Zur Professionalität der Professionalisierenden

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Auch wenn das Habituskonzept zur Beschreibung des individuellen oder kollektiven Umgangs mit und Entstehens von Handlungsdispositionen (angehender) Lehrerinnen und Lehrern eingängig erscheint, bleibt die Wirkung von Lehrerbildung auf der individuellen Ebene unspezifisch, denn:
Die individuelle Professionalisierung einer Lehrperson kann trotz einer ‚guten‘ Aus- und Weiterbildung misslingen, sie kann trotz einer ‚schlechten‘ Aus- und Weiterbildung gelingen. Jedenfalls vermag keine noch so plausible Zuordnung bestimmter Aufgaben und Funktionen zu einzelnen Phasen der Lehrerbildung die spätere Professionalisierung einer angehenden Lehrerin oder eines angehenden Lehrers zu garantieren. (Keller-Schneider/Hericks 2014: 401f.)
Dabei wirken verschiedene Sub-Systeme auf unterschiedlichen Ebenen und Levels in komplexer Weise für die Entwicklungsprozesse von Lehrerinnen und Lehrern, die Blömeke (2010) im Kontext der Mathematiklehrerbildung zusammengestellt hat (vgl. Abbildung 4), welche auch für Lehrpersonen anderer Fächer Relevanz haben dürften.

Modelle der Wirksamkeit von Lehrerausbildung (Blömeke 2010: 34).
Es ist demnach davon auszugehen, dass die verschiedenen Levels und Ebenen ebenfalls habitusformenden Einfluss auf die Lehrerinnen und Lehrer haben, dass beispielsweise gesellschaftlich tradierte Statusbewertungen vom Lehrer*innenberuf ebenso bedeutsam sein können wie länderspezifische Vorgaben über Curricula und individuelle Persönlichkeitsmerkmale sowie (tradierte oder berufsbiographisch vorgeprägte) Glaubenssätze und Überzeugungen (Beliefs) über das Lehren und Lernen. Im hier vorzustellenden Forschungsprojekt werden auf der institutionellen Ebene und dort des unteren Levels I in Abbildung 4 die Lehrerausbildner*innen in den Blick genommen, die zunächst innerhalb des gesamten Schaubildes keine allzu große Rolle einzunehmen scheinen. Jedoch sind sie die einzigen tatsächlich als Personen benannten Einflussfaktoren innerhalb des Wirksamkeitsmodells von Lehrer(aus)bildung, alle weiteren Aspekte und Levels werden gefüllt durch Konstrukte wie Kompetenzen, Voraussetzungen oder Steuerungsmechanismen wie Curricula – letztlich allesamt „unbelebte“ Faktoren. Umso spannender dürfte also die Auseinandersetzung mit der Gruppe der Lehrerbildner*innen werden, wenn man gleichzeitig bedenkt, dass die zu betrachtenden Personen innerhalb der zweiten Phase tätig sind und damit – im Gegensatz zur universitären Phase – ausnahmslos auch tatsächlich Lehrerinnen und Lehrer sind oder über einen gewissen Zeitraum waren. Dies bedeutet, dass unmittelbar die individuelle Ebene von Kompetenzen, eigener Lernvoraussetzungen, Lehrerwartungen, kurz: des Habitus, wirksam wird und mittels des vorliegenden Projekts beschreibbar gemacht werden soll.
Damit verbunden sein kann auf dieser Ebene jedoch keine Wirksamkeitsforschung, was an dieser Stelle bereits ausdrücklich hervorgehoben werden soll, um keinen falschen Eindruck oder entsprechende Vorerwartungen zu erwecken. Vielmehr wird der Versuch unternommen, die Handlungspraxis von Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte, ihre Orientierungen, ihre Habitūs (wenn auch hier in diesem Kontext nicht angeknüpft an Entwicklungsaufgaben), in einem Feld explorativ beschreibbar werden zu lassen, um zunächst überhaupt Anhaltspunkte über die Ausbildungstätigkeit und ihre Position im Feld der zweiten Phase erhalten zu können. Da das vorliegende Projekt vorwiegend besondere Ausbildungskräfte (Fachleiterinnen/Fachleiter) von Referendarinnen und Referendare moderner Fremdsprachen in den Blick genommen hat, wird im Folgenden unter einer fachdidaktisch-spezifischen Perspektive auf die mutmaßlich angenommene Professionalisierungsbedürftigkeit von Fremdsprachenlehrkräften in ihrer Spezifik fokussiert, um die dort empirisch genutzten Konstrukte auch in Beziehung zu schulpädagogischer Professionsforschung zu setzen. Auf die Phasenspezifität des Vorbereitungsdienstes und daraus vorliegender Forschung wird im Anschluss eingegangen (vgl. Abbildung 1), um eine Klammer der institutionellen Rahmungen um die schulpädagogische, fremdsprachendidaktische, stärker auf das Individuum zielende Professionsforschung zu erhalten.
3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung
Aufgrund der Tatsache, dass in dieser Arbeit der Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer in den Blick genommen wird, wird dieser Gruppe von Lehrpersonen bzw. mittels der je ausgebildeten bzw. unterrichteten Fächer eine gewisse Spezifik unterstellt, welche im späteren Verlauf zwar auch hinterfragt werden soll, es jedoch an dieser Stelle nötig macht, einen Überblick über Ansätze und Forschungsgegenstände von Lehrerprofessionalität und -professionalisierung in der Disziplin der Fremdsprachenforschung herauszuarbeiten. Ziel dessen soll es hier nicht sein, im Detail eine fremdsprachendidaktische Professionstheorie zu skizzieren. Vielmehr sollen in einer parallel zu den zuvor vorgestellten schulpädagogischen Bestimmungsansätzen von Lehrerprofessionalität/-professionalisierung die in der Fremdsprachenforschung jeweils relevant gesetzten Forschungsgegenstände im Zusammenhang mit Lehrerprofessionalität/-professionalisierung gebündelt vorgestellt und hinsichtlich der Frage bewertet werden, inwiefern diese empirisch betrachteten oder durch Vorgaben normativ gesetzten Gegenstände eine Relevanz für die Fremdsprachenlehrerprofessionalität bzw. -professionalisierung zeigen.
Zu diesem Zweck wird primär Forschung aus dem deutschsprachigen Raum herangezogen, um eine Anschlussfähigkeit an die in Kapitel 2 verhandelten Bestimmungsansätze zu erhalten, sowie einschlägig internationale empirische wie theoretische Forschung, welche häufiger auf gänzlich anderen Konstrukten basiert, dabei aber gleichzeitig die deutsche Fremdsprachenforschung hinsichtlich professionstheoretischer Grundlagenforschung im Wesentlichen informiert hat.1 In ihrer komparativen Gesamtschau soll ein Überblick der Forschung und damit ein gewisses Anforderungsprofil, möglicherweise ein spezifischer Professionalisierungsbedarf angehender Fremdsprachenlehrkräfte, für das im Anschluss vorzustellende Vorhaben klarer konturiert und im späteren Verlauf der Arbeit dann ihre Anschlussfähigkeit an allgemein-schulpädagogische Konzepte im Kontext einer lehrerbildenden Struktur wie der des Vorbereitungsdienstes diskutiert werden.
Zusammengefasst verfolgt dieses Kapitel das Ziel, Antworten auf die folgenden Fragen zu finden:
1 Welche Themen bzw. Gegenstände sind im Feld der Fremdsprachenlehrerbildung bzw. -professionalisierung von besonderer Bedeutung?
2 Welche konzeptionellen, theoretischen und empirischen Zugänge liegen dieser Forschung zugrunde?
3 Welche Ergebnisse liefern die angeführten Studien, Zugänge und Gegenstände im Hinblick auf eine spezifische Professionalisierungsbedürftigkeit der betroffenen Lehrkräfte ggf. auch aufgrund spezifisch-struktureller, systemischer oder methodisch-didaktischer Anforderungen?
3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität
Es lässt sich für die deutsche Fremdsprachenforschung durchaus unterstellen, dass eine domänenspezifisch breite Professionsforschung von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern bis in die Anfänge dieses Jahrtausends kaum vorhanden war. Roters und Trautmann (2014) sowie Königs (2014) sehen hier insbesondere die starke Lernerorientierung der vorhergehenden Jahrzehnte als eine der Hauptursachen, welche sich primär mit den – nicht minder wichtigen – Lernprozessen der Schülerinnen und Schüler beschäftigte, was jedoch dazu führte, dass die Lehrperson zunehmend in den Hintergrund rückte. Königs (2014) geht sogar so weit zu fragen: „War die Lernerorientierung ein Irrtum?“ (ebd.: 66) und diagnostiziert ein Zurückbleiben der fremdsprachendidaktischen gegenüber der schulpädagogischen Forschung (möglicherweise ebenso anderer Fachdidaktiken) im Hinblick auf den Einfluss und die Rolle der Lehrkraft im (Fremdsprachen-)Unterricht. Auch Viebrock (2014) stellt – beispielhaft für das Feld des bilingualen Unterrichts – ein recht geringes Interesse fremdsprachendidaktisch motivierter Professionsforschung fest und begründet dies mit dem eher auf Lernprozesse eingeschränkten Fokus:
Ein Grund hierfür mag sein, dass sich die Fremdsprachendidaktik … in erster Linie mit einem begrenzten, wenn auch zentralen Ausschnitt der Tätigkeit von Lehrer*innen befassen, nämlich der Inszenierung und Reflexion fachlicher und sprachlicher Lernprozesse, weniger aber mit den allgemeinpädagogischen und administrativen Aufgabenfeldern, welche der Lehrberuf darüber hinaus umfasst. (ebd.: 73)
Die Fokussierung auf Lernprozesse führte ebenfalls international zum Ende des vergangenen Jahrhunderts eher zu methodisch-didaktischen Ratgebern – oder eher: Rezeptgebern – für Unterricht, die konzeptionell durchdacht, aber nur selten empirisch angebunden waren:
The literature on teacher education in language teaching is slight compared with the literature on issues such as methods and techniques for classroom teaching. Few of the articles published in the last twenty years are data-based, and most consist of anecdotal wish lists of what is best for the teacher. (Richards/Nunan 1990: XI)1
Die empirische Wende im Feld der Fremdsprachenlehrerbildung diskutiert für den internationalen Kontext Freeman (2009) und stellt diese bildlich als Wirbel dar, der sich weiter ausbreitet und damit immer mehr Felder und Fragestellungen abdeckt (s. Abbildung 5): Nach separater Betrachtung von Lehrkräftetraining im Sinne universitärer bzw. institutionalisierter Ausbildung und dem Einsetzen der Idee von beruflicher und professioneller Weiterentwicklung (Development) seit den 80er Jahren treten das Aufbauen einer Forschungsbasis und weitergehender, umfassenderer Konzeptualisierungsansätze in den 90er Jahren in den Vordergrund, während diese seit den 2000er Jahren um operationale, primäre soziologische Fragestellungen ergänzt werden, die sich um Fremdsprachenlehreridentität, -sozialisation und situierte Praxis drehen (vgl. Freeman 2009).

The Widening Gyre of Second Language Teacher Education (Freeman 2009: 14).
Im Forschungsüberblick zeigt sich dem folgend, dass Lehrerinnen und Lehrer immer wieder (und zunehmend) eine Rolle in fremdsprachendidaktischen Publikationen spielen und natürlicherweise bei der Implementation innovativer Lehr- und Lernmethoden sowie konzeptionell-explorativen Vorhaben z.B. zu (inter-)kulturellen Aspekten als bedeutsam herausgestellt werden (vgl. zur Übersicht Caspari 2016). Jedoch wurden empirisch dann häufig nur Effekte auf Seiten der Lernenden gemessen, während die Lehrkraft eine untergeordnete, gleichsam instrumentalisierte Rolle spielt, obwohl ihr – auch medienwirksam durch Hattie (2009) – ein deutlich größerer und unmittelbarerer Einfluss auf Lernprozesse eingeräumt wird als bestimmte Methoden oder Medien. Caspari (2016) sieht als einen Grund für einen starken Fokus auf beide Perspektiven bzw. ein weitgehendes Fehlen von reinen Wirksamkeitsstudien zu Fremdsprachenlehrkräften die hohe Komplexität des Unterrichts und dessen Interaktionsprozesse sowie das, insbesondere im deutschsprachigen Kontext, vorherrschende Menschenbild, welches Lehrkräfte als Subjekte wahrnimmt und sich damit häufig in der Beforschung seiner Glaubenssätze und Überzeugungen, der „Innensicht“ (Caspari 2016: 45), widmet, was unten auch noch ausführlicher dargestellt werden wird.
Es lassen sich bei der Durchsicht der einschlägigen Publikationen der letzten zwei Jahrzehnte im deutschsprachigen Raum, auf die und den hier fokussiert werden soll, insbesondere drei Forschungsschwerpunkte ausmachen: Zum einen ist in den vergangenen Jahren, vorrangig beeinflusst durch die empirische Bildungsforschung und die Entwicklungen um die COACTIV-Gruppe, eine deutliche Verschiebung der Forschungsaktivität hin zu 1) domänenspezifischem Professionswissen zu beobachten. Innerhalb dieses Feldes herrscht dann vorwiegend ein quantitatives Forschungsparadigma. In den beiden anderen Schwerpunkten findet man tendenziell eher qualitative Ansätze, die sich 2) mit Fremdsprachenlehrerkognitionen, Beliefs und Reflexivität beschäftigen sowie 3) Forschungsprojekte, die bestimmte Interventionen z.B. in Form von Praktika oder Aktionsforschungsprojekten hinsichtlich ihres Professionalisierungspotentials betrachten. Interessanterweise lassen sich internationale Forschungsberichte, die sich schlagwortartig im Feld (Foreign) Language teacher (professional) development zeigen, in ähnlicher Weise in diese drei thematischen Unterthemen eingruppieren, weswegen sie hier auch gemeinsam mit der Forschung aus dem deutschsprachigen Raum ergänzend einbezogen werden, sofern es sinnvoll erscheint. Crandall und Christison (2016) identifizieren beispielsweise beginnend mit den 90er Jahren die folgenden fünf Schwerpunkte in der internationalen Forschung zur (Englisch-)Fremdsprachenlehrerbildung:
Language teacher cognition, teacher expertise, and novice teacher development
Teacher identity, globalization, and non-native English-speaking teachers (NNESTs)
Reflection and reflective teaching
Classroom research, action research, and teacher research
Language teacher learning, collaboration, communities of practice (CoPs), and professional learning communities (PLCs) (ebd.: 6)
Diese Forschungsfelder finden sich ebenso in der nun avisierten Unterteilung in drei Schwerpunkten wieder, wenn auch im deutschen Diskurs – und das mag vorangestellt sein – die Stellung von Nicht-Muttersprachler*innen2 sowie Globalisierung nicht vorhandene bis eher untergeordnete Rollen zu spielen scheinen. Die übrigen Items internationaler Forschungsschwerpunkte hingegen lassen sich unproblematisch in die nun folgende Unterteilung nach 1) Standards und domänenspezifischem Professionswissen, 2) Beliefs, Subjektive Theorien und Reflexivität sowie 3) Aktionsforschung und Interventionen eingliedern, welche oben bereits schwerpunktmäßig für den deutschsprachigen Raum identifiziert wurden, nun dezidiert mitsamt ihrer Forschungsansätze und -richtungen aufgeführt werden und dann im Anschluss in ihrer Gesamtschau und den im einleitenden Abschnitt dieses dritten Kapitels aufgeworfenen Fragen bewertet werden sollen.
3.1.1 Standards und domänenspezifisches Professionswissen
In einer auch durch den „PISA-Schock“ bedingten und – ebenfalls dadurch – verstärkten empirischen Bildungsforschung im quantitativen Paradigma sind neben qualitätsoptimierenden und länderübergreifend verbindlichen Bildungsstandards für Schülerinnen und Schülern parallel Lehrerbildungsstandards entstanden, die hier zunächst zusammengefasst dargestellt werden sollen, um sie dann in Bezug mit der empirischen Forschung zum domänenspezifischen Professionswissen von Fremdsprachenlehrkräften in Beziehung zu setzen.1
In ihrem Dokument Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung formuliert die KMK (2017)2 im Anschluss an die vorher bereits für die Bildungswissenschaften festgelegten Standards (KMK 2014) untergliedert in einzelne Fachprofile je spezifische Wissensbestände und Kompetenzen, die die Lehramtsstudierenden zum Ende ihres Studiums vorweisen sollen.3 Für die Gestaltung der Studieninhalte werden wiederum spezifische Inhalte als Vorgaben für jedes Fach bzw. jeden Fachbereich – hier: Neue Fremdsprachen (KMK 2017: 44-46) – zusammengestellt. Für die modernen Fremdsprachen gilt dabei: „Die Studienabsolventinnen und -absolventen verfügen über Kompetenzen in der Fremdsprachenpraxis, der Sprachwissenschaft, der Literaturwissenschaft, der Kulturwissenschaft sowie in der Fachdidaktik.“ (KMK 2017: 44) Dabei sind umfassende Kompetenzen im Bereich der Sprachpraxis und der Fachdidaktik zu erwerben, für die Fachwissenschaften wird für das Gymnasium bzw. die Sekundarstufe II noch eine Erweiterung und Vertiefung der jeweiligen Studieninhalte der Sekundarstufe I erforderlich. Das Fachprofil der Neuen Fremdsprachen kennzeichnet sich durch die folgenden Anforderungen an die Lehramtskandidatinnen und -kandidaten. Diese
verfügen über ein vertieftes Sprachwissen und „nativnahes“ Sprachkönnen in der Fremdsprache; sie sind in der Lage, ihre fremdsprachliche und interkulturelle Kompetenz auf dem erworbenen Niveau zu erhalten und ständig zu aktualisieren,
können auf vertieftes, strukturiertes und anschlussfähiges Fachwissen in den Teilgebieten der Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft zugreifen und grundlegende wie aktuelle Fragestellungen und Methoden erkennen und weiterentwickeln,
verfügen über Erkenntnis- und Arbeitsmethoden im jeweiligen Fach sowie über einen Habitus des forschenden Lernens,
besitzen die Fähigkeit zur Analyse und Didaktisierung von Texten, insbesondere von literarischen, Sach- und Gebrauchstexten sowie von diskontinuierlichen Texten,
können fachliche und fachdidaktische Fragestellungen und Forschungsergebnisse wissenschaftlich adäquat und reflektiert darstellen sowie die gesellschaftliche Bedeutung der Disziplin und des Fremdsprachenunterrichts in der Schule analytisch beschreiben,
kennen die wichtigsten Ansätze der Sprach-, Literatur-, Kultur- und Mediendidaktik und können diese für den Unterricht nutzen,
verfügen über ausbaufähiges Orientierungswissen und Reflexivität im Hinblick auf fremdsprachliche Lehr- und Lernprozesse auch unter dem Gesichtspunkt von Mehrsprachigkeit, Heterogenität und inklusiven Unterricht,
kennen Möglichkeiten der Gestaltung von Lehr- und Lernarrangements insbesondere unter Berücksichtigung heterogener Lernvoraussetzungen und Inklusion,
verfügen über vertieftes Wissen zur Entwicklung und Förderung von kommunikativer, interkultureller und textbezogener fremdsprachlicher Kompetenz, methodischer Kompetenz und Sprachlernkompetenz von Schülerinnen und Schülern,
verfügen über erste reflektierte Erfahrungen in der kompetenzorientierten Planung und Durchführung von Fremdsprachenunterricht in heterogenen Lerngruppen z.B. im Hinblick auf zieldifferenten und zielgleichen Unterricht und kennen Grundlagen der Leistungsdiagnose und -beurteilung im Fach,
können auf der Grundlage ihrer fachbezogenen Expertise hinsichtlich der Planung und Gestaltung eines inklusiven Unterrichts mit sonderpädagogisch qualifizierten Lehrkräften und sonstigem pädagogischen Personal zusammenarbeiten und mit ihnen gemeinsam entsprechende Lernangebote entwickeln,
sind sensibilisiert für den Bedarf an barrierefreien Lernmedien von Lernenden mit Behinderungen. (KMK 2017: 44)
Es fällt auf, dass ein Teil der Facetten sowie auch die hier nicht näher vorgestellten Studieninhalte nicht immer rein fremdsprachendidaktischer Natur sind. So sind insbesondere die Anforderungen für inklusives Unterrichten nicht im Besonderen fachdidaktisch geprägt, Aspekte von Textarbeit spielen neben den Fremdsprachen logischerweise auch im Besonderen im Fach Deutsch eine gewichtige Rolle, allerdings scheint die Forderung „ein Habitus des forschenden Lernens“ (s.o.) auf den ersten Blick ebenso für andere Fächer relevant, taucht in den KMK-Standards in der Tat allerdings in dieser Explizitheit nur bei den Neuen Fremdsprachen auf, ansonsten in keinem anderen Fachprofil. Auch die Anforderungsniveaus innerhalb des Profils unterscheiden sich teilweise: Während ein „nativnahes“ Sprachvermögen bzw. die Fähigkeit zur Didaktisierung literarischer Texte deutlich hohe Anforderungen an die Fähig- und Fertigkeiten der Studienabsolventinnen und -absolventen stellen, werden andere Wissensbestände häufig als „vertieft“, zumindest „anschluss- oder ausbaufähig“ charakterisiert, im Hinblick auf einen kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht reichen „erste reflektierte Erfahrungen“ aus. Die Abstraktion von Lehrkompetenzen in dieser Form ist aus fremdsprachendidaktischer Perspektive kritisiert worden: „Sie beruht auf der Annahme, dass die Gemeinsamkeiten beim Fremdsprachenlernen und -lehren groß genug sind, um die Kompetenzen (sprach)übergreifend formulieren zu können.“ (Lütge 2012: 192) Neben einer mangelhaften Ausschärfung fachdidaktischer Konzepte, d.h. dem Verbleib auf einer dort sehr allgemeinen Ebene, wird als Kritik ebenfalls aufgeführt, dass kaum konkrete Studieninhalte für die Literatur- und Kulturwissenschaften sowie die Linguistik ausformuliert wurden (Deutscher Anglistenverband/Deutsche Gesellschaft für Amerikastudien 2009), was in späteren Fassungen jedoch zumindest in Teilen ergänzt wurde.4 Wie Dausend (2017) noch dazu richtigerweise – hier im Kontext von Primarenglischlehrkräften – darstellt, sind die KMK-Vorgaben zwar als solche zu verstehen, allerdings finden sie aufgrund des deutschen Bildungsföderalismus selten eine vollständige Entsprechung in den innerhalb der einzelnen Länder festgelegten Standards.5 Dennoch: Die KMK-Standards zu den Bildungswissenschaften bzw. auch die frühen Entwürfe zu fachwissenschaftlichen sowie fachdidaktischen Studienanteilen bilden für die größeren empirischen Untersuchungen der Folgejahre wie TEDS-LT und PKE eine bedeutende Grundlage hinsichtlich der Entwicklung von Testitems und anzuwendender Konstrukte, weswegen sie hier wiederum besondere Bedeutung erlangen.
Während die im vorherigen Kapitel bereits vorgestellte COACTIV-Studie verschiedene Dimensionen des Lehrerwissens untersucht, ist der Ansatz der TEDS-LT-Studie (Teacher Education and Development Study: Learning to Teach; Blömeke 2013) von den theoretischen Grundannahmen – trotz fachlicher Ausschärfungen – durchaus vergleichbar und in der Tradition von Shulman (1986) und seiner Unterscheidung der Wissensformen und im Anschluss an Weinerts Kompetenzdefinition (2001b) zu sehen.6 TEDS-LT erhebt das Wissen bzw. Kompetenzen angehender Mathematik-, Deutsch- und Englischlehrkräfte zum Zeitpunkt des Bachelor- und Masterabschlusses, für Englischlehrkräfte im Besonderen dargestellt in Roters et al. (2011), auch in Reaktion zu den mittels der KMK-Standards angelegten Anforderungen. Diese Grundüberlegungen und Konstrukte werden vom Projekt Professionelle Kompetenz angehender Englischlehrkräfte (PKE) aufgegriffen mit dem Ziel, mittels quantitativer Verfahren und Tests verschiedener Konstrukte und Dimensionen in Schulmanscher Tradition allgemeinpädagogisches Wissen, Fachwissen sowie fachdidaktisches Wissen von (angehenden) Englischlehrerinnen und -lehrern über die beiden ersten Phasen hinweg zu erfassen und zu modellieren (vgl. König et al. 2016/2017). Die Analyse der Testitems7 von ca. 440 Englischlehrkräften in beiden Phasen sowie unterschieden in Sekundarstufe I und II ergeben Zusammenhänge zwischen fachdidaktischem und jeweils Fach- und allgemein-pädagogischem Wissen, jedoch korrelieren das Fachwissen und das pädagogische Wissen in geringerem Maße als in der vergleichbaren COACTIV-Studie zu Mathematiklehrkräften, was die Autorinnen und Autoren auf die große Bedeutung von z.B. zu vermittelnder literatur- und kulturwissenschaftlicher Inhalte in der Sekundarstufe II zurückführen. Nicht überraschend ist die Tatsache, dass das fachdidaktische und pädagogische Wissen der Referendarinnen und Referendare im Sample stärker ausgeprägt ist als dasjenige der Studierenden, jedoch scheint sich bezüglich des Fachwissens keine Veränderung, sprich: Zunahme, von der ersten zur zweiten Phase ausmachen zu können. Dies lässt sich in der Tat anknüpfen an Erkenntnisse aus TEDS-LT (vgl. Blömeke et al. 2013, für Englisch: Jansing et al. 2013), wo auch zwischen den beiden Studierendenkohorten keine signifikante Steigerung des Fachwissens im Studienverlauf nachgewiesen werden konnte, jedoch im Bereich des fachdidaktischen Wissens ein Zuwachs auftrat (vgl. Roters et al. 2011). König et al. (2016) merken im Rahmen der Diskussion von Grenzen ihrer Untersuchung an, dass sie in ihrem Projekt lediglich die kognitive Dimension von Lehrerwissensbeständen prüfen, dabei aber andere Dispositionen vernachlässigen:
[Such] dispositions are relevant, but should be extended theoretically and empirically with respect to the situation-specific skills of perception, interpretation, and decision-making to adequately model proximal indicators for teacher performance in class. (König et al. 2016: 12)









