dass die Klöster, die vier Jahre nach der Inkorporation immer noch nicht in strenger Klausur leben, aus dem Orden wieder ausgeschlossen werden. Selbst das eigenmächtige Verlassen der Klausur, um nach Zustimmung des Generalkapitels neue Klöster zu gründen, wurde als Klosterflucht betrachtet.
171 Vgl. Grundmann 1977, 2049.
172 Vgl. Grundmann 1977, 205.
173 Vgl. Grundmann 1977, 205f.
174 Grundmann 1977, 206f.
175 Grundmann 1977, 207.
176 Vgl. Grundmann 1977, 207f.
177 Vgl. Grundmann 1977, 513.
178 Vgl. Stölting 2005, 31: „Auch die um 1170 entstandene Beginenbewegung kann als eine Antwort von Frauen auf diese neue Situation aufgefasst werden. ... Aber im Ergebnis bot das Beginentum vielen Frauen die Möglichkeit, in einem bisher nicht gekannten Maß in freier Selbstbestimmung, ohne Ehe oder Klausur, zu leben, ihre Spiritualität zu pflegen und zugleich nützliche Tätigkeiten – als sorores in saeculo – nachzugehen; vor allem in der frühen Zeit wurden die Beginenniederlassungen in der Nähe von Spitälern oder Leprosenheimen gebaut, in denen sich die Frauen engagierten.“ Vgl. auch Wolter 1999, 140.
179 Vgl. Grundmann 1977, 513.
180 Vgl. Grundmann 1977, 513.
Viertes Kapitel
„Sektenbildung“ seit dem 12. Jahrhundert181
Seit Beginn des 12. Jahrhunderts traten in Westeuropa neue, oft antikirchlich eingestellte Bewegungen in Erscheinung. Diese wirklichen oder Pseudosekten wirkten zwar unabhängig voneinander, und es gab auch keine gemeinsame Organisation, doch das Neue an ihnen war, dass sie zu einer „religiösen Bewegung“ geworden waren, deren Leitgedanken ebenfalls die apostolische Wanderpredigt und die evangelische Armut wurden.“182 Die Wirksamkeit dieser Bewegungen beschränkte sich nun nicht mehr nur auf eine Stadt oder Burg, sondern erfasste ganze Landstriche.183 Von einem möglichen Gründer oder Stifter ist nichts bekannt. Die Anhänger dieser Bewegungen wollten zuallererst ein religiöses Leben in Armut und auf Wanderschaft führen und beriefen sich dabei auf die Evangelien und die Schriften der Apostel. Sie sprachen besonders die nach einer religiösen Lebensform suchenden Laien an, denen der Weg in ein Kloster verwehrt blieb. Neuartige Bewegungen konnten ohnehin nur dann auf Erfolg hoffen, wenn sie „dem erwachenden Drang nach geistigem und religiösem Aufschwung im Abendland entgegenkamen.“184 Dogmatische und weltanschauliche Fragen waren da von geringerer Bedeutung. Viele dieser von der Kirche so genannten Sektierer machten darüber hinaus auf die Menschen einen glaubwürdigeren Eindruck als die offizielle Kirche. Die von der Kirche als Ketzer verfolgten waren davon beseelt, das christliche Leben zu erneuern und die hierarchische Kirche und den Klerus überall dort als nicht wahrhaft christlich zu entlarven, wo er nicht nach dem Beispiel des Evangeliums und der Apostel lebte.185 Die so heftig Angegriffenen Kleriker standen dieser neuen Art der religiösen Bewegung zunächst ratlos und unschlüssig gegenüber.186 Denn es fehlten klar Richtlinien dafür, welche Erscheinungen konkret als Ketzerei zu gelten hatten. Weder der jeweilige Papst noch die Bischöfe trafen bis Ende des 12. Jahrhunderts irgendeine eindeutige Entscheidung.187 Alle bisherigen Beschlüsse von Konzilien und Synoden bezogen sich vorzugsweise auf die Situation in Südfrankreich (die Gascogne, das Gebiet um Toulouse und die Provence), wo Ketzerbewegungen zu einem Politikum wurden, da sich dort der Adel mit ihr verband und die kirchliche Autorität immer mehr an Bedeutung verlor.
Die Situation in den deutschsprachigen Gebieten war jedoch eine ganz andere. Aus Flandern, von wo die Beginenbewegung ausging, kamen beispielsweise im Jahre 1162 Bürger aus verschiedenen Städten an die päpstliche Kurie nach Tours, um Papst Alexander III. um Hilfe zu bitten, da sie vom Reimser Erzbischof und sogar von König Ludwig VII. von Frankreich als manichäische Ketzer beschuldigt worden waren. Die Beschuldigten beteuerten vor dem Papst, nichts mit dieser Ketzerei gemein zu haben. Der Papst aber blieb unentschieden. Immerhin warnte er vor strengen und unbedachten Maßnahmen:
„Es sei weniger schlimm, Schuldige freizusprechen, als Unschuldige zu verurteilen, und Männern der Kirche stehe ohnehin übergroße Nachsicht besser an als übergroße Strenge.“188
Erst Papst Innozenz III. (1198 – 1216) versuchte – auch mit Hilfe der Dominikaner und Franziskaner – die religiösen Kräfte, die in den als häretischen verurteilten Bewegungen zur Entfaltung kamen, für die Kirche zurückzugewinnen. Dieser Papst erkannte endlich die Bedeutung und Chance aller religiösen Bewegungen für das Leben der Kirche.
Die uneinheitliche Beurteilung neuer religiöser Strömungen und die Unfähigkeit, deren Kräfte zu gewinnen, führten tragischer Weise auch dazu, dass kirchlich gesinnte religiöse Gruppen in eine sog. Ketzerei und damit in den Ungehorsam gegenüber der Kirche getrieben wurden. Menschen, die ein religiöses Leben nach der Botschaft des Evangeliums führen wollten, wurden der Ketzerei beschuldigt, obwohl sie sich nicht nur nicht zur Ketzerei bekannten, sondern sogar an der Kurie die Anerkennung ihrer Rechtgläubigkeit zu finden hofften.189 Am Beispiel der Waldenser wird dies deutlich.
I. Die Waldenser 190
Um 1175 gab der reiche Kaufmann Petrus Waldes (+ vor 1218) seinen Reichtum und seine gesellschaftliche Stellung auf, um in apostolischer Armut nach den Weisungen des Evangeliums zu leben. Waldes schloss sich jedoch nicht den sog. Ketzerpredigern an, sondern er suchte Rat bei Priestern und Theologen der Kirche. Er ließ sich von ihnen die heilige Schrift ins Provenzalische übersetzen, um sich aus eigener Kenntnis heraus von ihr leiten und führen zu lassen. Mit gleichgesinnten Frauen und Männern begann er in apostolischer Armut als Wanderprediger gegen die Sünden in der Welt zu predigen. Allerdings lebten sie nun genauso wie viele verurteilte Ketzer. Als ihnen schließlich der Erzbischof von Lyon das Predigen verbieten wollte, gehorchten sie nicht, da dies der Weisung des Evangeliums nicht entspräche, allen Geschöpfen die frohe Botschaft zu verkünden (vgl. Mk 16,15). Sie argumentierten: Man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen (gemäß Apg 5,29). Doch keinesfalls wollten sie sich von der Kirche trennen. Deshalb gingen sie nach Rom, wo gerade das 3. Laterankonzil stattfand, um von Papst Alexander III. (1159-1181) die Anerkennung ihrer Lebensweise und die Erlaubnis zur apostolischen Wanderpredigt zu erhalten. Zudem reichte Waldes auch seine Bibelübersetzung zur Prüfung ein. Durch Waldes wurde die Kirche offiziell zu einer Stellungnahme zu freiwilliger apostolischer Armut und Wanderpredigt gezwungen, da man Waldes und seinen Gefährten keinesfalls zur Last legen konnte, wie die Ketzer gegen die Lehren und Sakramente der Kirche zu sein. Im Gegenteil: Waldes wollte sich in die Ordnung der Kirche einfügen. Doch der Papst und das Konzil versagten völlig. In einer theologischen Prüfung wurde das Anliegen der Waldenser in keiner Weise ernst genommen. Der Leiter dieser Kommission, Walter Map, ein Gesandter des englischen Königs, machte sich über Waldes und seine Gefährten lustig und hielt die ganze Prüfung für lächerlich. Am Ende lobte der Papst zwar die freiwillige Armut des Petrus Waldes, doch die Predigt wurde ihnen verboten; nur wenn sie von ihren Bischöfen oder Priestern dazu aufgefordert würden, sei dies möglich. Da die Waldenser jedoch gerade von ihren Bischöfen und Priestern beargwöhnt wurden, bestand faktisch ein generelles Verbot. Aber nicht nur das Versagen Einzelner führte zur Abweisung der Waldenser, sondern auch die Vorstellung vom hierarchischen Ordo gemäß der gregorianischen Reform, nämlich dass ausschließlich den von Gott dazu berufenen Bischöfen und Priestern das Recht zu Predigt und Seelsorge vorbehalten sei: „Von Gott dazu berufen sind aber nur die 12 Apostel und ihre Nachfolger, die Bischöfe, und die 72 Schüler des Herrn und ihre Nachfolger, die Priester, dazu noch deren Stellvertreter, die Archidiakone und Vikare, sonst aber niemand, weder Mönche noch Laien; und niemand, selbst der Papst nicht, kann irgend jemanden zur Predigt und zur Seelsorge berechtigen außer diejenigen, die nach dieser unveränderlichen Ordnung von Gott dazu berufen sind, - es sei denn, diese von Gott Berufenen selbst forderten jemanden zur Predigt in ihrem Amtsbezirk auf. Aber gerade davor hatte man andererseits die Bischöfe und Priester immer wieder gewarnt, fremde Prediger zuzulassen.“191 Die Waldenser hielten sich indes nicht an die Anordnungen des Konzils. Sie predigten weiter und entfernten sich immer mehr von der Kirche. Sie begannen auch gegen die Sünden des Klerus zu predigen. 1184 wurden sie auf der Synode von Verona mit dem Kirchenbann belegt und gemeinsam mit den Katharern als Ketzer bezeichnet. Begründet wurde dies – an erster Stelle – mit der unbefugten Predigt. Die unbefugte Predigt, selbst wenn sie den Lehren der Kirche entsprach, galt somit als ein wesentliches Merkmal für Ketzerei. Nach ihrer Verurteilung 1184 gerieten die Waldenser immer mehr unter den Einfluss der Katharer und deren manichäischen Gedankenguts. Anfangs hatten die Waldenser diese Sekte noch heftig bekämpft. Jetzt erst, unter dem Einfluss der Katharer, wurden sie zu einer teilweise gefährlichen Sekten. Sie lehnten jegliche kirchliche Autorität und Lehre ab. Katholische Traditionen wie die Sakramente, die Heiligen-, Bilder- und Reliquienverehrung verwarfen sie. Sie waren gegen den Ablass, den Eid, den Zehnt, den Kriegsdienst und die Todesstrafe. Je nachdem, wie intensiv sie dem Katharismus verfallen waren, leugneten sie die Sünde und die Hölle. Durch ein Consolamentum (Handauflegung) auf dem Sterbebett versprachen sie den einfachen Gläubigen eine leichte Erlösung. Doch ihr strenges Leben nach dem Evangelium führte ihnen viele Anhänger zu. Die Waldenser gliederten sich – wie die Katharer – in zwei Klassen: die Vollkommenen (Prediger, Vorsteher, Seelsorger) und die einfachen Gläubigen (Freunde, Förderer, Sympathisanten, gewöhnliche Anhänger). Waldes weihte auch eigenmächtig Bischöfe und Priester. Noch im 12. Jahrhundert verbanden sich die Waldenser in Oberitalien mit den „Armen der Lombarden“. Dort wurden sie in ihrer antikirchlichen Haltung noch radikaler als anderswo. In Metz und in Straßburg tauchten sie ebenfalls auf. Im 13. Jahrhundert breiteten sie sich in Flandern, im Rheintal, entlang der Donau, in der Gascogne, in Burgund und in der Champagne aus. Die Bevölkerung im Rheinland und in Nordfrankreich setzte sich jedoch, im Gegensatz zum französischen Süden, teilweise mit Gewalt zur Wehr. Ab 1199 erfolgte unter Papst Innozenz III. (1198 – 1216) eine Versöhnung mit den Teilen der Waldenser, die nicht völlig von der Lehre des Manichäismus erfüllt waren.192