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Von daher kann es weder eine dualistische Trennung von Glaube und Vernunft geben, die in rein fideistischer Fixierung auf den Glauben dessen vernünftig nachvollziehbare Relevanz außer Betracht lässt, noch ist eine rationalistische Identifizierung von Glaube und Vernunft angemessen, die den Glauben rein rational natürlichen Prämissen unterwirft. Ein rein rationaler Glaube erweist sich also ebenso wenig als vernünftig wie ein rein fideistischer Glaube. Vernünftig ist vielmehr allein der empfangende Glaube, der sich vor dem Hintergrund der kosmologischen, anthropologischen und theologischen Ahnung von Gott (Anknüpfungspunkte) der Selbsterschließung Gottes öffnet. Denn das vom trinitarischen Gott Geschaffene findet seine „volle Verwirklichung erst dann, wenn es in das Licht des Urbilds, welches Maß und Ziel seines Seins und Wirkens ist, gestellt wird. Deshalb ist es die vom Glauben an den dreieinigen Gott geleitete Vernunft, welche die tiefsten Potentialitäten alles Wirklichen zu entdecken und zu aktuieren vermag.“53 Im Kontext der als Krisis und Integral der Wirklichkeit fungierenden trinitarischen Selbsterschließung erweist sich nicht nur der von seinem Gegenstand bestimmte Glaube als trinitarisch geprägt, sondern auch die Vernunft, die aufgrund ihrer Schöpfungsvoraussetzungen letztlich trinitarisch ausgerichtet ist. Geschöpfliche Natur und Vernunft bleiben nämlich trotz der Sünde Anknüpfungspunkte für die Erschließung der Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott, weil sie darauf ausgerichtet sind: „Wenn es faktisch keine natürliche Ordnung (im traditionellen Sinn) gibt und ‚Natur‘ (Schöpfung) immer schon Anfang von trinitarischer Offenbarungs- und Heilsgeschichte ist, so gibt es auch keine natürliche Vernunft im Sinne eines ‚neutralen‘ Vermögens als jener geistigen Fähigkeit, mit der der Mensch sich die Wirklichkeit zu eigen macht, seinen eigenen Ort darin bestimmt und allenfalls noch eine unbestimmte Offenheit auf Transzendenz erfährt. Vielmehr ist auch die Vernunft faktisch geprägt von dem und ausgerichtet auf das von Gott in Freiheit eröffnete und geschenkte Ziel des Lebens mit dem dreifaltigen Gott. Und da dieses Ziel sich dem Menschen in einem geschichtlichen Offenbarungsprozeß darbietet, ist die Vernunft nicht indifferent gegenüber den sie an-gehenden geschichtlichen Bestimmungen.“54 Unter diesen Voraussetzungen wird die Offenheit der Vernunft für die Heils-Anrede Gottes transparent.
Schließlich bleibt noch darauf hinzuweisen, dass es sich beim Glauben als existentiell vertrauende Selbstübereignung an die Liebe Gottes um eine die gesamte Existenz betreffende Lebenshaltung handelt. Deshalb spielen für den Glauben neben der Vernunft auch noch das Gefühl und der Wille eine zentrale Rolle. Denn das „Bestimmtwerden durch den Adressaten des Glaubens, Gott, hat […] unmittelbar den Charakter des Sich-bestimmt-Fühlens, mittelbar den Charakter des Sich-bestimmt-Wissens und des Sich-bestimmen-Lassens. Erst in dieser Ganzheit und Einheit ist der Glaube, was er ist.“55 Dabei entspricht das Gebet, das der Haltung des Glaubens angemessen ist, in seiner sich zuwendenden, offenen, hingebenden und empfangenden Haltung der sich frei zuwendenden und hingebenden Liebe Gottes.
Literatur
Härle, Wilfried: Dogmatik, Berlin/Boston 42012.
Haudel, Matthias: Die Selbsterschließung des dreieinigen Gottes. Grundlage eines ökumenischen Offenbarungs-, Gottes- und Kirchenverständnisses (= FSÖTh 110), doppelte Aufl., Göttingen 2006.
Jüngel, Eberhard: Entsprechungen: Gott – Wahrheit – Mensch. Theologische Erörterungen (= BEvTh 88), München 1980.
Jüngel, Eberhard: Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten im Streit zwischen Theismus und Atheismus, Tübingen 82010.
Kasper, Walter: Der Gott Jesu Christi (= Das Glaubensbekenntnis der Kirche 1), Mainz 1982.
Lønning, Inge: Art. „Gott VIII: Neuzeit/Systematisch-theologisch“, in: TRE 13, S. 668–708.
______________
1Vgl. zum Resonanzboden des Gottesbegriffs G. Ebeling: Dogmatik I, S. 182ff.
2Vgl. zum religionsgeschichtlichen Spektrum G. Lanczkowski: Art. „Gott I“, S. 601ff.
3Vgl. J. Hirschberger: Geschichte I, S. 14–243.
4Das wird in den folgenden Kapiteln noch ausgeführt. Vgl. auch M. Haudel: Selbsterschließung, S. 565–585.
5Vgl. W. Kasper: Gott, S. 358. Kasper wählt diese Formulierung in Anlehnung an J.E. Kuhn und F.A. Staudenmaier. Vgl. auch W. Pannenberg: Systematische Theologie 1, S. 363, der diesen Begriff ebenfalls übernimmt.
6E. Jüngel: Entsprechungen, S. 195 u. 185. Vgl. I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 691: „Als Platzhalter eines definitiven Woraufhins ist das Wort ‚Gott‘ für das Gesamtgefüge der sprachlichen Kommunikation von eminenter Wichtigkeit.“
7W. Pannenberg: Systematische Theologie 1, S. 128, wo er auf K. Rahner zurückgreift.
8W. Kasper: Gott, S. 101.
9C. Schwöbel: Trinitätslehre, S. 143 (Hervorhebung v. Vf.).
10G. Greshake: Gott, S. 41.
11Vgl. Gemeinschaft, S. 88, und E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 229ff.
12C. Schütz: Tendenzen, S. 281.
13F. Schmid: Erwägungen, S. 68.
14C. Schütz: Tendenzen, S. 275.
15Ebd., S. 283.
16W. Kasper: Gott, S. 27. Vgl. E. Jüngel: Gott, S. 541: „Man kann vor der ehernen Tatsache der eigenen Begrenztheit, die angesichts der Todesgrenze und ihres non plus ultra besonders peinlich ist, auch resignieren. Man würde damit aber gegenüber dem Menschsein des Menschen, man würde vor sich selbst resignieren.“
17I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 699.
18W. Kasper: Gott, S. 115.
19Vgl. D. Staniloae: Dogmatik I, S. 26f. u. 137ff.
20Ebd., S. 27. Vgl. C. Schütz: Tendenzen, S. 283f.: „Dem […] Zusammenhang von Geschichte und Sinnfrage bzw. Sinnerfahrung wird kein apersonales Erklärungsmodell letztlich gerecht.“
21W. Kasper: Gott, S. 124.
22G. Ebeling: Dogmatik I, S. 190.
23E. Jüngel: Gott, S. 219.
24M. Haudel: Bibel, S. 73.
25W. Kasper: Gott, S. 151.
26J. Werbick: Trinitätslehre, S. 557 (im Original kursiv). Vgl. zu den kosmologischen und anthropologischen Dimensionen der Transzendenz M. Haudel: Selbsterschließung, S. 464ff.
27Vgl. E. Jüngel: Gott, S. 29ff.
28W. Kasper: Gott, S. 143.
29E. Jüngel: Gott, S. 137.
30Ders.: Entsprechungen, S. 196.
31W. Kasper: Gott, S. 158.
32E. Jüngel: Gott, S. 211. Vgl. P. Siller: Gotteslehre, S. 18: „Es gibt also keine Enthüllung Gottes vom Menschen her, aber ein Sichselbstzeigen Gottes.“ – Auch nach Luther ist darauf zu hören, „was Gott selbs sagt und leret“ (WA 37;45,7).
33W. Kasper: Gott, S. 147 (im Original kursiv).
34Ebd., S. 123.
35Vgl. E. Jüngel: Gott, S. 12f. u. 208.
36W. Kasper: Gott, S. 15.
37Vgl. I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 701f.
38W. Härle: Dogmatik, S. 234.
39J. Werbick: Gott, S. 11f.
40F. Schmid: Erwägungen, S. 67.
41Vgl. E. Jüngel: Gott, S. 211: „Die Vernunft ist vernünftig, wenn sie begreift, daß sie von sich aus keinen Gott konstruieren kann. Die Vernunft ist vernünftig, wenn sie begreift, daß ein Gott überhaupt nur dann als Gott gedacht wird, wenn er als sich offenbarender Gott gedacht ist.“ – Zur Bedeutung des menschlichen Subjekts im Prozess der Gotteserkenntnis siehe Anm. 9, I. Kap.
42W. Härle: Dogmatik, S. 229.
43Vgl. insgesamt M. Haudel: Selbsterschließung, S. 485ff. Zu Gregor von Nazianz vgl. ebd., S. 129ff.
44Auch die Authentizität menschlicher Worte bedarf der Übereinstimmung mit den Taten.
45B.J. Hilberath: Gott, S. 37.
46Zu Kant siehe Kap. VI,1.
47E. Jüngel: Entsprechungen, S. 258f.
48W. Kasper: Gott, S. 154. Vgl. ebd., S. 167: „Das Bekenntnis vom Offenbarungs- und Heilshandeln Gottes des Vaters durch Jesus Christus im Heiligen Geist ist die Explikation dieses einen Geheimnisses unseres Heils.“
49Vgl. C. Schwöbel: Human Being, S. 146f. Vgl. insgesamt E. Jüngel: Gott, S. 466f. u. 219, der zeigt, dass der Glaube als die vom redenden Gott ermöglichte und eröffnete existentielle Relation des sich auf den anredenden Gott einlassenden Menschen die „Verschränkung von Aktivität und Passivität des Erkennens im Gottesgedanken“ beinhaltet (ebd., S. 218).
50Vgl. W. Härle: Dogmatik, S. 234.
51Vgl. E. Jüngel: Entsprechungen, S. 171ff. u. 242ff.
52J. Werbick: Gott, S. 43.
53G. Greshake: Gott, S. 41.
54Ebd., S. 39.
55W. Härle: Dogmatik, S. 68f. – Zu weiteren Aspekten des menschlichen Subjekts im Glaubensprozess siehe Anm. 9, I. Kap. – In diesem Zusammenhang ist auch Paul Tillichs Berücksichtigung der verschiedenen Dimensionen menschlicher Existenz zu nennen. Siehe P. Tillich: Systematische Theologie I-III.
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