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Er schüttelte den Kopf und überlegte, was er tun sollte. „Ich bin ein toter Mann, wenn sie das herausfinden.“
„Niemand wird es je erfahren. Ich schwöre es.“
Er studierte mich, während er mich weiterhin schmerzhaft festhielt. „Wer bist du? Wer kommt, dich zu holen?“
„Niemand.“ Zumindest nicht, dass ich wüsste. Aufseherin Egara hatte mir versprochen, dass ich zu drei Viken-Gefährten geschickt wurde, aber ich hatte keine Ahnung, ob die überhaupt erfahren würden, was mit mir passiert war.
„Du warst auf einem Transport in die Vereinte Vikenstadt. Warum?“
„Ich weiß es nicht.“
Er kniff die Augen zusammen. „Du bist eine Braut. Eine verdammte Interstellare Braut.“
Meine Augen wurden groß, als er die Wahrheit hervorstieß, und ich schüttelte den Kopf, versuchte, mir eine Lüge einfallen zu lassen, irgendetwas, damit er mich loslassen würde.
„Lass die Lügen sein.“ Er fasste mit der freien Hand hinter sich und zog eine Waffe. Ja, es war eine Schusswaffe. Eine Weltraum-Waffe, aber ich hatte genug gesehen, um das zu wissen. Sie war aus glänzendem Metall, hell wie Silber. Sie war klein, zu klein, aber das hieß nicht, dass sie nicht kraftvoll sein würde. Ich sah keine Kammer für Kugeln, aber tot war tot, mit oder ohne Kugeln. „Du bist eine Braut. Die Götter seien verflucht. Wer kommt dich holen?“
„Ich weiß es nicht“, wiederholte ich, mit steigender Panik in der Stimme.
Er fauchte mich an. „Scheiße. Dein Gefährte bringt wahrscheinlich ein ganzes Geschwader mit, um mich zu jagen.“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin ihm noch nie begegnet.“ Ich würde ihm nicht sagen, dass ich drei Gefährten hatte.
„Schweig.“ Schweiß tropfte von seiner Stirn auf seine Wange, und die Adern in seiner Schläfe traten unter seiner Haut hervor. Er hatte Angst, und das war nicht gut für meine Überlebenschancen. „Es ist scheißegal. Kapierst du das nicht? Er wird dich holen kommen. Eine verdammte Kriegerbraut.“
Ich zerrte an meinem Arm und versuchte, mich loszureißen. „Lass mich los!“, schrie ich.
„Er wird dich holen kommen, ganz recht. Und mich verdammt nochmal in Stücke reißen.“ Er packte fester zu, bis ich vor Schmerz aufschrie und Angst bekam, dass er mir einen Knochen im Arm brechen würde oder die Schulter ausrenken. „Verdammte Braut. Wie ist das passiert? Ich bin erledigt. Verdammt noch mal erledigt!“
Mein Zorn verlieh mir Mut. Ich hatte mich von den Corellis so stark einschüchtern lassen, dass ich mit ihnen zusammenarbeitete, alles tat, was sie wollten. Selbst nachdem meine Mutter tot und begraben war, zwangen sie mich noch, für sie zu schmuggeln. Drogen. Geld. Technologie. Kunst. Diamanten. Sie hatten gedroht, mich umzubringen, und ich hatte getan, was sie wollten. Ich hatte den Schwanz eingezogen und mich von ihnen herumkommandieren lassen. Und wofür? Alles, was für mich dabei rausgekommen war, war eine Gefängnisstrafe und eine Reise ohne Rückkehr auf diesen hinterwäldlerischen Planeten. Zum Teufel damit.
Ich holte aus und rammte ihm mit ganzer Kraft mein Knie in den Schritt. „Arschloch!“
Er ging zu Boden wie ein Stein, ließ aber nicht los und riss mich beinahe mit sich zu Boden. Die Waffe lag in seiner freien Hand, und er zielte sie auf mein Gesicht, das nur wenige Zentimeter über seinem schwebte. Ich packte sein Handgelenk mit beiden Händen und drückte kräftig dagegen, was ihn zwang, die Waffe von mir weg zu richten. Er feuerte sie ab, mit einem Knall, als würde eine Flaschenrakete zwischen uns explodieren. Ein weißer Lichtstrahl schoss daraus hervor und pulsierte auf die Bäume zu.
Knurrend rollte er sich auf die Seite und versuchte, mich zu Boden zu drücken, aber ich hielt mich mit aller Kraft an seinem Handgelenk fest. Ich keuchte laut, und meine Füße waren im Kleid verfangen. Da ich die Hände voll hatte, setzte ich wieder meine Beine ein und rammte ihm noch einmal mein Knie in den Leib. Entweder hatten Viken-Männer Eier aus Stahl, oder sein Adrenalinspiegel war so hoch wie meiner. Der Tritt richtete nicht mehr aus, als dass er nach Luft schnappte und ich Gelegenheit hatte, mich auf ihn zu stürzen, während er flach auf dem Rücken lag. Ich baute mich über ihm auf und blickte ihm in die dunklen, wütenden Augen, aber er hatte immer noch die Waffe.
„Ich bring dich um“, knurrte er.
„Na los, versuch‘s doch, du Arschloch.“ Etwas in mir machte Klick, und meine gesamte Angst war verflogen. Wenn ich hier sterben sollte, so sei es, aber ich war es leid, mich zu fürchten. Schikaniert zu werden. Von mächtigen Männern ausgenutzt zu werden, behandelt wie eine entbehrliche Schachfigur. Ich bückte mich und bohrte meine Zähne tief in seine Hand, bis ich spürte, wie meine Zähne durch die Haut brachen und Blut meinen Mund füllte.
Er heulte vor Schmerz auf und riss seinen Arm von mir weg an seine Brust, und ich nutzte meinen Vorteil. Ich hatte keine Ahnung, woher ich die Kraft nahm. Vielleicht strömte mir mein Zorn auf die Corellis durch die Adern, jedenfalls gelang es mir, sein Handgelenk zu einem schrägen Winkel zu verbiegen und nach unten zu drücken. Sein Arm war geschwächt und verkrümmt, und ich fiel auf ihn. Die Hand, in der er die Waffe hielt, lag zwischen uns eingeklemmt. Ich streckte den Rücken durch und tat mein Bestes, meinen Körper aus der Schusslinie zu halten, während ich sein Handgelenk in der Hoffnung weiter verdrehte, Knochen brechen zu hören.
Ich hörte einen Knall, sah ein kurzes Aufblitzen von grellem Licht. Nicht sein Handgelenk. Die Waffe war abgefeuert worden.
War ich getroffen? Eine Sekunde lang war ich in Panik und Sorge, dass Zorn und Schock den Schmerz einer Verletzung betäubten. Ich biss die Zähne zusammen und horchte in meinen Körper hinein, aber ich spürte nichts als rasendes Herzklopfen, während ich darum kämpfte, Luft zu holen und auszustoßen. Ich zitterte, und jeder bebende Atemzug fiel mir schwer. Ich zwinkerte langsam und versuchte, alles zu verstehen. Alles fühlte sich an wie in Zeitlupe, und ich sah aus einer Distanz zu, die ich nicht begreifen konnte.
Seine Beine wurden schlaff, und sein Widerstand legte sich. Unter mir wurde sein Körper weicher, seine Muskeln entspannt. Sein Griff um meinen Arm lockerte sich, und seine Hand glitt zu Boden. Er blickte mich mit großen Augen an, wie in Schock. Ich drückte mich von seiner Brust ab, packte die Waffe und kroch auf Händen und Knien rückwärts von ihm weg.
Das Licht, das durch das hohe Blätterdach der Bäume herunterfiel, tanzte auf seiner Brust, wo das Blut, das sein Hemd durchtränkte, sich wie eine leuchtend rote Blüte über den dunkelgrünen Stoff ausbreitete.
Die Vikens bluteten also rot, genau wie Menschen.
Ich sah zu, wie er langsam verblich. Der Geschmack von seinem Blut in meinem Mund drehte mir den Magen um, und ich rollte mich zur Seite, als mein Körper würgte und sich schüttelte. Ich hatte schon seit Stunden nichts gegessen, und zum ersten Mal war ich dankbar für einen leeren Magen.
Der Schreck saß mir tief in den Knochen. ich wandte mich von ihm ab und stand auf. Ich stand auf zittrigen Beinen und sah, dass seine Augen glasig und leer geworden waren. Mein Herz donnerte in meinen Ohren, aber der Rest von mir war völlig betäubt.
Er war tot. Ich hatte ihn getötet.
Ich riss den Kopf herum, links, dann rechts, auf der Suche nach weiteren Feinden, weiteren Bedrohungen. Wir waren inmitten einer Lichtung mit nichts als dem kleinen Gebäude, gedrungen und mit etwas wie Moos überzogen. Ich drehte mich langsam herum und fühlte mich, als wäre ich in einen Zauberwald spaziert. Hohe Bäume türmten sich wie Wolkenkratzer über mir auf, so dick und grün, dass ich kaum die Farbe des Himmels über ihnen erkennen konnte. Der Boden unter meinen Füßen war weich, federnd, dank einer Mischung aus Moos und dickem, saftigem Gras.
Ich fühlte mich, als wäre ich in ein Monet-Gemälde gestiegen. Ich sehnte mich nach meinem Malkasten, damit ich diese unglaubliche Schönheit auf Leinwand bannen konnte. Es war...Perfektion. Alles war feucht, als hätte es gerade geregnet. Um mich herum herrschte sattes Grün und hohe Luftfeuchtigkeit, und Schweiß trat mir auf die Stirn, während überall Tiere, die ich nicht kannte, in ihren Verstecken in fremden Lauten zwitscherten und quakten. Kletterpflanzen rankten sich von Baum zu Baum, und alle paar Handbreit blühte auf ihnen eine exotische Blume, größer als meine Handfläche, und schmückte den Wald mit leuchtendem Rosa und Lila, Orange und Gold. Viken war hübsch. Farbenfroh. Auf eigene Weise wunderschön, und ich wollte das alles malen.
Außer den toten Mann zu meinen Füßen.
Ich blickte auf die fremde Waffe in meiner Hand hinunter, zielte sie auf den Boden ein paar Schritte vor mir, und drückte ab. Nichts passierte. Ich versuchte es wieder und wieder, aber die Waffe war unbrauchbar.
Gereizt warf ich die Waffe beiseite und wandte dem kleinen Gebäude den Rücken zu. Ich brauchte Wasser oder sonst etwas, um den Geschmack von Tod aus dem Mund zu bekommen, aber ich konnte nicht zurück ins Transportzentrum. Was, wenn der Mann mit der Tätowierung zurückkam, um zu Ende zu bringen, was der Fähnrich begonnen hatte? Oder jemand anderer das tat?
Ich musste hier weg. Ich war hier nicht sicher, selbst wenn dieser Mann nun tot war. Selbst inmitten all dieser Natur. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Es war gut möglich, dass andere hier waren, die mich finden konnten. Wie würde ich den Toten erklären?
Ich lief in den Wald hinein und blickte nicht zurück. Ich war hier das Alien. Sie würden den toten Viken sehen, und ich würde einer Mordanklage entgegenblicken. Warum würde hier irgendwer auf mich hören? Ich war von der Erde. Ich war auf einem fremden Planeten. Gab es auf Viken irgendwelche Gesetze über das Recht, aus Selbstverteidigung zu töten? Gott, ich konnte nicht ins Gefängnis. Deswegen hatte ich mich doch überhaupt erst zum Bräute-Programm gemeldet.
Aber eines nach dem anderen, ich musste so viel Abstand wie möglich zwischen mich und diese verdammte Horrorgeschichte bringen.
Der Wald wurde um mich herum dichter, und ich lief weiter, bis das kleine Gebäude aus meinem Sichtfeld verschwunden war. Ich blickte mich um und sah keinen offensichtlichen Pfad, und hatte keine Ahnung, in welche Richtung ich sollte. Der Wald sah in alle Richtungen gleich aus.
Es war egal, welchen Weg ich einschlug, solange ich weit, weit weg lief.
Ich hob den Saum meines Kleides hoch und raschelte durch Blätter und Ranken, bahnte mir einen Weg zwischen Bäumen und Blumen hindurch, und blieb nicht stehen, bis meine Beine schmerzten und meine Lunge brannte.
Ich hatte auf der Erde mit den Corellis überlebt. Ich würde weiterlaufen, bis ich Leute fand, die freundlich genug wirkten, um sie um Hilfe zu bitten. Das Sprachdings, das die riesige Nadel mir bei der Abfertigung auf der Erde in den Schädel gepflanzt hatte, musste funktioniert haben, denn ich hatte die beiden Männer, die mich tot sehen wollten, nur zu gut verstanden.
Ja, es war ein Risiko, davonzulaufen. Aber dortzubleiben und darauf zu warten, dass der Tätowierte zurückkam und mich um die Ecke brachte, schien noch schlimmer.
Ich fand einen kleinen Bach und spülte mir den Mund aus, spritzte mir Wasser ins Gesicht und lief weiter.
Ja, gut möglich, dass ich hier in der Wildnis umkommen würde. Aber in diesem Moment hatte ich nichts mehr zu verlieren.
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