Zur Professionalität der Professionalisierenden

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Das im Verfahren abgeprüfte fachdidaktische Wissen bzw. die konkreten Items werden in den Publikationen zwar auszugsweise aufgeführt, jedoch nur grob in den Dimensionen „Knowledge of curriculum“, „Knowledge of teaching strategies and representations“ sowie „Knowledge of students“ zusammengefasst (vgl. ebd.: 8). Für das Fachwissen wird in Kontrastierung zum mathematischen verschiedentlich angemerkt, dass es von anderer Qualität und „akademischer“ sei. Literatur- und Kulturwissenschaften seien daher eher „the academic foundation for the EFL [English as a Foreign Language; Anmerkung D.G.] teacher to become a cultural expert in English and to develop the competences of an intercultural speaker, not a native speaker“ (ebd.).
Diese Schwerpunkte bilden auch einen der zentralen Kerne des Projekts FALKO-E (vgl. Kirchhoff 2017). Ausgehend von den zentralen Erkenntnissen der vorliegenden empirischen Studien, insbesondere der Tatsache, dass das Fach Englisch als gering strukturierte Wissensdomäne zu fassen ist (vgl. Roters et al. 2011, Blömeke 2014a), unternimmt FALKO-E als Baustein des an der Universität Regensburg interdisziplinär angelegten Vorhabens FALKO – Fachspezifische Lehrkompetenzen (vgl. Krauss et al. 2017) den Versuch, fachdidaktisches Professionswissen sowie Fachwissen von Englischlehrkräften der Sekundarstufe I zu erfassen und greift dabei „teilweise auch auf qualitative und hermeneutische Forschungsarbeiten zurück“ (Kirchhoff 2016: 76), die im Feld vorliegen und unten noch detaillierter vorgestellt werden. Für Kirchhoff (2016) ist im Sinne eines englischdidaktisch spezifischen Professionswissens nicht nur deklaratives Wissen zentral, sondern auch ein Erfahrungswissen „im Sinne der Erfahrung im fachspezifischen unterrichtlichen Handeln“ (ebd.: 76). In FALKO-E (FALKO-Englisch) zeigen sich die Facetten englischdidaktisch-spezifischen Professionswissens unterteilt in „Wissen um schülergerechtes Erklären und Repräsentieren“, „Wissen um Schülerkognitionen“, „Wissen um Lehr-/Lernpotential von Aufgaben und Texten“ sowie Fachwissen als „[vertieftes] Hintergrundwissen über Fachinhalte des Curriculums der Sekundarstufe“ (Kirchhoff 2017: 120). Sie stellt die besonderen Schwierigkeiten beim Herausarbeiten und Zusammenstellen vor allem der fachdidaktischen, normativ geprägten Items heraus, welche durch empirische Erkenntnisse sowie Augenscheinvalidität in Pretests entwickelt und begutachtet werden (vgl. Kirchhoff 2016). Ebenfalls im Zusammenhang der Entwicklung eines Testverfahrens zur Messung des Professionswissens angehender Spanischlehrkräfte, welches in seiner Itementwicklung stark an die KMK-Standards für Lehrpersonen wie Lernende angelegt ist, zeigt sich, „dass das geplante Testverfahren in der Praxis auf Grenzen stößt“ (Hoinkes/Weigang 2016: 71). Dies scheint daher, primär aufgrund der geringen Strukturiertheit der fremdsprachendidaktischen Wissensdomäne, ein durchaus generelles Problem hinsichtlich dieser Forschungsansätze darzustellen.
Auch innerhalb des qualitativen Forschungsparadigmas liegen einschlägige Arbeiten zum Professionswissen von Fremdsprachenlehrpersonen vor, welche international häufig mit Konstrukten der Expertiseforschung z.B. im Anschluss an Berliner (1988) und Dreyfus et al. (1986) arbeiten, im deutschsprachigen Kontext häufig vom Forschungsprogramm Subjektive Theorien (s.u.) und wissenssoziologischer Forschung beeinflusst wurden. Tsui (2003), beispielhaft für den internationalen Kontext, untersucht in ausführlichen Falldarstellungen von vier Englischlehrkräften in Hong Kong deren Unterrichtserleben und vergleicht Unterschiede zwischen Novizen und Experten, welche sie am kritisch-reflexiven Umgang und progressivem Problemlösen von pädagogischen und fachdidaktischen Herausforderungen herausarbeitet. Während Novizen – wie auch in anderen Kontexten beschrieben – in gewissem Maße ein „Überleben“ beschreiben, gelingt es Fremdsprachenlehrkräften, die als Experten bezeichnet werden können, schneller, Unterricht von den Lernenden aus zu planen, verschiedene theoretische, allgemeinpädagogische wie fachdidaktische Konzepte im Unterricht zu verschränken und situativ reflektiert zu agieren (vgl. Tsui 2003, Borg 2006): „Kurz gesagt verfügen erfahrene Lehrende über ein größeres Instrumentarium, um die Komplexität des Unterrichts zu handhaben.“ (Schart 2014: 45)8 Trotz dass davon ausgegangen werden kann, dass explizit vorliegendes Expertenwissen Lehrerhandeln z.B. für Unterrichtsplanung beeinflussen kann, ist unter wissenssoziologischer Perspektive, wie auch im vorigen Kapitel angemerkt, die konkrete Offenbarung als Performanz von Wissen und Kompetenzen, die sich z.B. in der Planungs- oder Unterrichtspraxis zeigt, forschungsmethodologisch und -pragmatisch häufig nicht ohne größeren Aufwand erhebbar. Diesem Desiderat kam die DESI-Studie (Deutsch Englisch Schülerleistungen International) insofern basal nach, als dass sie neben Testungen von Lernendenleistungen sowie der Videographie von Unterrichtsstunden und deren Analyse auch mittels (quantitativer) Fragebögen Aspekte von Lehrerwissen erhob, zu Aussagen über Prozessqualität und Unterrichtspraxis in unterschiedlicher Hinsicht kommt und damit einen Zusammenhang zwischen Expertenwissen der Lehrkräfte und guten Leistungen der Lernenden herausgearbeitet hat (vgl. DESI-Konsortium 2008).
Wissensdomänen Englischunterricht Sub-Dimensionen Fachwissen Wissen über das Sprachsystem Phonologie Lexis Grammatik Diskursfähigkeit Wissen über Literatur und Kultur Kulturelle Diskursfähigkeit Literarische Analysefähigkeit Fachdidaktisches Wissen Sprachverarbeitung und -produktion Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben + Integration der vier Fertigkeiten Wissen um Lernstrategien Risk-taking Ambiguitätstoleranz Self-monitoring Kommunikationsstrategien Wissen um Lehrstrategien Unterschiedliche Typen von Aktivitäten Unterschied zwischen fluency- und accuracy-basierenden Aktivitäten Adaptation von Materialien für unterschiedliche Anforderungsbereiche Wissen über Lernende Lernerkognitionen und falsche Auffassungen über Lernen/Lehren Vorwissen Entwicklung von Lernen Motivation Wissen um interkulturelle Interaktion Lernerwissen, Fähigkeiten und Strategien, um interkulturell kommunizieren zu können Kontext- und Curriculumwissen Wissen über den Bildungskontext, Absichten, Ziele und Zweck Materialien und Programme als Handwerkszeug der Lehrkraft Verstehen des Lernpotentials von Heranwachsenden, Bildungsstandards, Curricula, (interne) Schulentwicklungsabsichten/-programme Allgemein-pädagogisches Wissen Lernmanagement Motivation der Lernenden Empowerment von Lernenden Classroom management Ressourcenmanagement Authentizität Verfügbarkeit Angemessenheit der verwendeten MaterialienTab. 1:
Wissensdomänen von Englischlehrpersonen (Roters 2017: 171; eigene Übersetzung).
In einer Zusammenschau überwiegend internationaler Studien zum Wissen von Englischlehrkräften9 stellt Roters (2017), unterteilt nach den Oberkategorien Shulmans (1986), Domänen und Subdomänen zusammen, die in Tabelle 1 dargestellt werden. Sie erklärt, dass die einzelnen Dimensionen als interdependent zu verstehen sind, was auch PKE und FALKO-E zeigen können, gleichzeitig diese Einteilung keineswegs einen Vollständigkeitsanspruch erheben kann und weiterer Ausschärfung bedarf. Insbesondere Aspekte des über die Zeit formaler (Aus-)Bildung und Lehrtätigkeit generierten Erfahrungswissens, der „apprenticeship of observation“ (Lortie 1975) anderer professionell Agierender (auch der eigenen Schulzeit), des Reflektierens theoretischer Wissensbestände sowie die eigenen Beliefs spielen eine besondere Rolle, die mit quantitativen Erhebungen nur schwer ermittelbar erscheinen. Mit diesen, in der Tendenz anderen Formen von Wissen, „the hidden side of work“ wie Freeman (2002) es in einem vielzitierten Aufsatz bezeichnet, beschäftigt sich Joachim Appel (2000), der als einer der ersten im deutschsprachigen Raum dezidiert das Erfahrungswissen von Fremdsprachenlehrer*innen untersucht. Er fokussiert hier im Besonderen auf inkorporierte Alltagserfahrungen innerhalb einer Kultur des Fremdsprachenunterrichts danach fragend, wie kollektive Werte und Lehrer*innenwissen aus der Praxis durch Lerngelegenheiten geformt, berufsbiographisch bestimmt und zu theoretischem Wissen reflexiv in Beziehung gesetzt werden. Dazu interviewt er teilstrukturiert-narrativ 20 Lehrerinnen und Lehrer auf Grundlage kognitiver theoretischer Konstrukte wie Subjektive Theorien und Beliefs (s.u.), personenbezogenen Aspekten von Erfahrungswissen im Sinne eines Personal Practical Knowledge (Elbaz 1983) und des Pedagogical Content Knowledge in Anschluss an Shulman (1986). Zum einen werden verschiedene Kontexte herausgearbeitet, die eher personaler oder interaktionaler Natur mit Lernenden und Kolleg*innen sind wie beispielsweise der Umgang mit administrativen Vorgaben, Unabwägbarkeiten bei der Unterrichtsplanung oder die Beziehungsebene. Zum anderen extrahiert Appel Dimensionen fremdsprachendidaktischen Erfahrungswissens, das u.a. den Wert von Auslandserfahrungen sowie die Bedeutung des Lehrwerks als zentral darstellt und methodisch-didaktische Grundannahmen von Grammatik sowie Unterrichtskommunikation der untersuchten Lehrerinnen und Lehrer zusammenzustellen vermag.10
3.1.2 Beliefs, Subjektive Theorien und Reflexivität
Einen weitaus bedeutenderen Schwerpunkt bilden im Zusammenhang mit fremdsprachendidaktisch orientierter Professionsforschung seit 2000 Vorhaben und deren einschlägige Publikationen, welche sichtbar werden lassen, wie sich die subjektive Sicht der Lehrkräfte bzgl. ihrer Tätigkeit, z.B. auch bezogen auf konkrete fremdsprachendidaktische Konstrukte oder Methoden, konstituiert und wie sie reflexiv damit umgehen. In diesem Kontext fällt jedoch ebenfalls auf, dass Forschung zu dem Lehrer*innenberuf vorgeschaltete Motive bzw. zu Berufsbiographien überraschend kurz kommen. Valadez Vazquez (2014), Özkul (2011) und Dirks (2000) stechen für diesen Bereich insofern heraus, dass sie zumindest auf diese Berufswahlmotive sowie berufsbiographische (bei Valadez Vazquez (2014) identitäre) Entwicklungsprozesse fokussieren. Özkul (2011) kann beispielsweise in ihrem quantitativ orientierten Vorhaben aufzeigen, dass die Lehramtsstudierenden des Faches Englisch nicht primär aus Interesse am Fach Lehrerin oder Lehrer werden möchten, sondern aus einer Motivik heraus, die dem angestrebten Berufsfeld immanent zu schein scheint wie z.B. Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Auch positive Erfahrungen in der eigenen Schulzeit spielen eine bedeutende Rolle. Dennoch zeigt sich zusammenfassend, dass die befragten Personen sich für „diesen Beruf vornehmlich aus pädagogischen Motiven und [für] das Fach Englisch auf Grund ihres Interesses für die englischsprachigen Länder und Kulturen“ (ebd.: 229) sowie zur Förderung der eigenen Sprachkompetenz entscheiden, nicht jedoch aus englischdidaktischen oder primär kulturvermittelnden Motiven. Die EVENING-Studie (Evaluation Englisch in der Grundschule; vgl. Engel et al. 2009, Börner et al. 2013), die Englischlehrkräfte im Primarbereich untersucht, kann ähnliche Berufswahlmotive wie Özkul herausarbeiten, wobei hier aufgrund der Spezifität der Fremdsprache in der Grundschule auch bereits schon die frühe Bedeutung des Englischen in der Schullaufbahn gesehen wird, jedoch auch ein gewisser Wettbewerbsvorteil durch das Beherrschen des Faches als Grundschullehrkraft gesehen wird. Die Besonderheit, dass zahlreiche Lehramtsstudierende gleich zwei Fremdsprachen studieren, geht ebenfalls häufig damit einher, dass neben dem Berufswunsch Lehrer/Lehrerin ferner eine andere, außerschulische Perspektive im Anschluss gesehen oder zumindest offengehalten wird (vgl. Weiß/Kiel 2011), außerdem zeigen diese Studierenden erwartungsgemäß ein erhöhtes Interesse an den fachlichen Inhalten der Fremdsprache(n) (ebd.).
Basierend auf narrativen Interviews und mittels berufsbiographisch, struktur-, kompetenz-, sowie hier als „entwicklungstheoretisch“ gewendet, geprägter Konstrukte untersucht Dirks (2000), mit welchen Herausforderungen sich Englischlehrkräfte in den neuen Bundesländern seit der Wiedervereinigung konfrontiert sehen, ob und wie sie einen Rollenwechsel vollziehen und wie sie diesen reflexiv bearbeiten. Die von Dirks rekonstruierten Entwicklungsprozesse scheinen sich zunächst überwiegend nicht mittelbar auf die Spezifik einer Englischlehrkraft beziehen, sondern dürften Prozesse sein, die auch Lehrkräfte anderer Fächer aufgrund des sich im Bildungssystem vollziehenden Ideologiewechsels durchlaufen. Interessanterweise erleben sie jedoch bezogen auf das Fach Englisch gegenüber dem vorherigen Primat des Russischen eine Aufwertung, die sich ebenfalls positiv auf ihre subjektiv wahrgenommene Wichtigkeit als Lehrkraft auswirkt. Neue Lehr- und Unterrichtsmaterialien sowie strukturell neu gewonnener Freiraum erlauben den Englischlehrkräften innovatives Ausprobieren, was strukturtheoretisch gedeutet werden kann und sozial abgefedert wird: „Diese Experimentierphase stellt sich auf der individuellen Handlungsebene als eine produktive Verunsicherung dar, die durch den Verbleib in gewachsenen kollegialen Strukturen bzw. durch einen sozialen und psychischen Rückhalt im Kollegium und/oder durch private Stützsysteme aufgefangen wird.“ (ebd.: 211) Denjenigen Lehrerinnen und Lehrern, denen das reflexive Einholen dieser Innovationsräume nicht gelingt, misslingt auch eine Neuorientierung. Hieraus folgert Dirks entsprechend eine stärkere Implementation von (berufsbiographischer) Reflexion in den lehrerbildenden Phasen, was beispielsweise ebenfalls Reinartz (2003) im Kontext didaktischen Wissens hinsichtlich des Prinzips der Handlungsorientierung im Englischunterricht herausstellt. Hier zeigt sich eine Vertiefung bzw. Verschränkung theoretischen Wissens und seinem Anschluss an Praxis vornehmlich dann, wenn es situativ berufsbiographisch anwendbar wird.1
Reflexion als besondere Wissensform und Reflexivität als entwickelbare bzw. entwicklungsbedürftige Kompetenz bildet dabei ein verhältnismäßig breites Feld innerhalb der Fremdsprachenforschung, zumal wenn man noch die Forschung zu Subjektiven Theorien und Beliefs hinzunimmt (vgl. Caspari 2014), denen man unterstellen kann, dass sie über Reflexivität einer gewissen Bewusstmachung unterliegen können. Wenn über Reflexionsprozesse oder -kompetenzen im fremdsprachendidaktischen Diskurs gesprochen wird, erfolgt dies in der Regel im Anschluss an Deweys frühe Konzeptualisierung reflexiven Denkens (vgl. Dewey 1933) und Schöns prägende Unterscheidung von Reflection on und in action (vgl. Schön 1983, 1990). Im Anschluss an Dewey, Schön sowie Expertiseansätze arbeitet Roters (2012) im Vergleich von US-amerikanischen und deutschen Lehramtsstudierenden unterschiedliche Reflexionsniveaus heraus und leistet dabei einen Beitrag, Reflexivität innerhalb von (Fremdsprachen-)Lehrerbildung empirisch greifbar zu machen.2 Denn obwohl Reflexion und Reflexivität als essentielle Bestandteile erfolgreicher (Fremdsprachen-)Lehrerprofessionalität angesehen wird (vgl. z.B. Bach 2013, Gerlach 2015, Schädlich 2015, Abendroth-Timmer 2017), zeigt sich in zahlreichen Publikationen weiterhin ein erhebliches Forschungsdefizit bzgl. Reflexivität und Uneinigkeit darüber, wie wirksam und nachhaltig das Schaffen von Reflexionsanlässen tatsächlich ist, welche Auswirkungen eine reflektierte und reflektierende Lehrperson auf Lernendenleistungen im Fremdsprachenunterricht hat und wie sich die Wirkung von Reflexion auch je nach reflektiertem Gegenstand unterscheidet (vgl. Akbari 2007, Borg 2009, Mann/Walsh 2013).
Das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA; Newby et al. 2007, Mehlmauer-Larcher 2012), konsensuell von einem Konsortium theoretisch hergeleitet, kann sowohl als normative Anforderungsfolie von Fremdsprachenlehrerkompetenzen wie auch als Reflexionsinstrument angesehen werden, bietet es doch angehenden Fremdsprachenlehrkräften die Möglichkeit, innerhalb verschiedener Domänen theoretischen Wissens und praktischen Handelns in Form einer Selbstdiagnose festzustellen, wo sie gewissermaßen bereits stehen und in welchen Feldern noch Entwicklungsbedarf vorhanden ist.3 Während ich selbst u.a. im Anschluss an EPOSA-Deskriptoren noch auf einer konzeptionellen Ebene der möglichen Integration von sogenannten Reflexionsaufgaben in fremdsprachenlehrerbildenden Seminaren verbleibe (vgl. Gerlach 2015), unternimmt Schädlich (2015) (auch mittels des EPOSA) den Versuch, Reflexionskompetenz durch die Überbrückung des Theorie-Praxis-Verhältnisses von Französischlehramtsstudierenden in deren Fachpraktikum auszuschärfen. In Anschluss u.a. an Farrell (2016), der selbst ein vielschichtiges, in seinen verschiedenen Bereichen auch empirisch belastbares Reflexionsmodell auf verschiedenen Ebenen von Lehrerpersönlichkeit bis Lehrer*innenhandeln und Berufsethos vorgelegt hat (vgl. Farrell 2015), stellt Abendroth-Timmer (2017) ein „Modell zur Definition und Rahmung von Reflexion“ (ebd.: 111) mit verschiedenen Ebenen vor, die in Interaktion miteinander treten bzw. einander beeinflussen (s. Abbildung 6). Insbesondere bezogen auf Fremdsprachenlehrpersonen sieht Abendroth-Timmer „die identitätsstiftende Bedeutung der Sprache als Mittel zur Materialisierung der Reflexion und als Teil sozialer Praxis“ (ebd.: 121), welche sich wiederum im Handeln, der Abarbeitung theoretischer Konzepte sowie in unterrichtlicher Interaktion widerspiegeln kann und damit ein Konstrukt darstellt, das auch phasenübergreifend oder -spezifisch zur Rekonstruktion handlungsleitender Elemente in der Ausbildungs- und Lehrpraxis dienen könnte.

Modell zur Definition und Rahmung von Reflexion (Abendroth-Timmer 2017: 111).
Forschung zu Reflexion geht schnell über in Interventionsforschung (s. nächstes Kapitel) bzw. Projekte, die explizit Lehrkräfte zum Reflektieren anleiten, was Wipperfürth (2015) mittels des Konstrukts der Professional vision unternimmt. Durch den interaktiven Austausch und die Diskussion mit anderen Professionellen der gleichen Berufsgruppe, in diesem Fall mit Englischlehrkräften, können für die Interagierenden relevante thematische Schwerpunkte oder Herausforderungen der Praxis gemeinsam als Professional vision (vgl. auch Goodwin 1994) erarbeitet, reflektiert und lösungsorientiert verhandelt werden. In ihrer Studie analysiert Wipperfürth (2015) die in einem solchen Kontext genutzte Berufssprache, wenn erfahrene Fremdsprachenlehrkräfte gemeinsam mit Novizinnen und Novizen über videographierte Unterrichtsbeispiele diskutieren und ihr (Erfahrungs-)Wissen explizieren. Einen methodisch-methodologisch ähnlichen Weg geht Knorr (2015), wenn sie im Zusammenhang von Planungsgesprächen erster Unterrichtsvorbereitungen angehender Englischlehrkräfte die Ko-Konstruktion fachspezifischen Wissens und dessen Aushandlung beforscht. Sie zeigt hier u.a., dass der tatsächliche Planungsprozess der Studierenden anders verläuft, als die von ihr theoretisch zusammengetragenen Planungskonzepte – mögen sie allgemeindidaktisch oder fremdsprachendidaktisch orientiert sein – dieses anvisieren. Sie sieht eine stärkere Anleitung des Planen-Lernens als zielführend für professionelles Wissen und Handeln, da ein solches, instruiert und begleitet durch das Praktikumspersonal, eine größere Transparenz hinsichtlich der Ziele in dieser Ausbildungsphase bewirken könnte (vgl. auch Knorr 2016).
Einen weiteren, hier anschlussfähigen Forschungsschwerpunkt bildet die Frage danach, „[was] in den Köpfen von Fremdsprachenlehrer(inne)n vorgeht“ (Caspari 2014: 20) und meint damit den Forschungsbereich von Lehrerkognitionen, Beliefs und der Subjektiven Theorien, von denen letztere insbesondere aufgrund des in den 80er Jahren aufgelegten Forschungsprogramms großen Einfluss genommen hat (vgl. Groeben/Scheele 2010) und erstere verstärkt durch internationale Forschungsarbeiten geprägt und hier im Feld der Fremdsprachenlehrkräfte besonders mit dem Namen Borg (2003, 2006) verknüpft sind. Caspari (2003) untersucht in Anlehnung an die Annahmen des Forschungsprogramms Subjektive Theorien das berufliche Selbstverständnis von Fremdsprachenlehrkräften mittels Interviews und deren Sequenzanalyse sowie der Herausarbeitung von Strukturbildern, die sie im Anschluss an die innerhalb des Forschungsprogramms häufig verwendete Strukturlegetechnik beschreibt. Von drei Grenzfällen ausgehend, deren Selbstverständnis sie in ihrer Gesamtstruktur betrachtet, modelliert sie sowohl einen berufsbiographischen Zugriff des Selbstverständnisses, das stark von der eigenen Sprachlernbiographie der Lehrkräfte geprägt ist, sowie einen kompetenztheoretischen Zugriff, für den sie verschieden wahrgenommene Rollen und Funktionen der Lehrkräfte extrahiert. Auch in weiteren Arbeiten, die subjektive Sichtweisen herausarbeiten, zeigt sich, „dass es sich dabei um hoch komplexe Gebilde handelt, die insbesondere durch die eigene Lernerbiographie, die beruflichen Erfahrungen und die Wahrnehmung der Kontextfaktoren geprägt sind“ (Caspari 2014: 25). Caspari (ebd.) unterteilt neben den Schwerpunkten „Unterrichtsbeobachtung“ und umfassender subjektiver Theorien von Fremdsprachenlehrkräften die weiteren Forschungsschwerpunkte der Jahre 2000 bis 2013, auf die hier im Detail zumindest inhaltlich nicht in Gänze eingegangen werden kann, in die Bereiche „Bilingualer Sachfachunterricht“, „Grammatik und kommunikative Kompetenzen“, „Evaluation von Lernerleistungen“, „Mehrsprachigkeit – Mehrkulturalität – interkulturelles Lernen“ sowie „Prinzipien modernen Fremdsprachenunterrichts“ (ebd.: 25ff.), wodurch sich zeigt, dass besonders und zunehmend in methodisch-didaktischer Hinsicht subjektive Sichtweisen der Lehrerinnen und Lehrer als relevant eingeschätzt werden bzw. auch mehrperspektivisch die Lernendenseite berücksichtigt wird.4 Viebrock (2007) stellt ihrerseits methodologisch als eines der Fazits ihrer Rekonstruktion subjektiver didaktischer Theorien von Lehrpersonen zum bilingualen Erdkundeunterricht heraus, dass eine strenge Auslegung des Forschungsprogramms Subjektive Theorien, an das sich Caspari (2003) bewusst eher nur angelehnt hat5, speziell im Zusammenhang mit der kommunikativen Validierung von Daten, d.h. der Konfrontation der Probandinnen und Probanden mit den Analysen, „forschungsethische Probleme mit sich bringt“ (Viebrock 2007: 326). Gleichwohl betont sie als ein Ergebnis ihrer Untersuchung die auch für den bilingualen Unterricht geltende Bedeutung von Reflexion und der Bewusstmachung Subjektiver Theorien der Lehrpersonen als notwendigen Bestandteil im Professionalisierungsprozess und zur Bewusstmachung von individuell verfügbarem Wissen.
Schocker-von Ditfurths Studie (2001), die aufgrund des Erscheinungszeitpunkts vom Forschungsschwerpunkt Subjektive Theorien sowie Reflexion in Schönscher Tradition geprägt ist, wird durch ihr Design eines Fachpraktikums und dessen ethnographisch orientierter Evaluation als Interventionsansatz sichtbar (s.u.), fokussiert jedoch ebenfalls stark auf das berufliche Selbstverständnis und wie sich dieses im Rahmen eines entsprechenden Praktikumserlebens und -reflektierens entwickelt. So zeigt sie beispielsweise ein Zurückfallen der Studierenden in methodisch-didaktische Begründungszusammenhänge ihrer eigenen Schulzeit, die nur selten (oder gar nicht) mit den Ansprüchen und Konzepten eines modernen, d.h. schüler- und kommunikationsorientierten Fremdsprachenunterrichts zusammenzubringen sind, während das von ihr entwickelte Fachpraktikum hier eine deutliche Weiterentwicklung, vor allem reflektiert-nachvollziehbare Professionalisierung innerhalb des Studiums zur interdependenten Überbrückung der vermeintlichen Theorie-Praxis-Lücke sowie einen Zuwachs an Erfahrungs- und wissenschaftlichem Wissen bei den beforschten Subjekten erkennbar werden lässt. Dies gelingt innerhalb dieses Konzepts u.a. durch das konsequente Einholen des biographisch geprägten Selbstverständnisses und der Lehr- und Lernerfahrungen der angehenden Lehrkräfte innerhalb der Intervention.








