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Tia legte ihrem Vater eine Hand auf die Schulter. “Vater, lass mich mit ihm reden.”
Engel nickte, funkelte mich kurz an und verschwand.
Tia blieb, wo sie war. Sie trat wieder an die Gravitationswand und zog ein kleines, schwarzes Etui aus ihrer Tasche und legte es in den Schlitz, der dazu gedacht war, mir Gegenstände zu überreichen, ohne dabei den Schutzschild der Gravitationswand zu schwächen. Sie drückte einen Knopf und das kleine Tablett glitt durch die Wand, um auf meiner Seite der Sicherheitszelle aufzutauchen.
Ich öffnete den Deckel und erblickte das liebste Besitztum meiner Urgroßmutter, ein Erbstück, das vor drei Generationen an Tias Familie weitergereicht wurde. Ich wusste, was sich in dem verzierten Etui befand, trotzdem konnte ich nicht widerstehen, öffnete das Kästchen und goss die Fülle der Goldglieder in meine Hand.
Ich blickte auf die Kette, dann schaute ich zu ihr. “Warum willst du mir das geben?”
“Du hast Angst, du könntest zu heftig für mich sein, dass die Bestie in dir mir weh tun wird. Das ist ein Geschenk für die Bestie. Vielleicht wird es dein Fieber ein wenig besänftigen, wenn du etwas berührst, das ich vorher getragen habe.”
Ich hob die Halskette an. Die kleinen, kunstvollen Gold- und Graphitspiralen waren kühl und glatt. Wenn dieses Geschenk mich besänftigen sollte, dann funktionierte es nicht. Nichts, das von Tia käme, würde funktionieren, denn sie war nicht meine Partnerin. Mein Leben wäre so viel einfacher, wenn meine Bestie sie akzeptieren würde. Aber die Bestie weigerte sich.
Ich gab die Halskette zurück in das Etui und schickte sie mithilfe des kleinen Tabletts zu Tia zurück. “Behalt sie, Tia. Sobald du den Partner findest, für den du bestimmt bist, werden weder deine Halskette, noch dein Eifer abgelehnt werden.”
“Bitte, Deek. Versuch es doch wenigstens …” Sie legte ihre Hand an ihre Schulter und zog ihr Kleid nach unten, sodass ihre gesamte Schulter, ihr Hals und fast ihre Brust frei lagen.
“Nein.” Meine Stimme erstarkte und die Bestie wollte sie sehnlichst zurechtweisen. Sie war nicht meine Partnerin und die Bestie wollte sicherstellen, dass sie diesmal nicht zurückkommen würde. Ich hatte nicht die Absicht, die kurze Zeit, die mir übrig blieb, damit zu verplempern, ihr falsche Hoffnungen zu machen. “Tia, wir waren als Kinder befreundet. Aber ich war lange Zeit fort. Ich bin jetzt eine andere Person. Und so sehr ich es mir auch wünsche, du bist nicht meine Partnerin. Die Bestie kann dein Verlangen nach mir riechen, die nasse Hitze deiner Pussy. Sie hat kein Verlangen nach dir. Sie wird mir nicht gestatten, dich zu berühren. Es tut mir leid.”
In ihren Augen flackerte Zorn auf und als sie das Kinn nach oben hob, erkannte ich in ihr für einen Augenblick lang den Teufelsbraten unserer Kindertage, an den mich so gut erinnerte. “Deek, du bist so stur! Sag deiner Bestie, sie soll die Klappe halten und das annehmen, was ihr angeboten wird.”
“Das geht nicht. So funktioniert das nicht.”
“Warum nicht? Würdest du eher sterben wollen?”
“Das hängt nicht von mir ab. Die Bestie hat jetzt die volle Kontrolle. Wenn meine wahrhaftige Partnerin nicht gefunden wird, wenn sie das Fieber nicht besänftigen kann, wenn sich meine Bestie ihr nicht unterwerfen wird, dann ja, dann werde ich freiwillig in den Tod gehen. Ich kann mit diesem tobenden Fieber in meinem Blut nicht weiterleben.”
Auf den Tod war ich vorbereitet, ich erwartete ihn sogar. Tias schockierter Gesichtsausdruck überraschte mich. Warum sollte meine Aufrichtigkeit sie bestürzen? Dachte sie etwa, ich würde meine Meinung ändern und sie aus Verzweiflung doch nehmen? Die Bestie würde das nicht zulassen. Die Bestie würde eher sterben, was auch wahrscheinlich war. Mit einer Sache hatte Kriegsfürst Engel doch Recht gehabt … mir blieb nicht mehr viel Zeit.
Sie schürzte die Lippen, als wollte sie noch etwas hinzufügen, tat es aber nicht. Sie nahm ihre Kette zurück und beobachtete mich eine Minute lang, was sich wie eine Ewigkeit anfühlte.
“Mach’s gut, Deek. Ich hoffe, du findest, wonach du suchst. Und falls du es dir anders überlegst, ich habe den Wächtern meine Daten gegeben.”
“Danke, Tia. Aber ich werde es mir nicht anders überlegen.”
Sie nickte. Dann machte sie kehrt, zupfte ihr Kleid zurecht und machte sich davon. Sie würde nicht zurückkehren, das wusste ich.
Das letzte bisschen Logik in mir fragte sich, ob sie wirklich meine letzte Überlebenschance war.
Die Bestie in mir sagte ‘nein’. Sie wollte sie nicht, mochte nichts an ihr. Sie hatte nie irgendetwas an ihr gemocht.
Und trotzdem, die Bestie rumorte weiter, verlangte weiterhin nach ihrer Partnerin.
Mit dem Kopf auf die Hände gestützt ließ ich mich auf meine Pritsche fallen. Wie eine Flutwelle, die aufs Ufer zurollte, hämmerte die Bestie gegen meinen Verstand, um das letzte bisschen Vernunft auszulöschen.
Meine Partnerin würde nicht auftauchen und ich würde sterben.

Tiffani
“Hinrichtung?” Panisch zerrte ich an den Fesseln, die mich an den Stuhl im Abfertigungsraum banden. “Nein. Sie dürfen ihn nicht umbringen.”
Die Aufseherin Egara lächelte bedrückt. “Ich fürchte, so läuft es nun mal auf Atlan. Ist ein Mann erstmal dem Paarungsfieber unterlegen, gibt es keine Gnade.”
“Aber er hat eine Partnerin! Mich! Ich kann ihn zurückholen, ihn retten. Was auch immer,” plädierte ich. Irgendetwas musste schiefgelaufen sein. Das konnte nicht wahr sein. Ich hatte einen Typen, der mich wollte und er sollte hingerichtet werden? Das glaubte ich nicht. “Senden sie mich zu ihm. Das Protokoll hat uns füreinander bestimmt. Den offiziellen Alien-Gesetzen nach gehört er mir. Nicht wahr? Ich bin bereits seine Partnerin. Habe ich dadurch nicht ein bestimmtes Recht auf ihn? Es ist mein Recht, ihn zu sehen. Ich will ihn sehen.”
Ihre Augenbrauen verzogen sich zu ernsten Bögen, während sie lange und angestrengt über meine Worte nachdachte. Sie blickte über ihre Schulter und sprach. “Sarah, kannst du sie hören?” Die Aufseherin nickte und hörte zu. Sie war dabei, sich mit jemanden auf der anderen Seite des Universums zu unterhalten. Wäre ich nicht in einem Abfertigungszentrum, würde ich glauben, sie sei übergeschnappt. Insbesondere, da ich kein einziges Wort der Frau verstehen konnte. Ihre Stimme war zu weit weg und alles, was ich hören konnte, war die dröhnende Wut in meinen Ohren. “Und wenn etwas schiefgeht?”
Eine tiefe, grölende Stimme war daraufhin durch das Gerät zu hören, sie war sehr viel lauter und gebieterischer. Sie erinnerte mich an die Stimme aus meinem Traum und ein Schauer der wiedererwachenden Bedürftigkeit fuhr über meine Haut. “Wir können uns keine Fehler erlauben. Wenn sie zu uns kommt, dann muss sie die Sache auch durchziehen. Sollte sie versagen, dann ist er tot,” die Stimme dröhnte und ich schreckte auf.
Aufseherin Egara wandte sich mir zu und ich bekräftigte meinen Entschluss. Niemand und damit meinte ich niemand, würde mir das hier zunichtemachen. “Ich werde es nicht vermasseln. Er gehört mir.”
Die Aufseherin nickte und wandte sich wieder dem Bildschirm zu, zu dem großen Atlanen, den ich zwar hören, aber nicht sehen konnte. “Ich glaube ihr, Kriegsfürst. Ich denke, wir sollten ihr eine Chance geben, ihn zu retten.”
“Na schön. Ich möchte den Kommandanten auch nicht aufgeben. Schicken sie sie zu uns. Wir werden sie zu ihm bringen.”
Die Aufseherin Egara verneigte sich, bevor sie antwortete, als würde sie zu einem königlichen Herrscher oder etwas ähnlichem sprechen. “Wie sie wünschen, Kriegsfürst Dax. Wenn sie mir den Transportcode geben, werde ich ihren Transport sofort in die Wege leiten.”
“Der müsste jeden Moment eintreffen.”
Noch während er sprach, begannen die hellblauen Lichter hinter mir zu blitzen und mein Stuhl setzte sich in Bewegung. “Was ist hier los?”
“Erhalten. Vielen Dank. Die Partnerin des Kommandanten wird umgehend eintreffen.” Die Aufseherin beendete die Verbindung und kam mit einem traurigen Lächeln auf dem Gesicht auf mich zu gelaufen. “Alles Gute, Tiffani. Ich sende sie zu Kriegsfürst Dax und Sarah, seiner Partnerin. Sie stammt auch von der Erde und wurde vor kurzem verpartnert. Die beiden werden ihnen dabei helfen, zu ihrem Partner einzubrechen.”
Das hörte sich gar nicht gut an. Es klang gesetzeswidrig, gefährlich.
“Einbrechen? Warum würde ich zu ihm einbrechen müssen?”
“Liebes, er sitzt im Gefängnis. Im Todestrakt, wie wir es nennen würden. Und sie sind weder Atlanerin, noch ein Familienmitglied.”
Das ergab keinen Sinn. Er hatte keine Straftat begangen, außer dass seine genetische Aufmachung jetzt zum Tragen kam. Aber um ihn sehen zu können, musste ich eine Straftat begehen? Ich würde diejenige sein, die sich nicht an die Gesetze hielt?
“Aber ich bin seine Partnerin. Und sie haben gesagt, ich würde von nun an eine Bürgerin des Planeten Atlan sein und keine Erdenbürgerin mehr. Es sollte mir erlaubt sein, ihn zu besuchen. Ich sollte nirgendwo einbrechen müssen.”
Sie nickte. “Sicher, aber Vorschrift ist Vorschrift. Und nur Atlanische Frauen dürfen sich in die Haftanstalt begeben. Viel Glück. Ich hoffe, ihr Versuch wird ausreichen, um sie beide zu retten.” Noch einmal prüfte sie etwas auf ihrem Tablet und ich erlebte eine Art Déjà-vu, als sie den Kopf hob und sprach: “Sie werden auf Atlan aufwachen. Ihre Abfertigung erfolgt in drei … zwei …”
Angespannt wartete ich auf den Countdown und wunderte mich dabei, was zum Teufel ich mir da eingebrockt hatte. Ins Gefängnis einbrechen? Todestrakt? Bestienmodus? Heilige Scheiße.
“Eins.”
Das blaue Licht flackerte und ich wurde in das hellblaue Wasserbad hinabgelassen. Ich kam mir vor wie in einem Ei, als die Tür zum Untersuchungsraum zuging und mich einsperrte. Ich schloss die Augen und wartete, ich fürchtete, was als Nächstes kommen würde, aber je länger ich im Wasser verweilte, desto entspannter wurde ich.
Hatten sie mich auf Drogen gesetzt? Die Idee, ins Gefängnis einzubrechen erschien mir gar nicht mehr so schlimm. Und mein Partner, der halb Bestie war alarmierte mich auch nicht. Ich war … total entspannt.
Als meine Augenlider schwer wurden und ich mich unbeschreiblich müde fühlte, wurde mir unmissverständlich klar, dass sie mich mit irgendeiner Gute-Laune-Droge vollpumpten, entweder übers Wasser oder über die Luft und es war mir vollkommen egal.
3

Tiffani, Planet Atlan, Burg des Kriegsfürsten Dax
Ich wachte in einem überdimensionierten, weichen Bett auf, das meine Doppelmatratze von zu Hause wie ein Einzelbett erscheinen ließ. Meine Wange ruhte auf einem seidenweichen Stoff und ich strich über das zarte, cremefarbene Material, während ich mich umschaute. Ich war in mitten in einem verdammten Märchenschloss gelandet. Das Zimmer war größer als meine gesamte Ein-Zimmer-Wohnung zuhause und die Wände sahen aus wie hellblauer und grauer Marmor. Plüschteppiche mit eigenartig bunten Vögeln und Bäumen bedeckten den Fußboden und ein riesiger Baldachin überzog das Bett, sodass ich mir in einem exklusiven Clubhaus vorkam.
Die weiße Stuckdecke war mit aufwendigen Mustern aus goldenen und zinngrauen Strudeln verziert, die den Handschellen aus meinem Traum merkwürdig ähnelten. Und alles, von der Couch bis zum Sessel mit den Kissen am anderen Ende des Raumes war größer als ich es je gesehen hatte. Ich fragte mich, wie groß diese Atlanischen Krieger nun sein mussten. Und wie groß waren die Frauen? Ein Menschenkind würde eine kleine Stufenleiter benötigen, um auf diese Couch zu krabbeln.
“Du bist wach.” Die Stimme klang freundlich, weiblich und sie sprach Englisch. Ich drehte mich um und erblickte eine zierliche Brünette, die mich anlächelte. Sie war mit ihrem wallenden, grün-goldenen Kleid wie eine Prinzessin gekleidet, ihr Haar war zu einem aufwendigen Dutt aufgetürmt, wie ich es wohl nie hinbekommen würde. Ihre Augen waren warm und braun und voller Sympathie als sie mich anblickte. “Wie geht’s deinem Kopf? Diese NPUs können die ersten paar Tage ziemlich brutal sein.”
“NPU?” Ich blinzelte und versuchte, mich aufzusetzen. Als ich mich bewegen wollte, ließ mich ein stechender Schmerz in meiner Schläfe, der sich wie ein Eispickel anfühlte, aufstöhnen.
“Jepp, das habe ich mir gedacht.” Sie grinste und beugte sich mit einer Art leuchtend blauem Stab über mich, den sie dann über meinem Gesicht hin und her schwang. “Halt still. Der ReGen-Stab wird deine Kopfschmerzen lindern.”
“Danke.” Ich hielt still, aber meine Augen folgten der Bewegung des Stabes und ich fragte mich, was zum Teufel sie mit mir machte. Anscheinend aber half es tatsächlich, denn meine Kopfschmerzen verschwanden. Die Übelkeit ließ ebenfalls nach. Und einige Augenblicke später hörte der Raum auf, sich zu drehen. So ein Ding wollte ich auch haben.
“Die NPU ist ein Dolmetscher. Ich spreche offensichtlich Englisch, nicht aber die Atlanen. Du kannst damit alle Sprachen verstehen. Besser?” fragte sie.
Ich nickte und verspürte kein bisschen Schmerz.
Sie zog den ReGen-Stab zurück und schaltete ihn irgendwie aus, dann stellte sie ihn auf eine dekorative, goldbefleckte Nachtkonsole neben dem Bett und reichte mir anschließend die Hand. “Ich bin Sarah.”
“Tiffani.”
“Schön, dich kennenzulernen.” Sie schüttelte mir die Hand, ihr Handgriff war warm aber bestimmt und ich bemerkte die elegant gravierten Goldarmbänder an ihren Handgelenken.
“Du bist also auch mit einem Atlanen verpartnert?”
Ihr breites Lächeln gab mir Hoffnung. “Jepp. Dax gehört vollkommen mir. Wir hatten zwar einen schwierigen Start, aber ich liebe es hier. Also, wie läuft’s auf der Erde?”
Das war eine komische Frage, denn ich war nicht länger auf der Erde. “Ähm, nun, alles beim Alten nehme ich an.”
“Wo kommst du her?”
“Wisconsin.”
Sarah nickte. “Ich bin mit der Armee groß geworden. Wir sind so oft umgezogen, dass ich mich nirgends richtig zu Hause gefühlt habe. Ich sollte die Erde vermissen, das tue ich aber nicht. Mein Platz ist hier und bald wirst auch du hierhergehören.”
Ich rutschte an die Bettkante und blickte an mir herunter. Ich trug ein ähnliches Kleid wie Sarah, aber statt grün und gold war es kräftig burgunderfarben, was den Rotstich in meinen Haaren betonte. Es passte mir wie angegossen und ich musste mich fragen, wo sie das verdammte Ding aufgetrieben hatten. Zu Hause konnte ich nicht einfach Kleider von der Stange anziehen und während ich schlief, war ich sicher nicht auf Atlan eine Runde shoppen gegangen. Im Gegensatz zu Sarah waren meine Handgelenke aber nackt.
Anscheinend konnte sie meine Gedanken lesen. “Oh, ist die Farbe nicht perfekt? Sie hebt deine Augen hervor.”
“Ja. Ich … danke. Aber woher kommt das Kleid?”
Sie stand auf und kam ans Bett gelaufen. Sie schritt auf und ab und machte mich wieder nervös. “Keine Sorge. Wir haben es von Deeks Schwester ausgeliehen. Sie ist etwa so groß wie du, also ziemlich klein für eine Atlanerin, aber bis wir eine Schneiderin für dich auftreiben, wird es ausreichen müssen.”
Klein für eine Atlanerin? Aufseherin Egara hatte es also ernst gemeint.
Ich stand von der Bettkante auf und versuchte, mich auf den Beinen zu halten. Das Kleid war ein bisschen zu groß, stand mir aber richtig gut. Es umrahmte meine großen Brüste, eine goldene Schnürung verzierte mein Dekolleté und von unten wurden sie gut gestützt. Ähnliche Gewänder hatte ich in Fernsehsendungen über römische oder griechische Togas gesehen. “Sie kleiden sich wie griechische Götter in der Antike?”
Sarah konnte sich vor Lachen nicht mehr halten, während ich mein Kleid inspizierte. “Nur die Frauen. Warte, bis du die Jungs in ihren Panzeranzügen siehst. Das sind heiße Kerle, Süße.” Sie wackelte mit den Augenbrauen. “Du wirst nicht mehr die Finger von deinem Mann lassen können.”
Das hörte sich gut an und ich erinnerte mich, warum ich eigentlich hier war. “Was meinen Partner betrifft, Aufseherin Egara sagte, dass er hingerichtet werden soll.”
Das ließ Sarah aufhorchen und sie wandte sich mir zu. “Ja. Dir bleibt nicht viel Zeit, um ihn zu retten. Falls er keine Partnerin nimmt und beweist, dass er die Bestie unter Kontrolle bringen kann, dann wird er in drei Tagen hingerichtet. Dax ist sehr besorgt, denn die beiden sind gut befreundet. Sie haben lange Zeit Seite an Seite gegen den Hive gekämpft. Wahrscheinlich hält er es kaum noch aus. Wir haben ewig darauf gewartet, dass du aufwachst.”
“Wie lange war ich weggetreten?”
“Den halben Tag lang. Die Zeit vergeht hier ziemlich ähnlich. Die Tage haben sechsundzwanzig Stunden, aber ich war schon immer eine Nachteule, die längeren Tage stören mich also nicht.”
“Okay.” Das war im Moment nicht wirklich von Bedeutung, aber ich merkte mir es für später. Ich hatte drei Tage—und großzügigerweise pro Tag zwei Stunden extra—, um meinen Partner zu retten und seine Bestie zu bändigen. Ich wusste noch nicht genau, wie ich das anstellen sollte, aber ich war zu allem bereit. Der Atlanische Krieger gehörte mir und ich würde nicht zulassen, dass ihm etwas zustieß. “Lass uns gehen. Aufseherin Egara sagte, ihr würdet mir helfen, ihn zu besuchen.”
Sarah lief zur Tür und öffnete sie. Ich folgte ihr aus dem luxuriösen Schlafzimmer in einen Flur hinaus, der so aussah, als durfte sich ein royaler Innenausstatter mit unbegrenzten Geldmitteln austoben. Der Gang war mit fremdartigen Artefakten dekoriert, mit Vasen und kunstvoll verschnörkelten Tischen, überall waren Wandgemälde und frische Blumen in allen erdenklichen Farben schmückten den Gang. Ich hatte keine Ahnung, wie diese Gegenstände genannt wurden, aber ich erkannte den offensichtlichen Wohlstand dahinter.
Ich räusperte mich. “Bist du eine Art Prinzessin oder so? Ich komme mir vor wie Zuhause bei Cinderella.”
Daraufhin musste sie lachen. “Ja. Dax ist ein berühmter Kriegsfürst. Wenn die Atlanen aus dem Krieg zurückkehren, behandelt man sie wie Könige. Auf den nördlichen Inseln besitzen wir ein zweites Schloss, ich habe es noch gar nicht gesehen und wir haben mehr Land, Titel und Geld als ich es mir vorstellen kann.”
Hätte sie auf der Erde so zu mir gesprochen, dann hätte ich gedacht, sie wollte angeben, aber sie schien nicht der Typ dafür zu sein.
Nach einem Moment machte sich ein Schock in mir breit. Ich kannte viele Veteranen, die mittellos und ohne ein Dach über dem Kopf aus dem Kampf zurückkehrten. “Wie können sie sich das für alle ihre Kriegsveteranen leisten? Das ist verblüffend.”
Sarah blickte mich über ihre Schulter an, ihre Augen waren voller Trauer, als sie eine andere Tür öffnete. “Nicht viele von ihnen kommen zurück. Sie kämpfen an der Front gegen den Hive, auf dem Boden. Ich weiß, was das bedeutet. Ich war selbst dort, habe selbst für die Koalition gekämpft. Sie kämpfen wie wilde Tiere, aber entweder werden sie im Kampf getötet oder sie verlieren die Kontrolle über ihre Bestie. Diejenigen, die nach Hause zurückkehren sind die stärksten Krieger und werden wie Gottheiten behandelt.”
Ich grinste. “Du bist also mit einem Gott verpartnert worden?”
Sie lächelte verrucht. “Ja. Genau wie du.”
Dann hielt sie mir eine Tür auf und ich trat ein in einen langen Speiseraum mit einem Tisch, an dem mindestens dreißig Personen Platz hatten. Die Stühle hatten hohe Lehnen und waren aus einem schwarzen Holz gefertigt, das mir vollkommen unbekannt war. Am Ende des Tisches saß ein Riese.
Er erhob sich und ich stoppte abrupt. Heilige Scheiße, war er groß. Er war reichlich über zwei Meter zehn groß und seine Schultern waren doppelt so breit wie meine. Er trug einen passgenauen, schwarzen Panzeranzug, der jeden verdammten Muskel umrahmte, von den gerippten Bauchmuskeln zu den steinharten Schenkeln und ich wusste, dass mein Mund offen stand, ich konnte ihn aber anscheinend nicht mehr schließen.
Sarah schloss die Tür hinter uns und lief zu ihrem Partner, dessen offene Arme sie offensichtlich erwarteten. Sie war ungefähr eins siebzig groß und wirkte im Vergleich zu ihm fast wie ein Kind.
“Willkommen in unserem Zuhause, Tiffani. Ich bin Kriegsfürst Dax.”
Seine tiefe Stimme dröhnte durch meinen Körper und ich wollte einen Schritt zurück machen, Sarah jedoch schlang die Arme um seine Taille, als wäre er ein großer Teddybär. Obwohl ich davon ausgehen musste, dass er mich mit einem festen Griff seiner Hand vernichten konnte, musste ich ihm den Vorzug des Zweifels gewähren. Er sprach nicht in Englisch, aber in dem Moment, als es mir auffiel, übersetzte der eigenartige Prozessor den sie mir eingepflanzt hatten seine Worte direkt in meinem Kopf, wie einen Gedanken. Unglaublich. “Ich bin Tiffani Wilson. Schön, sie kennenzulernen.”
Er machte mir Zeichen, mich zu setzen, aber ich war viel zu aufgeregt. Ich wollte meinen Partner sehen. Seinetwegen war ich hier und seit Sarah mir mitgeteilt hatte, dass ihm nur noch drei Tage blieben, fühlte es sich so an, als säße ich auf einer tickenden Zeitbombe. Drei Tage waren nicht besonders viel Zeit.
Vor ihm auf dem Tisch lagen vier goldene Armbänder, zwei davon ähnelten den Bändern an Sarahs Armen, die anderen beiden waren sehr viel größer. Ich musterte den Kriegsfürsten und mein Verdacht bestätigte sich. Er trug dieselben Armbänder wie Sarah, nur waren sie größer.
Er bemerkte meinen Blick. “Die Schwester von Kommandant Deek hat diese vorbeigebracht, als sie uns das Kleid gegeben hat. Sie sind mit den Initialen des Hauses Deek versehen.”
“Deek ist sein Name?” wollte ich wissen. Es war das erste Mal, dass mir sein Name zu Ohren kam und ich wollte mehr über ihn erfahren.
“Ja, er ist ein Atlanischer Bodenkommandant auf dem Schlachtschiff Brekk. Er hat zehn Jahre lang gedient und ich habe mit ihm gedient. Mehr als einmal hat er mir das Leben gerettet und ich möchte nicht zusehen, wie er zugrunde geht.”
Beeindruckend. Das faszinierte mich nur noch mehr.
Ich trat an den Tisch heran und hob das nächstgelegene Armband auf. Dunkle, zinnfarbene Spiralen bildeten ein kompliziertes Muster auf dem massiven Goldband. Darunter befand sich ein mit bloßem Auge kaum sichtbarer Computerschaltkreis. Verwirrt schaute ich nach oben und erblickte Sarah und Dax, die mich aufmerksam beobachteten.
“Ich dachte, das hier sei eine Art Hochzeitsring. Aber sie stecken voller Technologie. Was genau machen diese Armbänder?”
Sarah antwortete zuerst. “Sobald ihr beide die Handschellen anlegt, binden sie dich an den Kommandanten. Du wirst dich nicht mehr weit von ihm entfernen können, ohne dabei extreme Schmerzen zu erleiden.”
“Was?” Das klang vollkommen hirnrissig. “Wie eine Leine?”
Sarah rollte mit den Augen. “Es gibt keine Schnur oder so, aber glaub mir, du wirst in seiner Nähe bleiben. Solltest du dich zu weit entfernen, dann wird es sich wie ein Elektroschock anfühlen.”
Ich wollte protestieren, aber Kriegsfürst Dax schnitt mir das Wort ab.
“Ihm wird es genauso ergehen, Tiffani. Nur die Nähe zu unserer Partnerin kann die Bestie unter Kontrolle halten. Zu wissen, dass unsere Partnerin immer da ist, beruhigt uns. Sobald ihr vollständig miteinander verpartnert seid und das Paarungsfieber überwunden ist, kannst du dir aussuchen, ob du die Handschellen tragen willst oder nicht. Aber am Anfang sind sie ein notwendiger Schutz. Falls du es schaffst, sie ihm anzulegen, dann stellen sie deine beste Möglichkeit dar, ihm das Leben zu retten.”
Ohne einen Moment länger zu überlegen legte ich die kleinere Handschelle an mein Handgelenk und machte den Verschluss zu, ein Gefühl der Endgültigkeit legte sich über meine Schultern, als sich das Armband von selbst versiegelte. Es gab keine sichtbare Fuge, was es mir unmöglich machte, die Fessel wieder abzulegen.
Es war zu spät, um es sich anders zu überlegen. Ich war quer durch das halbe Universum gereist, um meinen Partner zu retten. Ein paar Handschellen würden mich nicht davon abhalten können. Ich legte die zweite Handschelle um mein anderes Handgelenk und hob das größere Paar auf. “Okay. Wie werde ich ihm die hier anlegen?”