Sämmtliche Werke 4: Mirgorod

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Die Sjetsch bestand aus mehr als sechzig Niederlassungen, die ebenso viele völlig voneinander unabhängige Republiken darstellten. Sie glichen Schulen oder Seminaren, deren Zöglinge in der Anstalt gekleidet und beköstigt werden. Niemand besaß etwas, oder legte sich Vorräte an, alles befand sich in den Händen des Kosakenhauptmanns, den man deshalb auch gewöhnlich „Väterchen“ nannte. Er verwaltete das Geld, die Kleidung, den gesamten Speisevorrat, den Roggen- und Weizenteig, die Grütze und sogar das Heizmaterial: auch das Barvermögen wurde ihm zur Aufbewahrung gegeben. Zwischen den einzelnen Niederlassungen brachen des öfteren Streitigkeiten aus, die sogleich in Schlägereien ausarteten. Der Marktplatz füllte sich mit den Bewohnern der Dörfer, und man bearbeitete sich so lange mit den Fäusten, bis irgend eine Partei niedergekämpft war, und dann begann ein Zechgelage und ein großer Jubel. Das war die Sjetsch, die eine so starke Anziehungskraft auf die jungen Leute ausübte.
Ostap und Andrij stürzten sich mit der ganzen Leidenschaft der Jugend in dieses Freudenmeer, vergaßen schnell das väterliche Haus, das Seminar und alles, was ihre Seele bisher bewegt hatte, und gaben sich ganz dem neuen Leben hin. Alles fesselte sie hier: die wilden Sitten der Sjetsch, ihr einfaches Gerichtswesen und ihre Gesetze, die ihnen freilich manchmal für eine freie Republik gar zu streng erschienen. Wurde ein Kosak beim Diebstahl irgend einer Kleinigkeit ertappt, so galt dies für eine dem gesamten Kosakentum zugefügte Beleidigung: er wurde für ehrlos erklärt, an den Schandpfahl gebunden, und es wurde eine Holzkeule neben ihn gelegt, mit der jeder Vorübergehende ihm einen Schlag versetzen mußte, bis man ihn zu Tode gemartert hatte. Den säumigen Schuldner schmiedete man mit einer Kette an eine Kanone, wo er so lange gefesselt blieb, bis einer seiner Kameraden ihn auslöste und seine Schuld beglich. Den stärksten Eindruck aber übte die unerhört grausame Strafe, mit der der Mord bestraft wurde, auf Andrij aus: vor den Augen des Verurteilten wurde eine Grube gegraben, in die er lebendig hinabgestürzt wurde, dann senkte man den Sarg mit dem Leichnam des Ermordeten in die Grube hinab und schüttete Erde darüber. Noch lange nachher mußte Andrij an diesen entsetzlichen Brauch zurückdenken, und fortwährend stand der mitsamt dem grauenhaften Sarge lebendig begrabene Mensch vor seinen Augen.
Die beiden jungen Kosaken wurden schnell beliebt bei ihren Kameraden. Oft begaben sie sich mit ihren Lagergenossen und zuweilen auch mit dem ganzen Bezirk oder auch mit benachbarten Niederlassungen in die Steppe zur Jagd auf unabsehbare Scharen von Vögeln, Hirschen und Ziegen, oder sie zogen bis an die Seen, Bäche und Ströme, die jedem Dorf durch das Los zugeteilt wurden, um zu angeln, ihre Netze auszuwerfen und reiche Beute für ihr Lager mitzubringen. Obgleich es keine Wissenschaften gab, in der der Kosak geprüft wurde, machten sie sich doch unter den andern jungen Leuten durch ihre ehrliche Kühnheit und ihre Erfolge bemerkbar. Gewandt und sicher schossen sie ins Ziel und durchschwammen den Dnjepr selbst gegen die Strömung: eine Tat, für die der Neuling feierlich in den Kreis der Kosaken aufgenommen wurde.
Jedoch der alte Taraß sah sich nach einer anderen Tätigkeit für sie um. Das müßige Leben seiner Söhne war nicht nach seinem Wunsch: er verlangte ernstere Aufgaben für sie. Oft dachte er nach, wie er die Sjetsch zu einem kühnen Zuge bewegen könne, bei dem es eine einem Ritter geziemende Betätigung gab. Endlich aber ging Taraß eines Tages zum Hauptmann und sagte ohne Umschweife zu ihm: „Hauptmann, es wär’ Zeit, daß die Saporoger sich wieder einmal tüchtig austobten.“
„Es ist keine Gelegenheit dazu vorhanden,“ antwortete der Hauptmann, indem er seine kleine Pfeife aus dem Munde nahm und ausspuckte.
„Was, keine Gelegenheit? Man könnte doch gegen die Türken oder gegen die Tataren losgehen!“
„Nein, das kann man nicht. Weder gegen die Türken noch gegen die Tataren,“ antwortete der Hauptmann und steckte kaltblütig seine Pfeife zwischen die Zähne.
„Und warum nicht?“
„Weil wir dem Sultan versprochen haben, Frieden zu halten.“
„Aber er ist doch ein Mohammedaner, und Gott und die heilige Schrift befehlen, die Heiden auszurotten!“
„Wir haben kein Recht dazu. Ja, wenn wir nicht bei unserm Glauben geschworen hätten, dann ginge es vielleicht, so aber ist es unmöglich.“
„Warum unmöglich? Wie kannst du sagen, wir hätten kein Recht dazu? Sieh mal, ich habe zwei Söhne, beide sind junge Burschen. Weder der eine noch der andere war ein einziges Mal in der Schlacht, und da behauptest du, wir hätten kein Recht dazu, und sagst, die Saporoger dürften nicht in den Kampf ziehen!“
„Nein, es geht nicht.“
„Wie es scheint, soll wohl die ganze Kosakenkraft unnütz vergeudet werden, der Mensch soll wohl tatenlos faulen wie ein Hund, und weder das Vaterland noch die ganze Christenheit soll einen Nutzen von ihm haben? Wozu leben wir denn da – warum zum Teufel leben wir denn überhaupt? Bitte, erkläre mir das! Du bist ein kluger Mensch, sie haben dich nicht umsonst zum Hauptmann gewählt; also sprich: wozu leben wir?“
Der Hauptmann antwortete nicht auf diese Frage. Er war ein starrköpfiger Kosak. Er schwieg eine Weile still und meinte dann: „Einen Krieg gibt es dennoch nicht!“
„Es gibt also keinen Krieg?“ fragte Taraß wiederum.
„Nein.“
„Es ist also garnicht daran zu denken?“
„Nein, es ist garnicht daran zu denken.“
„Warte nur, verdammter Teufel!“ murmelte Bulba vor sich hin, „du sollst mich kennen lernen.“ Und er beschloß, sich an dem Hauptmann zu rächen.
Er besprach die Sache mit dem einen und dem andern und veranstaltete ein großes Gelage; eine Anzahl angeheiterter Kosaken stürzte auf den Marktplatz, wo sich die Pauken befanden, die an einem Pfahl hingen und gewöhnlich zum Zeichen einer beabsichtigten Ratsversammlung geschlagen wurden. Da sie die Schlegel nicht fanden, die meist beim Paukenschläger verwahrt zu werden pflegten, nahm jeder ein Holzscheit in die Hand und hieb damit auf die Pauken los. Auf diesen Lärm kam zuerst der Paukenschläger herbeigelaufen, ein langer Kerl mit einem einzigen Auge, das trotzdem recht verschlafen aussah.
„Wer wagt es, die Pauken zu schlagen?“ schrie er.
„Schweig! Nimm deine Schlegel und schlag drauf los, wenn man dir’s befiehlt!“ antworteten die angeheiterten Hauptleute.
Der Paukenschläger holte sofort die Schlegel, die er mitgenommen hatte, aus seiner Tasche, da er schon mit dem Ausgang solcher Vorgänge vertraut war. Die Pauken erdröhnten – und bald versammelten sich die schwarzen Scharen der Saporoger wie Hummeln auf dem Platz. Alle scharten sich zu einem kleinen Kreise zusammen, und nach dem dritten Schlage erschienen endlich auch die Ältesten: der Hauptmann mit der Keule, dem Zeichen der Würde, in der Hand, der Richter mit dem Heeressiegel, der Schreiber mit dem Tintenfaß und der Kosakenfähnrich mit dem Stabe. Der Hauptmann und die Ältesten nahmen ihre Mützen ab und verbeugten sich nach allen Seiten gegen die Kosaken, die, die Arme in die Seiten gestemmt, stolz dastanden.
„Was bedeutet diese Versammlung? Was wollt ihr, Herren?“ fragte der Hauptmann, aber lautes Fluchen und Schreien ließen ihn nicht zu Ende sprechen.
„Leg die Keule nieder! Leg sie sofort nieder, du Teufelssohn! Wir wollen dich nicht mehr!“ schrien einige Kosaken aus der Menge heraus. Andere, aus Lagern, die noch nüchtern waren, widersprachen, und es dauerte nicht lange, so begann zwischen Nüchternen und Trunkenen ein regelrechter Faustkampf. Alles schrie und lärmte durcheinander.
Der Hauptmann wollte sprechen, aber da er wußte, daß die wütende und eigensinnige Menge ihn, wie das in solchen Fällen ja immer geschieht, dafür zu Tode prügeln würde, verbeugte er sich tief, legte die Keule nieder und verschwand in der Menge.
„Befehlt ihr, Herren, daß auch wir die Zeichen unserer Würde niederlegen?“ fragten der Richter, der Schreiber und der Kosakenfähnrich. Sie machten sich schon bereit, Tintenfaß, Stab und Heeressiegel niederzulegen.
„Nein, ihr sollt bleiben,“ schrie man aus der Menge, „wir wollen nur den Hauptmann los sein. Was ist das für ein Weib! Wir brauchen einen Mann zum Hauptmann!“
„Wen wollt ihr denn aber zum Hauptmann wählen?“ fragten die Ältesten. „Wählt Kukubjenko,“ schrie ein Teil. „Nein, wir wollen Kukubjenko nicht,“ schrie ein anderer. „Er ist noch zu jung, er hat ja kaum die Kinderschuhe abgelegt.“
„Schilo soll unser Hauptmann sein,“ schrien verschiedene, „Schilo soll Hauptmann sein!“
„Daß euch der Schilo in den Leib fahre!“ schrien andere wieder durcheinander. „Was ist denn das für ein Kosak? dieser Hundsfott stiehlt ja wie ein Tatar! Der Teufel soll ihn holen, steckt ihn in den Sack, den Säufer!“
„Borodaty, wählen wir doch Borodaty zum Hauptmann!“
„Wir wollen Borodaty nicht! Zum Teufel mit Borodaty!“
„Ruft Kirdiaga,“ flüsterte Taraß Bulba einigen zu.
„Kirdiaga, Kirdiaga,“ schrie die Menge. „Borodaty, Borodaty! Kirdiaga, Kirdiaga! Schilo! Zum Teufel mit Schilo! Kirdiaga!“
Die Genannten traten sofort aus der Menge heraus, damit man nicht glauben sollte, sie suchten ihre Wahl durch persönliche Anteilnahme zu befördern.
„Kirdiaga! Kirdiaga!“ Dieser Name erklang öfter als die andern. „Borodaty!“ Endlich wurde die Sache durch die Fäuste ausgefochten, und Kirdiaga trug den Sieg davon.
„Schnell, holt den Kirdiaga,“ riefen viele Stimmen, und sogleich sonderten sich zehn Kosaken von der Menge ab. Einige von ihnen waren so bezecht, daß sie sich kaum aufrecht halten konnten. Sie begaben sich direkt zu Kirdiaga, um ihn von der Wahl zu unterrichten.
Kirdiaga war zwar ein schon recht bejahrter, aber kluger Kosak, der schon lange in seine Strohhütte zurückgekehrt war und so tat, als ob er nichts von dem Vorgefallenen wüßte. „Nun, meine Herren, was wünscht ihr?“ fragte er.
„Komm, du bist zum Hauptmann gewählt worden.“
„Aber ich bitte euch, ihr Herren,“ sagte Kirdiaga, „wie komme ich zu einer solchen Ehre? Wie kann ich euer Hauptmann sein? Ich bin ja gar nicht klug genug, um eine solche Würde zu tragen! Als ob ihr im ganzen Heere keinen Besseren finden könntet, als mich!“
„Komm schnell, hörst du!“ schrien die Saporoger. Zwei von ihnen packten ihn bei den Armen, und so sehr er sich auch mit den Füßen gegen den Boden stemmte, er wurde doch schließlich unter andauernden Schimpfworten, Rippenstößen und aufmunternden Zurufen auf den Platz gebracht. „Sträube dich doch nicht, du Satan! Nimm doch das Ehrenamt an, wenn man es dir anbietet!“ Auf diese Weise wurde Kirdiaga in den Kreis der Kosaken geschleppt.
„Nun Herrschaften!“ riefen die, die ihn hergebracht hatten, laut aus, „seid ihr einverstanden, daß dieser Kosak unser Hauptmann wird?“
„Ja, wir sind alle einverstanden,“ schrie die Menge, und das ganze Feld hallte wider von ihrem Geschrei.
Einer von den Ältesten hob die Keule auf und überreichte sie dem neuerwählten Hauptmann. Der Sitte gemäß weigerte sich Kirdiaga zunächst, sie anzunehmen. Der Älteste bot sie ihm darauf zum zweiten Male an, und Kirdiaga wies sie zum zweiten Male zurück. Erst beim dritten Mal nahm er die Keule an. Nunmehr brach die Menge in ein lautes Beifallsgebrüll aus und wiederum hallte das Feld vom Geschrei der Kosaken wider. Darauf traten vier von den ältesten Kosaken mit grauen Köpfen und Bärten aus der Mitte des Volkes heraus. (Ganz Alte gab es in der Sjetsch nicht, denn kein Saporoger starb eines natürlichen Todes.) Jeder von ihnen nahm eine Handvoll Erde, die um jene Zeit durch den Regen in Kot verwandelt war, und legte sie Kirdiaga aufs Haupt. Die nasse Erde rann ihm vom Kopf herunter, floß ihm über den Schnurrbart und über die Wangen, und beschmutzte ihm das ganze Gesicht. Aber Kirdiaga blieb stehen, rührte sich nicht von der Stelle und dankte den Kosaken für die ihm erwiesene Ehre.
So endete diese höchst geräuschvolle Wahl, über die sich vielleicht niemand so innig freute, wie Bulba. Zunächst, weil er sich an dem früheren Hauptmann gerächt hatte, und dann war Kirdiaga sein alter Kamerad, der mit ihm die gleichen Kriegszüge zu Wasser und zu Lande gemacht, und mit dem er die Mühen und Gefahren des Kriegslebens geteilt hatte. Die Menge zerstreute sich, um die Wahl sofort zu feiern, und nun erhob sich ein Jubel, wie ihn Ostap und Andrij bisher noch nicht erlebt hatten. Die Schnapsläden wurden verwüstet, Met, Branntwein und Bier wurden heruntergegossen, ohne daß jemand an Bezahlung dachte, und die Gastwirte waren schon zufrieden, daß sie selbst verschont blieben. Die ganze Nacht hindurch brüllte und sang man Lieder, in denen die Heldentaten gefeiert wurden, und der aufgehende Mond beleuchtete noch lange die Haufen von Musikanten, die mit Banduren, Teorben und runden Balaleiken durch die Straßen zogen, sowie die Kirchensänger, die man sich in der Sjetsch zur Abhaltung des Gottesdienstes und zur Lobpreisung der Taten der Saporoger hielt. Endlich begann sich der Rausch und die Müdigkeit auch der starken Köpfe zu bemächtigen. Bald da, bald dort sank ein Kosak zur Erde, ein Kamerad umarmte den andern, und wurde rührselig – ja mancher begann sogar zu weinen und taumelte dann zusammen mit dem andern zu Boden. Dort wälzte sich ein ganzer Haufen herum; ein Kosak suchte sich einen möglichst bequemen Ruheplatz und legte sich dabei gerade auf einen Holzklotz. Ein einziger, der stärker war als die übrigen, hielt noch allerhand unzusammenhängende Reden, aber endlich tat es auch diesem der Rausch an – er fiel nieder – und die ganze Sjetsch versank in Schlummer …
Viertes Kapitel
Gleich am nächsten Tage beriet sich Taraß Bulba mit dem neuen Hetman, wie man die Saporoger zu einem Kriegszuge anstacheln könnte. Der Hetman war ein kluger, gewiegter Kosak, er kannte die Saporoger und sagte daher zuerst:
„Den Eid können wir nicht brechen. Das geht auf keinen Fall.“ Dann schwieg er eine Weile und fuhr fort:
„Es macht nichts, es geht auch so. Wir werden den Eid nicht verletzen, aber ein Vorwand wird sich schon finden. Sorge nur dafür, daß sich das Volk wieder versammelt, aber nicht auf meinen Befehl hin, sondern aus freiem Antriebe … ihr wißt ja selbst am besten, wie das gemacht wird. Dann kommen wir sogleich mit den Ältesten auf den Platz geeilt, als ob wir von nichts wüßten.“
Es war noch keine Stunde seit diesem Gespräch vergangen, als schon die Pauken erdröhnten. Sogleich war auch wieder eine ganze Menge von betrunkenen und unvernünftigen Kosaken zur Stelle. Tausende von Kosakenmützen füllten plötzlich den Platz. Ein mächtiges Stimmengewirr erhob sich. Überall ertönten Fragen: „Was ist geschehen? Warum hat man uns zusammengerufen?“ Niemand antwortete. Endlich tönte es aus dieser und jener Ecke hervor: „So vergeudet man die Kosakenkraft! Es gibt keinen Krieg! Die Vorsteher haben sich hinter den Ofen gelegt, und schwimmen in ihrem Fett! Es gibt keine Gerechtigkeit mehr in der Welt!“ Die Kosaken hörten erst eine Weile zu und stimmten dann mit in das Geschrei ein: „Wahrhaftig, es gibt keine Gerechtigkeit in der Welt.“ Die Ältesten schienen über die Vorwürfe sehr bestürzt zu sein. Endlich trat der Hetman vor und sagte: „Werte Herren Saporoger! erlaubt ihr mir, eine Rede zu halten?“
„Rede!“
„Werte Herren, es wird jetzt darüber gesprochen, und ihr wißt es am besten, daß viele Saporoger bei den Juden in den Schenken und auch bei den eigenen Kameraden viele Schulden haben! Kein Teufel traut ihnen mehr. Außerdem spricht man darüber, daß es bei uns eine große Anzahl von jungen Burschen gibt, die noch nie mit eigenen Augen eine Schlacht gesehen haben – während ihr doch selbst wißt, werte Herren, daß so ein junger Mensch ohne Krieg nicht leben kann. Was ist denn das auch für ein Saporoger, der sich noch nie mit den Heiden herumgeschlagen hat!“
„Er spricht ausgezeichnet,“ dachte Bulba.
„Denkt übrigens nicht, ihr Herren, daß ich das sage, um den Frieden zu stören. Gotte behüte mich! Ich meine das nur so. Und ein Gotteshaus haben wir – es ist eine wahre Sünde, wie es aussieht! Solange schon blüht die Sjetsch durch Gottes Gnade, und bis jetzt sind die Heiligenbilder – von dem Äußeren wage ich garnicht zu sprechen – noch immer ohne jeden Schmuck! Hätte ihnen wenigstens noch jemand ein silbernes Gewand geschmiedet! So aber haben sie nur gerade das erhalten, was ihnen der eine oder der andere Kosak hinterlassen hat. Diese Gaben waren aber meistens recht ärmlich, hatten sie doch schon bei Lebzeiten alles vertrunken. Ja, also ich rede nicht etwa, um den Krieg gegen die Ungläubigen zu predigen: wir haben dem Sultan Frieden geschworen, und es wäre eine große Sünde ihn zu brechen, denn wir haben auf unsern Glauben geschworen.“
„Was schwatzt er denn da durcheinander,“ sagte Bulba vor sich hin.
„Ihr seht also, werte Herren, daß sich ein Krieg nicht so leicht beginnen läßt: das wäre gegen unsere Ritterehre. Aber ich in meinem einfältigen Verstande denke mir folgendes: Man müßte einmal allein die Jungen auf Kähnen ein bißchen an der Küste Anatoliens herumstreifen lassen! Was denkt ihr darüber, ihr Herren?“
„Führe uns, führe uns alle dahin,“ schrie die Menge von allen Seiten, „für unsern Glauben opfern wir gern unser Leben.“
Der Hetman erschrak. Er hatte durchaus nicht die Absicht, alle Saporoger in Aufruhr zu bringen; jedenfalls hielt er es in diesem Falle für ehrlos, den Frieden zu brechen. „Gestattet mir noch einige Worte, werte Herren.“
„Hör auf,“ riefen die Saporoger, „was Besseres kannst du ja doch nicht sagen!“
„Nun, wenn ihr meint, so möge es denn sein. Ich bin der Knecht eures Willens. Wie es ja schon in der Schrift heißt: Volkes Stimme – Gottes Stimme. Es läßt sich nichts Klügeres erdenken, als was das ganze Volk ersonnen hat. Aber, werte Herren, ihr wißt, daß der Sultan das Vergnügen, das sich unsere tapfern Burschen gestatten werden, nicht ungestraft lassen wird? Allein inzwischen müssen auch wir uns rüsten und frische Kräfte sammeln, dann brauchen wir niemand zu fürchten. Aber während unserer Abwesenheit könnten die Tataren die Sjetsch überfallen: diese türkischen Hunde wagen es nicht, einem ins Gesicht zu sehen und einem offen gegenüberzutreten, dagegen beißen sie einem gern von hinten in die Fersen, und das gründlich. Hm, und um die Wahrheit zu sagen: wir verfügen auch nicht über so viel Boote und Pulver, wie wir benötigten, wenn alle mitziehen wollten. Im übrigen: was mich betrifft – ich bin zu allem bereit: ich bin nur der Knecht eures Willens.“
Der listige Hetman schwieg. Einzelne Haufen begannen miteinander zu beratschlagen, ebenso die Hauptleute der einzelnen Heerabteilungen. Zum Glück waren nicht allzuviele von ihnen betrunken, und man beschloß daher, sich dem vernünftigen Rat zu fügen.
Sofort wurden einige Leute ans gegenüberliegende Ufer des Dnjepr nach dem Zeughaus gesandt, wo sich in unzugänglichen Verstecken, unter dem Wasser und im Schutt, die Kriegeskasse, sowie ein Teil der vom Feinde erbeuteten Waffen befanden. Die andern machten sich schnell an die Boote, um sie gründlich zu besichtigen und für die Reise auszurüsten. In einem Augenblick war das Ufer vom Volk überschwemmt. Die Zimmerleute kamen mit dem Beil in der Hand herbeigeeilt. Alte, sonnenverbrannte, breitschultrige Saporoger, mit graumelierten und schwarzen Schnurrbärten standen mit aufgeschürzten Schifferhosen bis zu den Knien im Wasser und zogen die Boote an einem festen Tau vom Ufer herab. Andre schleppten fertige, trockene Balken und Baumstämme herbei. Da wurde ein Kahn mit Brettern verschlagen, dort kehrte man einen um und kalfaterte und teerte ihn. Hier befestigte man nach Kosakenbrauch lange Schilfbündel an den Kahnwänden, damit die Meereswellen die Boote nicht zum Kentern bringen sollten. Etwas abseits am Ufer wurden kupferne Kessel aufgestellt, in denen man Pech zum Teeren der Boote siedete. Die Älteren und Erfahrenen belehrten die Jungen, ringsum hallte alles von dem Lärm der Arbeit wider, das ganze Ufer war voller Leben und Bewegung.
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Eine Art Mandoline.





