Colt-Helden: Super Western Sammelband 7 Romane

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»Wegen des dritten Burschen, Marshal. Die beiden werden nun in der nächsten Stadt alles brühwarm erzählen und behaupten, wir hätten ihren Partner umgebracht.«
Cobb erhob sich unendlich langsam und stemmte die Fäuste auf den Tisch. »Rede ruhig weiter, Keach!« Seine Augen zogen sich zusammen.
»Wir haben jeder eine Menge zu verlieren. Und wenn sie uns als Mörder anklagen, leiden unsere Familien auch mit darunter. Oder denkst du, die Frauen und Kinder allein können hier leben? Wovon denn?«
Der Schmied nickte. Andere schlossen sich an.
»Wen interessiert schon ein toter Fremder«, sagte der Schreiner im Hintergrund.
Zattig trat ans Gitter. »Legt sie um und lasst mich frei! Wir müssen jetzt zusammenhalten. Die Bucks teilen wir!«
Cobb schien ihn nicht zu hören. Er starrte die Leute an.
»Wir müssen an uns denken«, sagte Keach eindringlich. »Jeder ist sich selbst der nächste, Marshal. Vor allem die Frauen und Kinder müssten den Irrtum vielleicht ausbaden. Du hast auch eine Frau! Und eine Existenz!«
Cobbs Gestalt sank in den lädierten Sessel zurück.
»Zuerst schaffen wir mal die Pferde weg, bevor die Kerle Lunte riechen«, schlug der Barbier vor. »Habt ihr alle die Schießeisen dabei? Gegen so viele Männer haben die keine Chance!«
Die Menge wandte sich ab.
Cobb saß zusammengesunken hinter dem Schreibtisch.
*
»Jay!« Rio sprang auf.
Draußen wurden die Pferde weggeführt. Die Menge stürmte den Saloon mit Colts in den Fäusten.
Durango begriff, schleuderte dem ersten Mann sein volles Whiskyglas entgegen und rannte, hinter Rio her durch den halbdunklen Raum. Sie konnten durch die Hintertür entwischen, rannten um den stinkenden Müllhaufen herum und am Lagerhaus vorbei.
Drei Reiter sprengten neben dem Saloon entlang und näherten sich.
Jay zog den Colt, schoss hinter sich und rannte dabei weiter. Auch Rio feuerte.
Ein Mann wurde in die Schulter getroffen und brüllte, als würde er aufgespießt.
Durango bleib stehen, wandte sich um und feuerte den Colt leer. Ein Reiter sprengte heran, jagte vorbei und warf die Lassoschlinge nach dem Vormann. Die Arme wurden Jay gegen die Hüften gepresst. Das Seil straffte sich, riss ihn um und schleifte ihn ein paar Yard über den Boden.
»Greift euch den anderen!«
Jay sprang auf, bekam einen Tritt gegen das Kinn und fiel stöhnend nach der Seite. Sie zerrten ihn hoch, schleppten ihn zurück, am Saloon vorbei, über die Straße und ins Office hinein.
Cobb saß immer noch hinter dem Schreibtisch und schien in Gedanken weit weg zu sein.
Die Zelle wurde aufgeschlossen und Jay hineingestoßen. Er taumelte noch bis zu einer Pritsche, dann fiel er kraftlos darauf.
Wenige Minuten später brachten sie Rio und sperrten ihn ebenfalls ein. Dann standen sie wieder auf der einen Schreibtischseite und draußen, und der Marshal saß wie vorher da.
»Das muss sein«, sagte Keach barsch. »Wegen unserer Familien und weil wir hier nicht weg können.«
»Wollen wir sie einfach aufknüpfen?«, fragte der Schreiner, den auf einmal Zweifel zu plagen schienen.
Auch andere sahen nun weniger zuversichtlich aus.
Der schlaue Barbier erkannte das. »Wir werden es in aller Ruhe besprechen, Leute. Los, gehen wir hinüber in die Kneipe. Da ist mehr Platz als hier.«
Die Menge zog ab. Nur der Marshal saß immer noch hinter seinem Schreibtisch und schien die Welt, in der er schon so lange lebte, nicht mehr zu begreifen.
Jay fühlte sich wieder besser, setzte sich auf die Pritsche und schaute zu dem Mann hinaus.
Rio stand am Gitter. Zattig saß auf einer anderen Pritsche.
»Ist es wegen Jeff, Marshal?«, fragte Shayne.
James Cobb blickte endlich einmal auf und zur Zelle herüber.
»Den Spießern geht jetzt die Muffe!«, freute sich Zattig. »Weil ein Richter vielleicht' meinen könnte, der Cowboy hätte das überleben können, wäre er in der Hütte liegengelassen worden. Und sie fürchten, man wird es als Mord auslegen!«
Cobb stand auf. »Eigentlich geht das alles auf dein Konto, Zattig!«
Der Farmer zog den Kopf zwischen die Schultern. »So wird es der Richter aber kaum sehen. Zumindest darauf verlassen kannst du dich auf keinen Fall, Marshal!«
Cobb trat an die Tür und schaute in den Staub hinaus.
Der Schmied brachte die Frau des Marshals. »Sagen Sie es ihm, Madam. Erklären Sie ihm, wie wir das sehen!«
»James, ich bin entsetzt«, murmelte die bleiche Frau. »Sie werden vor allem dich als den Marshal dafür verantwortlich machen!«
»Natürlich, wen denn sonst!« Der Schmied lachte polternd auf. »Er vertritt schließlich das Gesetz. Wir waren nur dabei, um ihm behilflich zu sein.«
»James, das ist schlimm!«, rief die Frau.
»Geh nach Hause, Mattie.« Cobb drehte sich um, trat ins Office und schloss die Tür. Er setzte sich wieder hinter den Schreibtisch.
Schließlich tauchte der Barbier auf. »Willst du es nicht mit uns besprechen, Marshal!«
»Es wird nichts anders, wenn alle besoffen sind. Sagtest du nicht selbst, der Cowboy hätte keine Chance, seine Verletzung zu überleben?«
»Kann schon sein, dass ich es sagte, Marshal. Aber er lebte noch, als wir ihn mitnahmen. Und ich bin kein Arzt. Was ich gesagt habe, wird vor Gericht keine große Rolle spielen. Die jubeln das einfach hoch. Wenn der Richter was gegen uns hat, sind wir geliefert. Es wäre am Besten, wenn die Geschichte insgesamt nicht ruchbar wird.« Keach schaute in die Zelle. »Wenn die Burschen einfach weg sind.«
»Jay, wie findest du die?«, fragte Shayne, ohne sich umzuschauen.
»Aasgeier!«
»Aber mich lasst ihr ’raus!«, verlangte Zattig.
»Ja, dich lassen wir frei, Jewy. Das Geld kriegst du natürlich nicht. Und verschwinden wirst du ebenfalls. Benson holt schon ein Pferd für dich.«
»Bin ich noch der Marshal?«, wollte Cobb wissen.
»Nur, wenn du mit in den Saloon gehst und akzeptierst, was die Mehrheit von uns beschließt.«
»Du meinst, wenn ich das gesetzlose Spiel mitmache?«
»Wir müssen nach unseren eigenen Gesetzen leben, Cobb. Das ist in der Wildnis so.«
»Vielleicht spielt ihr das mit dem Verletzten viel zu hoch«, murmelte der Marshal. »Er überstand den Transport nicht, das war alles. Dafür können wir geradestehen.«
»Nein, nein, Cobb. Das legen die uns anders aus.«
Der Schreiner erschien mit einem gesattelten Pferd vor dem Store. »Was ist, Keach?«
»Der Marshal will nicht.«
Benson winkte über die Straße.
Die Männer kamen herüber. Ohne Eile schob sich einer nach dem anderen ins Office. Cobb trat hinter den Schreibtisch. »Was ihr tun wollt, ist ein Verbrechen!«
»Schließ auf!«
»Nein.«
Die Männer zogen die Colts und bedrohten den eigenen Marshal.
»Wir regeln das auf unsere Art«, erklärte der Barbier.
Vier Mann umgingen den Schreibtisch und drängten den Marshal mit vorgehaltenen Waffen in die Ecke. Keach holte den Schlüssel. Die anderen kamen ihm zu Hilfe und bedrohten nun ihrerseits Jay und Rio, während der Farmer freigelassen wurde.
Keach schloss die Zelle zu und zog den Schlüssel ab. Sie eskortierten Zattig hinaus.
»Das ist ja unglaublich«, sagte Rio. »Hier herrscht das Faustrecht, Jay!«
»Merkst du es auch schon?«
Der Marshal wurde immer noch von ein paar Männern bedroht, die sich aber inzwischen zurückzogen und das Office verließen.
Zattig saß auf dem Pferd und trieb es an. Kaum war er aus dem Blickfeld Jays verschwunden, brüllte der Schmied: »Halt, Zattig! Das geht so nicht!«
Der Reiter musste denken, sie wären anderen Sinnes geworden und wollten ihn erneut einsperren. Er schlug auf das Pferd ein und brüllte es an.
»Halt, oder wir schießen!«, rief Keach.
Der trommelnde Hufschlag verschluckte den Ruf.
Gewehre entluden sich. Ein Pferd wieherte. Das Knattern der Waffen erfüllte die Stadt.
Dann war es still.
»Das gibt es doch gar nicht«, sagte Rio. »Die sind ja wie Banditen. Marshal, sag mir, dass es so was nicht gibt!«
Cobb zog den Colt und verließ das Office. »Ihr seid alle verhaftet!«, rief er.
»Die haben den Mörder einfach abgeknallt«, sagte Rio, der es immer noch nicht fassen konnte.
»Auf der Flucht erschossen, werden sie sagen. Und aufgefordert, anzuhalten, wurde er wirklich.«
»Cobb, wirf den Colt weg!«, befahl der Barbier. »Ich habe dir gesagt, wir regeln es auf unsere Art.«
Der Stadt-Marshal trat zurück und hieb die Tür zu. Als die anderen heranstürmten, feuerte er durch das Fenster. Klirrend zerbarst die Scheibe. Scherben wurden auf die Straße geschleudert.
Cobb griff nach dem Schlüssel und schloss die Zelle auf. »Haut ab und seht zu, dass sie euch nicht schnappen!«
Jay trat an den Spind und fand ihre Waffen wie erwartet wieder darin. Er warf Rio den einen Patronengurt zu, schnallte den anderen um und griff nach zwei Gewehren.
»Cobb mach uns keinen Ärger. Das müssen wir gemeinsam durchstehen. Denk an unsere Existenz!«
Cobb feuerte über die Köpfe der Menge hinweg. Dreimal entlud sich der Colt.
Die Männer warfen sich draußen in den Sand und erwiderten das Feuer.
Aber sie zielten nicht zu hoch. Ihre Kugeln trafen die Tür und wimmerten durch das Fenster.
»James!«, schrie die Frau des Marshals irgendwo. »Ihr wollt ihn töten! Mörder!«
Cobb schoss seinen Revolver leer. Aber er zielte noch immer nicht auf die wildgewordenen Männer seiner Stadt, sondern über sie hinweg.
Sie dankten es ihm mit einem weiteren Kugelhagel.
Die Frau schrie etwas in das Dröhnen der Waffen hinein , aber es ging unter.
James Cobb zuckte getroffen zusammen und taumelte gegen die Wand.
»Weg hier!« Rio stürzte in die Kammer und hinten hinaus. Niemand stellte sich ihm in den Weg. Offenbar rechneten sie nicht damit, dass der Stadt-Marshal die Zelle aufgeschlossen haben könnte.
»Vorwärts!«, brüllte der Barbier, der inzwischen zum geistigen Führer der vermeintlich ums nackte Überleben kämpfenden Horde geworden war.
Mit Gebrüll, das ihnen selbst Mut zusprechen sollte, stürmten sie das Office. Jay verließ es gerade noch schnell genug hinten hinaus.
Der Marshal kniete, richtete die Waffe auf die Eindringlinge und drückte ab.
Barbier Keach wäre kaum noch dazu gekommen, sich aus dem Weg zu werfen, aber Cobbs Revolver gab nur ein Klicken von sich.
Keach stieß den Verletzten zur Seite. Stöhnend fiel Cobb um. Dann sah der Barbier die offenstehenden Türen in der Kammer und hinten aus dem Haus. »Die Schufte sind weg, Cobb rollte stöhnend auf den Rücken. Seine Jacke wies an der Hüfte einen Riss auf.
»Ihr habt ihn umgebracht!« Cobbs Frau verschaffte sich mit Ellenbogenstößen Zutritt zum Office und kniete neben dem Stadt-Marshal nieder.
Keach stürmte durch die Kammer.
Jay und Rio erreichten gerade das Buschwerk hinter dem Mietstallgelände.
»Da sind sie!« Keachs Revolver entlud sich.
Vom Stall schossen zwei Männer aus Gewehren.
»Das schaffen wir nicht!«, sagte Rio.
Jay feuerte hinter sich, repetierte das Gewehr und jagte die nächste Kugel in den Hof. Pochend wurde die Stalltür getroffen. Sie liefen hinter den Gebäuden weiter und drangen in den Store ein, weil dessen Tür einen Spalt offen stand. Rio verriegelte die Tür von innen.
Durch den schmalen Flur erreichten sie den Drugstore, der mit seinen Regalen und Warenstapeln mannigfaltige Deckung bot. Rio suchte nach Patronen. Im zweiten Regal wurde er fündig und stellte mehrere Kartons auf den Tresen.
Jemand warf sich gegen die Hintertür.
Jay schoss durch den Flur. Das Krachen rüttelte an den Wänden.
Ein zweiter Anprall ließ Riegel und Türbänder scheppern.
»Zur Straße!«, kommandierte Keach. »Die nageln wir fest.«
Jay lud seine Winchester nach und repetierte sie.
Hinter dem Haus wurde auf die Tür geschossen.
»Hört auf damit, hier ist alles sehr stabil!«, schimpfte Savage, der Besitzer des Drugstore. »Ross und Bruce, verschanzt euch und lasst sie hier nicht heraus!«
Schon erreichten die Leute die Straße. Als Rio sie sah, schoss er quer durch die Handlung. Jay unterstützte ihn dabei. Die große Fensterscheibe vor den Auslagen und die kleinere in der Tür wurden von den Kugeln zerrissen. Wie sturmgepeitschte Regenschauer flogen die Splitter zur Fahrbahn.
Pulverrauch hüllte die beiden Männer im Drugstore ein. Hinter dem Tresen und dem Rumfass daneben gingen sie in Deckung.
Draußen zog sich die Bande zur anderen Straßenseite zurück.
»Jetzt sitzen sie in der Mausefalle!«, frohlockte der Barbier.
»Und mein Geschäft geht dabei zum Teufel!«, jammerte Savage lauthals.
»Mach dir nichts daraus, Hiram, das kriegen die alles mit aufgebrummt. Die machen wir fertig!«
»Hörst du den?«, fragte Rio. »Die dichten eine ganz neue Geschichte zusammen!«
Jay feuerte mehrere Schüsse hinaus, was die Gegner dazu bewog, sich hinter die Ecken der gegenüberliegenden Häuser zu schieben.
Der penetrant stinkende Schwarzpulverdampf wallte durch den Store und zog träge zu den zerschossenen Fenstern hinaus.
Auf der anderen Straßenseite krachte ein Gewehr. Haarscharf pfiff Jay die Kugel am Kopf vorbei und zerfetzte eine Whiskyflasche im Regal hinter ihm. Scherben spritzten umher. Whisky lief vom Regalbrett. Jay schob sich weiter zur Seite.
Dann feuerten sie alle auf einmal.
Jay und Rio duckten sich hinter den Tresen. Die Wände, Regale und Kisten wurden getroffen. Ein Projektil prallte von einer Axt ab und pfiff als Querschläger fürchterlich quarrend durch den Store.
Jay richtete sich auf und jagte in rasender Folge mehrere Schüsse hinaus. Wer sich gerade aus der Deckung wagen wollte, zog sich augenblicklich zurück.
»Was soll das denn bedeuten?«, staunte Rio.
»Es war der erste Versuch, einen Sturm vorzubereiten.« Jay schob sich gegen die linke Regalwand. »Wir müssen aufpassen. Wenn sie erst mal hier drin stehen, sind wir erledigt!«
»Ich sehe überhaupt keinen Weg mehr, der uns aus dem Nest führen könnte.«
Jay Durango blickte über die Regale hinweg. Gebündeltes Presspulver und Lunten in Ringen lagen in einem langen Fach. Geduckt lief er hinüber und hinter das Regal, das ihn zur Straße hin deckte.
Rio feuerte, als ein Mann vor dem Haus gegenüber von einer Ecke zur anderen rannte. Die Kugel verfehlte die Gestalt jedoch. Klatschend traf sie die Wand.
Eine heftige Salve kam als Antwort zurück. Selbst hinter dem Regal musste Jay in die Hocke gehen, um unverletzt zu bleiben. Doch nach ein paar Sekunden brach das Knattern ab. Wie Polster schwebten draußen die Pulverdampfwolken über der Straße.
Jay richtete sich an einem Pfosten auf und sah eine unveränderte Lage. Mit einem im Regal liegenden Küchenmesser schnitt er eine kurze Lunte zu, verband sie mit einem Presspulverpäckchen, zündete sie an, wartete ein paar Sekunden und schleuderte sie danach durch das zerschossene Fenster.
Das Wurfgeschoss beschrieb einen Bogen über der Straße. Rauch und Funken markierten den Weg. Es schlug in den Sand, rollte noch ein kleines Stück und explodierte. Ein fürchterliches Krachen rüttelte an den Häusern. Die Druckwelle ließ Scheiben klirren und zerfetzte zwei im Haus gegenüber. Sand und Rauch standen wie eine Wand zwischen den beiden Straßenseiten.
Sofort fühlten sich die Männer der Stadt animiert, einen neuen Feuerüberfall zu starten.
Jay und Rio kauerten auf dem Boden. Jay hatte ein zweites Presspulverpäckchen und die Lunte mitgenommen und bastelte die nächste Ladung zusammen.
Rio lachte. »Wenn du etwas weiter wirfst, reißt es die Bude gegenüber auseinander!«
Das Gewehrfeuer flackerte ab.
»Achtung, die greifen an!«, schrie Rio erschrocken.
Durch Staub und Pulverdampf drangen die Männer jäh vorwärts und hätten Jay mit diesem Manöver glatt überrumpelt. Er sprang auf, feuerte von der Hüfte aus und hebelte das Gewehr so schnell er konnte durch.
Auch Rio schoss.
Der Drugstorebesitzer wurde getroffen und brach zusammen. Keach streifte eine Kugel am Bein, was ihn zu einem Luftsprung veranlasste. Die anderen kehrten bereits um und tauchten hinter den grauen und braunen Schwaden unter. Keach hastete hinterher. Savage kroch rückwärts, blieb dann jedoch in einer Radrinne liegen, wo sein Gesicht in den Sand schlug.
Jay hob das zweite Pulvergeschoss auf, brannte die Lunte an und warf es nach links hinaus. Es landete weit von dem Liegenden entfernt auf der Straße, rollte noch zwei Yard und explodierte mit einem neuerlichen Donnerschlag.
»Aufhören!«, brüllte jemand. »Die nehmen uns die ganze Stadt auseinander!«
Rio lachte aufgekratzt. »Das kann euch blühen!«, schrie er laut hinaus.
»Savage scheint tot zu sein«, sagte jemand.
»Ihr Schurken habt meinen Mann angeschossen!«, meldete sich Mattie Cobb. »Will sich der Barbier denn nicht endlich um ihn kümmern?«
»Das wird für die Leute langsam zum totalen Chaos«, stellte Jay fest. »Leider beschafft es uns keine Pferde.«
»Ein Glück, dass wir im Store sind«, erwiderte Rio.
»Warum?«
»Sieh dich doch um, was hier alles herumsteht. Lauter Dinge, die die Leute brauchen. In jedem anderen Haus würden sie uns vielleicht die Wände anzünden.«
»Ach so meinst du das.« Jay bastelte für alle Fälle eine weitere Sprengladung zusammen.
»Hört ihr mich, ihr zwei Lumpenhunde da drin?«, rief der Barbier. »Wir haben beschlossen, euch verschwinden zu lassen.«
Rio schaute fragend zu Jay herüber. »Was ist das für ein neuer Trick?«
»Woher soll ich das wissen.« Jay blickte in die Wolke aus Rauch und Staub hinaus. Keiner der Männer ließ sich darin sehen.
»Habt ihr verstanden?«
Rio tastete sich an der Wand entlang nach vorn. »In Ordnung, bringt die Pferde. Dann werden wir sehen, was ihr vorhabt.«
»Ihr könnt abhauen. Es geht nicht, dass unsere ganze Stadt in die Luft fliegt. Also, wir bringen die Pferde gleich. Schießt nicht auf den Mann, der sie vor den Store stellt.«
Rio schaute zu Jay herüber. Der Vormann zuckte mit den Schultern.
»Ich hab keine Ahnung, was die bezwecken, Rio. Aber dass sie plötzlich so große Angst um ihre Häuser haben sollen, kann ich auch nicht glauben.«
»Da steckt eine größere Gemeinheit dahinter. Bestimmt hoffen sie, uns leicht abknallen zu können, wenn wir die Deckung verlassen!«
»Mal abwarten.«
*
Der Stallmann sah ängstlich aus und versuchte, neben den Pferden zu gehen, um sie als Deckung zu benutzen. Vor dem Store ließ er die Zügel los und hastete zur anderen Seite.
Staub und Qualm waren weitgehend abgezogen. Die lauernden Männer an den Hausecken verrieten sich durch die Gewehre, deren Läufe in der Sonne schimmerten.
»Worauf wartet ihr noch?«, rief der Barbier. Er stand im Haus gegenüber im Dunkel hinter der gesprengten Fensterscheibe.
»Denkt ihr, wir hätten Stroh in den Köpfen?«, rief Rio.
»Was wollt ihr denn noch? Schwingt euch auf die Gäule und haut ab!«
»Kämen wir denn bis in die Sättel?«, fragte Jay laut. »Oder wollt ihr uns nur aus dem Store locken?«
»Die trauen uns nicht«, sagte der Schmied. »Weil wir hier herumstehen und sie abputzen könnten. Vielleicht sollten wir uns zum anderen Stadtende zurückziehen.«
»Also gut«, erwiderte Keach so laut, dass Jay und Rio ihn wieder verstanden.
Die ersten Gewehrläufe verschwanden von den Ecken. Auch der Mann im Haus gegenüber zog sich zurück und schien das Anwesen hinten hinaus zu verlassen. Der Schmied und der Schreiner tauchten am übernächsten Gebäude auf und gingen rückwärts die Straße hinunter.
»Die können mir doch nicht weismachen, dass es auf einmal so billig abgehen soll!« schimpfte Rio.
Jay verfolgte das Rückzugsmanöver ebenfalls mit äußerstem Misstrauen. Doch es gab schließlich keinen Zweifel, dass mindestens der weitaus größte Teil der Männer diese Stadthälfte verließ, denn sie waren zu sehen, als sie sich im Westen sammelten.
Das Gebiet um den Store wirkte bis zum Saloon verlassen. Nur der Tote lag draußen im Straßenstaub, und die beiden Pferde standen vor dem Drugstore. Die Frau des Marshals schimpfte, weil sich noch immer niemand um Cobb kümmerte. Aus dem Saloon trat ein alter, gebeugter Mann und sagte: »Sie sind alle weg.«
Jay blickte auf die Pferde. Es handelte sich um ihre eigenen Tiere und Sättel. Die Gurte sahen festgeschnallt aus. Nichts deutete auf eine Unregelmäßigkeit hin, die eine rasche Flucht beeinträchtigen könnte.
Rio wagte sich auf der einen, Jay auf der anderen Seite bis dicht an die vordere Wand.
»Klemmt euch die Gäule zwischen die Beine und haut ab!«, rief der alte Mami. »Wir wollen euch vergessen!«
Jay stieg in die Auslagen des Fensters. Sein Blick glitt an den Hausfronten entlang nach Westen, zurück und neuerdings nach Westen.
Rio erreichte die Tür, das Gewehr an der Hüfte angeschlagen und jede Sekunde bereit, zu schießen.
Nichts rührte sich, kein Gewehrlauf schob sich vor. Nur der alte, gebeugte, aber unbewaffnete Mann beim Saloon stand noch da. Selbst wenn er einen verborgenen Revolver bei sich führte, mussten sie ihn nicht fürchten. Er stand zu weit entfernt.
»Irgend etwas ist faul«, murmelte Rio. »Auch wenn wirklich kein Schütze in der Nähe lauert.
Jay trat weiter vor und stieg auf den Fußweg. Das Hemd klebte ihm zwischen den Schulterblättern auf der Haut. Auch über das Gesicht und den Hals lief ihm der Schweiß.
Rio trat heraus und schaute sich auf dieser Seite um. »Nichts. Keiner da. Hast du jetzt eine Erklärung dafür?«
»Nein.« Jay ging bis zur Fußwegkante weiter und stieg die beiden Stufen hinunter.
Nicht weit entfernt lag der Leichnam des Farmers am Straßenrand. Sie konnten ihn erst jetzt sehen.
Jay erreichte den braunen Hengst und griff mit der linken Hand nach dem schleifenden Zügel. Rio trat zwischen die Tiere.
»Ist dein Sattel wirklich fest, Rio?« Jay musste danach fragen, weil er das zweite Tier vorher so genau nicht sehen konnte.
»Ja.«
»Dann los!«
Sie schwangen sich in die Sättel und trieben die beiden Pferde an. Die Hufe trommelten auf den harten Sandboden und warfen neue Staubfontänen in die Höhe.
Kein einziger Schuss wurde hinter ihnen abgefeuert. Unbehelligt galoppierten sie aus der Stadt.
*
Um den Barbier standen die Männer. Keach grinste. Ein paar begannen zu lachen.
»Die hauen wir in die Pfanne«, sagte der Barbier. »Das wird uns ein bisschen Mühe kosten, ist aber nötig.«
Die aufwirbelnde Staubwand verschluckte die beiden Reiter.
»Schnell, satteln wir die Pferde!«
Sie liefen gemeinsam zum Mietstall.
Mattie Cobb tauchte im Hof auf, als Keach als erster die Baracke verließ.
»Mörder!«, rief die Frau. »Ihr habt den Storebesitzer auf dem Gewissen.«
»Wir sind alle erwachsene Leute und wissen, was wir zu tun haben!«, stieß Keach barsch hervor.
»James liegt im Office in seinem Blut!«, herrschte die Frau ihn mit blitzenden Augen an. »Ihr habt ihn niedergeschossen.«
»Er muss von allen guten Geistern verlassen sein, unsere Existenz, vielleicht unser Leben zu gefährden.«
»Genau!« schimpfte der Schmied, der sich schon in den Sättel schwang. »Den Denkzettel hat er nötig gehabt. Und sagen Sie ihm gleich, dass wir einen anderen zum Marshal machen, wenn wir zurückkehren. Der Stadt-Marshal hat unsere Interessen zu vertreten. Nur unsere Interessen.«
»James vertritt das Gesetz, hat er eben noch zu mir gesagt.«
»Hier ist Gesetz, was uns dient!«, brüllte Keach die bleiche Frau an. Er saß ebenfalls auf und sprengte an Mattie Cobb vorbei, bevor sie ihm in den Zügel fallen konnte.
Hilflos stand die Frau auf der Straße. Rechts und links an ihr galoppierte die Meute vorbei. Staub hüllte sie ein.
Erst als die Reiter die Stadt hinter sich ließen, wagten einige Frauen, den Kopf aus den Häusern zu strecken. Die erste trat heraus, kam auf die Straße und umarmte die konfuse Mattie Cobb. »Lass uns nach dem Marshal sehen, Mattie.«





